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Title: Naturgeschichte einer Kerze : Sechs Vorlesungen für die Jugend
Author: Faraday, Michael
Language: German
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*** Start of this LibraryBlog Digital Book "Naturgeschichte einer Kerze : Sechs Vorlesungen für die Jugend" ***
KERZE ***



    Anmerkungen zur Transkription


    Das Original ist in Fraktur gesetzt. Im Original gesperrter
    Text ist _so ausgezeichnet_. Im Original in Antiqua gesetzter
    Text ist ~so markiert~. Im Original fetter Text ist =so
    dargestellt=.

    Weitere Anmerkungen zur Transkription befinden sich am Ende des
    Buches.

[Illustration]



    Michael Faraday

    Naturgeschichte einer Kerze.

    Sechs Vorlesungen

    für die Jugend.

    Vierte Auflage.

    Mit einem Lebensabriß Faraday’s,

    herausgegeben von

    ~Dr.~ Richard Meyer,

    Professor an der Technischen Hochschule in Braunschweig.

    Nebst einem Bildnis Faraday’s
    und 35 Holzstichen.

    [Illustration]

    Dresden
    Hans Schultze, Verlagsbuchhandlung
    1905.



Druck von Wilhelm Baensch in Dresden.



Vorbemerkung zur zweiten Auflage.


_Michael Faraday’s_ »_Naturgeschichte einer Kerze_« wird hiermit der
jungen Leserwelt in einer neuen Auflage übergeben. Gern willigte
der Unterzeichnete ein, die ihm von der Verlagshandlung angetragene
Herausgabe zu übernehmen, welche der ursprüngliche Übersetzer zu
besorgen nicht in der Lage war. Selbstverständlich wurde der Text
einer sorgfältigen Durchsicht, insbesondere einer Vergleichung mit dem
englischen Original unterworfen, wobei ziemlich vielfache Abänderungen
nötig waren. Die frische, lebendige und, man darf wohl sagen naive
Darstellungsweise _Faraday’s_ suchte man überall so getreu als möglich
wiederzugeben. Ganz streng ließ sich freilich die Anlehnung an das
Original nicht immer durchführen. _Faraday_ hat seine Vorträge nicht
niedergeschrieben, sondern frei gehalten, und das Büchlein verdankt
seine Entstehung den raschen Aufzeichnungen eines Zuhörers. Dieser
Ursprung gibt sich vielfach sehr vorteilhaft zu erkennen; zuweilen aber
hatte er auch offenbare Unklarheiten zur Folge, und in solchen Fällen
hielt es der Herausgeber für seine Pflicht, die verbessernde Hand an
das ihm sonst als unverletzlich geltende Original zu legen. Hier und da
wurde auch eine knappe erläuternde Anmerkung angebracht.

Das vorangestellte kurze Lebensbild _Faraday’s_ wird von den
jugendlichen Lesern, für welche ja immer das Persönliche von
besonderem Interesse ist, nicht ungern entgegengenommen werden. Die
seltenen Charaktereigenschaften des Mannes, welche seiner hohen
wissenschaftlichen Bedeutung würdig zur Seite stehen, machen ihn
zu einem wahren Vorbilde für die Jugend, und die Mitteilung seines
Entwickelungsganges erschien daher auch vom pädagogischen Standpunkte
aus gerechtfertigt. Als Quelle dienten hauptsächlich die pietätvollen
Aufzeichnungen über _Faraday_, welche von seinem jüngeren Freunde
_Tyndall_ herausgegeben worden sind[1], und welche außer einer Fülle
von persönlichen Erinnerungen einen wahren Schatz von brieflichen
Aufzeichnungen aus der Feder des großen Mannes selbst enthalten. –
Auch das Bildnis _Faraday’s_, dessen ausdrucksvolle Züge das innere
Feuer und die wahre Herzensgüte, welche in seiner Seele neben einander
wohnten, so getreulich widerspiegeln, ist eine Bereicherung der neuen
Auflage.

Übrigens sei das Büchlein nicht nur der Jugend, sondern auch den
Eltern und ganz besonders den Lehrern empfohlen. Die letzteren werden
sowohl in der Darstellung als auch in den oft mit so einfachen Mitteln
angestellten Versuchen manchen wertvollen Fingerzeig finden.

    _Chur_, im September 1883.

            =Richard Meyer.=



Vorbemerkung zur dritten Auflage.


Die dritte Auflage unterscheidet sich nur wenig von der zweiten. In
dem Lebensabrisse mußten einige kleine Änderungen und Zusätze gemacht
werden, um der neueren Entwicklung der Elektrotechnik und Elektrochemie
Rechnung zu tragen; am Texte war kaum etwas zu ändern, und nur die
Anmerkungen haben einige geringfügige Zusätze erhalten.

    _Braunschweig_, November 1901.

            =Richard Meyer.=



Inhalt.


                                                      Seite

    Michael Faraday                                       1

    =Erste Vorlesung.=

    Die Kerze. Ihre Flamme. Schmelzen des Brennstoffs.
    Kapillarität des Dochtes. Die Flamme ein brennender
    Dampf. Gestalt und Teile der Flamme.
    Der aufsteigende Luftstrom. Andere Flammen           33

    =Zweite Vorlesung.=

    Nähere Untersuchung der brennbaren Dämpfe in der
    Flamme. Verteilung der Hitze in der Flamme.
    Bedeutung der Luft. Unvollständige Verbrennung;
    Rußen der Flamme. Verbrennung ohne Flamme
    (Eisen). Das Leuchten der Flammen. Kohle in der
    Kerzenflamme. Verbrennungsprodukte                   58

    =Dritte Vorlesung.=

    Wasser als Verbrennungsprodukt der Kerze.
    Eigenschaften des Wassers; seine Aggregatzustände.
    Wasserstoff als Bestandteil des Wassers. Darstellung
    und Eigenschaften des Wasserstoffs. Wasser als
    Verbrennungsprodukt des Wasserstoffs. Die
    Volta’sche Säule                                     82

    =Vierte Vorlesung.=

    Chemische Wirkungen des elektrischen Stromes.
    Zerlegung des Wassers durch denselben.
    Wiederbildung von Wasser durch Entzündung des
    Knallgases. Sauerstoff, der zweite Bestandteil des
    Wassers. Quantitative Zusammensetzung des Wassers.
    Darstellung und Eigenschaften des Sauerstoffs.
    Seine Rolle bei den Verbrennungserscheinungen       109

    =Fünfte Vorlesung.=

    Die atmosphärische Luft, eine Mischung aus
    Sauerstoff und Stickstoff. Eigenschaften des
    Stickstoffs. Quantitative Zusammensetzung der
    Luft. Das Wägen der Gase. Luftdruck. Elastizität
    der Luft. – Kohlensäure als Verbrennungsprodukt
    der Kerze. Erkennung der Kohlensäure. Ihr Vorkommen
    in der Natur. Darstellung und Eigenschaften der
    Kohlensäure                                         133

    =Sechste Vorlesung.=

    Chemische Zusammensetzung der Kohlensäure. Ihre
    Bildung durch Verbrennung von Kohlenstoff.
    Mengenverhältnis der Bestandteile. Zerlegung der
    Kohlensäure in ihre Elemente. Bildung von
    Kohlensäure durch Verbrennung des Holzes und des
    Leuchtgases. Feste und gasförmige
    Verbrennungsprodukte der Körper. – Der
    Atmungsprozeß. Kohlenstoffgehalt der
    Nahrungsmittel. Die Körperwärme. Wechselwirkung
    zwischen der Tier- und Pflanzenwelt. –
    Einfluß der Temperatur auf den Eintritt
    chemischer Prozesse                                 163



Michael Faraday.


Der Name _Michael Faraday_ gehört einem der seltenen Geister an, welche
der Menschheit neue Bahnen auf dem Gebiete der Naturwissenschaft
eröffnet haben. Aber _Michael Faraday_ war nicht nur ein großer
Naturforscher: er war zugleich auch ein guter und edler Mensch, der
seine Mitmenschen, und nicht am wenigsten die Jugend liebte. Gern stieg
er selbst zu den Kindern herab, um ihnen in seiner schlichten und
herzerfreuenden Weise aus dem reichen Schatze seines Wissens goldene
Früchte zu bieten. Darum wird es gut sein, wenn wir den Mann, von dem
man so treffliche Dinge lernen kann, auch selbst ein wenig kennen
lernen. Es soll daher in den folgenden Zeilen einiges aus seinem Leben
erzählt werden.

_Michael Faraday_ war ein Mann, der Alles, was er wurde und leistete,
seiner eigenen Kraft verdankte, ein ~self made man~, wie die Engländer
sagen, in des Wortes edelster Bedeutung. Er war der Sohn eines armen
Grobschmiedes, den sein Vater nur das Notwendigste lernen lassen
konnte, und der schon als Knabe genötigt war, darauf zu denken, wie
er so bald als irgend möglich sein Brot verdienen könnte. So wurde er
denn frühzeitig zu einem Buchbinder in die Lehre getan, und er dachte
nicht anders, als daß er in diesem Berufe sein Glück machen würde.
Aber er brachte es nicht übers Herz, die Bücher, die er zu binden
hatte, nur von außen anzuschauen; er blickte hinein, und er fand darin
vieles, was ihn wundersam anzog. Insbesondere waren es die einfachsten
Erscheinungen der Chemie, die seine Einbildungskraft mächtig ergriffen.
Sie trieben ihn frühzeitig dazu, mit den allergeringsten Mitteln,
und so gut er es vermochte, Versuche anzustellen, um sich von der
Wahrheit dessen, was die Bücher ihm erzählten, durch eigene Anschauung
zu überzeugen. So wurde aus dem armen Buchbinderlehrling unvermerkt
ein kleiner Naturforscher. _Faraday_ dachte wohl zuerst nicht daran,
daß diese Studien etwas anderes als eine Liebhaberei sein könnten.
Aber immer mächtiger ergriffen sie ihn; und endlich vermochte er dem
innern Trieb nicht zu widerstehen: er vertauschte die Werkstatt des
Buchbinders mit dem Laboratorium des Chemikers. Das ging nun freilich
nicht so leicht; er mußte ganz von unten anfangen: als einfacher
Hilfsarbeiter begann er die Laufbahn des Naturforschers. Aber nachdem
er sie einmal betreten, hat er rasch, gestützt auf sein großes Talent,
jedoch fortwährend mit eisernem Fleiße bemüht, seine Kenntnisse zu
erweitern, bald größere und größere Erfolge errungen, bis er endlich
eine Stufe erstieg, welche zu betreten nur wenigen Auserwählten
beschieden ist. Jetzt, nachdem er schon eine Reihe von Jahren nicht
mehr unter den Lebenden weilt, wird sein Name von den Männern der
Wissenschaft mit Verehrung genannt; diejenigen aber, denen es vergönnt
war, ihn im Leben zu kennen, oder gar ihm nahe zu stehen, haben stets
von ihm mit einer Begeisterung gesprochen, welche nur die wahrste
Herzensgüte und die edelste Lauterkeit des Charakters zu erwecken
vermag.

_Michael Faraday_ wurde als das dritte Kind des Grobschmiedes _James
Faraday_ am 22. September 1791 zu _Newington Butts_ in Surrey
(Süd-London) geboren. Seine Mutter, _Margaret_, war die Tochter
eines Pächters Namens _Hestwell_ in der Nähe von Kirkby-Stephen. Die
Eltern erfüllte ein tief religiöser Sinn; sie gehörten der kleinen
christlichen Sekte der »_Sandemanianer_« an, und dieser ist er selbst
während seines ganzen Lebens treu geblieben. – Fast zehn Jahre lang
war seine Heimat eine über Stallungen gelegene Wohnung in einer
Seitengasse; seine Erziehung war, wie er selbst berichtet, von der
gewöhnlichsten Art und beschränkte sich fast nur auf die Anfangsgründe
des Lesens, Schreibens und Rechnens; seine Freistunden brachte er zu
Hause oder auf der Straße zu.

Im Jahre 1804 trat er, dreizehn Jahre alt, zuerst zur Probe als
Lehrling in den Buchladen von George Riebau; nach einem Jahre wurde
er definitiv, und der von ihm geleisteten Dienste wegen unentgeltlich
angenommen. Wie ernst er es mit seiner Arbeit nahm, davon gibt ein
Brief seines Vaters aus dem Jahre 1809 Zeugnis, welcher schreibt:

    »Michael ist Buchbinder und im Erlernen seines Geschäftes
    sehr eifrig. Von seinen sieben Dienstjahren sind fast vier
    verstrichen. Sein Prinzipal und dessen Frau sind sehr brave
    Leute und seine Stelle gefällt ihm gut. Anfangs hatte er eine
    schwere Zeit durchzumachen, aber, wie das alte Sprichwort sagt:
    Jetzt hat er den Kopf über Wasser, da er zwei andere Knaben
    unter sich hat.«

In diese Zeit fallen seine ersten chemischen Studien. Er las Schriften
über Physik und Chemie und machte Experimente, welche sich mit einigen
Pence[2] wöchentlicher Einnahme bestreiten ließen. Immerhin war es
ihm möglich, eine einfache Elektrisiermaschine und einige andere
elektrische Apparate zu konstruieren. Auch hörte er gelegentlich
Vorlesungen über Physik, welche ein Herr _Tatum_ in den Abendstunden
hielt; sein Meister erteilte ihm dazu die Erlaubnis, und sein um drei
Jahre älterer Bruder, der wie der Vater Grobschmied war, schenkte
ihm zu mehreren das Eintrittsgeld. Später hatte er auch das Glück,
einige Vorträge des damals schon hochberühmten Chemikers _Sir Humphry
Davy_ zu hören, desselben, welcher ihm später den Eintritt in die
wissenschaftliche Laufbahn erschloß und der dann sein langjähriger
Lehrer und Vorgesetzter wurde. Er arbeitete diese Vorlesungen aus und
erläuterte die Experimente durch Zeichnungen. Hierzu hatte er sich
durch besondere Studien befähigt, da er unter der Anleitung eines
Herrn _Masquerier_ eifrig Perspektive getrieben hatte. – Damals machte
_Faraday_ auch einen ersten Versuch, seiner Tätigkeit eine seinem
inneren Triebe entsprechende Richtung zu geben.

    »Der Wunsch, wissenschaftlich beschäftigt zu sein« – so
    schreibt er, »veranlaßte mich in meiner Unkenntnis der Welt und
    in der Einfalt meines Gemütes, noch als Lehrling an Sir Joseph
    Banks, damaligen Präsidenten der »Royal Society«, zu schreiben.
    Ich erkundigte mich bei dem Portier nach einer Antwort, aber
    natürlich vergebens.«

Mit welcher Begeisterung er in diesem jugendlichen Alter
wissenschaftliche Gegenstände ergriff – er war damals 21 Jahre alt –,
zeigt recht deutlich die folgende Stelle aus einem Briefe an seinen
Jugendfreund _Benjamin Abbott_, einen Quäcker, mit dem er eine sehr
lebhafte Korrespondenz unterhielt:

    »Ich finde keinen anderen Gegenstand, über den ich schreiben
    könnte, als das Chlor[3]. Erstaunen Sie nicht, mein lieber
    A., über den Eifer, mit welchem ich diese neue Theorie
    ergreife. Ich habe Davy selbst darüber sprechen hören. Ich
    habe ihn Experimente (entscheidende Experimente) zur Erklärung
    derselben anstellen sehen und ich habe ihn diese Experimente
    auf die Theorie, in einer für mich unwiderstehlichen Weise,
    anwenden und erklären und geltend machen hören. Lieber Freund,
    Überzeugung ergriff mich, ich war gezwungen, ihm zu glauben,
    und dem Glauben folgte Bewunderung.«

Im Oktober 1812 war _Faraday’s_ Lehrzeit beendigt und er ging als
Buchbindergeselle zu einem Herrn de _La Roche_. Dieser war ein heftiger
Mann und plagte seinen Gehilfen so sehr, daß _Faraday_ diese Stelle
bald unleidlich wurde. Er fühlte sich sehr gedrückt: zur Pflege seiner
wissenschaftlichen Bestrebungen blieb ihm so gut wie keine Zeit,
und obwohl sein Meister ihn persönlich gern mochte und ihm für die
Zukunft die lockendsten Versprechungen machte, so entschloß er sich
doch bald, seine Lage wenn möglich zu ändern. Er schickte _Davy_ die
Ausarbeitungen ein, die er nach dessen Vorträgen gemacht hatte, und bat
ihn, er möchte ihm die Möglichkeit verschaffen, sich der Wissenschaft
zu widmen. _Davy_ zeigte den Brief seinem Freunde _Pepys_ und fragte
ihn um seine Meinung, was er für den jungen Mann tun könne. – »Tun?«
erwiderte _Pepys_, »lassen Sie ihn Flaschen schwenken. Taugt er
etwas, so wird er sofort darauf eingehen; weigert er sich, so taugt
er nichts«. – »Nein, nein«, sagte _Davy_, »wir müssen ihn zu etwas
Besserem verwenden«. – Und er verwendete ihn zu etwas Besserem;
denn auf seinen Antrag wurde _Faraday_ am 13. März 1813 zu seinem
Assistenten ernannt. Als sich später zeigte, welchem Genie er durch
seine Hilfeleistung den Weg geebnet hatte, erinnerte sich _Davy_ gern
und mit berechtigtem Stolze jenes ersten Schrittes, und er sagte einst,
die schönste Entdeckung, die er gemacht habe, sei _Faraday_ gewesen.

So war denn _Faraday_ Assistent am chemischen Laboratorium der »_~Royal
Institution~_« in _London_, einer Anstalt, deren Hauptzweck es ist, die
Kenntnis der Naturwissenschaften durch leichtfaßliche, von Experimenten
begleitete Vorträge in möglichst weite Kreise zu tragen. An diesem
Institute wirkte er bis zum Ende seines Lebens, da er später der
Nachfolger Davys als Direktor des chemischen Laboratoriums wurde.

Mit seiner Anstellung an der ~Royal Institution~ begann für _Faraday_
ein neues Leben: die Wissenschaft war ihm nun zum Beruf geworden,
und man kann sich leicht vorstellen, mit welcher Energie sich sein
lebhafter und zugleich so nachhaltig ausdauernder Geist ihrem Dienste
widmete. Aber er fühlte das Bedürfnis, seine im ganzen dürftige
Ausbildung auch nach anderen Richtungen zu ergänzen; denn er sagte sich
mit Recht, daß es nicht genügt, ein tüchtiger Gelehrter in seinem Fache
zu sein, sondern daß es auch noch der Kenntnisse und Fertigkeiten auf
anderen Gebieten der menschlichen Bildung bedürfe. Er fand Nahrung für
dieses Streben, indem er im Jahre 1813 in die »_~City philosophical
Society~_« eintrat, ein Verein, welcher 30–40 Mitglieder aus den
niederen oder mittleren Ständen zählte. Man kam jeden Mittwoch Abend
zusammen, um teils in selbstgehaltenen Vorträgen, teils in freien
Diskussionen gegenseitige Belehrung zu suchen. Die Gesellschaft trat
sehr anspruchslos auf, aber ihre Leistungen waren, wie _Faraday_
selbst sagte, von großem Werte für die Mitglieder. – Später trat er in
Gemeinschaft mit etwa sechs Personen, welche größtenteils der »~City
philosophical Society~« angehörten, zu einem engeren Verbande zusammen.
Sie trafen sich abends »um zusammen zu lesen, und gegenseitig ihre
Aussprache, sowie ihren Satzbau zu beurteilen, zu verbessern und zu
vervollkommnen. Die Disziplin war – wie _Faraday_ erzählt – kräftig,
die Bemerkungen sehr aufrichtig und offen und die Resultate sehr
wertvoll«. Diese Gesellschaft erhielt sich mehrere Jahre hindurch.

Im übrigen finden wir ihn eifrig mit chemischen Arbeiten beschäftigt.
Bei Gelegenheit derselben machte er sehr bald an sich die Erfahrung,
daß die Wissenschaft von denen, die sich ihrem Dienste widmen, unter
Umständen den Mut und die Opferfreudigkeit des Soldaten verlangt. Mit
Versuchen über die explosive Verbindung des Chlors mit dem Stickstoff
beschäftigt, erlebte er nicht weniger als vier Detonationen, deren
eine ihm einen Teil eines Nagels abriß und die Finger auch sonst
derartig verwundete, daß er sie längere Zeit nur mühsam gebrauchen
konnte. Nur der Umstand, daß sein Gesicht bei diesen Versuchen durch
eine gläserne Maske geschützt war, bewahrte ihn vor weit gefährlicheren
Verletzungen.

Bald sollten indessen diese Arbeiten eine längere Unterbrechung
erfahren. Schon im Oktober desselben Jahres, in welchem er seine Stelle
an der ~Royal Institution~ angetreten hatte, unternahm _H. Davy_ eine
größere Reise ins Ausland und _Faraday_ begleitete ihn auf derselben.
Die Reise erstreckte sich über Frankreich, Italien, die Schweiz, Tyrol
etc. und dauerte bis zum April des Jahres 1815. _Faraday_ erweiterte
durch dieselbe seine Kenntnisse und seinen Gesichtskreis. Aber sie
brachte ihm auch mancherlei Unannehmlichkeiten, da er genötigt
war, eine Menge untergeordneter Dienstleistungen zu verrichten, zu
denen er eigentlich nicht verpflichtet war, und gegen die sich sein
Unabhängigkeitssinn und sein damals schon erwachtes berechtigtes
Selbstgefühl auflehnten. Besonders hatte er in dieser Hinsicht von Lady
Davy zu leiden. Die täglichen Plagen waren doch so empfindlich, daß er
mehrere Male drauf und dran war, eiligst nach Hause zurückzukehren.
Aber der Wunsch nach Ausbildung hielt ihn zurück.

    »Ich habe gerade genug gelernt« – schreibt er am 16. September
    1814 an seinen Freund _Abbott_ – »um meine Unwissenheit zu
    erkennen; ich schäme mich meiner allseitigen Mängel und
    wünsche, die Gelegenheit, denselben abzuhelfen, jetzt zu
    ergreifen. Die wenigen Kenntnisse, die ich mir in Sprachen
    erworben habe, machen den Wunsch in mir rege, mehr von
    denselben zu wissen, und das Wenige, was ich von Menschen und
    Sitten gesehen, ist gerade genug, um es mir wünschenswert
    erscheinen zu lassen, mehr zu sehen. Hierzu kommt die
    herrliche Gelegenheit, deren ich mich erfreue, mich in der
    Kenntnis der Chemie und anderer Wissenschaften fortwährend zu
    vervollkommnen, und dies bestimmt mich, die Reise mit Sir Davy
    bis zu Ende mitzumachen.«

Daß _Faraday_ die gebotene Gelegenheit in ausgiebigster Weise benutzte,
wird man sich denken können. Wie sehr sein Blick auf alles, selbst das
kleinste gerichtet war, zeigt eine Aufzeichnung, datiert _Dreux_, den
28. Oktober, welche ich mir nicht versagen kann, hier folgen zu lassen.
Sie lautet:

    »Ich kann nicht umhin, einem Tiere, das hier zu Lande vorkommt,
    einen Ausruf der Bewunderung zu widmen: nämlich den Schweinen.
    Zuerst war ich geradezu über ihre Natur zweifelhaft, denn
    obgleich sie zugespitzte Nasen, lange Ohren, seilartige
    Schwänze und gespaltene Klauen haben, so scheint es doch
    unglaublich, daß ein Tier, welches einen langgestreckten
    Körper, aufwärts gewölbten Rücken und Bauch, schmächtige
    Seiten, lange, dünne Beine hat und fähig ist, unsern Pferden
    ein bis zwei Meilen vorzulaufen, irgendwie mit dem fetten
    Schweine Englands verwandt sein könne. Als ich zuerst ein
    solches in Morlaix sah, fuhr es so plötzlich auf und wurde
    durch die Störung so behende in seinen Bewegungen und unseren
    Schweinen in seinen Geberden so unähnlich, daß ich mich nach
    einem zweiten Geschöpfe derselben Gattung umsah, ehe ich zu
    entscheiden wagte, ob es ein normales oder außergewöhnliches
    Produkt der Natur sei. Aber ich finde sie alle gleich und was
    ich in der Ferne für ein Windspiel gehalten hätte, bin ich, bei
    näherer Besichtigung, genötigt, als Schwein anzuerkennen.«

Diese harmlose Beobachtung, und ganz besonders die Art, wie er sich
ihrer Richtigkeit versicherte, zeigt uns, wenn auch bei geringfügigem
Anlasse, den echten Naturforscher.

Nach 1½jähriger Abwesenheit kehrte _Faraday_ nach London zurück.
Seine Arbeiten mehrten sich rasch. Er hatte vor allem _H. Davy_ bei
seinen wissenschaftlichen Untersuchungen und bei den seine Vorträge
begleitenden Experimenten zu unterstützen. Daneben aber beschäftigte
er sich mit eigenen Arbeiten. Im Januar 1816 begann er seine Tätigkeit
als Lehrer mit einer größeren Reihe von chemischen Vorträgen. Anfangs
arbeitete er sie ganz aus; bald aber genügten ihm kurze Notizen als
Erinnerungszeichen für die wichtigsten Punkte, die er zu besprechen
hatte, während der Vortrag selbst in freier Rede bestand. Auch eine
schriftstellerische Tätigkeit begann er um diese Zeit, da ihm die
Redaktion einer bedeutenden wissenschaftlichen Zeitschrift, des
»~Quaterly Journal of Science~« übertragen wurde. Die Arbeitslast muß
damals eine recht große gewesen sein. Denn in einem Briefe an seinen
Freund _Abbott_ entschuldigt er seine mangelhafte Korrespondenz damit
und bezeichnet ausdrücklich seinen Beruf als »Geschäft«. Erst neun Uhr
Abends verließ er das Laboratorium. »Aber«, schreibt er, »verstehen
Sie mich wohl, ich klage nicht; je mehr ich zu tun habe, desto mehr
lerne ich; ich wünsche nur, Ihnen den Eindruck zu nehmen, als wäre
ich faul – ein Argwohn, der übrigens, wie mich eine kurze Überlegung
lehrt, nie vorhanden sein kann.« – Die letztere Bemerkung zeigt, daß es
_Faraday_ nicht an wohlberechtigtem Selbstbewußtsein fehlte. Wir werden
davon noch weitere Beweise erhalten.

Im Jahre 1816 hat _Faraday_ auch eine erste eigene Untersuchung
veröffentlicht, und zwar in dem ~Quaterly Journal~. Es war eine Analyse
einer Art kaustischen Kalks von Toskana, welchen die Herzogin von
Montrose an _Davy_ geschickt hatte. _Faraday_ selbst schrieb später
darüber:

    »Es war meine erste Mitteilung an das Publikum und sie war für
    mich in ihren Resultaten sehr wichtig. Sir Humphry Davy gab mir
    als ersten chemischen Versuch diese Analyse, zu einer Zeit, wo
    meine Furcht größer war als mein Selbstvertrauen, und beide
    weit größer als meine Kenntnisse, und zu einer Zeit, wo mir der
    Gedanke an eine selbständige wissenschaftliche Arbeit noch nie
    in den Sinn gekommen war. Die Beifügung der Anmerkungen Sir
    Humphry’s und die Veröffentlichung meiner Arbeit ermutigten
    mich fortzufahren und von Zeit zu Zeit andere unbedeutende
    Mitteilungen zu machen. Ihre Übertragung aus dem ~Quaterly~ in
    andere Journale vermehrte meine Kühnheit und jetzt, da 40 Jahre
    verflossen sind, und ich auf die Resultate der ganzen Reihe
    der Mitteilungen zurückblicken kann, hoffe ich noch, so sehr
    sich auch ihr Charakter verändert hat, weder jetzt, noch vor
    40 Jahren zu kühn gewesen zu sein.«

Dieser ersten selbständigen Arbeit folgten bald weitere, welche zwar
noch nicht von epochemachender Bedeutung waren, immerhin aber Zeugnis
gaben von seiner scharfen Denkkraft und seinem erfinderischen Geiste.
– Im Jahre 1821 verheiratete er sich mit _Sarah Barnard_. In seiner
Gewissenhaftigkeit wünschte er den Tag seiner Vermählung wie jeden
andern betrachtet zu sehen, und er beleidigte einige nahe Verwandte
dadurch, daß er sie nicht zur Hochzeit einlud. In einem Briefe, den er
an die Schwester seiner Frau vor der Hochzeit schrieb, sagt er:

    »Auch nicht durch die Vorgänge eines einzelnen Tages soll
    Unruhe, Lärm oder Hast veranlaßt werden. Äußerlich wird der Tag
    wie alle anderen vergehen, denn es genügt, daß wir im Herzen
    Freude erwarten und suchen.«

Wie sehr die hier ausgesprochene Hoffnung sich erfüllte, zeigt eine
Notiz, die _Faraday_ selbst viel später niederschrieb, und welche sich
in einer Sammlung amtlicher, auf sein Leben bezüglicher Papiere vorfand:

    »26. Januar 1847: Unter diesen Aufzeichnungen und Begebenheiten
    trage ich hiermit das Datum eines Ereignisses ein, welches mehr
    als alle übrigen eine Quelle von Ehre und Glück für mich wurde.
    Wir wurden getraut am 12. Juni 1821.«

Es waren _Faraday_ von nun an über vierzig Jahre des Glückes, der
Zufriedenheit und der rastlosesten Arbeit beschieden. Von seinen
äußeren Schicksalen ist wenig mehr zu berichten: sein Leben floß
fortan ruhig dahin, er vertauschte die erste Stätte seines Wirkens mit
keiner andern. Seine Arbeit aber war von einem geradezu beispiellosen
Erfolge. Es würde kaum möglich sein, die Zahl der Entdeckungen
anzugeben, die er gemacht hat. Und was für Entdeckungen! Einzelne von
ihnen sind derart, daß sie allein genügen würden, einen unvergänglichen
wissenschaftlichen Ruhm zu begründen. Er erschloß ganze und große
neue Gebiete des Wissens. Aber er begnügte sich niemals damit, eine
neue Erscheinung aufzufinden; er verfolgte den Gegenstand nach allen
Richtungen mit unerschöpflichem Scharfsinne und nie ermüdender
Beharrlichkeit; und er ruhte nicht eher, als bis Tatsache an Tatsache
sich reihte, bis endlich aus der Fülle der einzelnen Erscheinungen ein
klar erkennbarer Zusammenhang, ein _Naturgesetz_ hervorleuchtete.

Diese Erfolge wurden hauptsächlich durch zwei große Eigenschaften
bedingt: er war ein tiefer _Denker_ und ein großer _Experimentator_;
zudem war er – bei aller heitern Ruhe seines Wesens – eine _tief
ernste Natur_. Seine Gewissenhaftigkeit erlaubte ihm erst von einem
Gegenstande abzulassen, wenn er, soweit es seine Mittel zuließen,
nach allen Richtungen hin erschöpft war. Seine Denkarbeit war keine
streng geordnete. Die Ideen zu seinen Versuchen kamen ihm meist
scheinbar plötzlich wie durch eine Eingebung, und er selbst wußte
die Gedankenverbindung, die ihn dazu geführt hatte, später selten
klar anzugeben. – Das Experimentierzimmer aber war seine eigentliche
Heimat. Ein wohlgelungener Versuch versetzte ihn in Entzücken; und
wenn er in dem Ergebnis desselben gar die Bestätigung einer auf
Grund früherer Versuche gehegten Vermutung fand, so fühlte er eine
Freude, die ihm nur nachempfinden kann, wer selbst, wenn auch in viel
bescheidenerem Grade, ähnliche Freuden erlebt hat.

Leider muß es mir versagt bleiben, die gewaltige Lebensarbeit des
großen Mannes ihrem eigentlichen Inhalte nach zu schildern. Ich müßte
dazu chemische und physikalische Kenntnisse voraussetzen, welche nur
durch gründliches Studium erworben werden können. Aber ganz übersehen
dürfen wir diese großartigen Entdeckungen nicht, und deshalb will ich
versuchen, durch einige Andeutungen wenigstens einen Begriff ihrer
Tragweite zu geben.

_Faraday’s_ Arbeiten bewegten sich fast ausschließlich auf dem Gebiete
der Elektrizität. Sie erstreckten sich freilich von hier aus auch
auf die übrigen Zweige der Physik, aber nur insofern diese mit den
elektrischen Erscheinungen im Zusammenhang stehen. Nur auf chemischem
Gebiete hat er einige wichtige Untersuchungen ausgeführt, welche von
seinen elektrischen Arbeiten unabhängig sind; sie fallen zum größten
Teil in die ersten Jahre seiner wissenschaftlichen Tätigkeit, während
er noch _Davys_ Assistent war. – Von besonderer Bedeutung ist auch eine
Untersuchung, welche sich auf dem höchst interessanten Grenzgebiete
zwischen der Elektrizitätslehre und der Chemie bewegt.

Vor allem muß _Faraday_ genannt werden als der Entdecker einer
eigentümlichen Art von elektrischen Strömen, welche man als
_Induktionsströme_ zu bezeichnen pflegt. Er wurde damit der Begründer
eines ganz neuen Zweiges der Elektrizitätslehre, auf welchem durch
ihn und später durch andere Physiker die staunenswertesten Früchte
gepflückt wurden. Diese wichtige Entdeckung ist keineswegs ein Werk des
Zufalles gewesen. Vielmehr wurde _Faraday_ durch Nachdenken über andere
bekannte elektrische Erscheinungen auf eine ganz bestimmte Vermutung
geführt, und er ruhte nicht, bis das Experiment ihm die Richtigkeit
dieser Vermutung gezeigt hatte. – Die Induktionselektrizität ist
nicht nur von außerordentlichem Interesse für die Wissenschaft; sie
hat im Laufe der Zeit auch die wichtigsten Anwendungen im praktischen
Leben gefunden. Zunächst in der _Medizin_. Die Heilerfolge der
elektrischen Behandlungsmethode beruhten anfangs ausschließlich und
noch jetzt zum größeren Teile auf einer Verwertung der Faraday’schen
Induktionsströme. – Das _Telephon_ läßt uns die Stimme eines fernen
Freundes vernehmen vermittelst der Induktionsströme, welche durch
die Schwingungen eines dünnen Eisenblättchens erzeugt werden. – Das
_elektrische_ Licht war früher eine außerordentliche, mehr das Staunen
erweckende, als nützliche Erscheinung. Erst seitdem man es mittelst
der, mit _Faraday’s_ Induktionsströmen arbeitenden _Dynamomaschine_
viel wohlfeiler zu erzeugen vermag, ist es zu der eminenten praktischen
Bedeutung gelangt, von der jetzt alle Welt erfüllt ist. – Ähnlich ging
es mit den Versuchen, die Elektrizität als Triebkraft zu verwenden.
Zwar hat man schon längst elektrische Maschinen konstruiert, welche
Arbeiten verrichten, ähnlich den Dampfmaschinen. Aber es war eine
viel zu kostspielige Arbeit, und Maschinen dieser Art wurden wohl
in kleinem Maßstabe als wissenschaftliche Kuriositäten hergestellt;
eine nennenswerte praktische Bedeutung haben sie nicht erlangt. Erst
die Anwendung von Maschinen mit Induktionsströmen hat den ungeheuren
Aufschwung ermöglicht, der sich nun schon seit einer ganzen Reihe von
Jahren vor unsern Augen vollzieht. Die elektrischen Straßenbahnen der
Groß- und Mittelstädte werden durch Motoren in Bewegung gesetzt, welche
ihrerseits von Induktionsströmen getrieben werden; und wenn man jetzt
ernsthaft erwägt, ob nicht auch bei dem Betriebe der Vollbahnen die
Dampfkraft vorteilhaft durch den elektrischen Strom ersetzt werden
könnte, so ist die Lösung dieser Aufgabe nur zu denken unter Anwendung
der _Faraday’schen_ Ströme. Auch die Industrie hat sich dieses wichtige
Hilfsmittel schon in der mannigfachsten Weise zunutze gemacht. – Dabei
ist es von besonderer Wichtigkeit, daß die Elektrizität es ermöglicht,
die unerschöpflichen, und meist noch unbenutzten Kräfte zu verwerten,
welche die zu Tal stürzenden Bäche und Gebirgsströme in sich bergen.
Wenn wir heute schon berechtigt sind, von dem Anbruche eines neuen,
eines elektrischen Zeitalters zu sprechen, so muß der Name _Faraday_
genannt werden, dessen unsterbliche Entdeckungen den sicheren Grund
bilden, auf dem die heutige und die ihr folgenden Generationen ihren
kühnen Bau errichten.

Weniger in die Augen fallend, aber für die Wissenschaft nicht
minder wichtig sind _Faraday’s_ Untersuchungen auf dem Gebiete des
_Magnetismus_. Seinem denkenden Geiste widerstrebte die Annahme, daß
diese geheimnisvolle Kraft auf das Eisen beschränkt sein sollte, wie
man früher glaubte. Und seine rastlosen Versuche zeigten ihm, daß er
sich nicht getäuscht hatte. Seit _Faraday_ wissen wir, daß alle Stoffe
magnetisch sind, wenn auch dem Eisen diese Kraft in weit höherem
Maße innewohnt, als allen andern. Aber seine Versuche ergaben noch
ein weiteres, ganz unerwartetes Resultat: sie zeigten, daß es zwei
verschiedene Arten von Magnetismus gibt, und daß jeder Körper entweder
den gleichen Magnetismus besitzt wie das Eisen oder die zweite von ihm
entdeckte Art. Diese letztere nannte er _Diamagnetismus_. – Auch an
_Kristallen_ beobachtete _Faraday_ besondere magnetische Eigenschaften;
und endlich entdeckte er höchst merkwürdige Einwirkungen der Magnete
auf das Licht.

Die magnetischen Untersuchungen _Faraday’s_ haben für die Wissenschaft
ein ebenso tiefes Interesse wie diejenigen der Induktionselektrizität.
Sie haben freilich ähnliche praktische Erfolge bisher nicht aufzuweisen
wie diese. Sind sie deshalb weniger wertvoll? Auf diese Frage gibt
uns _Faraday_ selbst – freilich mit Bezug auf einen anderen, aber
verwandten Gegenstand – die beste Antwort. Er erzählt uns von _Benjamin
Franklin_, daß er auf die Frage, wozu eine wissenschaftliche Entdeckung
nütze, zu sagen pflegte: »Wozu nützt ein kleines Kind?« Und er gibt
selbst die Antwort: »Bemüht euch, es nützlich zu machen!« – Ist es aber
nicht auch ein Nutzen, wenn das Wissen des Menschen und damit sein
Gesichtskreis sich erweitert? – Wenn der tiefere Einblick in den Gang
der Weltordnung Geist und Gemüt erhebt?

Vielen wird es bekannt sein, daß man mittelst des elektrischen Stromes
von körperlichen Gegenständen sogenannte _galvanoplastische_ Abdrücke
in Kupfer machen kann, worauf ein Verfahren der Vervielfältigung von
Kunstgegenständen und dergl. beruht. Auch dünne Metallüberzüge kann
man in ähnlicher Weise erzeugen und macht davon bei der _galvanischen
Versilberung_, _Vergoldung_, _Vernickelung_ etc. Gebrauch. Alles dieses
sind sogenannte _chemische Wirkungen des elektrischen Stromes_, und es
gibt deren eine sehr große Zahl. _Faraday_ fand das Naturgesetz auf,
welches allen diesen Wirkungen zugrunde liegt. Dasselbe ist nach ihm
das _Faradaysche Gesetz_ genannt worden.

Auch diese Entdeckung hatte viele Jahre hindurch nur ein Interesse für
die reine Wissenschaft, ohne praktische Anwendung. In neuerer Zeit
ist dies anders geworden, seitdem die chemische Industrie sich des
elektrischen Stromes bemächtigt hat. Mit seiner Hilfe erzeugt sie heute
eine Anzahl wichtiger Produkte vorteilhafter als früher, besonders da,
wo ihr Wasserkräfte zur Verfügung stehen. Diese Erfolge wären ohne
genaueste Kenntnis des Gesetzes, welches die chemischen Wirkungen des
Stromes beherrscht, nicht möglich gewesen. So ist _Faraday_ auch durch
diese Arbeiten, wenn auch erst nach seinem Tode, zum Wohltäter der
Menschheit geworden.

_Faraday_ hat außer den kurz angeführten noch viele herrliche
Entdeckungen gemacht. Sie schienen ihm wie von selbst zuzuströmen: aber
in Wahrheit war eine jede durch die äußerste Anstrengung aller seiner
Kräfte erkämpft. So konnte es denn auch nicht ausbleiben, daß endlich
ein Zustand der Erschöpfung eintrat. Schon gegen Ende der dreißiger
Jahre mußte er oftmals seine Arbeit unterbrechen und Erholung in der
erquickenden Wirkung ländlicher Ruhe suchen. Häufig war er tagelang
nicht imstande mehr zu tun, als am offenen Fenster sitzend das Meer
und den Himmel anzusehen, und nur der liebevollen Fürsorge seiner Frau
ist es zu verdanken, daß er seinen Freunden und der Wissenschaft
doch so lange erhalten blieb. – Im Jahre 1841 verschlimmerte sich
sein Zustand derartig, daß er zu einer längeren Unterbrechung seiner
Tätigkeit gezwungen war. Er suchte und fand Stärkung in einer Reise in
die Schweiz. Wie sehr ihn diese gekräftigt hat, zeigt die Tatsache, daß
viele seiner schönsten Entdeckungen _nach_ derselben gemacht worden
sind. Er lebte und wirkte noch bis in die Mitte der sechziger Jahre.
1866 trat ein bedeutendes Abnehmen der Kräfte ein, und am 25. August
1867 starb er zu Hampton Court, fast 76 Jahre alt.

       *       *       *       *       *

_Faraday_ war von der Natur mit seltenen Geistesgaben ausgestattet.
Aber nicht diesen allein verdankte er die bewunderungswürdigen
Erfolge seiner Forscherarbeit. Er war sich bewußt, daß große Gaben
nicht genügen, um Großes zu leisten; sie sind im Gegenteil eine
Verpflichtung, sie durch rastlosen Fleiß zu entwickeln und zu benutzen.
Wer das nicht tut, der hat sie vergebens empfangen, er ist ein
Verschwender des köstlichsten aller Güter. Auch im Reiche des Geistes
gilt das schöne Wort: »~Noblesse oblige~«. Nie wäre der arme Buchbinder
zum großen Naturforscher geworden, hätte er das nicht beherzigt. Als
unter seinem zweiten Lehrherrn seine Zeit fast ganz und gar durch die
Berufsgeschäfte erschöpft wurde, schrieb er an den öfters genannten
Abbott:

    »Freiheit und Zeit habe ich womöglich noch weniger als
    zuvor, obgleich ich hoffe, daß meine Fähigkeit, sie zu
    benutzen, nicht zugleich abgenommen hat. Ich weiß wohl,
    welche unverbesserlichen Übelstände durch den Mißbrauch
    dieser Segnungen erwachsen. Diese ließ mich der gesunde
    Menschenverstand erkennen, und ich verstehe nicht, wie
    Jemand, der über seinen eignen Stand, seine eignen freien
    Beschäftigungen, Vergnügungen, Handlungen etc. nachdenkt, dumm
    genug sein kann, um solchen Mißbrauch zu begehen. Ich danke dem
    Helfer, welchem aller Dank gebührt, daß ich im allgemeinen kein
    übertriebener Verschwender der Segnungen bin, welche mir als
    Mensch geworden sind: ich meine Gesundheit, lebhaftes Gefühl,
    Zeit und zeitliche Hilfsmittel.«

Sehr wesentlich wurde _Faraday’s_ Leistungsfähigkeit noch durch seinen
außergewöhnlichen Ordnungssinn erhöht. Von dieser Eigenschaft schreibt
sein Freund _Tyndall_, daß sie wie ein leuchtender Strahl durch alle
Handlungen seines Lebens hinlief.

    »Auch die verwickeltsten und verwirrtesten Angelegenheiten
    ordneten sich harmonisch unter seinen Händen. Die Art, wie er
    die Rechnungen führte, erregte die Bewunderung des Komitees der
    Royal Society. In seinen wissenschaftlichen Angelegenheiten
    herrschte dieselbe Ordnung. In seinen experimentellen
    Untersuchungen war jeder Paragraph numeriert und durch
    beständige Rückbeziehungen mit den übrigen verknüpft. Seine
    glücklicherweise erhaltenen Privatnotizen sind in ähnlicher
    Weise numeriert, der letzte Paragraph trägt die Zahl 16,041.
    Außerdem zeigte auch seine Arbeitsfähigkeit die teutonische
    Ausdauer. Er war eine impulsive Natur, allein hinter dem
    Impulse war eine Kraft, welche kein Rückweichen gestattete.
    Faßte er in warmen Augenblicken einen Entschluß, so führte er
    ihn bei kaltem Blute aus.«

Gewissenhaft, wie in der Benutzung der Zeit und seiner Geistesgaben,
war er auch in der Auffassung der Ziele, die er sich steckte. Er
pflegte zu sagen: »Es bedürfe zwanzig Jahre Arbeit, ehe man in
physikalischen Dingen zum _Manne_ heranreife; bis dahin befinde man
sich im Zustande der Kindheit.« – Ebenso ernst, wie seine Aufgabe als
_Forscher_, nahm er seinen Beruf als _Lehrer_. Einer seiner Freunde,
Mr. _Magrath_, besuchte regelmäßig _Faraday’s_ Vorlesungen, nur um
für ihn alle Fehler zu notieren, welche er in der Ausdrucksweise oder
in der Aussprache bemerken konnte. Die Liste derselben wurde stets
mit Dank entgegengenommen. – Wie feurig er als Lehrer war und wie ihn
zuweilen der Stoff hinriß, zeigt die Tatsache, daß er in jungen Jahren
stets eine Karte vor sich hinlegte, worauf in großen Buchstaben das
Wort »Langsam« stand. Zuweilen übersah er dieselbe und sprach zu rasch:
für solche Fälle hatte sein Diener den Befehl, die Karte von neuem vor
ihn hinzulegen. Wir ersehen hieraus zugleich, mit welcher Weisheit und
Kraft er selbst diesen mächtigen inneren Strom einzudämmen wußte.

Es wurde schon erwähnt, daß _Faraday_ der Sekte seiner Eltern
bis zu seinem Lebensende angehörte. Dies geschah keineswegs aus
äußerlicher Frömmigkeit. Er war vielmehr von Grund seines Wesens eine
tiefreligiöse, pietätvolle Natur. Auch auf anderem Gebiete zeigt sich
diese Richtung seines Gemütes. So schrieb er von der Reise am 14. April
1841 seiner Mutter:

    »Als Sir H. Davy zuerst die Güte hatte, mich aufzufordern, ihn
    zu begleiten, sagte ich mir: ›Nein, ich habe eine Mutter, ich
    habe Verwandte hier‹, und damals wünschte ich mir fast, einzeln
    und allein in London zu stehen. Aber jetzt bin ich froh,
    Jemanden hinterlassen zu haben, an den ich denken und dessen
    Handlungen und Beschäftigungen ich mir im Geiste ausmalen
    kann. Jede freie Stunde benutze ich dazu, um an die Meinigen
    zu Haus zu denken. Die Erinnerung an die Daheimgebliebenen ist
    meinem Herzen ein beruhigender und erfrischender Balsam trotz
    Krankheit, Kälte oder Müdigkeit.«

Und in Interlaken setzte er in sein Tagebuch die folgende Notiz:

    »2. August 1841. Die Fabrikation von Schuhnägeln ist hier
    ziemlich bedeutend; und es ist hübsch der Arbeit zuzusehen. Ich
    liebe eine Schmiede und alles, was auf das Schmiedehandwerk
    Bezug hat. _Mein Vater war ein Schmied._«

Seinem Freunde, Professor _Tyndall_, schrieb er im Jahre 1855, als
dieser mißmutig war über Diskussionen, die er auf der Versammlung der
englischen Naturforscher in Glasgow mit mehreren Fachgenossen gehabt
hatte.

    »Erlauben Sie mir als einem alten Manne, der durch Erfahrung
    klug geworden sein sollte, Ihnen zu sagen, daß ich, als ich
    jünger war, sehr oft die Absichten der Leute mißverstand, und
    nachher fand, daß sie das, was ich voraussetzte, gar nicht
    gemeint hatten; ferner fand ich, daß es im allgemeinen besser
    ist, etwas langsam in der Auffassung derjenigen Äußerungen zu
    sein, welche Sticheleien zu enthalten scheinen, hingegen alle
    diejenigen, welche freundliche Gesinnungen verraten, rasch
    zu erfassen. Die wirkliche Wahrheit kommt schließlich immer
    zu Tage, und man überzeugt einen Gegner, der im Irrtum ist,
    eher durch eine nachgiebige als durch eine leidenschaftliche
    Antwort. Was ich sagen möchte ist, daß es besser ist, gegen die
    Wirkungen der Parteilichkeit blind zu sein, hingegen den guten
    Willen schnell anzuerkennen. Man fühlt sich selbst glücklicher,
    wenn man das tut, was zum Frieden führt. Sie können sich
    kaum vorstellen, wie oft ich bei mir selbst ergrimmte, wenn
    ich mich, meiner Meinung nach, ungerecht und oberflächlich
    angegriffen sah; und doch habe ich gesucht, und wie ich hoffe,
    ist es mir gelungen, niemals in demselben Ton zu antworten. Und
    ich weiß, daß ich nie dadurch verloren habe. Ich würde Ihnen
    dies Alles nicht sagen, ständen Sie als wahrer Forscher und
    Freund nicht so hoch in meiner Achtung.«

_Faraday_ bezeichnete sich selbst als demütig: »aber«, fügt er hinzu,
»es wäre ein großer Irrtum, zu denken, ich sei nicht auch zugleich
stolz«.

    »Diese Doppelnatur zeigte sich – so schreibt _Tyndall_ –
    überall in seinem Charakter. Er war ein Demokrat in seinem
    Mißtrauen gegen jede Autorität, welche seine Gedankenfreiheit
    zu beschränken suchte, und dennoch war er stets bereit, sich
    in Ehrerbietung zu beugen vor Allem, was der Ehrerbietung
    wert war, sei es in den Sitten der Welt oder im Charakter der
    Menschen.«

Wie sein Selbstbewußtsein schon früh erwachte, haben wir bereits an
einzelnen Beispielen erfahren. Die folgende Stelle aus einem Briefe
an _Abbott_ vom 1. Juni 1813 ist ein neuer Beleg dafür; sie zeigt uns
zugleich, wie scharf _Faraday_ beobachtete, wie er stets bemüht war,
sein Urteil zu bilden und aus seinen Beobachtungen zu lernen:

    »Die Gelegenheit, die ich neuerdings hatte, Vorlesungen von den
    verschiedenen Professoren zu hören und Belehrungen von ihnen
    zu empfangen, während sie ihren amtlichen Pflichten nachkamen,
    hat mich in den Stand gesetzt, ihre verschiedenen Gewohnheiten,
    Eigentümlichkeiten, Trefflichkeiten und Mängel zu beobachten,
    wie sie mir während des Vortrags klar geworden sind. Ich ließ
    auch diese Äußerungen der Persönlichkeit meiner Beobachtung
    nicht entgehen und, wenn ich mich befriedigt fühlte, suchte
    ich dem besonderen Umstande, der mir solchen Eindruck gemacht
    hatte, auf die Spur zu kommen. Ich beobachtete ferner die
    Wirkung, welche die Vorlesungen von Brande und Powell auf die
    Zuhörer ausübten und suchte mir klar zu machen, warum dieselben
    gefielen oder mißfielen.

    Es mag vielleicht eigentümlich und ungehörig erscheinen,
    daß Jemand, der selbst völlig unfähig zu einem solchen Amte
    ist, und der nicht einmal auf die dazu nötigen Eigenschaften
    Anspruch machen kann, sich erkühnt, Andere zu tadeln und zu
    loben; seine Zufriedenheit über dieses, sein Mißfallen über
    jenes auszudrücken, wie sein Urteil ihn grade leitet, während
    er die Unzulänglichkeit seines Urteils zugibt. Aber, bei
    näherer Betrachtung finde ich die Ungehörigkeit nicht so groß.
    Bin ich dazu unfähig, so kann ich offenbar noch lernen; und
    wodurch lernt man mehr, als durch Beobachtung Anderer? Wenn wir
    niemals urteilen, werden wir nie richtig urteilen, und es ist
    viel besser, unsere geistigen Gaben gebrauchen lernen (und wäre
    ein ganzes Leben diesem Zwecke gewidmet), als sie in Trägheit
    zu begraben, eine traurige Öde hinterlassend.«

Sehr bezeichnend für seinen Charakter ist ferner das folgende
Erlebnis aus dem Jahre 1821. Durch eine sehr merkwürdige, auf die
Induktionsströme bezügliche Entdeckung war er mit einem ausgezeichneten
Physiker, _Wollaston_, in eine gewisse Differenz gekommen, da dieser
in ähnlicher Richtung arbeitete. Von mehreren Seiten beschuldigte man
ihn, in dieser Sache nicht vollkommen ehrenhaft verfahren zu sein. Die
tiefe Kränkung, die er darüber empfand, und die sittliche Entrüstung,
mit der er die unbegründeten Vorwürfe zurückweist, können wir nicht
besser kennen lernen, als durch seine eigenen Worte. Am 8. Oktober
schrieb er an _J. Stodart_:

    »Ich höre täglich mehr von diesen Gerüchten und fürchte, daß
    sie, wenn ich auch nur davon flüstern höre, doch unter den
    Männern der Wissenschaft laut genug besprochen werden; und da
    dieselben zum Teil meine Ehre und Redlichkeit angreifen, so
    liegt mir viel daran, sie zu beseitigen, oder sie wenigstens
    insoweit als irrtümlich zu erweisen, als sie meine Ehre
    angreifen. Sie wissen sehr wohl, welchen Kummer mir diese
    unerwartete Aufnahme meiner Abhandlung im Publikum gemacht hat
    und Sie werden sich deshalb nicht wundern, wenn mir alles daran
    liegt, diesen Eindruck los zu werden, obgleich ich dadurch
    Ihnen und anderen Freunden Mühe mache. Wenn ich recht verstehe,
    so klagt man mich an: 1. daß ich die Belehrungen, welche ich
    empfing, indem ich Sir Humphry Davy bei seinen Versuchen über
    diesen Gegenstand assistierte, nicht ausdrücklich erwähnt habe;
    2. daß ich über die Theorie und Ansichten von ~Dr.~ Wollaston
    geschwiegen habe; 3. daß ich die Sache aufgenommen habe,
    während ~Dr.~ Wollaston daran war, sie zu bearbeiten und 4.
    daß ich in nicht ehrenhafter Weise ~Dr.~ Wollaston’s Gedanken
    mir angeeignet und ohne dies anzuerkennen, sie bis zu den
    Ergebnissen verfolgt habe, die ich herausbrachte.

    Es liegt etwas Erniedrigendes im Zusammenhange dieser Anklage,
    und wäre die letzte darunter richtig, so fühle ich, daß ich
    nicht in dem freundschaftlichen Verhältnisse bleiben könnte, in
    dem ich jetzt mit Ihnen und anderen wissenschaftlichen Männern
    stehe. Meine Liebe für wissenschaftlichen Ruhm ist noch nicht
    so groß, daß sie mich verleiten sollte, ihm auf Kosten der Ehre
    nachzustreben, und meine Sorge, diesen Flecken abzuwaschen, ist
    so groß, daß ich mich nicht scheue, Ihre Mühe auch über das
    gewöhnliche Maß hinaus in Anspruch zu nehmen ...«

Am 30. Oktober schreibt er direkt an _Wollaston_:

    »Wenn ich Unrecht getan habe, so war es ganz gegen meine
    Absicht, und der Vorwurf, daß ich unehrenhaft gehandelt
    hätte, ist unbegründet. Ich bin kühn genug, mein Herr, um
    eine Unterredung von wenigen Minuten, diesen Gegenstand
    betreffend, zu bitten; meine Gründe dazu sind: ich möchte mich
    rechtfertigen und Sie versichern, daß ich große Verpflichtungen
    gegen Sie zu haben fühle, daß ich Sie hochachte, daß ich
    um Alles die unbegründeten Voraussetzungen, die gegen mich
    sprechen, widerlegen möchte; und wenn ich Unrecht getan habe,
    möchte ich Abbitte leisten.«

Die Verständigung mit _Wollaston_ muß eine vollständige gewesen sein;
wenigstens war dieser der erste, welcher anderthalb Jahre später den
Antrag stellte, _Faraday_ zum Mitgliede der _~Royal Society~_, der
ersten wissenschaftlichen Gesellschaft Englands, zu ernennen, und
_Faraday_ selbst sprach sich später rückhaltlos über _Wollaston’s_
Hochherzigkeit und Wohlwollen zu ihm aus. Andere, und besonders sein
Lehrer _Davy_, haben sich nicht so leicht überzeugen lassen, und
_Faraday_ hatte den Schmerz, seine Kandidatur für die ~Royal Society~
gerade von _Davy_ auf das Heftigste bekämpft zu sehen. Schließlich aber
legte sich der Sturm und seine Wahl erfolgte am 8. Januar 1824.

Noch eine andere Begegnung, aus dem Jahre 1835, zeigt uns, wie
_Faraday_, wenn es nötig war, seine Manneswürde zu wahren wußte.
Die englische Regierung hatte ihm, in Anerkennung seiner großen
Verdienste, ein Ehrengehalt zugedacht. Die Sache war ihm von Anfang an
unsympathisch, und er hätte sie am liebsten zurückgewiesen. Er ließ
sich aber umstimmen, und so hatte er in dieser Angelegenheit eine
Audienz bei dem Minister _Lord Melbourne_. Der letztere tat dabei die
ungeschickte Äußerung, daß er derartige Pensionen hasse und sie für
Humbug halte. _Faraday_ brach darauf sofort die Unterredung ab; er gab
jedoch noch am Abend desselben Tages auf Lord Melbourne’s Bureau den
folgenden Brief ab:

        »An den sehr ehrenwerten Lord Viscount Melbourne,
        Lordschatzmeister.

            26. Oktober.

    »Mylord! Da die Unterredung, welche ich die Ehre hatte,
    mit Eurer Herrlichkeit zu führen, mir Gelegenheit gab, die
    Ansichten kennen zu lernen, welche Eure Lordschaft über
    Gelehrtenpensionen im allgemeinen hegen, so fühle ich mich
    veranlaßt, eine derartige Begünstigung, welche Eure Lordschaft
    mir zudenkt, hiermit ehrfurchtsvoll abzulehnen; denn ich
    fühle, daß es keinerlei Genugtuung für mich wäre, aus Eurer
    Lordschaft Händen etwas zu empfangen, was unter der äußeren
    Form einer Anerkennung eine ganz andere, von Eurer Lordschaft
    so nachdrücklich bezeichnete Bedeutung haben würde.«

Den weiteren Verlauf der Sache schildert _Tyndall_ mit folgenden Worten:

    »Der gutmütige Edelmann sah die Sache anfänglich als einen
    ausgezeichneten Scherz an, späterhin aber wurde er veranlaßt,
    sie ernster aufzufassen. Eine vortreffliche Dame, welche sowohl
    mit Faraday als mit dem Minister befreundet war, versuchte
    die Sache wieder ins Geleise zu bringen, allein sie fand es
    sehr schwer, Faraday aus der einmal angenommenen Stellung
    herauszubringen. Nach vielen erfolglosen Anstrengungen bat sie
    ihn, anzugeben, was er von Lord Melbourne verlangen würde, um
    seinen Entschluß zu ändern. Er erwiderte: ›Ich würde einen
    Wunsch ausdrücken, dessen Gewährung ich weder erwarten, noch
    fordern kann, nämlich eine schriftliche Entschuldigung über
    die Ausdrücke, welche er sich mir gegenüber zu gebrauchen
    erlaubte‹. Die verlangte Entschuldigung wurde aufrichtig und
    vollständig gegeben, und gereicht meiner Ansicht nach sowohl
    dem damaligen Premier als dem Gelehrten zur Ehre.«

Ganz besonders wohltuend berührt sein Verhältnis zu dem Prof.
_Tyndall_, dem wir so viele pietätvolle Aufzeichnungen über
_Faraday_ verdanken. Auch _Tyndall_ ist einer der ausgezeichnetsten
Naturforscher; er hat sich durch zahlreiche vortreffliche Arbeiten
berühmt gemacht, u. a. durch eine Reihe vorzüglicher Untersuchungen
über die Gletscher, die er auf mühsamen und oft gefahrvollen
Expeditionen in den Hochalpen belauschte. _Tyndall_ ist um viele Jahre
jünger als _Faraday_; aber beide Männer schlossen eines jener innigen
Freundschaftsbündnisse, wie sie die Geschichte nur in wenigen Fällen
verzeichnet hat. Die folgenden Aufzeichnungen Tyndall’s, welche aus
diesem vertrauten Umgange hervorgegangen sind, mögen die vorstehende
Skizze beschließen.

Von _Faraday’s_ äußerer Erscheinung schreibt _Tyndall_: »Ich habe
_Faraday_ bei meiner Rückkehr von Marburg im Jahre 1850 zum ersten Male
gesehen ... Ich bemerkte sofort den Ausdruck von Freundlichkeit und
Intelligenz, den seine Gesichtszüge auf das Wunderbarste wiedergaben.
So lange er gesund war, dachte man nie an sein Alter; und blickte man
in seine klaren, vor Heiterkeit strahlenden Augen, so vergaß man völlig
sein graues Haar«.

_Faraday_ war von einfachen Gewohnheiten. Aber »es war – wie _Tyndall_
sagt – keine Spur des Asketen in seiner Natur. Er zog den Wein und
das Fleisch des Lebens den Heuschrecken und dem wilden Honig vor«.
Besonders empfänglich war er für das Glück der Freundschaft und die
Liebe der Menschen. »_Tyndall_ – sagte er einst – der süßeste Lohn für
meine Arbeit ist die Sympathie und die Anerkennung, welche mir aus
allen Teilen der Welt zufließen.«

Aus der Zeit des Alters schreibt _Tyndall_:

    »Um jene Zeit, ehe er sich die Ruhe gönnte, welcher er sich
    in den zwei letzten Lebensjahren hingab, schrieb er mir den
    folgenden Brief – einen der vielen unschätzbaren Briefe, welche
    jetzt vor mir liegen, worin sein damaliger Geisteszustand
    besser geschildert ist, als dies eine andere Feder zu tun
    vermöchte. Ich war zuweilen in seiner Gegenwart wegen meiner
    Unternehmungen in den Alpen getadelt worden, allein seine
    Antwort lautete immer: ›Laßt ihn nur gewähren, er wird sich
    schon in acht zu nehmen wissen‹. In diesem Brief jedoch kommt
    zum ersten Mal eine gewisse Ängstlichkeit in bezug hierauf zum
    Vorschein:

    Hampton Court, 1. August 1864. Lieber Tyndall! Ich weiß
    nicht, ob mein Brief Sie erreichen wird, allein ich will es
    immerhin wagen – obwohl ich mich recht wenig geeignet fühle,
    mit Jemandem zu verkehren, dessen Dasein so voll Leben und
    Unternehmungsgeist ist, wie das Ihrige. Allein Ihr lieber
    Brief tat mir kund, daß ich, obwohl ich ganz vergeßlich werde,
    doch nicht vergessen worden bin; und obwohl ich nicht imstande
    bin, am Schlusse einer Zeile mich des Anfangs derselben zu
    erinnern, so werden doch diese unvollkommenen Zeichen Ihnen
    den Sinn dessen geben können, was ich Ihnen zu sagen wünsche.
    Wir hatten von Ihrer Krankheit durch Miß Moore gehört, und ich
    war deshalb sehr froh zu erfahren, daß Sie wieder hergestellt
    sind. Seien Sie aber nicht allzu kühn, und setzen Sie Ihr Glück
    nicht in das Bestehen oder Aufsuchen von Gefahren. Zuweilen bin
    ich ganz müde, wenn ich nur an Sie und an das, was Sie jetzt
    noch vornehmen, denke; und dann tritt wieder eine Pause oder
    eine Änderung in den Bildern ein, allein ohne daß ich dabei
    zur Ruhe käme. Ich weiß, daß dies in hohem Grade von meiner
    eigenen erschöpften Natur herrührt; und ich weiß nicht, warum
    ich dies schreibe; während ich Ihnen schreibe, muß ich jedoch
    daran denken und diese Gedanken verhindern mich, auf andere
    Gegenstände zu kommen ...«

Und weiter:

    »Es war mein Streben und mein Wunsch, die Stelle Schiller’s
    bei diesem Goethe einzunehmen; und er war zu Zeiten so freudig
    und kräftig, körperlich so rüstig und geistig so klar, daß mir
    oft der Gedanke kam, auch er werde, wie Goethe, den jüngeren
    Mann überleben. Das Schicksal wollte es anders, und jetzt lebt
    er nur noch in unser Aller Erinnerung. Aber wahrlich, kein
    Andenken könnte schöner sein. Geist und Herz waren gleich reich
    bei ihm. Die schönsten Züge, die der Apostel Paulus von einem
    Charakter entworfen hat, fanden bei ihm die vollkommenste
    Anwendung. Denn er war ohne Tadel, wachsam, mäßig, von gutem
    Betragen, geneigt zur Lehre und nicht dem irdischen Gewinn
    ergeben.«



Erste Vorlesung.

    Die Kerze. Ihre Flamme. Schmelzen des Brennstoffs. Kapillarität
    des Dochtes. Die Flamme ein brennender Dampf. Gestalt und Teile
    der Flamme. Der aufsteigende Luftstrom. Andere Flammen.


Die Naturgeschichte einer Kerze wählte ich schon bei einer früheren
Gelegenheit zum Thema meines Vortrags, und stände die Wahl nur in
meinem Belieben, so möchte ich dieses Thema wohl jedes Jahr zum Ausgang
meiner Vorlesungen nehmen, so viel Interessantes, so mannigfache
Wege zur Naturbetrachtung im allgemeinen bietet dasselbe dar. Alle
im Weltall wirkenden Gesetze treten darin zutage oder kommen dabei
wenigstens in Betracht, und schwerlich möchte sich ein bequemeres Tor
zum Eingang in das Studium der Natur finden lassen.

Vorweg möchte ich mir die Bitte an meine Zuhörer erlauben, bei aller
Bedeutung unseres Gegenstandes und allem Ernst der wissenschaftlichen
Behandlung desselben doch von den Älteren unter uns absehen zu dürfen
und das Vorrecht zu beanspruchen, als junger Mann zu jungen Leuten zu
sprechen, wie ich es früher bei ähnlicher Veranlassung getan; und wenn
ich mir auch bewußt bin, daß meine hier gesprochenen Worte in weitere
Kreise hinausdringen, so soll mich dies doch nicht abhalten, den
früher gewohnten Familienton gegen die mir Nächststehenden auch in den
gegenwärtigen Vorlesungen anzuschlagen.

[Sidenote: Kerzenfabrikation.]

Zuerst muß ich Euch, meine lieben Knaben und Mädchen, wohl erzählen,
woraus Kerzen verfertigt werden. Da lernen wir denn ganz sonderbare
Dinge kennen. Hier habe ich etwas Holz, Baumzweige, deren leichte
Brennbarkeit Euch ja bekannt ist – und hier seht Ihr ein Stückchen von
einem sehr merkwürdigen Stoffe, der in einigen Moorsümpfen Irlands
gefunden wird, sogenanntes »Kerzenholz«; es ist dies ein vorzüglich
hartes, festes Holz, als Nutzholz vortrefflich verwendbar, da es sich
sehr dauerhaft zeigt, bei alledem aber so leicht brennend, daß man an
seinen Fundorten Späne und Fackeln daraus schneidet, die wie Kerzen
brennen und wirklich ausgezeichnetes Licht geben, so daß wir hierin die
natürlichste Kerze, eigentlich eine Naturkerze vor uns sehen.

Wir haben hier indes besonders von Kerzen zu sprechen, wie sie im
Handel vorkommen. Hier sind zunächst etliche sogenannte _gezogene
Lichte_. Dieselben werden auf folgende Weise verfertigt: baumwollene
Schnüre werden mit einer Schlinge an einem Stab aufgehängt, in
geschmolzenen Talg eingetaucht, herausgezogen und abgekühlt, dann
wieder eingetaucht, und dieses Verfahren so lange fortgesetzt, bis
eine genügende Menge Talg rings um den baumwollenen Docht hängen
geblieben ist, und so die Kerze die gewünschte Dicke erhalten hat.
Die große Verschiedenartigkeit der Kerzen könnt Ihr recht deutlich an
denen sehen, welche ich hier in der Hand halte; diese sind auffällig
dünn, sie wurden ehedem von den Bergleuten in den Kohlenbergwerken
gebraucht. In früheren Zeiten mußte sich der Bergmann seine Kerzen
selbst verfertigen; aus Sparsamkeit nun, besonders aber wohl, weil
man der Meinung war, die Grubengase würden von einer kleinen Flamme
nicht so rasch entzündet wie von einer großen, machte man die Kerzen
so dünn, daß 20, 30, 40, ja 60 auf das Pfund gingen. Statt ihrer kamen
die _Davy_’sche und verschiedene andere Sicherheitslampen in Gebrauch.
– Hier seht Ihr dagegen eine Kerze, welche Oberst _Pasley_ aus dem
untergegangenen Schiff »Royal-George« entnommen hat. Viele Jahre lang
auf dem Meeresgrund der Einwirkung des Seewassers ausgesetzt, überdies
geschunden und zerknickt, zeigt sie uns, wie gut sich eine Kerze
konservieren kann; denn angezündet brennt sie, wie Ihr hier seht, ganz
gleichmäßig fort, und der schmelzende Talg bewährt sich völlig in
seinen ursprünglichen Eigenschaften.

Herr _Field_ in Lambeth hat mir viele sehr gute Zeichnungen und
Materialien aus der Kerzenfabrikation zugestellt, mit denen ich Euch
bekannt machen werde. Hier zunächst ist _Nierenfett_, Rindertalg, ich
glaube russischer Talg, aus dem die gezogenen Lichte gemacht werden.
Dieser Talg wird nach einem von _Gay-Lussac_ herrührenden Verfahren
in die schöne Substanz verwandelt, die Ihr daneben liegen seht. Ihr
wißt, daß unsere jetzigen Kerzen nicht so beschmutzend abfetten, wie
diese Talglichter, sondern ganz sauber sind, und daß man herabgefallene
Tropfen abkratzen und pulverisieren kann, ohne etwas zu beschmutzen.
Das Verfahren ist folgendes: Der Talg wird zuerst mit gelöschtem
Kalk gekocht, wodurch eine Art Seife gebildet wird; diese Seife wird
dann durch Schwefelsäure zersetzt, welche den Kalk fortnimmt und das
veränderte Fett als Stearinsäure zurückläßt. Zugleich wird etwas
Glyzerin, eine syrupartige Flüssigkeit, gebildet. Durch Auspressen
wird sodann alles Ölige entfernt, und Ihr seht hier einige Preßkuchen,
an denen sich zeigt, daß die Unreinigkeiten je nach der Stärke des
Druckes allmählich mehr und mehr entfernt werden; die zurückgebliebene
Masse wird nun geschmolzen und zu Kerzen gegossen, wie sie hier vor uns
liegen. Die Kerze, welche ich hier in der Hand habe, ist eine auf dem
beschriebenen Wege hergestellte _Stearin-Kerze_. Daneben habe ich eine
_Wallrath-Kerze_, aus dem gereinigten Fett des Pottfisches verfertigt;
ferner seht Ihr hier gelbes und weißes _Wachs_, woraus Kerzen gemacht
werden; hier eine merkwürdige Substanz, das aus irischen Sümpfen
gewonnene _Paraffin_[4], so wie einige Paraffinkerzen, und endlich hier
noch eine Substanz, die aus Japan bei uns eingeführt wird, seitdem wir
den Zugang zu diesem fernen Lande erzwungen haben, eine Art _Wachs_,
welches mir ein guter Freund gesandt hat, und welches ein neues
Material für die Kerzenfabrikation bildet.

Wie werden nun diese Kerzen verfertigt? Soeben habe ich Euch von
_gezogenen_ Lichten erzählt und will Euch nun auch sagen, wie die
_gegossenen_ gemacht werden. Nehmen wir an, irgend eine dieser Kerzen
bestehe aus einem Material, das gegossen werden kann. »Gegossen«,
sagt Ihr. »Nun, eine Kerze ist doch ein Ding, das schmilzt, und was
sich schmelzen läßt, das läßt sich doch wohl auch gießen.« Durchaus
nicht! Es ist gar merkwürdig, wie sich im Verlauf der praktischen
Arbeit Hindernisse in den Weg stellen, die man vorher durchaus nicht
erwartete. Es kann nicht jede Art Kerzen gegossen werden. So ist z.
B. das Wachs eine Substanz, die sehr gut brennt und in einem Lichte
zwar leicht schmilzt, aber doch nicht gegossen werden kann; ich werde
nachher die Fabrikation der Wachskerzen kurz angeben, jetzt aber
zunächst bei den Materialien verweilen, die sich gießen lassen.

Hier ist ein Rahmen mit einigen Gießformen, in die zunächst der Docht
eingefügt wird. Hier habe ich einen geflochtenen Docht, der nicht
geputzt zu werden braucht, an einem kleinen Draht hängen; er reicht bis
unten hinab, wo er angepflöckt wird, so daß das Pflöckchen ihn zugleich
straff hält und die untere Öffnung völlig schließt, damit nichts
Flüssiges hindurch kann. Oben hat die Form einen Quersteg, der den
Docht richtig in der Mitte gespannt hält. Nun werden die Formen mit der
geschmolzenen Talgmasse vollgegossen. Nach dem Erkalten der Formen wird
der oben überstehende Talg glatt abgeputzt und die Enden des Dochtes
abgeschnitten, so daß jetzt nur die Kerzen in den Formen bleiben,
und um sie heraus zu bekommen, braucht man diese nur umzudrehen, wie
ich’s hier tue. Die Formen sind nämlich kegelförmig, d. h. oben enger
als unten, und da die Kerzen beim Erkalten sich noch dazu ein wenig
zusammenziehen, so fallen sie schon bei geringem Schütteln heraus.

Ganz ebenso werden auch die Stearin- und Paraffin-Kerzen gemacht.

Eigentümlich ist die Fabrikation der Wachskerzen. Baumwollene Dochte
werden, wie Ihr es hier seht, an einen Rahmen aufgehängt und ihre
Enden mit Metallhütchen bedeckt, damit sie von Wachs frei bleiben. Sie
werden in die Nähe des Ofens gebracht, in welchem das Wachs geschmolzen
wird. Wie Ihr seht, kann das Gestell gedreht werden, und letzteres
geschieht, während ein Arbeiter das geschmolzene Wachs an einem Docht
nach dem andern hinabgießt; die so gebildete erste Schicht um den Docht
herum wird nach dem Erstarren mit einer zweiten überzogen und so lange
auf diese Weise fortgefahren, bis die Kerzen die gewünschte Dicke
erlangt haben; alsdann werden sie abgenommen und auf einer polierten
Steinplatte glatt gerollt, die Enden beschnitten und abgeputzt. Die
Arbeiter erlangen dabei eine solche Fertigkeit, daß genau vier oder
sechs Kerzen, oder wie viel eben verlangt werden, auf das Pfund gehen.

Ich will beiläufig auch einen Luxus erwähnen, der in der
Kerzenfabrikation getrieben wird, teils in Farben, teils in Formen.
Seht, wie wunderschön diese Kerzen hier gefärbt sind! Malvenblau,
Magenta und alle die neu erfundenen prächtigen Farben sind hier
zur Verschönerung verwendet. In dieser Kerze hier zeigt sich in
wundervoller Form eine gekehlte Säule, und hier habe ich mit bunten
Blumen schön bemalte Kerzen, die angezündet oben eine strahlende Sonne
und darunter einen blühenden Garten darstellen. Indes, nicht alles
Schöne ist auch nützlich, und diese gekehlten Kerzen z. B. sind bei
ihrem schönen Ansehen doch schlechte Kerzen, und zwar gerade infolge
ihrer äußeren Form; durch dergleichen Verfeinerungen wird meistens die
Brauchbarkeit beeinträchtigt. Indes wollte ich Euch auch diese Kerzen,
welche mir gute Freunde von allen Seiten sandten, zeigen, damit Ihr
sehen könnt, was auch in dieser Hinsicht geleistet wird. Aber, wie ich
sagte, wenn wir diese Verfeinerungen wollen, so müssen wir einigermaßen
die Zweckmäßigkeit opfern.

[Sidenote: Die Kerzenflamme. Das Schälchen.]

Ich wende mich nunmehr zu unserem eigentlichen Thema, zunächst zur
_Flamme_ der Kerze. Wir wollen eine oder zwei anzünden und so in
Ausübung ihrer eigentümlichen Funktionen setzen. Ihr bemerkt, wie ganz
verschieden eine Kerze von einer Lampe ist. Bei einer Lampe hat man
den mit Öl gefüllten Behälter, in welchen der aus Moos oder Baumwolle
bereitete Docht gebracht wird; das Dochtende zündet man an, und wenn
die Flamme bis zum Öl hinabgekommen, verlöscht sie dort, brennt
aber in dem höher gelegenen Teile des Dochtes fort. Nun werdet Ihr
unzweifelhaft fragen, wie es kommt, daß das Öl, welches für sich nicht
brennen will, zur Spitze des Dochtes gelangt, wo es brennt; wir werden
das sogleich untersuchen. Aber bei dem Brennen einer Kerze geschieht
noch etwas weit Merkwürdigeres. Hier haben wir eine feste Masse, die
keinen Behälter braucht – wie kann wohl diese Masse da hinaufgelangen,
wo wir die Flamme sehen, da sie doch nicht flüssig ist? Oder, wenn sie
in eine Flüssigkeit verwandelt ist, wie kann sie dabei doch in festem
Zusammenhalt bleiben? Wahrlich ein merkwürdig Ding, so eine Kerze!

Wir haben hier einen starken Luftzug, der uns bei manchen Experimenten
förderlich ist, bei anderen aber schädlich sein kann. Um darin eine
Regelmäßigkeit zu erlangen und die Sache zu vereinfachen, werde ich
eine ganz ruhige Flamme herstellen; denn wie kann man einen Gegenstand
untersuchen, wenn Nebenumstände in den Weg treten, die gar nicht zu
demselben gehören? Hier können wir von den Marktweibern lernen, die
des Abends auf offner Straße feilhalten. Ich habe das oft bewundert.
Sie umgeben das Licht mit einem Zylinder, der von einer Art Galerie
getragen wird, welche die Kerze umklammert und nach Bedürfnis höher
oder niedriger gestellt werden kann. Mittelst dieses Zylinders erhält
man eine beständige Flamme, die man genau betrachten und sorgsam
untersuchen kann, wie Ihr es hoffentlich zu Hause tun werdet.

Da bemerken wir denn zunächst, wie die oberste Schicht der Kerze
gleich unter der Flamme sich einsenkt zu einer hübschen Schale. Die
zur Kerze gelangende Luft nämlich steigt infolge der Strömung, welche
die Flammenhitze bewirkt, nach oben und kühlt dadurch den _Mantel_ der
Kerze ab, also daß der Rand des Schälchens kühler bleibt und weniger
einschmilzt als die Mitte, während auf diese die Flamme am meisten
einwirkt, da sie so weit als möglich am Docht herabzulaufen strebt.
So lange die Luft von allen Seiten gleichmäßig zuströmt, bleibt
unser Schälchen vollkommen wagrecht, so daß die darin schwimmende
geschmolzene Kerzenmasse ebenfalls wagrecht darin stehen bleiben muß;
stelle ich aber einen seitlichen Luftstrom her, so wird alsbald das
Schälchen schief und läuft die flüssige Masse an der Seite herab –
jenes wie dieses nach demselben Gesetz der Schwere, welches die Welten
treibt und zusammenhält. Ihr seht also, daß die Schale durch den
gleichmäßig aufsteigenden Luftstrom gebildet wird, welcher das Äußere
der Kerze von allen Seiten umspielt und es dadurch kalt hält. Nur
solche Stoffe können zu Kerzen verwendet werden, welche die Eigenschaft
besitzen, beim Brennen ein derartiges Schälchen zu bilden. Ausgenommen
von dieser Regel ist das vorhin gezeigte irische Kerzenholz, welches
selbst gleich einem Schwamm seinen eigenen Brennstoff festhält. Ihr
könnt Euch nun auch selbst erklären, weshalb ich von der praktischen
Brauchbarkeit dieser schön geformten gekehlten Kerzen so ungünstig
sprach; bei ihnen kann ja das Schälchen nicht den vollkommenen Rand
haben, sondern muß abwechselnd Hebung und Einsenkung erhalten. Diese
schön aussehenden Kerzen brennen schlecht, sie träufeln ab, weil durch
die Unebenheit des Mantels die Gleichmäßigkeit des Luftstromes gestört
und dadurch wieder die regelmäßige Form des Schälchens verhindert wird.
Also nicht auf schönes Aussehen, sondern auf praktische Brauchbarkeit
kommt es hier an.

Wir können hier einige hübsche Beispiele für die Wirkung des
aufsteigenden Luftstroms beobachten, die Ihr Euch wohl merken könnt.
Hier ist ein wenig Abgeträufeltes an der Seite der Kerze herabgeflossen
und hat sie da etwas dicker gemacht als an anderen Stellen; während nun
die Kerze ruhig weiter herabbrennt, bleibt jenes an seiner Stelle und
bildet eine kleine, über den Rand der Schale hervorragende Säule; da
es immer höher zu stehen kommt als das übrige Wachs und weiter von der
Mitte entfernt ist, so kann die Luft besser dazu gelangen, es also auch
mehr abkühlen und somit geeigneter machen, der Einwirkung der Hitze in
so kleiner Entfernung zu widerstehen. So führen, wie in vielen anderen
Fällen, auch bei unserer Kerze selbst Mißgriffe und Fehler zu unserer
Belehrung, die wir auf anderem Wege vielleicht schwerlich erlangt
hätten. Wir werden so unwillkürlich zu Naturforschern; und ich hoffe,
Ihr werdet immer daran denken, daß Ihr bei jedem Vorgange, besonders
wenn er Euch neu ist, fragen solltet: »Was ist die Ursache? Wie geht
das zu?« und im Laufe der Zeit werdet Ihr den Grund finden.

[Sidenote: Die Kerzenflamme. Der Docht.]

Eine andere Frage, welche eine Antwort erfordert, ist: Wie gelangt
der Brennstoff der Kerze aus dem Schälchen den Docht hinauf an den
Verbrennungsort? Ihr wißt, daß bei Wachs-, Stearin-, Wallrath-Kerzen
die Flamme am brennenden Docht nicht herunterläuft zum Brennstoff
und diesen ganz fortschmilzt, sondern daß sie an ihrem Platze oben
bleibt, getrennt von dem Flüssigen darunter und ohne sich an dem Rand
der Schale zu vergreifen. Ich kann mir kein schöneres Beispiel von
Anpassung denken: um die beste Wirkung hervorzubringen, ist in der
Kerze jeder Teil dem andern dienstbar. Es ist mir ein wundervoller
Anblick, diesen brennbaren Stoff so allmählich abbrennen zu sehen, ohne
je von der Flamme ergriffen zu werden, zumal wenn man dabei erwägt,
welche Kraft der Flamme innewohnt, das Wachs zu zerstören, wenn sie ihm
zu nahe kommt.

[Sidenote: Die Kerzenflamme. Kapillarität des Dochtes.]

Wie aber erfaßt nun die Flamme den Brennstoff? Durch _kapillare
Anziehung_! »Kapillare Anziehung?« fragt Ihr. »Haarröhrchen-Anziehung?«
Nun, der Name tut nichts zur Sache – man hat ihn zu Zeiten gegeben,
wo man noch gar kein rechtes Verständnis von der Kraft hatte, die er
bezeichnen sollte. Die Wirkung dieser sogenannten Kapillaranziehung
ist, daß der Brennstoff an den Verbrennungsort hingeleitet und
abgesetzt wird, und zwar nicht von ungefähr, sondern hübsch ordentlich
gerade in die Mitte des Herdes, auf dem der Prozeß vor sich geht.

[Illustration: Fig. 1.]

Um Euch den Vorgang deutlicher zu machen, will ich etliche Beispiele
von kapillarer Attraktion anführen. Vermöge dieser Kraft können zwei
Körper, die nicht ineinander übergehen, doch aneinander haften. Wenn
Ihr Euch z. B. die Hände waschen wollt, so macht Ihr sie ganz und gar
naß, und findet, daß sie auch naß bleiben. Dies wird durch die Art
der Anziehung bewirkt, von welcher ich hier spreche. Ferner, wenn Eure
Hände nicht schmutzig sind – was sie freilich bei den gewöhnlichen
Verrichtungen meistens sein werden –, und Ihr steckt also einen reinen
Finger in warmes Wasser, so werdet Ihr bei ganz sorgfältigem Hinsehen
bemerken, wie das Wasser höher, als es im Gefäß steht, an dem Finger
emporkriecht. Hier habe ich auf dem Teller eine ganz poröse Substanz,
eine Salzsäule, und auf den Boden des Tellers gieße ich nicht etwa,
wie es Euch scheinen möchte, reines Wasser, sondern eine _gesättigte_
Salzlösung, die gar nichts mehr auflösen kann, so daß die Erscheinung,
die Ihr beobachten werdet, also unmöglich auf fernerem Lösen der
Bestandteile der Salzsäule beruhen kann. Nehmen wir an, der Teller sei
die Kerze, die Salzsäule der Docht und diese Lösung das geschmolzene
Wachs. Damit Ihr den Vorgang besser beobachten könnt, habe ich die
Lösung blau gefärbt. Ich gieße sie nun in den Teller, und Ihr seht,
wie sie in dem Salz nach und nach emporsteigt, wie sie höher und höher
hinaufkriecht, und sie wird sicherlich bis zur Spitze gelangen, wenn
die Säule inzwischen nicht etwa umfällt. Wäre diese blaue Lösung eine
brennbare Flüssigkeit, so würde sie – wenn in die Spitze der Säule
ein Docht eingesetzt wäre – beim Eintritt in diesen sich anzünden
lassen. Es ist gewiß höchst interessant, einen derartigen Vorgang mit
all seinen eigentümlichen Umständen zu beobachten. – Wie Ihr nach dem
Händewaschen ein Handtuch nehmt, das die Nässe von den Händen aufsaugt,
so saugt der Docht infolge derselben Attraktion das Wachs, Stearin etc.
in sich hinein und bis zur Flamme hinauf.

Ich kannte einige unordentliche Kinder (indes passiert so etwas
manchmal auch ordentlichen Leuten), die nach dem Abtrocknen der Hände
das Handtuch nachlässig über den Waschbeckenrand hinwarfen; nach
kurzer Zeit hatte das Tuch alles Wasser aus dem Becken auf die Dielen
geleitet, weil es zufällig so auf den Rand zu liegen gekommen war, daß
es als Heber wirken konnte. Damit Ihr deutlicher seht, in welcher Weise
dergleichen Wirkungen der Körper auf einander vor sich gehen, habe
ich hier ein Gefäß aus engmaschigem Drahtnetz mit Wasser angefüllt,
das Ihr in seinem Verhalten mit Watte oder mit einem Stück Kattun
vergleichen könnt, und man hat auch wirklich Dochte, die aus einem
derartigen Drahtgewebe angefertigt sind. Ihr seht, das Gefäß ist porös;
denn wenn ich oben etwas Wasser hineingieße, so läuft es unten gleich
wieder heraus; es ist aber auch voll Wasser, und doch sieht man das
Wasser zu gleicher Zeit hinein- und herausfließen, als ob es leer wäre.
Ihr würdet wohl in Verlegenheit kommen, wenn Ihr dieses auffällige
Verhalten meines Gefäßes erklären solltet.

Der Grund ist folgender: Die einmal naß gewordenen Fäden des Netzes
bleiben naß, und da die Maschen sehr eng sind, so wird das Wasser von
der einen zur anderen Seite so kräftig hingezogen und auf diese Weise
festgehalten, daß es nicht entrinnen kann, wiewohl das Gefäß an sich
porös ist. In gleicher Weise nun steigen beim Brennen die geschmolzenen
Wachsteilchen im Docht empor und gelangen in die Spitze; andere
Teilchen wandern infolge ihrer gegenseitigen Anziehung ihnen nach, und
die einen nach den andern werden, wie sie nach und nach in die Flamme
eintreten, so von dieser verzehrt.

Noch ein anderes Beispiel. Hier seht Ihr ein Stöckchen Spanischrohr.
Daß ein solches in seiner Längsrichtung durchgehende Kanäle hat, also
Kapillarität besitzt, kann man gelegentlich auf der Straße an Jungen
sehen, die gern wie Männer aussehen möchten; sie zünden ein solches
Stück an einem Ende an und rauchen es, als wär’s eine Zigarre. Stelle
ich nun dieses Stück Rohr auf einen Teller, worauf sich etwas Benzin
befindet (eine Flüssigkeit, die in ihren allgemeinen Eigenschaften dem
Paraffin ähnlich ist), so wird dieses genau auf die Weise, wie soeben
die blaue Lösung in der Salzsäule, in dem Rohr emporsteigen; und zwar
muß alles nach oben, da sich seitlich keine Poren finden, so daß es
sich in dieser Richtung nicht bewegen kann. Seht, da ist das Benzin
schon in der Spitze angelangt, und da es leicht brennbar ist, kann ich
es anzünden und als Kerze gebrauchen.

[Illustration: Fig. 2.]

Der einzige Grund nun, weshalb eine Kerze nicht ohne weiteres längs
des Dochtes herabbrennt, liegt darin, daß geschmolzener Talg die
Flamme auslöscht. Ihr wißt, daß eine Kerze sofort ausgeht, wenn man
sie umdreht, so daß der geschmolzene Brennstoff im Docht zur Spitze
hinfließen kann. Es kommt dies daher, daß die Flamme nicht Zeit genug
hat, den jetzt in größerer Menge schmelzenden Brennstoff gehörig zu
erhitzen, wie sie es von oben tut, wo nur kleinere Quantitäten nach und
nach schmelzen, im Docht aufsteigen und die Hitze ihre volle Wirkung
auf dieselben ausüben kann.

[Sidenote: Brennbare Dämpfe in der Kerzenflamme.]

Wir gelangen jetzt zu einem sehr wichtigen Punkt in unserer
Betrachtung, ohne dessen eingehende Erörterung Ihr nicht imstande
wäret, den Vorgang in der Kerzenflamme vollkommen zu verstehen; ich
meine den gasförmigen Zustand des Brennstoffs. Damit Ihr mich recht
versteht, will ich Euch ein ebenso niedliches wie einfaches Experiment
zeigen. Wenn Ihr eine Kerzenflamme vorsichtig ausblast, seht Ihr Dämpfe
davon emporsteigen; Ihr habt sicherlich schon oft den Dampf einer
ausgeblasenen Kerze gerochen – es ist ein sehr unangenehmer Geruch.
Geschieht aber, wie ich sagte, das Ausblasen recht vorsichtig, so kann
man ganz deutlich den Dampf sehen, in welchen sich die feste Masse der
Kerze verwandelt hat. Ich werde jetzt eine dieser Kerzen so ausblasen,
daß die Luft ringsherum dabei nicht bewegt wird, nämlich mit Hilfe
beständig anhaltender Einwirkung meines Atems; und wenn ich nun einen
brennenden Span dem Docht auf 2 bis 3 Zoll nähere, so bemerkt Ihr einen
Feuerschein, der durch den Dampf hindurchzuckt, bis er zur Kerze
gelangt. Mit all dem muß ich sehr rasch fertig werden, weil sich der
Dampf, wenn ich ihm Zeit zum Abkühlen lasse, in flüssiger oder fester
Form verdichtet, oder der Strom entzündbarer Substanz sich zerstreut.

[Illustration: Fig. 3.]

Jetzt kommen wir zu Umriß und Gestalt der Flamme. Es ist von
Wichtigkeit für uns, den Zustand kennen zu lernen, in welchem sich
die Kerzenmasse zuletzt an der Spitze des Dochtes befindet, wo sich
in der Flamme ein Glanz und eine Schönheit zeigt, wie sie bei keinem
anderen Vorgang zu beobachten ist. Ihr kennt die glänzende Schönheit
des Goldes und des Silbers, das noch hellere Schimmern und Glitzern
der Edelsteine, wie Rubin und Diamant – aber nichts von alledem kommt
dem Glanz und der Schönheit einer Flamme gleich. Welcher Diamant
kann leuchten wie die Flamme? Er verdankt seinen Glanz zur Nachtzeit
nur eben dieser Flamme, die ihn beleuchtet. Die Flamme erhellt die
Finsternis – das Licht des Diamanten aber ist ein Nichts, es ist erst
da, wenn der Strahl einer Flamme auf ihn fällt. Die Kerze allein
leuchtet durch sich selbst und für sich selbst, oder für die, welche
ihre Bestandteile zu einander geordnet haben!

[Illustration: Fig. 4.]

[Sidenote: Gestalt und Schichtung der Flamme. Der Schatten einer
Flamme. Niedersteigende Flamme.]

Betrachten wir nun etwas näher die Gestalt der Flamme, wie sie sich
hier unter dem Glaszylinder zeigt! Sie ist beständig und gleichmäßig,
und hat im allgemeinen die Form, welche in vorliegender Zeichnung
wiedergegeben ist, die sich aber je nach den Einwirkungen der Luft und
nach der Größe der Kerze mannigfach ändert. Sie bildet einen unten
abgerundeten Kegel, oben heller als unten, den Docht in der Mitte.
Unten, in der Nähe des Dochtes, unterscheidet man deutlich einen
dunkleren Teil, in welchem die Verbrennung noch nicht so vollständig
ist, als in den höheren Partien. Ich habe hier die Zeichnung einer
Flamme, die schon vor vielen Jahren _Hooker_ angefertigt hat, als er
seine Untersuchungen ausführte. Sie stellt eine Lampenflamme dar,
aber sie paßt auch auf die Kerzenflamme; das Ölgefäß vertritt das
Schälchen der Kerze, das Öl das geschmolzene Material der Kerze und
der Docht ist ja beiden gemeinsam. Auf dem letzteren hatte er das
Flämmchen abgebildet und dann in der Umgebung des letzteren ganz
richtig eine Schicht dargestellt, die man aber nicht sehen kann,
und von der Ihr nichts wissen werdet, wenn Ihr nicht schon früher
hier waret, oder sonst mit der Sache vertraut seid. Er hat hier die
umgebende Luft dargestellt, welche sehr wesentlich für die Flamme
ist und sich stets in ihrer Nähe befindet. Hier hat er ferner den
Luftstrom angedeutet, der die Flamme emporzieht; denn die Flamme, die
Ihr hier seht, wird wirklich durch den Luftstrom hinaufgezogen, und
zwar zu einer bedeutenden Höhe; gerade wie es _Hooker_ hier durch die
Verlängerung des Luftstromes in der Zeichnung dargestellt hat. Man
kann sich davon am besten überzeugen, wenn man eine brennende Kerze
in die Sonne stellt und ihren Schatten auf weißes Papier fallen läßt.
Es ist doch merkwürdig, daß eine Flamme, die selbst leuchtend genug
ist, um andere Körper Schatten werfen zu lassen, auch selbst einen
Schatten werfen kann. Dabei sieht man deutlich, wie etwas um die Flamme
herumströmt, das kein Teil der Flamme selbst ist, sondern neben ihr
aufsteigt und sie mit sich emporzieht. Ich werde jetzt das Sonnenlicht
nachahmen, indem ich diese _Volta_’sche Säule mit einer elektrischen
Lampe in Verbindung setze. Hier seht unsere selbstgeschaffene Sonne
und ihre große Lichtfülle! Wenn ich nun zwischen sie und diesen Schirm
eine Kerze stelle, so erhalten wir hier den Schatten der Flamme. Ihr
unterscheidet deutlich den Schatten der Kerze und des Dochtes; dann
hier den dunklen Teil, wie er auch in _Hooker’s_ Zeichnung dargestellt
ist, dann eine hellere Partie. Es ist merkwürdig, daß wir den Teil
der Flamme im Schatten als den dunkelsten sehen, der in Wirklichkeit
der hellste ist. Hier endlich zeigt sich, gleichfalls mit _Hookers_
Zeichnung übereinstimmend, der aufsteigende Luftstrom, der die Flamme
nährt, sie mit sich emporzieht und den Rand des Brennschälchens abkühlt.

[Illustration: Fig. 5.]

Ich kann Euch hier durch einen anderen Versuch zeigen, wie die Flamme
je nach der Richtung des Luftstroms steigt oder sinkt. An dieser Flamme
beabsichtige ich, den aufsteigenden Luftstrom in einen absteigenden
umzuwandeln, was ich mit Hilfe des kleinen Apparates, der hier vor
mir steht, leicht ausführen kann. Die Flamme ist, wie Ihr seht, keine
Kerzenflamme, sondern eine Alkoholflamme, welche keinen Rauch erzeugt;
aber Ihr werdet ohne Zweifel das Gemeinsame mit der Kerzenflamme
genügend erkennen, um beide mit einander zu vergleichen. Da die Flamme
an sich zu schwach leuchtet, als daß Ihr ihre Richtung genau verfolgen
könntet, so werde ich sie durch einen anderen Stoff färben. Ich zünde
nun den Spiritus an, und frei in der Luft gehalten, steigt die Flamme
naturgemäß aufwärts, wie es jede Flamme unter gewöhnlichen Umständen
zufolge des die Verbrennung unterhaltenden Luftstroms tun muß, was Ihr
ja nun genau versteht. Jetzt aber seht Ihr, daß ich die Flamme durch
Niederblasen in diesen kleinen Schornstein abwärts zu gehen nötigen
kann, indem ich so die Richtung der Strömung umkehre. Vor Abschluß
dieser Vorlesungen werde ich Euch eine Lampe vorzeigen, in welcher die
Flamme nach oben und der Rauch nach unten, oder der Rauch nach oben und
die Flamme nach unten geht. Ihr seht also, daß wir es auf diese Weise
in der Gewalt haben, der Flamme verschiedene Richtungen anzuweisen.

[Sidenote: Gestalt anderer Flammen.]

Nun muß ich Eure Aufmerksamkeit auf einige andere Punkte lenken.
Viele der hier brennenden Flammen weichen in ihrer Form bedeutend von
einander ab, und zwar wiederum infolge der Luftströme, die sie in
verschiedenen Richtungen umwehen. Andererseits aber können wir auch
Flammen herstellen, die wie feste Körper stehen bleiben, so daß wir sie
bequem photographieren können – und letzteres müssen wir auch wirklich
tun, um noch mancherlei daran zu untersuchen. Das ist aber nicht das
Einzige, was ich zu erwähnen wünsche. Nehme ich eine hinlänglich
große Flamme, so behält sie nicht die gleichmäßige bestimmte Gestalt,
sondern sie verzweigt sich mit einer ganz wunderbaren Kraft. Um dies
zu zeigen, benutze ich einen anderen Brennstoff, der mir das Wachs
oder den Talg der Kerze ersetzen soll. Ich habe hier einen großen
Baumwollenballen, welcher als Docht dienen mag. Jetzt, nachdem ich ihn
in Spiritus getaucht und entzündet habe – worin unterscheidet er sich
von einer gewöhnlichen Kerze? Nun, sehr bedeutend in der Lebhaftigkeit
und Gewalt des Brennens, wie wir es an einer Kerzenflamme niemals
beobachten können. Seht, wie die schönen Zungen fort und fort in die
Höhe schlagen? Die Richtung der Flamme ist dieselbe, von unten nach
oben; was man aber in keinem Fall bei einer Kerze wahrnimmt, ist dieses
merkwürdige Zerreißen in einzelne Zacken und Spitzen, diese lebhaft
hervorleckenden Zungen. Woher kommt das? Ich muß es Euch erklären;
denn wenn Ihr das vollkommen versteht, werdet Ihr besser imstande
sein, mir genau bei dem zu folgen, was ich später noch zu sagen habe.
Ich glaube, mancher von Euch hat das Experiment selbst schon gemacht,
das ich Euch zeigen will. Gewiß haben viele von Euch sich schon am
Snapdragon ergötzt, welches Spiel im wesentlichen darin besteht, im
Dunkeln Branntwein über Rosinen oder Pflaumen in einer Tasse abbrennen
zu lassen. Ich kenne keine schönere Erläuterung zu diesem Teil unseres
Gegenstandes, als jenes Spiel. Hier habe ich zunächst eine Schale und
bemerke dabei, daß man, um ein recht schönes Snapdragon zu bekommen,
eine vorher gut erwärmte Schale nehmen muß; auch sollte man die
Pflaumen und den Branntwein vorher erwärmen.

[Illustration: Fig. 6.]

Wie wir bei einer Kerze oben das Schälchen und darin den geschmolzenen
Brennstoff haben, so hier die Schale mit dem Spiritus darin, während
der Docht hier von den Rosinen vertreten wird. Ich zünde jetzt
den Spiritus an, und Ihr seht nun die wundervollen Flammenzungen
emporschlagen; Ihr seht, wie die Luft über den Schalenrand hineinsteigt
und diese Zungen emportreibt. Wieso? Nun, bei der Heftigkeit der
Luftströmung und der Unregelmäßigkeit des Vorganges kann die Flamme
nicht in einem Zuge gleichmäßig emporsteigen. Die Luft fließt so
unregelmäßig in die Schale hinein, daß Ihr das, was sich sonst als
einheitliches Bild darstellen würde, in eine Menge verschiedener
Gestaltungen zerrissen seht, von denen jede ihre eigene unabhängige
Existenz besitzt. Ich möchte fast sagen, wir sähen hier eine Anzahl
einzeln für sich bestehender Kerzen vor uns. Aber Ihr müßt Euch nicht
vorstellen, daß, weil man alle diese Zungen auf einmal sieht, ihr
Gesamtbild die eigentümliche Gestalt der Flamme darstelle. Niemals
hat ein Flammenkörper der Art, wie wir ihn von dem Ball sich erheben
sahen, eigentlich die Form, wie sie uns da erschien. Es ist eine
Menge von Formen, die so rasch auf einander folgen, daß das Auge sie
nicht einzeln zu fassen imstande ist, sondern den Eindruck von allen
gleichzeitig empfängt. Ich habe früher absichtlich eine Flamme von
so allgemeinem Charakter besprochen, und in der hier vorliegenden
Zeichnung seht Ihr einzelne Gruppen, aus denen sie zusammengesetzt
ist; sie sind nicht alle zugleich vorhanden; bei der so raschen
Aufeinanderfolge der verschiedenen Gestaltungen scheint es uns nur so.

Es tut mir leid, daß wir heute nicht weiter als zu meinem
Snapdragon-Spiel gekommen sind. Es soll mir aber für die Zukunft eine
Mahnung sein, mich strenger an die Sache zu halten, und Eure Zeit nicht
so sehr mit dergleichen Ausschmückungen in Anspruch zu nehmen.


Fußnoten:

    [1] _Faraday und seine Entdeckungen_, eine Gedenkschrift von
        _John Tyndall_; deutsch herausgegeben von _H. Helmholtz_.
        Braunschweig bei Friedr. Vieweg & Sohn. 1870.

    [2] 1 Penny = 10 Pfennige; Pence ist die Mehrzahl von Penny.

    [3] Das Chlor ist einer der sogenannten chemischen Grundstoffe,
        wie Schwefel, Kohle etc., aus denen alle Körper
        zusammengesetzt sind. Es ist z. B. ein Bestandteil des
        gewöhnlichen Kochsalzes.

    [4] Das _Paraffin_ für die Kerzenfabrikation wird jetzt
        aus einer besonderen Art Braunkohlen, aus sogenannten
        bituminösen, d. h. von organischen Stoffen durchsetzten
        Schiefern und ähnlichen Rohstoffen gewonnen, indem man
        dieselben in geschlossenen Gefäßen stark erhitzt. Dadurch
        erhält man Leuchtgas, Teer, Kokes und andere Produkte; das
        Paraffin wird dann aus dem Teer durch weitere Verarbeitung
        gewonnen. Auch bei der Reinigung des Petroleums erhält man
        ein geringerwertiges Paraffin als Nebenprodukt.



Zweite Vorlesung.

    Nähere Untersuchung der brennbaren Dämpfe in der Flamme.
    Verteilung der Hitze in der Flamme. Bedeutung der Luft.
    Unvollständige Verbrennung; Rußen der Flamme. Verbrennung
    ohne Flamme (Eisen). Das Leuchten der Flamme. Kohle in der
    Kerzenflamme. Verbrennungsprodukte.


Bei unserem ersten Zusammensein haben wir uns zunächst damit
beschäftigt, die Eigenschaften und das Verhalten des geschmolzenen
Teils an der Kerze im allgemeinen kennen zu lernen, und uns über den
Weg unterrichtet, auf dem er zum Verbrennungsherd gelangt. Wir sahen
ferner, daß eine Flamme, welche in einer gleichmäßig ruhigen Atmosphäre
brennt, eine bestimmte Form hat, ungefähr wie es in der Zeichnung
dargestellt war, und daß sie hübsch gleichmäßig, obwohl sehr merkwürdig
in ihrem Charakter erscheint.

[Sidenote: Brennbare Dämpfe in der Flamme.]

Heute wollen wir unsere Aufmerksamkeit auf die Mittel richten, durch
die wir erfahren können, was in jedem einzelnen Teil der Flamme vor
sich geht, wie und warum es so vor sich geht, und was nach all diesem
zuletzt aus der Kerze wird. Denn Ihr wißt ja: eine Kerze, die da vor
uns brennt, verschwindet gänzlich, wenn sie ordentlich fortbrennt, ohne
im Leuchter eine Spur von einem Rückstand zu lassen – gewiß eine höchst
merkwürdige Erscheinung.

Um also die Kerzenflamme sorgfältig untersuchen zu können, habe ich
hier einen Apparat aufgestellt, dessen Anwendung Ihr gleich kennen
lernen sollt.

[Illustration: Fig. 7.]

Hier ist die Kerze; das Ende dieses Glasröhrchens bringe ich in die
Mitte der Flamme, in den Teil also, welchen der alte _Hooker_ in seiner
Zeichnung ganz dunkel dargestellt hat und den Ihr ja an jeder ruhig
brennenden Flamme genau unterscheiden könnt. Diesen dunkeln Teil also
wollen wir zuerst untersuchen.

Indem ich so den einen Schenkel des gebogenen Glasröhrchens
hineinhalte, könnt Ihr schon jetzt bemerken, daß etwas von der Flamme
herkommt und am andern Ende der Röhre austritt. – Stellt man eine
Flasche dorthin und läßt sie eine kurze Zeit dort stehen, so sieht man,
daß von dem mittleren Teil der Flamme nach und nach etwas ausgeschieden
wird, durch die Röhre in diese Flasche gelangt und daß dort sein
Zustand ganz verschieden ist von dem in der freien Luft. Es entweicht
nicht nur von dem Ende der Röhre, sondern es fällt auf den Boden der
Flasche nieder wie eine schwere Substanz, die es in der Tat auch ist.
Wir finden, daß dies das Wachs der Kerze ist, umgewandelt in ein
dampfartiges Fluidum – nicht in ein Gas. (Ihr müßt Euch den Unterschied
zwischen Gas und Dampf merken: ein Gas ist etwas Beständiges, der Dampf
aber wird leicht wieder verdichtet.)[5] Wenn Ihr eine Kerze ausblast,
so habt Ihr einen häßlichen Geruch, der von der Verdichtung dieses
Dampfes herrührt. – Dieser ist ganz verschieden von dem, was sich an
der Außenseite der Flamme findet; um Euch das deutlicher zu machen,
will ich eine größere Menge dieses Dampfes darstellen und anzünden –
denn was wir bei einer gewöhnlichen Kerze nur in geringer Menge finden,
müssen wir als Naturforscher in größerem Verhältnis produzieren,
wenn dieses erforderlich ist, damit wir es auf seine verschiedenen
Bestandteile prüfen können. Und jetzt wird Herr Anderson[6] mir eine
Wärmequelle verschaffen, um Euch zu zeigen, was dieser Dampf ist.
Ich habe hier Wachs in einer Glasflasche und mache es heiß, wie ja
das Innere der Kerzenflamme und das Brennmaterial um den Docht auch
heiß sind. [Der Vortragende bringt etwas Wachs in eine Glasflasche
und erhitzt es über einer Lampe.] Jetzt glaube ich, es ist heiß genug
für mich. Ihr seht, daß das hineingelegte Wachs flüssig geworden ist,
und daß ein wenig Rauch von demselben aufsteigt. Wir werden bald den
Dampf sich erheben sehen. Indessen mache ich das Wachs noch heißer,
damit wir mehr Dampf bekommen, und nun kann ich ihn aus der Flasche
in diese Schale gießen und ihn darin entzünden. Das ist alsdann genau
derselbe Dampf wie im Innern der Kerzenflamme; und damit Ihr Euch
überzeugt, daß dies wirklich der Fall ist, wollen wir untersuchen, ob
wir in dieser Flasche hier nicht einen brennbaren Dampf aus der Mitte
der Kerzenflamme erhalten haben. [Indem er die Flasche, in welche die
Röhre von der Kerze einmündet, nimmt und einen brennenden Wachsstock
hineinführt.] Seht, wie es brennt! Nun, dies ist der Dampf aus der
Mitte der Kerze, erzeugt durch ihre eigne Hitze; und das ist einer der
ersten Punkte, die Ihr Euch in der Reihenfolge der Verwandlungen zu
merken habt, welche das Wachs bei der Verbrennung erleidet. Ich will
jetzt eine andere Röhre vorsichtig in die Flamme bringen, und es soll
mich nicht wundern, wenn wir bei einiger Sorgfalt imstande sind, diesen
Dampf durch die Röhre bis zum andern Ende fortzuleiten, wo wir ihn
anzünden wollen und genau die Flamme einer Kerze an einer von derselben
entfernten Stelle erhalten werden. Nun, seht hier! Ist das nicht ein
recht niedliches Experiment? Sprecht von Gasleitung – wir können von
Kerzenleitung sprechen! Ihr erkennt hieraus, daß der Prozeß in zwei
deutlich verschiedenen Teilen vor sich geht: der eine ist die Erzeugung
des Dampfes, der andere die _Verbrennung_ desselben – beide spielen
sich an besonderen Stellen der Kerzenflamme ab.

[Illustration: Fig. 8.]

[Sidenote: Hitze der Flamme. Einfluß der Luft.]

Von dem schon verbrannten Teile kann ich keinen Dampf erhalten. Wenn
ich die Röhre in Fig. 7 zum obern Teil der Flamme hebe, so wird, sobald
der Dampf ausgeschlossen ist, das, was nun in die Röhre geht, nicht
mehr brennbar sein; denn es ist ja schon verbrannt! – Wie verbrannt?
– In der Mitte der Kerze am Docht befindet sich der brennbare Dampf;
außerhalb der Flamme ist die Luft, die wir für das Brennen einer Kerze
notwendig finden werden. Zwischen diesen beiden geht ein kräftiger
chemischer Prozeß vor sich, bei dem die Luft und der Brennstoff auf
einander wirken; und genau zu derselben Zeit, während der wir das Licht
erhalten, wird der Dampf zerstört. Wenn Ihr prüft, wo die heißeste
Stelle der Flamme ist, so werdet Ihr das merkwürdig eingerichtet
finden. Ich nehme z. B. diese Kerze und halte ein Stück Papier dicht
über die Flamme: wo ist die größte Hitze dieser Flamme? Ihr seht, daß
sie nicht im Innern ist. Sie ist in einem Ringe, genau an dem Orte,
von dem ich sagte, daß dort der chemische Prozeß vor sich geht, und
trotzdem ich dieses Experiment jetzt nicht mit der wünschenswerten
Sorgfalt ausführen kann, wird es immer ein Ring sein, wenn nicht gar
zu viel Unruhe herrscht. Das ist ein Experiment, das Ihr gut zu Hause
machen könnt. Nehmt einen Papierstreifen, sorgt dafür, daß die Luft
im Zimmer ruhig ist, und haltet das Papier gerade über die Mitte der
Flamme – doch ich darf nicht sprechen, während ich das Experiment mache
– Ihr werdet finden, daß es an zwei Stellen verbrannt, in der Mitte
aber nur wenig oder gar nicht angebrannt ist. Habt Ihr nun dieses
Experiment ein- oder zweimal gemacht, so daß es gut gelingt, so ist es
sehr interessant zu sehen, wo die größte Hitze ist, und zu finden, daß
sie da ist, wo Luft und Brennstoff zusammentreffen.

[Sidenote: Mangelhafter Luftzug. Ruß.]

Das ist bei unserm ferneren Vorwärtsgehen sehr wichtig für uns. Luft
ist unumgänglich notwendig zur Verbrennung; und was mehr ist: ich
muß betonen, daß _frische_ Luft nötig ist, denn sonst würden wir
unvollkommen kombinieren und experimentieren. Ich habe hier eine
Flasche voll Luft und stülpe sie über eine Kerze, die zuerst darin ganz
hübsch brennt und zeigt, daß das, was ich sagte, wahr ist. Bald aber
tritt eine Veränderung ein. Seht, wie sich die Flamme nach oben zieht,
nun schwach und schwächer wird und zuletzt verlöscht. Und verlöscht,
warum? Nicht weil sie nur nach Luft verlangt – denn die Flasche ist
noch ebenso voll wie vordem – sondern weil sie _reine_, _frische_ Luft
haben will. Die Flasche ist voll Luft, die teils verändert, teils nicht
verändert ist; aber sie enthält nicht genug reine Luft, wie es zur
Verbrennung einer Kerze nötig ist. Das alles sind Punkte, die wir als
junge Chemiker uns merken müssen, und wenn wir ein wenig genauer auf
derartige Vorgänge achten, so werden wir verschiedene Anknüpfungspunkte
zu sehr interessanten Betrachtungen finden. Zum Beispiel habe ich hier
die Öllampe, die ich Euch zeigte, eine vorzügliche Lampe für unsere
Experimente, es ist die bekannte _Argand_’sche Lampe. Ich verwandle sie
jetzt in eine Kerze (indem ich den Durchgang der Luft in das Innere
der Flamme verstopfe). Hier ist der Docht, hier steigt das Öl in ihm
empor, und da haben wir die kegelförmige Flamme. Sie brennt spärlich,
weil die Luft teilweise abgesperrt ist. Ich habe der Luft nur zu der
Außenseite der Flamme den Zutritt gestattet, weshalb sie nicht gut
brennt. Ich kann nicht mehr Luft von außen her zulassen, da der Docht
zu groß ist; wenn ich aber, wie es _Argand_ so sinnreich tat, einen
Durchgang zur Mitte der Flamme öffne, und so die Luft hineintreten
lasse, so werdet Ihr sehen, wie viel schöner sie brennt. Wenn ich die
Luft abschließe, so seht nur, wie sie raucht. Aber warum? Da haben wir
einige sehr interessante Punkte zu untersuchen. Wir hatten den Fall
der vollkommenen Verbrennung einer Kerze; wir hatten den Fall, daß
eine Kerze aus Luftmangel verlöschte und haben jetzt den Fall von
unzureichender Verbrennung, was für uns so interessant ist, daß ich
wünsche, Ihr möchtet es ebenso gut verstehen, wie die bestmögliche
Verbrennung einer Kerze. Ich will jetzt eine große Flamme machen,
weil wir Versuche in möglichst großem Maßstabe brauchen. Hier ist
ein größerer Docht, ein Baumwollenballen mit brennendem Terpentinöl.
Alle dergleichen Dinge sind ja ganz dasselbe wie Kerzen. Wenn wir
größere Dochte nehmen, müssen wir eine stärkere Luftzufuhr bewirken,
oder wir werden doch eine unvollkommene Verbrennung haben. Seht Euch
jetzt diese schwarze Substanz an, die in die Luft steigt, es ist ein
ganz regelmäßiger Strom. Ich habe jedoch Vorkehrungen getroffen, den
unvollkommen verbrannten Teil fortzuschaffen, damit er Euch nicht
beschmutzt. Seht den Ruß, der von der Flamme fortfliegt; seht, wie
unvollkommen die Verbrennung ist, da nicht genug Luft hinzutritt. Was
geschieht also? Nun, einige zur Verbrennung nötigen Dinge sind nicht
da, und infolgedessen werden schlechte Resultate erzielt. Indessen
sehen wir, wie es einer Kerze geht, wenn sie in reiner, also tauglicher
Luft brennt. Als ich Euch die Verkohlung durch den Ring der Flamme auf
der einen Seite des Papiers zeigte, hätte ich es auch umdrehen und Euch
zeigen können, daß bei der Verbrennung einer Kerze dieselbe Art von Ruß
– Kohle – entsteht.

[Sidenote: Flammen anderer Art.]

Aber bevor ich dieses zeige, ist es für unsern Zweck sehr notwendig,
noch einen anderen Gegenstand kennen zu lernen. Obgleich uns nämlich
die Kerze das allgemeine Resultat ihrer Verbrennung stets in Form einer
Flamme darstellt, so müssen wir doch zusehen, ob eine Verbrennung
immer in dieser Weise vor sich geht, oder ob es auch noch andere Arten
von Verbrennung gibt, und wir werden bald entdecken, daß letzteres
der Fall und daß dieses sehr wichtig für uns ist. Ich glaube, die
beste Art der Veranschaulichung für uns junge Leute ist vielleicht,
die Erscheinungen im stärksten Gegensatze zu zeigen. Hier habe ich
ein wenig Schießpulver – Ihr wißt, daß das Pulver mit einer Flamme
brennt – wir dürfen es Flamme nennen; es enthält Kohle und andere
Stoffe, welche verursachen, daß es mit Flamme brennt. Ferner habe ich
hier pulverisiertes Eisen oder Eisenfeilspäne. Jetzt will ich diese
beiden Dinge zusammen verbrennen. Ich habe hier einen kleinen Mörser,
in welchem ich sie mische. (Bevor ich an diese Experimente gehe, will
ich warnen, daß sie niemand von Euch aus Spielerei nachmacht und
sich dabei beschädigt. Dergleichen Dinge können wohl gemacht werden,
wenn man sich in acht nimmt; sonst aber kann man damit viel Unheil
anrichten.) Hier ist also ein wenig Pulver, welches ich auf den Boden
dieses kleinen Holzgefäßes lege und mit Eisenfeilspänen vermische; ich
beabsichtige nun, durch das Pulver die Feilspäne in Brand zu setzen
und sie in der Luft zu verbrennen, um hierbei den Unterschied zwischen
Substanzen, die mit, und solchen, die ohne Flamme brennen, zu zeigen.
Hier ist die Mischung, und wenn ich sie entzünde, wobei Ihr genau
auf die Verbrennung achten müßt, so werdet Ihr sehen, daß diese eine
zweifache ist. Ihr werdet das Pulver mit Flamme brennen und Feilspäne
aufgewirbelt sehen, und zwar auch sie brennend, jedoch ohne Flamme. Ein
jedes brennt für sich allein. [Der Vortragende setzt nun die Mischung
in Brand.] Hier das Pulver brennt mit einer Flamme; die Feilspäne
dagegen zeigen eine andere Art von Verbrennung. Da seht Ihr nun die
zwei verschiedenen Erscheinungen; und hiervon hängt alle Brauchbarkeit
und Schönheit der Flammen ab, die wir zur Beleuchtung benutzen wollen.
Wenn wir Öl, Gas oder Kerzen zur Beleuchtung gebrauchen, so beruht ihre
Brauchbarkeit auf diesen verschiedenen Arten der Verbrennung.

Der Verbrennungsprozeß bietet so viel Merkwürdiges dar, daß es einiger
Klugheit und Unterscheidungsgabe bedarf, um die einzelnen Arten der
Verbrennung eine jede in ihrer besonderen Art zu erkennen. Hier ist
zum Beispiel ein Pulver, welches sehr leicht verbrennt, und das, wie
Ihr seht, aus lauter einzelnen kleinen Körnchen besteht. Man nennt es
Lycopodium (Bärlappsamen, Hexenmehl), und jedes dieser Körnchen kann
einen Dampf entwickeln und seine eigene Flamme erzeugen; wenn man
sie abbrennt, so glaubt man, es sei alles _eine_ Flamme. Ich werde
einen Teil anzünden, damit Ihr die Erscheinung beobachten könnt. Wir
sehen eine Feuerwolke, augenscheinlich eine einzige Masse; aber jenes
knisternde Geräusch, das sich beim Abbrennen wahrnehmen läßt, ist ein
Beweis, daß die Verbrennung keine zusammenhängende und gleichmäßige
ist. Auf dem Theater wird damit der Blitz sehr gut nachgeahmt.
[Das Experiment wird zweimal wiederholt, indem der Vortragende das
Lycopodium aus einer Glasröhre durch eine Spiritusflamme bläst.] Es ist
dies kein Fall einer Verbrennung, wie die der Eisenfeilspäne, von der
ich gesprochen habe und auf die wir jetzt zurückkommen müssen.

[Sidenote: Kohle in der Kerzenflamme. Das Leuchten.]

Denkt Euch, ich nehme eine Kerzenflamme und prüfe den Teil derselben,
der unserem Auge am hellsten erscheint. Nun, da bekomme ich diese
schwarzen Teilchen, welche Ihr schon oft aus der Flamme sich
ausscheiden sahet, und die ich jetzt auf eine andere Weise ausscheiden
will. Ich werde dieses Licht nehmen und das Herabgeträufelte davon
entfernen, welches infolge der Luftströmungen entstanden ist. Wenn ich
nun eine Glasröhre gerade in diesen leuchtendsten Teil tauche, wie bei
unserem ersten Experiment, nur höher, so seht Ihr, was geschieht. Statt
des damals weißen, werden wir jetzt einen schwarzen Dampf haben. Er
steigt empor, so schwarz wie Tinte. Er ist in der Tat sehr verschieden
von dem weißen Dampf, und wenn wir ihm eine Flamme nähern, so finden
wir, daß er nicht brennt, sondern das Licht auslöscht. Nun, dieser
schwarze Stoff ist eben, wie ich sagte, der Rauch der Kerze, und
dies erinnert mich an die alte Anwendung, welche Dean Swift seinen
Dienstboten zur Unterhaltung empfahl, nämlich auf der Decke des Zimmers
mit einer Flamme zu schreiben. Aber was ist diese schwarze Substanz? Es
ist dieselbe Kohle, welche wir schon früher aus der Kerze erhielten.
Wie kann sie sich aus der Kerze bilden? Sie war offenbar in der Kerze
vorhanden, sonst könnte sie nicht hier sein. Und nun folgt mir genau in
meiner Auseinandersetzung. Ihr werdet wohl kaum glauben, daß alle die
Substanzen, die in Gestalt von Ruß und schwarzen Flöckchen in London
herumfliegen, gerade die Schönheit und das Leben der Flamme ausmachen,
und daß sie in derselben so verbrannt werden, wie die Eisenfeilspäne
hier. Hier ist ein Stück Drahtgeflecht, welches die Flamme nicht
hindurch läßt, und wenn ich es niedrig genug halte, daß es den Teil der
Flamme berührt, welcher sonst so hell ist, so werdet Ihr sehen, daß es
diesen sogleich hemmt und dämpft und eine Menge Rauch aufsteigen läßt.

Ich bitte Euch nun, auf das Folgende zu achten. Wenn eine Substanz
brennt, wie die Eisenfeilspäne in der Pulverflamme, ohne dabei
dampfförmig zu werden (sei es, daß sie flüssig wird oder fest
bleibt), so leuchtet sie sehr stark. Ich habe hier einige Beispiele
gewählt, welche von der Kerze unabhängig sind, um Euch diesen Punkt
zu erläutern; denn was ich sagte, gilt von allen Substanzen, ob sie
brennen oder nicht brennen, – daß sie nämlich ausnehmend leuchtend
sind, wenn sie ihren festen Zustand auch in der Hitze behalten. Und
die Kerze verdankt der Anwesenheit fester Teilchen in der Flamme ihre
Leuchtkraft.

[Sidenote: Das Kalklicht.]

Hier ist ein Platindraht, ein Körper, der sich durch Hitze nicht
verändert. Wenn ich ihn in dieser Flamme erhitze, so seht nur, wie
außerordentlich hell er leuchtet. Ich werde die Flamme klein machen,
damit sie nur wenig Licht gibt, und dennoch werdet Ihr sehen, daß
die Hitze, die sie diesem Platindraht mitteilen kann, obwohl viel
geringer, als die eigene, doch imstande ist, dem Drahte bedeutend mehr
Leuchtkraft zu geben. Diese Flamme enthält Kohle; jetzt will ich aber
eine Flamme nehmen, die keine Kohle enthält. In dem Gefäß hier ist
ein Material, eine Art Brennstoff – eine Luftart oder ein Gas, wie
Ihr es nennen wollt –, und darin sind _keine_ festen Teile enthalten.
Ich wähle diesen Stoff, weil er uns das Beispiel einer Flamme geben
wird, welche brennt, ohne daß irgend ein fester Körper dabei auftritt.
Wenn ich nun diesen festen Körper hineinhalte, so seht Ihr, welche
intensive Hitze die Flamme hat und wie hell sie den festen Körper
erglühen macht. Durch diese Röhre leiten wir dieses absonderliche Gas,
welches wir _Wasserstoff_ nennen, und welches Ihr bei unserer nächsten
Zusammenkunft näher kennen lernen sollt. Und hier ist eine Substanz
Namens _Sauerstoff_, mit deren Hilfe der Wasserstoff brennen kann;
aber obwohl wir durch die Verbindung beider eine bedeutend höhere
Temperatur als durch die Verbrennung einer Kerze erzeugen können, so
leuchtet die Flamme doch nur wenig. Bringe ich dagegen einen festen
Körper hinein, so erhalten wir ein sehr intensives Licht. Wenn ich ein
Stück Kalk nehme, eine Substanz, die nicht brennt und durch Hitze nicht
verflüchtigt wird (also fest bleibt), so werdet Ihr bald sehen, was
geschieht, wenn der Kalk glüht. Bei der Verbrennung von Wasserstoff in
Sauerstoff wird sehr große Hitze, aber sehr wenig Licht entwickelt,
letzteres also nicht aus Mangel an Hitze, sondern an Teilchen, welche
fest sind und auch in ihrem festen Zustande verharren. Halte ich aber
dieses Stück Kalk in die Flamme – seht, wie es glüht! Es ist dies das
berühmte Kalk-Licht, welches mit dem _Volta_’schen Licht wetteifert
und dem Sonnenlicht beinahe gleich kommt. Hier habe ich ein Stück
Holzkohle, welche brennt und uns genau in derselben Weise Licht gibt,
als ob sie als Bestandteil einer Kerze verbrannt würde. Die Hitze einer
Kerzenflamme zersetzt den Wachsdampf und macht die Kohlenteile frei;
diese steigen erhitzt und glühend empor, wie dies hier glüht, und
entweichen dann in die Luft – freilich nicht in Form von Kohle, sondern
in vollkommen unsichtbarer Gestalt, worüber wir später sprechen werden.

Ist es nicht von großem Reiz, Einsicht in einen Prozeß zu gewinnen,
durch den ein so schmutziges Ding wie eine Kohle so hell leuchtend
werden kann? Ihr seht, es kommt darauf hinaus, daß alle hellen
Flammen solche festen Teile enthalten. Alle Körper, welche brennen
und dabei feste Teilchen entwickeln, entweder während der Entzündung,
wie die Kerze, oder unmittelbar danach, wie das Schießpulver und die
Eisenfeilspäne, alle solche Körper geben uns ein helles und schönes
Licht.

[Illustration: Fig. 9.]

[Sidenote: Phosphor, chlorsaures Kali und Schwefelantimon, Zink.]

Ich will Euch das durch ein paar weitere Experimente zu
veranschaulichen suchen. Hier ist ein Stück _Phosphor_, der mit heller
Flamme brennt. Wir müssen hieraus schließen, daß dieser Phosphor
entweder in dem Moment der Entzündung oder später solche feste Teilchen
absondert. Ich zünde nun den Phosphor an und bedecke ihn mit einer
Glasglocke, um die Verbrennungsprodukte aufzufangen. Was bedeutet all
der Rauch? Dieser Rauch besteht eben aus jenen Teilchen, die durch die
Verbrennung des Phosphors gebildet werden. – Hier haben wir zwei andere
Stoffe. Dies ist _chlorsaures Kali_ und dies ist _Schwefelantimon_.
Ich werde sie zusammenmischen, und dann können sie auf verschiedene Art
in Brand gesetzt werden. Ich will sie zunächst, um Euch ein Beispiel
chemischer Reaktion zu geben, mit einem Tropfen Schwefelsäure berühren
und sie werden augenblicklich brennen. [Der Vortragende entzündet die
Mischung durch Schwefelsäure.] Nun könnt Ihr schon aus dem Augenschein
selbst schließen, ob diese Stoffe feste Produkte liefern. Ich habe Euch
ja den Weg zu dieser Schlußfolgerung gezeigt; denn wodurch ist diese
Flamme sonst so hell, als durch die emporsteigenden glühenden festen
Teile?

Herr Anderson hat da in dem Ofen einen Tiegel stark erhitzt, in den
ich einige Zinkfeilspäne werfen will, die dann mit einer Flamme wie
Schießpulver brennen werden. Ich mache Euch dieses Experiment hier vor,
weil Ihr es zu Hause gut nachmachen könnt. Jetzt sollt Ihr sehen, was
das Verbrennungsprodukt des Zinkes ist. Hier brennt das Zink. Es brennt
wundervoll wie eine Kerze. Aber was bedeutet all dieser Rauch? Was sind
diese kleinen Wollenflöckchen, die zu Euch hinfliegen, da Ihr nicht
zu ihnen kommen könnt? Es ist dies die sogenannte Philosophenwolle
der Alten. Wir werden finden, daß auch in dem Tiegel noch eine Menge
dieser wolligen Substanz zurückgeblieben ist. Doch will ich das
Experiment noch ein wenig anders machen und doch dasselbe Resultat
erzielen. Hier habe ich ein Stückchen Zink; hier [indem er auf einen
Wasserstoffbrenner zeigt] ist der Verbrennungsherd, und wir wollen ans
Werk gehen und das Metall zu verbrennen versuchen. Ihr seht, wie es
glüht; da haben wir die Verbrennung und hier die weiße Substanz, zu der
es verbrennt. Und wenn ich also diese Wasserstoffflamme als Vertreter
der Kerze nehme und Euch eine Substanz wie das Zink in der Flamme
brennend zeige, so werdet Ihr sehen, daß diese Substanz allein während
der Verbrennung glühte, so lange sie heiß erhalten wurde; und wenn ich
nun diese weiße Substanz wieder in die Wasserstoffflamme bringe, so
seht nur, wie schön sie glüht und zwar gerade darum, weil es eine feste
Substanz ist.

[Sidenote: Die Leuchtgasflamme.]

Ich will nun eine Flamme nehmen, wie ich sie schon einmal benutzt habe,
und will aus ihr die Kohlenteilchen in Freiheit setzen. Ich nehme etwas
Benzin, das mit viel Rauch brennt; aber ich lasse die Rauchteilchen
durch diese Röhre in die Wasserstoffflamme gehen, wo Ihr sie brennen
und leuchten sehen werdet, weil ich sie zum zweiten Male erhitze. Seht
jetzt! Da sind die Kohlenteilchen zum zweiten Male entzündet. Ihr
werdet diese Teilchen besser sehen, wenn ich ein Stück Papier hinter
sie halte; so lange sie sich innerhalb der Flamme befinden, glühen sie
durch die Hitze derselben und erzeugen eben so lange diese Helligkeit.
Werden solche Teilchen nicht abgeschieden, so erhält die Flamme keine
Leuchtkraft. Auch die Leuchtgasflamme verdankt ihre Helligkeit der
Ausscheidung solcher Kohlenteilchen während des Brennens; denn sie
sind im Leuchtgas ebenso vorhanden, wie in einer Kerze. Ich kann diese
Anordnung schnell umändern. Hier ist z. B. eine Gasflamme. Wenn ich
dieser Flamme so viel Luft zuführe, daß alles verbrannt ist, bevor
jene Teilchen frei geworden sind, so erhalte ich keine Helligkeit.
Das kann ich folgendermaßen bewerkstelligen: Wenn ich diese Kappe aus
Drahtgeflecht auf den Brenner setze und dann darüber das Gas anzünde,
so brennt es mit einer nichtleuchtenden Flamme, und das kommt daher,
daß sich das Gas mit viel Luft mischt, ehe es zum Brennen gelangt.
Und wenn ich das Drahtgeflecht emporhebe,so seht Ihr, daß es darunter
nicht brennt. Im Gas ist viel Kohle; aber weil die atmosphärische Luft
hinzutreten und sich vor dem Brennen damit mischen kann, so brennt es
mit der blassen blauen Flamme, die Ihr hier sehet. Und wenn ich auf
eine helle Gasflamme blase, so daß alle Kohle verbrannt wird, bevor
sie zum Glühen kommt, so wird sie gleichfalls blau brennen. [Der
Vortragende veranschaulicht diese Bemerkung, indem er auf ein Gaslicht
bläst.] Der einzige Grund, weshalb ich nicht dasselbe helle Licht
erhalte, wenn ich so auf die Flamme blase, ist, daß die Kohle mit einer
hinreichenden Luftmenge zusammenkommt, um zu verbrennen, ehe sie in der
Flamme in freiem Zustande ausgeschieden wird. Der Unterschied wird nur
dadurch hervorgerufen, daß keine festen Teilchen ausgeschieden werden,
ehe das Gas verbrannt ist.

[Illustration: Fig. 10.]

[Sidenote: Verbrennungsprodukt.]

Ihr seht, daß sich bei der Verbrennung einer Kerze bestimmte Produkte
bilden, und daß ein Teil derselben in Kohle oder Ruß besteht. Die
Kohle liefert, wenn sie nachher selbst verbrannt wird, ein anderes
Verbrennungsprodukt, und es ist für uns sehr wichtig, die Natur dieses
letzteren Produktes zu bestimmen. Wir haben gesehen, daß bei der
Verbrennung etwas entweicht, und ich muß Euch nunmehr auch dartun, wie
viel in die Luft geht. Zu diesem Zweck wollen wir eine Verbrennung in
etwas größerem Maßstabe vornehmen. Von dieser Kerze steigt erhitzte
Luft auf und zwei oder drei Experimente werden Euch den aufsteigenden
Strom zeigen. Um Euch aber die Menge der auf diese Art aufsteigenden
Stoffe bemerkbar zu machen, will ich ein Experiment ausführen, bei
dem ich eine gewisse Menge dieser Verbrennungsprodukte aufzufangen
gedenke. Zu diesem Zwecke habe ich hier einen Feuer-Ballon, wie ihn
die Knaben nennen, den ich gleichsam als Meßgefäß für die gebildeten
Verbrennungsprodukte benutze. Ich will mir auf die leichteste und
einfachste Art eine Flamme herstellen, wie sie meinem augenblicklichen
Bedarf am dienlichsten ist. Diesen Teller wollen wir als das
»Schälchen« der Kerze ansehen, dieser Spiritus ist unser Brennstoff,
und darüber setze ich nun einen Schornstein; es ist besser für mich,
es so zu machen, als aufs Geratewohl ans Werk zu gehen. Herr Anderson
wird jetzt den Spiritus anzünden, und hier oben werden wir die
Verbrennungsprodukte auffangen. Was wir am Ende dieser Röhre erhalten,
das ist, allgemein gesprochen, ganz dasselbe, was man beim Verbrennen
einer Kerze erhält; hier aber bekommen wir keine leuchtende Flamme,
weil wir ein Brennmaterial anwenden, das arm an Kohlenstoff ist. Ich
werde nun den Ballon aufsetzen, nicht um ihn steigen zu lassen – denn
das ist nicht meine Aufgabe – sondern um Euch die Verbrennungsprodukte
zu zeigen, die von der Kerze ebenso aufsteigen, wie hier aus dem
Schornstein. [Der Ballon wird über den Schornstein gehalten und beginnt
sich sogleich zu füllen.] Ihr seht, wie gern er aufsteigen möchte; aber
wir dürfen das nicht zulassen, weil er sonst mit den Gasflammen dort
oben in Berührung kommen könnte, was recht unangenehm wäre. [Die oberen
Flammen werden auf Wunsch des Vortragenden ausgedreht, und nun darf
der Ballon aufsteigen.] Zeigt Euch das nicht, was für eine große Menge
Stoff sich hierbei entwickelt?

[Sidenote: Wasser als Verbrennungsprodukt.]

Durch diese Röhre [der Vortragende hält eine weite Glasröhre über eine
Kerze] nehmen alle Verbrennungsprodukte der Kerze ihren Weg, und Ihr
werdet gleich bemerken, wie die Röhre ganz undurchsichtig wird. Ich
nehme nun eine andere Kerze, setze sie unter eine Glasglocke und stelle
dahinter ein Licht, damit Ihr deutlich beobachten könnt, was darin
vor sich geht. Ihr seht, die Wände der Glocke werden trübe, und die
Kerze beginnt schwach zu brennen. Es sind die Verbrennungsprodukte,
welche das Licht so verdunkeln und welche zugleich die Glocke so
undurchsichtig machen. Wenn Ihr nach Hause kommt und einen Löffel
nehmt, der in der kalten Luft gelegen hat, und haltet ihn über eine
Kerze – aber nicht so, daß er berußt wird – so werdet Ihr finden, daß
er ein ebenso mattes Ansehen bekommt, wie die Glocke hier. Wenn Ihr
eine silberne Schale bekommen könnt oder etwas der Art, so wird Euch
das Experiment noch besser gelingen. Und nun, um Eure Gedanken schon
im voraus auf unsere nächste Zusammenkunft zu lenken, will ich Euch
noch sagen, daß es _Wasser_ ist, was das Mattwerden bewirkt, und das
nächste Mal werde ich Euch zeigen, wie wir dasselbe ohne Schwierigkeit
nötigen können, die Form einer Flüssigkeit anzunehmen.


Fußnoten:

    [5] Die Luft ist ein Gas; auch unser gewöhnliches Leuchtgas
        ist ein solches. Luft und Leuchtgas bewahren unter den
        verschiedensten Umständen ihre luftartige Beschaffenheit.
        Die stärkste Winterkälte vermag nicht, sie ihnen zu nehmen.
        – Anders ein Dampf. Das Wasser z. B. können wir leicht
        in Dampf verwandeln. Wir tun es, wenn wir es zum Sieden
        erhitzen. Wird Wasser in einer offenen Schale gekocht, so
        bemerkt man, daß der Inhalt des Gefäßes sich allmählich
        vermindert. Das Wasser ist aber nicht verschwunden, es hat
        sich nur als Dampf in der Luft verbreitet. Dieser Dampf
        ist unsichtbar wie die Luft selbst, er ist nichts anderes
        als luftförmiges Wasser. Aber der Wasserdampf verliert
        seine luftförmige Beschaffenheit ebenso leicht, wie er
        sie annahm. Durch bloße Abkühlung wird er wieder flüssig,
        wie wir im Winter in jeder Küche beobachten können. Das
        Wasser, welches als Dampf den Kochtöpfen entsteigt und sich
        unsichtbar in der Luft verteilt, schlägt sich an den kalten
        Wänden und Fensterscheiben nieder und rinnt daran in dicken
        Tropfen herab. – Leiten wir Luft durch kaltes Wasser, so
        sehen wir die Blasen ungehindert hindurchgehen. Tun wir
        dasselbe mit dem Dampfe, der aus einem Gefäße mit kochendem
        Wasser entweicht, so verschwindet jede eintretende
        Dampfblase, indem sie durch die Berührung mit dem kalten
        Wasser sogleich selbst in flüssiges Wasser verwandelt
        wird. – Auch wenn wir eine kalte Platte, einen Deckel oder
        dergleichen über ein Gefäß mit siedendem Wasser halten, so
        sehen wir, wie alsbald der aufsteigende Wasserdampf sich
        tropfbar flüssig an dem kalten Körper niederschlägt.

        Aber auch ohne besondere Erwärmung und ohne Sieden geht
        die Verwandlung des Wassers in Dampf vor sich. Ein
        Wassertropfen, der auf dem Fußboden vergossen wird, ist
        nach kurzer Zeit verschwunden; die nasse Wäsche trocknet
        in wenigen Stunden, wenn sie in der Luft frei aufgehängt
        wird. Auch dieses beruht auf einer Verwandlung des Wassers
        in Dampf, aber sie geht langsamer von statten als beim
        Sieden und nur an der Oberfläche. Vom Spiegel des Meeres
        verdunsten unausgesetzt ungeheure Massen von Wasser. Der
        dadurch gebildete Wasserdampf erhebt sich in die Luft, in
        der er sich zunächst unsichtbar verteilt. Sobald er aber
        in der Höhe mit kälteren Luftschichten in Berührung kommt,
        so kann er nicht mehr als Dampf fortbestehen, er wird zu
        Wasser und es bilden sich Wolken, Regen oder Schnee. (Auch
        die Wolken bestehen aus flüssigem Wasser in Gestalt ganz
        feiner Bläschen, die sich in der Luft schwebend erhalten.)
        – Im Regen fällt der zu Wasser verdichtete Dampf auf die
        Erde nieder; in Quellen, Bächen, Flüssen strömt er zum
        Meere zurück, um dann den großen Kreislauf von neuem zu
        beginnen.

    [6] Dieser Herr _Anderson_ – Faraday’s Gehilfe – war, wie
        _Tyndall_ erzählt, ein sehr achtbarer, zugleich aber auch
        ein etwas wunderlicher Mensch. Er sagte wohl gelegentlich
        von Faraday’s Vorlesungen: »Ich mache die Experimente
        und Faraday macht die Redensarten dazu.« In seiner
        liebenswürdigen und heiteren Weise behandelte Faraday
        den alten Mann auch immer so, als sei dies wirklich ihre
        gegenseitige Stellung.



Dritte Vorlesung.

    Wasser als Verbrennungsprodukt der Kerze. Eigenschaften des
    Wassers; seine Aggregatzustände. Wasserstoff als Bestandteil
    des Wassers. Darstellung und Eigenschaften des Wasserstoffs.
    Wasser als Verbrennungsprodukt des Wasserstoffs. Die Volta’sche
    Säule.


Ihr werdet Euch erinnern, daß ich vor unserem Auseinandergehen das
Wort »Verbrennungsprodukte« gebrauchte, und daß wir imstande sind,
mit entsprechenden Vorrichtungen verschiedene derartige Produkte von
einer brennenden Kerze aufzufangen. Den einen Stoff konnten wir nicht
erhalten, wenn die Kerze ordentlich brannte: die Kohle oder den Rauch;
ferner lernten wir auch einen Stoff kennen, der von der Flamme aufstieg
und nicht als Rauch erschien, sondern eine andere Form annahm und einen
Teil des unsichtbaren Stromes ausmachte, der von der Kerze aufsteigt
und entweicht. Es waren aber noch andere Produkte zu erwähnen. Ihr
erinnert Euch, daß wir in dem von der Kerzenflamme aufsteigenden
Strome einen Bestandteil fanden, der sich an einem kalten Löffel
oder an einem reinen Teller oder an irgend einem kalten Gegenstande
verdichten ließ, und daß wiederum ein anderer Teil nicht verdichtbar
war.

[Sidenote: Wasser als Verbrennungsprodukt.]

Wir wollen den verdichtbaren Teil zuerst genauer untersuchen; seltsam
genug finden wir, daß er nichts als Wasser ist. Das vorige Mal
sprach ich beiläufig davon, indem ich nur sagte, daß Wasser unter
den kondensierbaren[7] Produkten einer Kerze sei; heute aber möchte
ich Eure Aufmerksamkeit eingehender auf das Wasser lenken, das wir
sorgsam untersuchen wollen, namentlich in seiner Beziehung auf
unsern Gegenstand, wie auch in Rücksicht auf sein Vorkommen auf der
Erdoberfläche.

[Illustration: Fig. 11.]

Nun, nachdem ich sorgfältig ein Experiment zur Verdichtung des Wassers
aus den Verbrennungsprodukten einer Kerze vorbereitet habe, will ich
Euch zunächst dieses Wasser zeigen; das beste Mittel, die Gegenwart
des Wassers so Vielen zugleich zu beweisen, ist vielleicht, eine recht
sichtbare Wirkung des Wassers zu zeigen, und diese dann als Prüfstein
für das, was sich als Tropfen an dem Boden des Gefäßes gesammelt
hat, anzuwenden. Ich habe hier eine eigentümliche Substanz, das von
_Humphry Davy_ entdeckte _Kalium_, welches eine sehr energische Wirkung
auf Wasser übt, und dieses werde ich benutzen, um die Gegenwart des
Wassers nachzuweisen. Ich nehme ein Stückchen davon und werfe es in
diese Schüssel, und Ihr seht, wie es die Gegenwart von Wasser anzeigt,
indem es sich entzündet und emporschnellt, mit violetter Flamme
brennend. Ich nehme jetzt die Kerze fort, die unter dieser Schale
mit Eis und Salz gebrannt hat, und Ihr seht einen Wassertropfen, als
kondensiertes Produkt der Kerze, an der untersten Stelle des Gefäßes
hängen. Ich will Euch zeigen, daß das Kalium dieselbe Wirkung darauf
ausübt, wie auf das Wasser in dem Gefäße, mit dem wir es soeben
versucht haben. Seht, es fängt Feuer und brennt in derselben Weise. Ich
werde einen andern Tropfen auf diese Glasplatte bringen, und wenn ich
Kalium hinzufüge, so werdet Ihr aus dem Umstand, daß es Feuer fängt,
sogleich schließen, daß Wasser vorhanden ist. Nun, dieses Wasser ist
aus der Kerze entwickelt worden. Ebenso werdet Ihr sehen, wenn ich
die Spirituslampe unter das Gefäß stelle, daß dieses von dem Tau, der
sich an demselben niederschlägt, feucht wird – in dem Tau haben wir
wieder dasselbe Verbrennungsprodukt – und an den Tropfen, die auf
ein untergehaltenes Stück Papier herabfallen, könnt Ihr sehen, daß
sich eine ziemliche Menge Wasser bei der Verbrennung bildete. Ich
will es jetzt beiseite stellen, und Ihr mögt nachher sehen, wie viel
Wasser sich angesammelt hat. Nehme ich eine Gaslampe und bringe ich
irgend eine abkühlende Vorrichtung darüber, so erhalte ich gleichfalls
Wasser, welches ebenso durch die Verbrennung des Gases gebildet
wird. In dieser Flasche hier ist eine Quantität Wasser, ganz reines
destilliertes Wasser[8], welches aus einer Gasflamme aufgefangen wurde;
es ist in keiner Weise verschieden von anderem destillierten Wasser,
mag man es aus Quell-, Fluß- oder Seewasser destillieren; immer ist
destilliertes Wasser ein und dasselbe, es ist ein Körper von stets
gleicher Beschaffenheit. Wir können es absichtlich mit anderen Dingen
vermischen, oder wir können es zersetzen und andere Dinge daraus
darstellen: aber Wasser als solches bleibt immer dasselbe, ob in
festem, flüssigem oder luftförmigem Zustand. Hier ferner [eine andere
Flasche emporhaltend] habe ich Wasser, das aus einer Ölflamme gewonnen
wurde. Ein Maß Öl liefert bei der Verbrennung über ein Maß Wasser.
Hier ist Wasser, das durch ein längeres Experiment aus einer Wachskerze
entwickelt wurde. Und so können wir mit fast allen brennbaren
Substanzen verfahren, die mit einer Flamme ähnlich der Kerze brennen,
und wir werden finden, daß sie Wasser erzeugen. Ihr könnt diese
Experimente selbst machen; der Kopf eines Schüreisens z. B. eignet sich
ganz gut zu solchen Versuchen, er bleibt über der Flamme lange genug
kalt, so daß man an demselben Wasser in Tropfen kondensiert erhalten
kann; auch jedweden Löffel oder irgend ein ähnliches Instrument könnt
Ihr dazu brauchen, vorausgesetzt, daß es rein ist und die Wärme gut
ableitet, so daß dadurch das Wasser verdichtet wird.

Um nun dem Wesen dieser wunderbaren Bildung des Wassers aus
Brennstoffen und durch Verbrennung näher zu treten, muß ich zunächst
von den verschiedenen Formen sprechen, in denen das Wasser auftritt;
und obgleich Euch dieselben wohl alle bekannt sein mögen, so ist
es doch für unsern augenblicklichen Zweck nötig, sie etwas näher
zu betrachten, damit Ihr seht, wie das Wasser, während es seine
Proteus-Verwandlungen durchmacht, doch immer ganz und gar dasselbe
Ding ist, ob es nun durch Verbrennung aus einer Kerze oder durch
Destillation aus Fluß- oder Meerwasser gewonnen wurde.

Zunächst: wenn das Wasser stark abgekühlt ist, so bildet es das Eis.
Wir als Naturforscher – ich darf Euch und mich in diesem Falle wohl so
nennen – wir sprechen vom Wasser als Wasser, es sei im festen oder
flüssigen oder gasförmigen Zustand; wir haben es hier stets nur mit
Wasser im chemischen Sinne zu tun. Das Wasser ist aus zwei Stoffen
zusammengesetzt, von denen wir den einen aus der Kerze genommen
haben, während wir den andern an einem andern Orte finden werden.
Wasser kann uns als Eis begegnen, und Ihr habt im Winter die beste
Gelegenheit, es als solches zu sehen. Das Eis wird wieder zu Wasser,
wenn die Temperatur steigt, und das Wasser geht in Dampf über, wenn es
hinlänglich erhitzt wird. Das flüssige Wasser, welches wir hier vor uns
haben, befindet sich in seinem dichtesten Zustande. Ob wir es nämlich
durch Abkühlung in Eis oder durch Erhitzen in Dampf verwandeln, es
nimmt stets an Volumen zu – in dem einen Falle auf sehr merkwürdige
Art und mit großer Gewalt, im anderen in sehr bedeutendem Grade. Ich
werde z. B. jetzt diesen Blechzylinder nehmen und ein wenig Wasser
hineingießen. Ihr seht, wie viel ich Wasser hineingieße, und daraus
könnt Ihr leicht abschätzen, daß es in dem Zylinder ungefähr zwei Zoll
hoch stehen wird. Nun werde ich das Wasser in Dampf verwandeln, um Euch
zu zeigen, wie verschieden der Raum ist, den das Wasser einnimmt, je
nachdem es sich in flüssigem oder dampfförmigem Zustand befindet.

Nehmen wir inzwischen die Verwandlung des Wassers in Eis vor, die
wir durch Kühlung mit einer Mischung aus Salz und gestoßenem Eis
bewerkstelligen können. Ich will das tun, um Euch die Ausdehnung des
Wassers bei dieser Verwandlung zu zeigen. Diese Flaschen [indem er eine
emporhält] sind von Gußeisen gemacht, sie sind sehr stark und dick, ich
glaube ¹/₃ Zoll dick; sie wurden sorgfältig mit Wasser gefüllt, so daß
alle Luft ausgeschlossen ist, und dann fest zugeschraubt. Wir werden
sehen, wenn wir das Wasser in diesen eisernen Gefäßen gefrieren lassen,
daß sie nicht mehr imstande sind, das Eis eingeschlossen zu halten; die
Ausdehnung wird sie in Stücke wie diese [indem er einige Bruchstücke
vorzeigt] zersprengen, die von Flaschen ganz derselben Art herrühren.
Ich werde diese beiden Flaschen in die Mischung von Salz und Eis
setzen, um Euch zu zeigen, wie das Wasser, indem es zu Eis wird, sein
Volumen in so auffälliger Weise vergrößert.

In der Zwischenzeit beobachtet hier die Veränderung, welche mit dem
Wasser eingetreten ist, das wir heiß gemacht haben; es verlor seine
flüssige Form. Dies bringt verschiedene weitere Veränderungen mit
sich. Ich habe den Hals dieser Glasflasche, in der Wasser kocht, mit
einem Uhrglas bedeckt. Seht Ihr, was geschieht? Es rasselt wie ein
klapperndes Ventil, weil der von dem kochenden Wasser aufsteigende
Dampf das Glas auf- und niederstößt und sich selbst hinauszwängt.
Ihr könnt leicht einsehen, daß die Flasche ganz voll Dampf ist, der
sich sonst einen Ausgang nicht zu erzwingen brauchte. Ihr seht auch,
daß die Flasche eine Substanz enthält, die einen viel größeren Raum
erfüllt als vorher das Wasser; denn sie füllt die ganze Flasche immer
und immer wieder, hebt den Deckel und entweicht in die Luft; und bei
alledem ist gar keine große Verminderung der Wassermasse zu bemerken,
woraus Ihr seht, daß die Raumvergrößerung bei der Verwandlung des
Wassers in Dampf eine sehr bedeutende ist.

Nun wieder zurück zu unsern eisernen Flaschen in der Kältemischung, um
zu sehen, was da geschieht. Ihr bemerkt, daß zwischen dem Wasser in den
Flaschen und dem Eis in dem äußeren Gefäß keine Verbindung stattfindet.
Aber dennoch wird von dem einen zum andern Wärme übergehen, und wenn
wir Glück haben – wir machen unser Experiment freilich in zu großer
Hast – so erwarte ich, daß wir mit der Zeit, sobald die Flaschen und
ihr Inhalt kalt geworden sind, einen Knall hören werden, der vom
Zerbersten der einen oder der anderen herrührt. Wenn wir dann die
Flaschen untersuchen, werden wir als ihren Inhalt Eismassen finden,
die teilweise von der Eisenumkleidung bedeckt sind, welche zu eng für
sie geworden war, weil die Eismasse größer wurde als die Wassermasse
vorher. Ihr wißt, daß eine Eisscholle auf dem Wasser schwimmt. Wenn
jemand durch ein Loch ins Wasser fällt, so sucht er wieder aufs Eis zu
kommen, welches ihn oben halten soll. Warum schwimmt das Eis? – Denkt
darüber nach und erklärt es mir! Nun, weil die Eisscholle größer ist
als die Masse Wasser, aus der sie entstand; und deshalb muß das Eis
weniger wiegen, als eine gleichgroße Wassermenge.

[Illustration: Fig. 12.]

Kehren wir zur Wirkung der Hitze auf das Wasser zurück. Seht, was
für ein Dampfstrom aus dem Blechgefäß entweicht. Ihr bemerkt, daß es
völlig mit Dampf angefüllt sein muß, der ja sonst nicht in dieser
großen Menge herausströmen würde. Und nun, wie wir das Wasser durch
Hitze in Dampf verwandeln können, so verwandeln wir es zurück in
flüssiges Wasser durch Anwendung von Kälte. Wenn wir ein Glas oder
irgend einen kalten Gegenstand über den Dampf halten – seht nur, wie
bald es durch den Wasserdampf undurchsichtig wird; es verdichtet sich
das Wasser, das nun an den Seiten herabläuft, und diese Verdichtung
wird fortdauern, bis das Glas erwärmt ist; gerade so wie der Dampf,
den wir früher als Verbrennungsprodukt einer Kerze erhielten, am
Boden einer Schale als flüssiges Wasser verdichtet wurde. – Ich werde
nun noch einen anderen Versuch anstellen, um die Zurückführung des
Wassers aus dem dampfförmigen Zustand in den flüssigen und zugleich
die große Raumveränderung, welche damit verbunden ist, zu zeigen. An
dem Blechzylinder, in welchem wir Wasser zum Kochen erhitzen, und
welcher jetzt ganz mit Dampf gefüllt ist, befindet sich ein Hahn. Ich
schließe diesen und wir werden sehen, was geschieht, wenn wir diesen
Wasserdampf in die flüssige Form zurückzukehren zwingen, indem wir die
Außenseite des Zylinders mit kaltem Wasser begießen. [Der Vortragende
gießt kaltes Wasser über das Gefäß, welches augenblicklich nach innen
zusammenknickt.] Ihr seht, was sich ereignet hat. Wenn ich den Hahn
geschlossen und das Gefäß erhitzt hätte, so würde es zersprungen
sein. Wenn aber der Dampf wieder zu Wasser wird, so fällt das Gefäß
zusammen, da durch die Verdichtung des Dampfes inwendig ein leerer
Raum entsteht[9]. Ich zeige Euch diese Versuche, um den Satz zu
bekräftigen, daß bei all diesen Vorgängen nichts geschieht, wodurch
das Wasser in irgend etwas anderes verwandelt würde – es ist und
bleibt Wasser; und so muß das Gefäß nachgeben und knickt zusammen, wie
es im entgegengesetzten Fall, infolge weiterer Erhitzung, nach außen
zersprengt worden wäre.

[Illustration: Fig. 13.]

Und wie groß stellt Ihr Euch den Umfang vor, den das Wasser in
dampfförmiger Gestalt annimmt?

Ihr seht diesen Würfel [indem er auf einen Kubikfuß deutet], daneben
steht ein Kubikzoll, genau von derselben Form wie der Kubikfuß.
Nun, diese Wassermenge (der Kubikzoll) ist imstande, sich zu dieser
Dampfmenge, (dem Kubikfuß) auszudehnen, oder umgekehrt, diese große
Quantität Dampf zieht sich durch Erkaltung zu dieser kleinen Menge
Wasser zusammen. [In diesem Augenblick zerplatzt eine der eisernen
Flaschen.] Ah! Eine unserer Flaschen ist geborsten, und hier seht
Ihr einen Sprung längs der einen Seite von ¹/₈ Zoll Breite. [Jetzt
explodiert auch die andere und schleudert die Kältemischung nach allen
Richtungen umher.] Auch die andere Flasche ist zersprengt, obgleich
sie beinah ½ Zoll stark war. Derartige Veränderungen gehen stets im
Wasser vor sich und sie brauchen nicht etwa immer durch künstliche
Mittel hervorgerufen zu werden – wir gebrauchten sie hier nur, um einen
kleinen Winter um diese Flaschen herum herzustellen, statt eines langen
und strengen. Wenn Ihr nach Kanada oder auch nach dem Norden von Europa
geht, so werdet Ihr finden, daß dort die Temperatur vor der Haustür
ganz dasselbe tut, was hier die Kältemischung bewirkte.

Doch zurück nun zu unserem Gegenstand! Wir wollen uns also in der Folge
durch irgend welche Veränderung im Wasser nicht täuschen lassen. Ich
wiederhole: Wasser ist überall dasselbe, ob es nun aus dem Ozean oder
aus der Kerzenflamme herstammt. Wo ist denn das Wasser, welches wir von
unserer Kerze erhielten? Indes – ich muß hier ein wenig vorweggreifen.
Es ist ganz augenscheinlich, daß das Wasser von der Kerze kommt.
Aber war es denn in der Kerze schon vorhanden? Nein. Es ist nicht
in der Kerze und nicht in der umgebenden Luft, welche die Kerze zur
Verbrennung gebraucht; es ist weder in der einen, noch in der andern,
sondern es entsteht aus ihrer wechselseitigen Einwirkung; der eine
Teil stammt aus der Kerze, der andere aus der Luft. Dies nun ist die
Spur, die wir genau zu verfolgen haben, um zum vollen Verständnis des
chemischen Vorganges zu gelangen, welcher stattfindet, wenn die Kerze
vor uns auf dem Tische brennt. Wie sollen wir dazu gelangen? Ich weiß
Wege genug, aber ich möchte, daß Ihr es durch eigene Überlegung, durch
Nachdenken über das bereits Gesagte auffändet. Ich traue Euch in dieser
Beziehung schon einen ziemlich hellen Blick zu.

[Sidenote: Reaktion von Kalium, Eisen und Zink auf Wasser.]

Bei einem früheren Versuche, den uns Humphry Davy gelehrt, sahen
wir, wie ein Körper, nämlich das Kalium, auf Wasser einwirkte. Um es
Euch ins Gedächtnis zurückzurufen, will ich jetzt das Experiment auf
diesem Teller wiederholen. Wir haben es mit einem Ding zu tun, das
sehr vorsichtig behandelt sein will; denn Ihr seht, wenn ich die Masse
nur mit einem kleinen Tröpfchen Wasser bespritze, so gerät sie sofort
teilweise in Brand; und wenn die Luft frei hinzutreten könnte, so
würde das Ganze schnell in Feuer aufgehen. Es ist dies ein schönes und
glänzendes Metall, welches in der Luft und, wie Ihr wißt, im Wasser
sich äußerst rasch verändert. Ich werde nun ein Stückchen auf Wasser
legen und Ihr seht es wundervoll brennen, indem es eine schwimmende
Lampe bildet, wobei es Wasser anstatt Luft verbraucht. Nehmen wir
ferner ein wenig Eisenfeil- oder Drehspäne und legen sie in Wasser, so
finden wir, daß sie ebenfalls eine Veränderung erleiden. Sie verändern
sich zwar nicht so rasch wie das Kalium, aber im ganzen in derselben
Weise. Sie werden rostig und zeigen eine Einwirkung auf das Wasser, und
wenn auch der Grad derselben ein geringerer ist, als beim Kalium, so
ist doch die Art ihrer Einwirkung auf das Wasser im großen und ganzen
dieselbe. Ich muß Euch bitten, diese verschiedenen Punkte genau zu
merken. Hier habe ich ein anderes Metall, Zink, und als wir uns mit
der festen Masse beschäftigten, die bei seiner Verbrennung entsteht,
hatten wir Gelegenheit, zu sehen, daß es brennbar ist; ich glaube
nun, wenn ich einen kleinen Streifen von diesem Zink nehme und über
die Kerzenflamme halte, so werdet Ihr ein Mittelding vom Verbrennen
des Kalium und von der Einwirkung des Eisens auf Wasser beobachten –
seht, es findet eine Art von Verbrennung statt. Es ist verbrannt, und
das Produkt ist eine weiße Asche. Auch dieses Metall übt eine gewisse
Wirkung auf das Wasser aus.

Nach und nach haben wir gelernt, die Wirkungen dieser verschiedenen
Körper zu beherrschen und sie zu zwingen, uns zu sagen, was wir
wissen wollen. Zunächst noch etwas vom Eisen. Es ist eine gewöhnliche
Erfahrung bei allen chemischen Prozessen, daß sie durch Anwendung
der Wärme gefördert werden, und wenn wir die Wirkung der Körper auf
einander genau und sorgsam studieren wollen, so müssen wir stets den
Einfluß der Wärme mit berücksichtigen. Ihr werdet wohl noch wissen,
daß Eisenfeilspäne sehr schön in der Luft brennen; aber ich will Euch
noch ein anderes Experiment zeigen, welches Euch das Verständnis dessen
erleichtern wird, was ich von der Einwirkung des Eisens auf Wasser
sagen will. Wenn ich eine Flamme nehme und sie hohl mache – Ihr wißt,
warum: ich will ihr Luft sowohl von innen als von außen zuführen – und
streue dann Eisenfeilspäne in die Flamme, so seht Ihr sie recht hübsch
brennen. Diese Verbrennung wird natürlich durch den chemischen Prozeß
bewirkt, der bei der Entzündung dieser Teilchen vor sich geht. Und so
wollen wir nun weiter fortschreiten und untersuchen, was das Eisen tut,
wenn es mit Wasser in Berührung kommt. Es wird uns seine Geschichte so
schön, so stufenweise und regelmäßig erzählen, daß ich glaube, es wird
Euch sehr gefallen.

[Illustration: Fig. 14.]

[Sidenote: Zerlegung des Wasserdampfs.]

Ich habe hier einen Schmelzofen, durch den eine eiserne Röhre, ein
Flintenlauf, geht; diesen Lauf habe ich mit blanken Eisendrehspänen
vollgestopft und ins Feuer gelegt, um ihn rotglühend zu machen. Wir
können entweder Luft durch den Lauf streichen lassen, um sie mit den
Drehspänen in Berührung zu bringen, oder wir können aus diesem kleinen
Kochgefäß am Ende des Laufs Wasserdampf hindurchschicken. Hier ist
ein Hahn, der den Dampf so lange vom Laufe abschließt, bis wir ihn
hindurchlassen wollen. In diesen Glasgefäßen links ist etwas Wasser,
welches ich blau gefärbt habe, damit Ihr besser seht, was darin vor
sich geht. Nun wißt Ihr doch recht gut, daß der Dampf, wenn ich ihn
durch diesen Lauf und alsdann durch das kalte Wasser leite, sich
eigentlich wieder verdichten müßte; denn Ihr habt gesehen, daß der
Wasserdampf seine Gasform nicht behalten kann, sobald er abgekühlt
wird. Ihr saht, wie er hier [auf den eingedrückten Blechzylinder[10]
zeigend] sich auf einen so kleinen Raum zusammenzog, daß das Gefäß von
der äußeren Luft eingedrückt wurde. Also – lasse ich Dampf durch den
Lauf hindurchgehen, so wird er kondensiert werden – vorausgesetzt,
daß der Lauf kalt geblieben wäre. Aber um das Experiment machen zu
können, das ich Euch jetzt zeigen will, ist er eben erhitzt worden.
Ich lasse nun den Dampf in kleinen Mengen durch den Lauf hindurch, und
Ihr sollt selbst sagen, ob es noch Dampf ist. Der Dampf läßt sich zu
Wasser verdichten; setzt man seine Temperatur herab, so verwandelt er
sich zurück in flüssiges Wasser; nun habe ich doch die Temperatur des
Gases, welches ich in diesem Gefäß aufgefangen, dadurch verringert,
daß ich es nach seinem Austritt aus dem Flintenlauf durch Wasser
gehen ließ, und trotzdem will es nicht wieder zu Wasser werden. Ich
will noch einen andern Versuch damit anstellen. [Ich halte das Gefäß
umgekehrt, damit mir das Gas nicht entwischt.] Wenn ich ein Licht an
die Öffnung des Gefäßes bringe, so fängt dessen Inhalt mit gelindem
Geräusch Feuer. Dies sagt Euch, daß es kein Wasserdampf ist; Dampf
löscht ein Licht aus, brennt aber nicht, während Ihr doch das, was ich
in dem Gefäße habe, brennen seht. Wir können dieses Gas ebenso aus dem
Wasser erhalten, welches aus der Kerze oder auf andere Art gewonnen
wurde. Wenn es durch Einwirkung der Eisenspäne auf den Wasserdampf
entsteht, so bleibt das Eisen in einem ähnlichen Zustande zurück,
wie die Feilspäne, wenn sie verbrannt werden. Das Eisen hat dabei an
Gewicht zugenommen. So lange das Eisen in der Röhre allein bleibt, und
ohne Zutritt von Luft oder Wasser erhitzt und wieder abgekühlt wird,
verändert es sein Gewicht nicht; ist aber ein solcher Dampfstrom
darüber hinweggegangen, so wird es schwerer, weil es einen Bestandteil
des Dampfes in sich aufgenommen hat, während der andere Bestandteil
weiterging und hier von uns aufgefangen wurde. Und nun, da wir noch ein
anderes Gefäß voll haben, will ich Euch daran eine sehr interessante
Erscheinung zeigen. Es ist ein brennbares Gas, und ich könnte den
Inhalt des Gefäßes auf einmal anzünden, um Euch das zu beweisen;
aber ich will Euch mehr zeigen, wenn es geht. Es ist auch eine sehr
leichte Substanz. Es steigt in der Luft empor und läßt sich nicht wie
Wasserdampf verdichten. Ich nehme ein anderes Glasgefäß, welches nichts
als Luft enthält; wenn ich es mit einem Wachsstock untersuche, finde
ich, daß nichts als Luft darin ist. Ich nehme nun dieses Gefäß mit
unserm neuen Gase und verfahre mit demselben, als ob es ein leichter
Körper wäre. Ich halte zunächst beide Gefäße neben einander, die
Mündungen nach unten. Nun kehre ich das mit dem neuen Gas gefüllte um,
so daß seine Mündung aufwärts und gerade unter die Mündung des mit Luft
gefüllten kommt. Das, welches vorhin das Gas enthielt, was enthält es
jetzt? Ihr findet, daß es nur Luft enthält. Aber seht! Hier in dem
andern Gefäß ist das brennbare Gas, das ich also aus einem Gefäß in das
andere, und zwar aufwärts ausgegossen habe. Es besitzt noch gänzlich
seine vorigen Eigenschaften und verharrt in seiner Selbständigkeit; und
es ist für unsere weiteren Untersuchungen über die Verbrennungsprodukte
der Kerze von großem Wert.

[Illustration: Fig. 15.]

[Illustration: Fig. 16.]

[Sidenote: Wasserstoff.]

Wir können aber die Substanz, welche wir eben durch die Einwirkung
des Eisens auf Dampf oder Wasser bereitet haben, auch mit Hilfe
jener anderen Körper darstellen, die Ihr bereits so schön auf Wasser
habt wirken sehen. Wenn ich ein Stück Kalium nehme, und die nötigen
Vorkehrungen treffe, so gewinne ich dasselbe Gas; und wenn ich dafür
ein Stück Zink anwende, so finde ich bei genauer Untersuchung, daß es
zunächst in gleicher Weise einwirkt. Aber das nächste Produkt dieser
Einwirkung hüllt das Zink gleichsam wie ein Mantel ein, so daß das
metallische Zink nicht mehr direkt mit Wasser in Berührung steht. Wir
können deshalb, wenn wir nur Zink und Wasser in unser Gefäß tun, keine
großen Resultate erhalten; und in der Tat zeigen diese beiden Körper
für sich allein nur wenig Einwirkung. Nehme ich aber jenen Überzug
hinweg, löse ich die einhüllende Substanz ab, was ich durch ein wenig
Säure leicht bewerkstelligen kann, so finde ich sogleich, daß das
Zink gerade so auf das Wasser wirkt wie Eisen, aber bei gewöhnlicher
Temperatur. Die Säure ermöglicht dieses, indem sie mit dem Zinkoxyd,
das sich gebildet hat, in Verbindung tritt. Ich habe jetzt die Säure in
das Glas gegossen, und es ist gerade, als hätte ich den Inhalt erhitzt,
um dies scheinbare Aufkochen zu bewirken. Es steigt nun etwas vom Zink
auf, sehr reichlich; das ist aber kein Dampf. Hier habe ich ein Gefäß
voll davon, und Ihr werdet finden, daß ich genau dieselbe brennbare
Substanz habe, die auch in dem Gefäß bleibt, wenn ich es umkehre, wie
die, welche ich bei dem Experiment mit dem Flintenlauf gewann. Dieses
aus dem Wasser dargestellte Gas ist wiederum dasselbe, wie es in der
Kerze enthalten ist.

[Illustration: Fig. 17.]

Versuchen wir nun, den Zusammenhang zwischen diesen beiden
Erscheinungen genau zu bestimmen. Hier ist Wasserstoff – ein Körper,
den man in der Chemie unter die sogenannten Elemente zählt, das sind
Körper, die man nicht weiter in verschiedenartige Stoffe zerlegen
kann. Eine Kerze ist kein Element, denn wir können aus ihr Kohle
darstellen; wir können ferner aus ihr, oder doch aus dem Wasser, das
sie liefert, Wasserstoff darstellen. Der Wasserstoff wird nach dem
Griechischen auch _Hydrogen_ genannt, weil er das Element ist, das in
Verbindung mit einem anderen Wasser erzeugt (ὕδωρ, Wasser – γεννάω, ich
erzeuge). Nachdem nun Herr Anderson zwei oder drei Gefäße mit dem Gase
gefüllt hat, werde ich Euch jetzt ein paar Experimente damit zeigen.
Ich habe kein Bedenken, sie Euch zu zeigen; denn ich wünsche sogar,
daß Ihr sie nachmacht, wenn Ihr es nur mit Vorsicht und Aufmerksamkeit
und unter Zustimmung Eurer Umgebung tut. Je weiter wir in der Chemie
vorrücken, desto häufiger sind wir genötigt, mit Stoffen umzugehen, die
an unrechter Stelle leicht Unheil anrichten können; die Säuren, die
leicht entzündlichen Stoffe, die wir gebrauchen, auch das Feuer, können
verletzen, wenn sie sorglos gehandhabt werden. Wenn Ihr Wasserstoff
darstellen wollt, so könnt Ihr das ganz leicht mittelst Zinkstückchen,
Schwefel- oder Salzsäure und Wasser. Hier habe ich, wie man sie früher
nannte, eine »Philosophen-Lampe«. Es ist ein kleines Fläschchen mit
einem Kork und einer Glasröhre durch denselben. Ich tue jetzt ein paar
kleine Stückchen Zink hinein. Dieser kleine Apparat ist sehr nützlich
für unsere Demonstration; ich werde Euch zeigen, wie Ihr damit Hydrogen
machen und einige Experimente zu Hause anstellen könnt. Ich will Euch
sagen, warum ich die Flasche so sorgfältig fast voll, aber doch nicht
ganz voll mache. Ich tue es, weil das herausströmende Gas, von dem
Ihr wißt, daß es sehr leicht brennt, explodieren und dadurch Unheil
anrichten würde, wenn es beim Anzünden noch mit Luft vermischt wäre,
wenn ich es also an der Öffnung der Röhre entzündete, bevor alle Luft
aus dem Raume über dem Wasser verdrängt ist. Ich tue nun Schwefelsäure
hinein. Ich wähle das Mengenverhältnis von Zink, Schwefelsäure und
Wasser so, daß ich einen regelmäßigen Strom erhalte – nicht zu schnell
und nicht zu langsam. Wenn ich jetzt ein Glas nehme und es verkehrt
über das Ende der Röhre halte, so wird es sich mit Wasserstoffgas
füllen, und ich denke, dasselbe wird sich, weil es leichter ist als
Luft, einige Zeit darin halten. Wir wollen jetzt den Inhalt unseres
Glases prüfen, um zu sehen, ob es Wasserstoff enthält – nun, ich denke
wir können sagen, wir haben es [indem er es anzündet] – da ist’s,
seht![11] Ich werde es nun am oberen Ende der Röhre anzünden. Seht,
der Wasserstoff brennt. Da haben wir unsere Philosophenkerze. Es ist
nur ein ärmliches, schwächliches Flämmchen, mögt Ihr sagen; es ist
aber so heiß, daß kaum eine andere gewöhnliche Flamme eine so große
Hitze liefert. Es brennt regelmäßig weiter, und ich will diese Flamme
nun unter einer besonderen Vorrichtung brennen lassen, damit wir
ihre Verbrennungsprodukte prüfen und den möglichsten Nutzen aus dem
Versuche ziehen können. Da doch die Kerze Wasser entwickelt und dieses
Gas aus dem Wasser kommt, so wollen wir nun sehen, was uns dieses
durch denselben Verbrennungsprozeß liefert, dem die Kerze unterlag,
als sie an der atmosphärischen Luft brannte, und ich setze die Lampe
deshalb unter diesen Apparat, um das zu verdichten, was aus der
Wasserstoffflamme in denselben aufsteigt.

Nach kurzer Zeit werdet Ihr die Feuchtigkeit im Zylinder erscheinen
und Wasser an den Wänden herablaufen sehen, und dieses Wasser aus
unserer Wasserstoffflamme wird ganz eben dieselben Wirkungen auf unsere
Prüfungsmittel ausüben, wie wir sie früher bei demselben Verfahren
beobachtet haben.

[Illustration: Fig. 18.]

Der Wasserstoff ist so leicht, daß er andere Körper emporhebt; er
ist bedeutend leichter als die atmosphärische Luft, und ich werde
Euch das an einem Experiment zeigen, welches wohl Einige von Euch bei
einiger Sorgfalt nachmachen können. Hier ist unser Wasserstofferzeuger,
und hier ist etwas Seifenwasser. Ich habe einen Kautschukschlauch
mit dem Wasserstoffapparat verbunden und am Ende der Röhre eine
Tonpfeife angebracht. Ich kann die Pfeife in das Wasser stecken und
mit Hilfe des Wasserstoffs Seifenblasen machen. Ihr seht, daß die
Blasen herabfallen, wenn ich sie mit meinem warmen Atem aufblase; nun
aber bemerkt den Unterschied, wenn ich sie mit Wasserstoff aufblase!
[Der Vortragende macht einige Wasserstoffblasen, die an die Decke des
Zimmers emporsteigen.] Da seht Ihr, wie leicht das Gas sein muß, da es
nicht allein die Seifenblase selbst, sondern auch noch einen großen
Tropfen, der unten daran hängt, mit in die Luft nimmt. Ich kann seine
Leichtigkeit auf noch bessere Weise zeigen; auch größere Blasen als
diese können so emporgehoben werden, und man gebrauchte es in der Tat
früher zum Füllen der Luftballons. Herr Anderson wird diese Röhre an
unsern Apparat befestigen, und wir werden hier einen Wasserstoffstrom
erhalten, mit dem wir diesen Ballon aus Kollodium füllen wollen.
Ich brauche mir auch gar keine große Mühe zu geben, alle Luft aus
dem Ballon zu verdrängen, denn die Hebekraft des Gases ist sehr
bedeutend. [Zwei Kollodiumballons werden gefüllt und losgelassen, von
denen der eine an einer Schnur gehalten wird.] Hier ist ein anderer,
größerer Ballon, aus ganz dünnem Häutchen verfertigt, den wir füllen
und aufsteigen lassen wollen. Ihr werdet sehen, daß sie so lange
herumfliegen, bis alles Gas daraus entwichen ist.

Die außerordentliche Leichtigkeit des Wasserstoffs wird Euch noch
deutlicher werden, wenn wir sein Gewicht mit dem eines anderen
bekannten Stoffes, z. B. des Wassers, vergleichen. 1 Liter Wasser wiegt
wie Ihr wißt, 1 Kilogramm oder 1000 Gramm; 1 Liter Wasserstoffgas wiegt
– unter gewöhnlichen Umständen – noch nicht ¹/₁₀ Gramm! Und während
1 Kilogramm Wasser den Raum von 1 Liter einnimmt, würde 1 Kilogramm
Wasserstoff, wie wir ihn hier auffangen, mehr als 11000 Liter erfüllen.

Der Wasserstoff erzeugt keine Verbindung, die während der Verbrennung
oder später als Verbrennungsprodukt fest wird; wenn er verbrennt,
so liefert er nur Wasser; wenn wir ein kaltes Glas nehmen und es
über die Flamme halten, so wird es undurchsichtig, und wir erhalten
augenblicklich Wasser in merklicher Menge; und nichts anderes wird bei
seiner Verbrennung erzeugt, als eben dasselbe Wasser, welches Ihr bei
der Verbrennung der Kerze entstehen saht. Es ist wichtig festzuhalten,
daß Wasserstoff der einzige Körper in der Natur ist, welcher Wasser als
das einzige Produkt seiner Verbrennung erzeugt.

[Sidenote: Volta’sche Säule.]

Wir sind jetzt genötigt, noch einige nachträgliche Versuche über
die allgemeinen Eigenschaften und die Zusammensetzung des Wassers
anzustellen, weswegen ich Euch noch eine kurze Zeit in Anspruch nehmen
muß; wir sind dann bei unserer nächsten Zusammenkunft besser auf den
Gegenstand vorbereitet. Wir haben es in der Gewalt, das Zink, welches
Ihr mit Hilfe von Säure auf das Wasser wirken sahet, so in Tätigkeit zu
setzen, daß sich alle Kraft an den Ort wendet, wohin wir es wünschen.
Ich habe hinter mir eine Volta’sche Säule und will Euch zum Schluß des
heutigen Vortrags ihre eigentümlichen Kräfte zeigen. Ich halte hier die
Drahtenden, welche die Kraft fortleiten, und will sie auf Wasser wirken
lassen.

Wir haben früher gesehen, was das Kalium für eine Verbrennungskraft
besitzt, ebenso das Zink und die Eisenfeilspäne; aber bei keinem
zeigt sich so energische Kraft wie hier. [Der Vortragende läßt die
beiden Enden der Leitung sich berühren, und es zeigt sich ein
glänzendes Licht.] Dieses Licht ist durch die Kraft von 40 Zinkplatten
hervorgebracht; es ist eine Kraft, die ich durch diese Drähte ganz nach
meinem Belieben leiten kann, obwohl sie mich, wenn ich sie auf meinen
Körper wirken ließe, im Augenblick vernichten würde, und so groß ist
die Kraft, die Ihr hervorgebracht seht, während Ihr 5 zählt, [indem er
die Pole in Berührung bringt und das elektrische Licht erzeugt], daß
sie der Gewalt manchen Gewitters gleich zu schätzen ist. Damit Ihr eine
Anschauung von dieser ihrer Energie bekommt, will ich die Drahtenden
nehmen, welche die Kraft von der Batterie hierherleiten, und seht:
diese Eisenfeilspäne kann ich damit verbrennen! Nun, diese gewaltige
chemische Kraft werde ich bei unserer nächsten Zusammenkunft auf Wasser
wirken lassen, und Ihr werdet sehen, was der Erfolg sein wird.


Fußnoten:

    [7] Kondensieren gleich verdichten.

    [8] Brunnen-, Fluß- oder Meerwasser enthält stets mehr oder
        weniger feste Stoffe aufgelöst, das Meerwasser Salz,
        sogenanntes hartes Wasser Kalk. Um es davon zu befreien und
        »reines Wasser« im Sinne des Chemikers zu erhalten, wird
        es _destilliert_, d. h. in Dampf verwandelt und wieder zu
        flüssigem Wasser verdichtet (siehe weiter unten).

    [9] Dies bewirkt der Druck der Luft, welcher von außen auf das
        Gefäß wirkt. So lange dasselbe mit Wasserdampf gefüllt war,
        drückte dieser von innen dagegen und hob die Wirkung des
        äußeren Luftdruckes auf; nach der Verdichtung zu flüssigem
        Wasser hört aber dieser innere Gegendruck auf, und die
        Folge ist das Zerknicken des Zylinders.

    [10] Siehe Fig. 12, Seite 91.

    [11] Für diese Probe wähle man ein kleines, nicht zu weites
        Glas, z. B. ein Likörgläschen. Wenn dasselbe reines, also
        luftfreies Wasserstoffgas enthält, so entzündet sich sein
        Inhalt beim Annähern eines brennenden Körpers und mit einem
        leichten Knall. Tritt statt dessen ein Pfeifen, oder gar
        ein stärkerer Knall auf, so ist dies ein Zeichen, daß dem
        Gase noch Luft beigemengt war; in diesem Falle darf das aus
        der Röhre ausströmende Gas durchaus noch nicht angezündet
        werden.



Vierte Vorlesung.

    Chemische Wirkungen des elektrischen Stroms. Zerlegung des
    Wassers durch denselben. Wiederbildung von Wasser durch
    Entzündung des Knallgases. Sauerstoff, der zweite Bestandteil
    des Wassers. Quantitative Zusammensetzung des Wassers.
    Darstellung und Eigenschaften des Sauerstoffs. Seine Rolle bei
    den Verbrennungserscheinungen.


Wir haben an unserer brennenden Kerze gefunden, daß sie Wasser erzeugt,
welches genau dem Wasser gleich ist, das wir in der Natur um uns
her antreffen; und bei weiterer Untersuchung dieses Wassers fanden
wir darin jenen merkwürdigen Körper – den Wasserstoff, jene leichte
Substanz, von der wir dort in dem Gefäße noch etwas vorrätig haben. Wir
sahen darauf die Glühhitze, mit der das Wasserstoffgas brennt, und daß
dabei Wasser entsteht. Und zuletzt habe ich Eure Aufmerksamkeit auf
einen Apparat gelenkt, von dem ich kurz sagte, er sei eine Anordnung
von gewaltiger chemischer Kraft, und zwar so eingerichtet, daß er
seine Kraft durch diese Drähte uns zuführt; auch sagte ich noch, ich
würde seine Kraft auf das Wasser einwirken lassen. Das nun will ich
jetzt tun, um das Wasser in seine Bestandteile zu zerlegen, damit wir
sehen, was außer dem Wasserstoff noch im Wasser enthalten ist; denn wir
bekamen damals, als wir den Wasserdampf durch den glühenden Flintenlauf
streichen ließen, durchaus nicht das Gewicht des Wassers zurück,
welches wir in Dampfform angewandt hatten, obgleich wir eine große
Menge Gas gewannen. Wir müssen nun also sehen, was für eine andere
Substanz noch darin enthalten ist.

[Sidenote: Wirkungen der Volta’schen Säule.]

Damit Ihr die Eigentümlichkeiten der Volta’schen Säule kennen und die
Vorteile, die sie uns bietet, schätzen lernt, wollen wir jetzt etliche
Experimente anstellen. Wir wollen zuerst einige Substanzen ihrer
Einwirkung aussetzen, die wir kennen, und dann sehen, was unser Apparat
mit ihnen vornimmt. Hier ist etwas Kupfer (beobachtet die verschiedenen
Veränderungen, die es erleiden kann!) und hier ist Salpetersäure, Ihr
werdet nun finden, daß die letztere, da sie ein starkes chemisches
Agens ist, bedeutend auf das Kupfer einwirkt, wenn ich sie damit
zusammenbringe. Ihr seht jetzt einen schönen roten Dampf aufsteigen;
aber da wir diesen Dampf nicht gebrauchen und ihn auch nicht einatmen
wollen, so wird Herr Anderson das Gefäß einige Zeit unter den Rauchfang
halten, damit wir Nutzen und Schönheit des Experiments zugleich haben
ohne die Belästigung. Das Kupfer, welches ich in die Flasche gelegt
habe, löst sich auf, es verwandelt die Säure und das Wasser in eine
blaue Flüssigkeit, die Kupfer und andere Dinge enthält, und ich
will Euch dann zeigen, wie die Volta’sche Batterie damit verfährt.
Inzwischen aber wollen wir einen anderen Versuch anstellen, der Euch
die Kraft derselben zeigen soll. Hier ist eine Substanz, die uns wie
Wasser erscheint, d. h. sie enthält Bestandteile, die wir jetzt noch
nicht kennen, ebenso wie das Wasser einen Bestandteil enthält, den wir
noch nicht kennen. Diese Auflösung eines Salzes will ich nun auf Papier
bringen, darauf ausbreiten und dann die Kraft der Batterie darauf
wirken lassen. Paßt auf, was geschieht! Drei oder vier wichtige Dinge
geschehen, von denen wir Nutzen ziehen wollen. Ich lege dieses nasse
Papier auf ein Stück Zinnfolie, die sich zu diesem Zweck gut eignet.
Ihr sehet, die Lösung ist durchaus nicht verändert worden, weder durch
das Papier, worauf ich sie geschüttet, noch durch die Zinnfolie, noch
durch irgend etwas anderes, was ich damit in Berührung gebracht habe;
es steht uns also frei, unsern Apparat darauf wirken zu lassen. Indes
wollen wir erst zusehen, ob dieser ganz in Ordnung ist. Hier sind die
Drähte. Wir wollen doch einmal sehen, ob er sich noch in dem Zustande
wie das letzte Mal befindet. Das können wir bald erfahren. Wenn ich die
Drahtenden jetzt zusammenbringe, so erhalten wir keine Kraftäußerung,
da die Leiter (die wir Elektroden nennen), die Durchgänge oder Wege
für die Elektrizität, unterbrochen sind; aber jetzt hat mir Herr
Anderson hierdurch [indem er sich auf einen plötzlich aufleuchtenden
Blitz bezieht], telegraphiert, daß alles bereit ist. Ehe wir unsern
Versuch beginnen, soll Herr Anderson wieder den Kontakt an der Batterie
hinter mir unterbrechen, und wir wollen einen Platindraht zwischen
die Pole spannen, und dann, wenn ich finde, daß ich diesen Draht in
ziemlicher Länge glühend machen kann, sind wir des Erfolges bei unserm
Experimente sicher. Sogleich werdet Ihr die Kraft in Tätigkeit sehen.
[Die Verbindung wird hergestellt, und der zwischenliegende Draht wird
rotglühend.] Die Kraft geht wundervoll durch den Draht hindurch, und
nun, da wir ihrer Gegenwart sicher sind, wollen wir zu ihrer Anwendung
bei Untersuchung des Wassers schreiten.

Hier habe ich zwei Platinbleche[12], und wenn ich sie auf dieses Stück
Papier lege (das angefeuchtete Papier auf der Zinnfolie), so werdet
Ihr durchaus keine Wirkung sehen; ich nehme sie in die Höhe, und Ihr
seht, daß keine Veränderung eingetreten, sondern alles noch ist, wie
zuvor. Jetzt indessen seht, was geschieht: wenn ich diese beiden Pole
(d. i. die Enddrähte der Batterie) nehme und einen oder den andern
jeden besonders auf die Platinplättchen lege, so richten sie gar
nichts aus – beide sind vollständig ohne Wirkung; wenn ich sie aber
beide in demselben Augenblicke in Kontakt damit setze – seht her,
was sich ereignet! [Ein dunkler Fleck erscheint unter jedem Pole der
Batterie.] Ihr seht, daß sich von dem Weißen etwas abgetrennt hat –
etwas Dunkles.[13] Ich zweifle nicht, daß, wenn ich den einen Pol an
die Zinnfolie auf der andern Seite des Papiers anbringen würde, ich
eine ebenso schöne Wirkung auf dem Papier bekomme, und ich möchte wohl
versuchen, ob ich damit nicht schreiben kann, etwa ein Telegramm. [Der
Vortragende schreibt mit dem einen Draht das Wort »Jüngling« auf das
Papier.] Seht, zu welch wunderschönen Resultaten wir gelangen!

Ihr seht, wir haben aus dieser Lösung etwas gezogen, was wir vorher
nicht kannten. Jetzt wollen wir diese Flasche aus Herrn Anderson’s
Hand nehmen und zusehen, was wir daraus abscheiden können. Sie
enthält, wie Ihr wißt, eine Flüssigkeit, welche wir soeben aus Kupfer
und Salpetersäure selbst dargestellt haben, indes wir unsere andern
Versuche vornahmen. Obwohl ich das Experiment etwas zu hastig machen
muß und dabei gern mancher kleine Fehler unterläuft, so will ich Euch
doch lieber zusehen lassen, was ich mache, als alles schon im voraus zu
bereiten.

Nun paßt auf, was geschieht! Diese zwei Platinplatten sind die beiden
Enden des Apparats (oder vielmehr, ich werde sie gleich dazu machen),
und ich will sie in Berührung mit jener Lösung bringen, gerade, wie
wir oben mit dem Papier gemacht haben. Es kümmert uns nicht, ob die
Lösung in dem Papier oder in dem Gefäß ist, wenn wir nur die Enden des
Apparats mit derselben in Berührung bringen. Wenn ich diese beiden
Platinbleche allein hineintauche, so kommen sie so rein wieder heraus,
wie sie hinein kamen [indem er sie in die Flüssigkeit taucht, ohne
sie mit der Batterie zu verbinden]; wenn wir aber die Kraft unserer
Batterie hinzunehmen, und sie nun hineinlegen [die Bleche werden
mit der Batterie verbunden und wieder hineingetaucht], so seht Ihr
[indem er eins der Bleche herausnimmt], daß dieses plötzlich in Kupfer
verwandelt zu sein scheint, wie wir es ursprünglich hatten; es ist wie
ein kleiner Kupferteller geworden; dieses Blech hingegen [indem er das
andere Platinblech herausnimmt] kommt ganz rein heraus. Wenn ich das
verkupferte Stück auf die andere Seite nehme, so geht das Kupfer von
der rechten zur linken Seite; die früher verkupferte Fläche erscheint
nun rein, und die Fläche, welche früher rein war, kommt jetzt mit
Kupfer bekleidet heraus; und so seht Ihr, daß wir dasselbe Kupfer,
welches wir in die Lösung brachten, auf diese Weise mit unserm Apparat
wieder herausnehmen können.

[Illustration: Fig. 19.]

[Sidenote: Zerlegung des Wassers durch Elektrizität.]

Lassen wir nun aber das Kupfer bei Seite und sehen zu, welche Wirkung
der Apparat auf das bloße Wasser ausübt. Hier sind zwei kleine
Platinplatten, welche ich zu den Enden der Batterie machen werde, dies
kleine Gefäß (~C~) ist so beschaffen, daß ich es in Teile zerlegen und
Euch seine Konstruktion zeigen kann. In diese zwei Schälchen gieße
ich Quecksilber, welches die Enden der Drähte ~A~ und ~B~ berührt,
die mit den Platinplatten verbunden sind. In das Gefäß ~C~ gieße ich
Wasser, das ein wenig Säure enthält (was nur geschieht, um die Wirkung
zu erleichtern, sonst aber keinen Einfluß auf den Prozeß ausübt),
und verbinde mit der Öffnung des Gefäßes eine gebogene Röhre (~D~),
welche Euch an die Röhre erinnern mag, die mit dem Flintenlauf in
unserem Ofen-Experiment verbunden war, und die jetzt unter dem Gefäß
~F~ mündet. Unser Apparat ist nun fertig, und wir wollen jetzt auf
eine oder die andere Weise auf das Wasser einzuwirken suchen. In dem
früheren Falle ließ ich das Wasser durch eine rotglühende Röhre gehen;
jetzt dagegen lasse ich Elektrizität durch den Inhalt des Gefäßes
gehen. Vielleicht bringe ich das Wasser zum Kochen; wenn es kocht,
erhalte ich Dampf; Ihr wißt, daß Wasserdampf sich verdichtet, wenn er
kalt wird, und werdet daraus erkennen, ob ich das Wasser koche oder
nicht. Vielleicht aber bringe ich es gar nicht zum Kochen, sondern rufe
eine andere Wirkung hervor. Ich will Euch das Experiment vormachen,
paßt auf! Den einen Draht will ich auf dieser Seite (~A~) und den
andern auf jener (~B~) anbringen, und Ihr werdet sehen, ob irgend
eine Veränderung eintritt. Hier scheint es aufzukochen; aber kocht
es? Wir wollen nachsehen, ob es in Dampfform austritt oder nicht. Ich
glaube, Ihr würdet das Gefäß (~F~) bald mit Dampf gefüllt sehen, wenn
das, was vom Wasser aufsteigt, Dampf wäre. Aber kann das Dampf sein?
O gewiß nicht! Ihr seht ja, es bleibt unverändert. Es bleibt da über
dem Wasser stehen, kann also kein Dampf sein, sondern wir müssen da
irgend ein permanentes Gas[14] vor uns haben. Was aber ist es? Ist
es Wasserstoff? Ist es etwas anderes? Nun, wir wollen es prüfen. Wenn
es Wasserstoff ist, wird es brennen. [Der Vortragende zündet einen
Teil des gesammelten Gases an, welches mit einer Explosion verbrennt.]
Es ist sicherlich etwas Brennbares, aber nicht in derselben Weise
brennbar wie Wasserstoff, denn Wasserstoff würde kein solches Geräusch
gemacht haben; aber die Farbe des Lichtes, das sich beim Brennen
zeigte, glich der des Wasserstoffs. Dabei ist aber noch besonders
merkwürdig: es brennt ohne Zufuhr von Luft. Um Euch die besonderen
Eigentümlichkeiten dieses Vorganges zu zeigen, habe ich noch einen
andern Apparat aufgestellt. An Stelle eines offenen Gefäßes habe ich
ein geschlossenes genommen, und ich will Euch zeigen, daß dieses Gas,
was es auch sein mag, die Fähigkeit besitzt, ohne Luft zu brennen und
sich in dieser Beziehung von der Kerze unterscheidet, die ohne Luft
nicht brennen kann. Wir machen dies folgendermaßen: Ich habe hier ein
Glasgefäß (~G~), welches mit zwei Platindrähten (~K~ und ~I~) verbunden
ist, durch die ich einen elektrischen Funken überspringen lassen kann;
wir können das Gefäß auf eine Luftpumpe setzen und die Luft auspumpen,
und wenn dies geschehen, können wir es hierher bringen, auf dem Gefäß
(~F~) befestigen und durch Oeffnen der Hähne ~H~ ~H~ ~H~ das Gas
hineinlassen, welches durch die Einwirkung der _Volta_’schen Säule
auf das Wasser entstand, und welches wir also durch eine Verwandlung
des Wassers aus diesem erhielten – denn ich kann so weit gehen und
in der Tat sagen, wir haben durch unser Experiment das Wasser in
Gas verwandelt. Wir haben nicht nur seine Beschaffenheit verändert,
sondern es auch wirklich und vollständig in diese gasförmige Substanz
übergeführt. Wenn ich nun also das Gefäß (~G~) auf das Gefäß (~F~)
aufschraube, indem ich die Röhren gut verbinde, und dann die Hähne
öffne, so werdet Ihr an dem Steigen des Wassers in (~F~) sehen, daß das
Gas nach oben geht. Jetzt ist das Gefäß (~G~) ganz damit angefüllt;
ich schließe nun die Hähne, nehme das Gefäß vorsichtig herunter und
will jetzt einen elektrischen Funken aus der Leydener Flasche (~L~)
hindurchschlagen lassen, wodurch das Gefäß, welches jetzt ganz klar
ist, trüb werden wird. Es wird dadurch nicht zertrümmert werden, denn
es ist stark genug, um die Explosion auszuhalten. [Der Vortragende
läßt einen Funken hindurchschlagen, durch den die explosionsfähige
Mischung entzündet wird.] Saht Ihr das glänzende Licht? Wenn ich dieses
Gefäß nun wieder an das untere Gefäß anschraube und die Hähne öffne,
so werdet Ihr am Nachsteigen des Wassers erkennen, daß das Gas zum
zweiten Male steigt. [Die Hähne werden geöffnet.] Das zuerst in dem
Gefäß gesammelte und eben durch einen elektrischen Funken entzündete
Gas ist verschwunden, wie Ihr seht; sein Platz ist leer, und neues Gas
geht hinein. Es hat sich Wasser gebildet, und wenn wir unsere letzte
Operation wiederholen, werden wir abermals einen leeren Raum bekommen,
wie Ihr am Steigen des Wassers sehen könnt. Nach der Explosion bekomme
ich immer ein leeres Gefäß, weil der Dampf oder das Gas, in welches
das Wasser durch die Batterie verwandelt wurde, beim Durchschlagen des
Funkens explodiert und wieder zu Wasser wird; und nach und nach werdet
Ihr in dem oberen Gefäße einige Tropfen an den Seiten herabrinnen und
sich am Boden sammeln sehen.

Wir haben hier eine neue Bildung des Wassers herbeigeführt, bei welcher
die Atmosphäre gar nicht in Betracht kommt. Das Wasser aus der Kerze
hatte sich unter Mitwirkung der Atmosphäre gebildet; auf diesem Wege
aber entsteht es unabhängig von der Luft. Demnach müßte im Wasser jene
andere Substanz enthalten sein, welche die Kerze aus der Luft entnimmt
und durch deren Verbindung mit Wasserstoff Wasser entsteht.

[Illustration: Fig. 20.]

Nun saht Ihr eben, daß das eine Ende der Batterie das Kupfer an sich
zog, welches es in jenem Gefäß aus der blauen Flüssigkeit ausschied.
Das wurde durch diesen Draht bewerkstelligt; und wenn die Batterie auf
eine metallische Lösung eine solche Kraft ausübt, die wir beliebig in
Wirksamkeit oder außer Wirksamkeit setzen können, sollten wir da nicht
auch fragen dürfen, ob es vielleicht möglich ist, die Bestandteile
des Wassers von einander zu scheiden und sie beliebig zu versetzen?
Versuchen wir’s! Ich nehme die Pole – die metallischen Enden dieser
Batterie – und nun paßt einmal auf, was mit dem Wasser in diesem
Apparat geschehen wird, wo wir die Pole weit von einander getrennt
haben. Ich bringe den einen hierher (nach ~A~), den andern hierher
(nach ~B~), und hier habe ich kleine Brettchen mit Löchern, die ich
auf jeden Pol setzen und so anbringen kann, daß das, was von den Enden
der Batterie ausgeht, als getrenntes Gas erscheint; denn Ihr saht ja
vorhin, daß das Wasser nicht in Dampf, sondern in Gas überging. Die
Drähte sind jetzt in vollkommener Verbindung mit dem Gefäß, welches
das Wasser enthält, und Ihr seht Blasen emporsteigen; wir wollen sie
sammeln und untersuchen. Hier ist ein Glaszylinder (~O~); den fülle ich
mit Wasser und stelle ihn über das eine Ende (~A~); ich nehme einen
zweiten (~H~) und setze ihn über das andere Ende (~B~). Und so haben
wir einen doppelten Apparat, in welchem an beiden Stellen Gas frei
wird. Beide Gefäße werden sich mit Gas füllen. Seht, jetzt fangen sie
schon an, das rechts (~H~) füllt sich sehr rasch, das links (~O~) nicht
so rasch; und obwohl ich einige Blasen habe entweichen lassen, geht
der Prozeß doch ziemlich regelmäßig vor sich, und wenn nicht das eine
Gefäß größer ist als das andere, so werdet Ihr sehen, daß ich in dem
einen (~H~) dem Raume nach doppelt so viel bekomme wie in dem anderen
(~O~). Beide Gase sind farblos; sie stehen über dem Wasser, ohne sich
zu verdichten, sie scheinen sich durchaus gleich zu sein – ich meine,
wie man’s so mit den Augen sieht. Aber wir haben ja nun die schönste
Gelegenheit, diese Körper zu untersuchen und ihre wirkliche Natur zu
bestimmen. Ihre Masse ist groß genug, daß wir leicht Versuche mit ihnen
anstellen können. Ich nehme dieses Gefäß (~H~) zuerst und fordere Euch
auf, Euch bereit zu halten, den Wasserstoff wiederzuerkennen.

[Sidenote: Sauerstoff.]

Erinnert Euch aller seiner Eigenschaften – das leichte Glas, welches
sich gut in umgekehrten Gefäßen hielt, mit einer blassen Flamme an der
Mündung der Flasche brannte – und nun seht zu, ob dieses Gas nicht all
diese Bedingungen erfüllt. Ist es Wasserstoff, so bleibt er hier, so
lange ich das Gefäß umdrehe. [Der Vortragende hält ein Licht daran und
der Wasserstoff entzündet sich.] Was ist nun in dem anderen Gefäße?
Ihr wißt, daß beide zusammen eine explodierende Mischung ausmachten.
Aber was kann das sein, was wir als den anderen Bestandteil im Wasser
finden und welches demnach die Substanz sein muß, die den Wasserstoff
zum Brennen brachte? Wir wissen, daß das Wasser, welches wir in das
Gefäß brachten, aus zwei Dingen bestand. Wir finden, eines von diesen
ist Wasserstoff: was muß nun das andere sein, das vor dem Versuche in
dem Wasser war, und das wir nun hier für sich besonders angefangen
haben? Ich stecke diesen brennenden Holzspan in das Glas. Seht, das
Gas selber brennt nicht, macht aber den Span lebhafter brennen. Seht,
wie es die Verbrennung beschleunigt! Das Holz brennt darin viel besser
als an der Luft. Nun seht Ihr daraus auch, daß der andere im Wasser
enthaltene Stoff, wenn das Wasser beim Brennen einer Kerze gebildet
wird, aus der Atmosphäre genommen sein muß. Wie wollen wir nun diesen
Körper nennen, ~A~, ~B~ oder ~C~? Wir wollen ihn ~O~ – wollen ihn
Oxygen, _Sauerstoff_ nennen; es ist dies ein ganz bezeichnender Name
für ihn. Sauerstoff ist also dies hier, was wir als zweiten Bestandteil
aus dem Wasser abgeschieden haben.

Wir gewinnen nun schon allmählich einen etwas tieferen Einblick in
unsern Gegenstand, und wir werden bald begreifen, _warum_ eine Kerze an
der Luft brennt. Bei der Analyse des Wassers, d. h. bei der Zersetzung
desselben in seine Bestandteile, erhalten wir zwei Raumteile
Wasserstoff und ein Raumteil Sauerstoff. Dieses Verhältnis ist in der
folgenden Zeichnung dargestellt und zugleich das Gewicht eines jeden
Körpers beigefügt, woraus wir denn ersehen, daß der Sauerstoff viel
schwerer ist als der Wasserstoff.

    1              8
                   Sauerstoff
    Wasserstoff

    Sauerstoff   88,9
    Wasserstoff  11,1
               -------
    Wasser      100,0

[Illustration: Fig. 21.]

Nachdem wir nun gesehen, wie wir den Sauerstoff aus dem Wasser
abscheiden können, will ich Euch auch zeigen, wie er leicht in großer
Menge darzustellen ist. Sauerstoff ist, wie Ihr Euch nun leicht
vorstellen werdet, in der Atmosphäre vorhanden; denn wie könnte sonst
eine brennende Kerze Wasser liefern, welches ja Sauerstoff enthält? Das
wäre ja ganz unmöglich; Wasser erzeugen ohne Sauerstoff – das ist eine
chemische Unmöglichkeit. Können wir Sauerstoff aus der Luft darstellen?
Nun, es gibt einige sehr weitläufige und schwierige Prozesse, durch
die das möglich ist; aber wir kennen viel bessere Wege. Da habe ich
eine Substanz, namens _Braunstein_, ein ganz unansehnliches, aber
sehr brauchbares Mineral. Wird dieser Braunstein rotglühend gemacht,
so liefert er Sauerstoff. Hier ist eine eiserne Flasche, in der sich
Braunstein befindet, und in ihren Hals ist ein Leitungsrohr eingefügt.
Das Feuer ist bereit, und Herr Anderson wird nun die Retorte[15]
hineinbringen; sie wird die Hitze schon aushalten, denn sie ist ja von
Eisen. – Hier habe ich ein Salz, chlorsaures Kali genannt, das jetzt
in größeren Mengen in der Feuerwerkerei, zu chemischen, medizinischen
und manchen anderen Zwecken gebraucht wird. Davon mische ich etwas mit
dem Braunstein (Kupferoxyd oder Eisenoxyd würden dieselben Dienste tun
wie Braunstein), und wenn ich diese Mischung in die Retorte bringe,
so ist bedeutend weniger als Rotglühhitze nötig, um den Sauerstoff
daraus zu entwickeln. Ich beabsichtige nicht sehr viel zu machen,
sondern ich will nur genug zu unserem Experimente haben; doch darf
ich nicht zu wenig hineintun, weil das zu Anfang entwickelte Gas in
der Retorte mit Luft vermischt ist, und ich deshalb gezwungen bin,
diesen ersten Teil zu opfern; ich muß also das erste Gas entweichen
lassen. Ihr werdet finden, daß hier eine gewöhnliche Spiritusflamme
hinreichend ist, den Sauerstoff zu entwickeln, und so haben wir nun
zwei Prozesse zu seiner Darstellung im Gange. Seht nur, wie reichlich
das Gas aus jener kleinen Menge der Mischung entweicht. Wir wollen es
nun prüfen und seine Eigentümlichkeiten untersuchen. Wie Ihr seht,
erhalten wir auf diesem Wege ein Gas, ganz gleich demjenigen, welches
uns der Versuch mit der Batterie lieferte, durchsichtig, unlöslich
in Wasser, mit den gewöhnlichen sichtbaren Eigenschaften der Luft.
(Da dieses erste Gefäß Luft enthält, die zusammen mit den ersten
Portionen Sauerstoff entwichen war, so schaffen wir es fort und
sind somit vorbereitet, unsere Versuche in völlig regelmäßiger und
zuverlässiger Weise auszuführen.) An dem Sauerstoff, den wir soeben
mittelst der _Volta_’schen Batterie aus dem Wasser abschieden, sahen
wir ganz auffällig die Fähigkeit, das Brennen eines Holzspans, einer
Kerze und dergl. zu begünstigen, und wir dürfen erwarten, dieselbe
Eigentümlichkeit hier wiederzufinden. Versuchen wir es! Seht her: so
brennt jetzt der Wachsstock in der gewöhnlichen Luft, und hier, wenn
ich den Wachsstock in das Gefäß halte, seine Verbrennung in diesem
Gas! Seht, wie hell und schön er brennt! Aber Ihr könnt noch mehr als
dieses sehen, – Ihr bemerkt, daß es ein schweres Gas ist, während der
Wasserstoff wie ein Ballon in die Höhe geht, oder vielmehr rascher als
ein Ballon, wenn er nicht das Gewicht der Umhüllung zu tragen hat. Ihr
begreift wohl, wenn wir aus dem Wasser auch zweimal so viel Wasserstoff
als Sauerstoff dem Umfang nach erhalten haben, so folgt daraus nicht,
daß der erstere auch zweimal so schwer ist; das eine ist eben ein
schweres, das andere ein sehr leichtes Gas. Wir haben Mittel, Luft-
oder Gasarten zu wägen; aber ohne mich jetzt mit Auseinandersetzung
derselben aufzuhalten, will ich Euch gleich sagen, wie groß ihr Gewicht
ist. Der Unterschied ist sehr bedeutend: 1 Kubikfuß Wasserstoff
wiegt ¹/₁₂ Unze, 1 Kubikfuß Sauerstoff aber wiegt 1¹/₃ Unze[16].
Der Sauerstoff ist also 16mal so schwer als ein gleicher Raumteil
Wasserstoff.

[Illustration: Fig. 22.]

Um die besondere Eigentümlichkeit des Sauerstoffs, die Verbrennung
zu unterhalten, noch besser im Vergleich mit der Luft zu zeigen, mag
uns dieses Stückchen Kerze dienen, obwohl das Ergebnis etwas roh
ausfallen wird. Hier brennt unsere Kerze an der Luft; wie wird sie im
Sauerstoff brennen? Ich habe hier ein Gefäß mit Sauerstoff und werde
es jetzt über die Kerze halten, damit Ihr die Wirkung dieses Gases
mit der der Luft vergleichen könnt. Paßt auf; es sieht beinahe so aus
wie das Licht an den Polen der Batterie, das Ihr vorhin saht. Wie
gewaltig muß doch diese Wirkung sein! Und dennoch wird während des
ganzen Prozesses weiter nichts erzeugt, als was sich beim Brennen in
der Luft entwickelt. Wir haben dieselbe Bildung von Wasser – ganz genau
denselben Vorgang – mögen wir die Kerze in der Luft oder in diesem Gase
verbrennen.

[Illustration: Fig. 23.]

Ich will Euch noch einige Experimente zeigen, an denen sich die
wirklich wunderbare Kraft des Sauerstoffs, die Verbrennung zu
unterhalten, noch deutlicher zeigt. Hier habe ich z. B. eine Lampe,
die ich trotz ihrer Einfachheit das Muster zu vielen Arten von Lampen
nennen möchte, die zu den verschiedensten Zwecken gebaut worden sind
– für Leuchttürme, mikroskopische Beleuchtung usw.; wenn wir nun
beabsichtigten, sie sehr hell brennen zu lassen, so könntet Ihr wohl
fragen: »Wenn eine Kerze besser im Sauerstoff brennt, warum nicht auch
eine Lampe?« Nun, sie tut’s in der Tat. Herr Anderson wird mir eine
Röhre geben, die von unserem Sauerstoff-Reservoir kommt, und ich werde
sie in diese Flamme bringen, die ich absichtlich schlecht brennen
lasse. Da kommt der Sauerstoff – ha, welch’ prächtige Wirkung! Wenn ich
ihn aber wieder absperre, was wird aus der Lampe? [Der Sauerstoffstrom
wird unterbrochen, und die Lampe fällt in ihre vorige Dunkelheit
zurück.] Es ist wirklich wundervoll, wie wir durch den Sauerstoff
die Verbrennung beschleunigen können. Und nicht etwa blos bei der
Wasserstoffflamme, bei der brennenden Kerze oder Kohle, sondern bei
allen gewöhnlichen Verbrennungen zeigt sich das. Ihr habt z. B. schon
etwas Eisen in der atmosphärischen Luft brennen sehen; nehmen wir diese
Verbrennung auch einmal mit Sauerstoff vor. Hier ist eine Flasche voll
Sauerstoff, und da habe ich einen Eisendraht – es könnte aber auch ein
Stab so dick wie ein Handgelenk sein, er würde ebenso brennen. Ich
befestige erst ein Stückchen Holz an den Draht, zünde das Holz an, und
lasse sie nun zusammen in das Gefäß hinab. Das Holz hat jetzt Feuer
gefangen und brennt so, wie eben Holz in Sauerstoff brennen muß; aber
bald wird die Verbrennung auch das Eisen ergreifen. Seht, da brennt das
Eisen ganz prächtig und wird lange Zeit so weiter brennen. Wenn wir
fortwährend frischen Sauerstoff hinzuführen wollten, könnten wir die
Verbrennung des Eisens unterhalten, bis es gänzlich verzehrt ist.

Doch lassen wir das jetzt beiseite, um noch die Verbrennung einiger
anderer Substanzen zu beobachten; denn wir müssen mit der uns
zugemessenen Zeit haushalten. Wir wollen ein Stück Schwefel nehmen;
Ihr wißt, wie der Schwefel in der Luft brennt; nun bringen wir ihn
in Sauerstoff, und Ihr werdet wiederum sehen, daß ein Körper, der
an der Luft brennen kann, mit ungleich größerer Lebhaftigkeit im
Sauerstoff brennt. Und diese Erfahrung muß Euch auf den Gedanken
bringen, daß die atmosphärische Luft ihre Fähigkeit, die Verbrennung zu
unterhalten, einzig und allein diesem Gas verdankt. Der Schwefel brennt
jetzt ganz ruhig in dem Sauerstoff; aber Ihr könnt keinen Augenblick
die gesteigerte Lebhaftigkeit bei dieser Verbrennung verkennen, im
Vergleich zu dem Brennen des Schwefels in gewöhnlicher Luft.

[Illustration: Fig. 24.]

Auch die Verbrennung des Phosphors will ich Euch hier noch zeigen; ich
kann das hier besser tun, als Ihr es selbst zu Hause imstande seid. Wie
Ihr wißt, ist der Phosphor sehr leicht entzündlich, und ein Körper,
der schon in der Luft so leicht brennt, wie lebhaft wird der vollends
in reinem Sauerstoff brennen! Ich darf Euch den Vorgang gar nicht in
seiner vollen Heftigkeit zeigen, weil dabei unser ganzer Apparat in
die Luft fliegen würde, und auch so schon werde ich das Zersprengen
dieser Flasche vielleicht nicht vermeiden können. Ihr seht, wie sich
der Phosphor an der Luft entzündet und brennt. Aber welch prachtvolles
Licht strahlt er jetzt im Sauerstoff aus! Seht, wie da einzelne
Stückchen abspringen, emporgeschleudert werden und jedes für sich
heftig aufflammt, wodurch eben dieses glänzende Licht entsteht.

So viel für jetzt von der Fähigkeit des Sauerstoffs, die Verbrennung
anderer Körper aufs lebhafteste zu unterhalten. Unsere nächste Aufgabe
wird jetzt sein, sein Verhältnis zum Wasserstoff näher ins Auge zu
fassen.

[Sidenote: Sauerstoff und Wasserstoff.]

Ihr erinnert Euch, wie wir das Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff
zerlegten, dann die Mischung dieser beiden entzündeten und dabei
eine kleine Explosion erhielten. Ihr erinnert Euch ferner, daß wir
Sauerstoff und Wasserstoff in einem Gefäß mit einander verbrannten,
wobei sich wenig Licht, aber sehr große Hitze entwickelte. Hier nun
habe ich die beiden Gase genau in dem Verhältnis gemischt, in welchem
sie im Wasser vorhanden sind, und diese Mischung will ich entzünden.
Das Gefäß hier enthält genau ein Raumteil Sauerstoff und zwei Raumteile
Wasserstoff; die Mischung ist also genau wie in dem Gas, das wir
vorhin durch Zersetzung des Wassers mittelst der elektrischen Batterie
erhielten. Weil ich aber nicht gleich die ganze Menge entzünden will –
das wäre viel zu viel auf einmal –, so habe ich mir hier Seifenwasser
zurechtgestellt, in das ich die Gasmischung einleite, um Seifenblasen
zu bekommen, die damit gefüllt sind, und diese Seifenblasen will ich
dann anzünden; auf diese Art können wir sehr einfach die Verbrennung
des Wasserstoffs mit Sauerstoff beobachten. Versuchen wir also
zunächst, Seifenblasen zu bekommen. Ich leite die Gasmischung durch
die Tonpfeife in das Seifenwasser und seht, da kommt das Gas, da habe
ich schon eine Blase. Ich will sie auf der Hand auffangen. Ihr denkt
vielleicht, das ist recht unvorsichtig von mir; aber ich will Euch nur
zeigen, daß man sich aus bloßem Lärm und Geknalle nichts zu machen
braucht. [Der Vortragende läßt durch Annäherung eines brennenden
Hölzchens die Blase auf der Hand explodieren.] Ich muß mich aber sehr
hüten, eine Blase gleich beim Austritt aus der Tonpfeife anzuzünden,
weil dann die Explosion durch die Röhre rückwärts in das Gefäß
schlagen und dieses in Trümmer zerschmettern würde. Der Sauerstoff
vereinigt sich also, wie Ihr hier gesehen und an dem Knall gehört
habt, mit größter Lebhaftigkeit mit dem Wasserstoff; und dabei werden
seine eigentümlichen Kräfte ebenso wie die des Wasserstoffs völlig
aufgehoben. Man sagt: die Eigenschaften des Sauerstoffs und die des
Wasserstoffs _neutralisieren_ sich gegenseitig.

Nunmehr darf ich wohl annehmen, daß Ihr die innere Beziehung
zwischen der chemischen Natur des Wassers, des Sauerstoffs und der
atmosphärischen Luft genauer zu durchschauen vermögt. Ein Stück Kalium,
das ich auf Wasser lege – wie ich es jetzt noch einmal tue – warum
zersetzt es das Wasser? Weil es Sauerstoff in dem Wasser findet. Und
was wird dabei frei? Wasserstoff wird frei, und dieser Wasserstoff
brennt, während das Kalium selbst sich mit dem Sauerstoff verbindet;
dieses Stück Kalium nimmt also, indem es das Wasser zersetzt – sehen
wir es für Wasser an, das bei Verbrennung einer Kerze gebildet wurde –
es entnimmt, sage ich, den Sauerstoff ebenso aus dem Wasser, wie ihn
die Kerze aus der Luft entnahm, und läßt dabei den Wasserstoff frei
werden. Und diese schöne verwandtschaftliche Zuneigung des Sauerstoffs
und des Kaliums zu einander zeigt sich selbst dann, wenn ich ein
Stückchen Kalium auf Eis lege – augenblicklich, seht Ihr, wird das
Kalium vom Eis in Brand gesetzt.

Ich wollte Euch das alles heute noch zeigen, um Eure Einsicht in diese
Vorgänge zu erweitern und damit Ihr seht, wie sehr die Erscheinungen
von den Umständen abhängen. In Berührung mit dem Kalium bringt das Eis
eine Art von vulkanischer Wirkung hervor.

Da ich jetzt dergleichen ungewöhnliche Erscheinungen einmal berührt
habe, so wird es bei unserer nächsten Zusammenkunft meine Aufgabe sein,
Euch zu zeigen, daß uns von keiner derselben Gefahr droht, daß wir von
ihnen nichts zu befürchten haben, wenn wir nur, wie beim Gebrauch der
Kerze im Zimmer oder des Leuchtgases auf den Straßen oder der Feuerung
im Ofen, stets die Naturgesetze zu unserer Richtschnur nehmen, denen
sie unterworfen sind.


Fußnoten:

    [12] Platin ist ein edles Metall, ähnlich dem Silber.

    [13] Der im Texte beschriebene Versuch setzt voraus, daß das
        Papier mit einer Auflösung von Bleizucker (oder einem
        ähnlichen Metallsalze) getränkt ist. Der Vorgang ist nicht
        ganz einfach und entzieht sich einer näheren Besprechung an
        dieser Stelle. – Wendet man statt des genannten Bleizuckers
        eine wässrige Auflösung von Jodkalium an, der ein wenig
        dünnen Stärkekleisters beigefügt ist, so erscheint unter
        dem einen Pol ein schön blauer Fleck.

    [14] d. h. ein nicht verdichtbares Gas.

    [15] Eine Retorte ist ein Gefäß, welches wie die obige Flasche
        mit einem Rohre versehen ist, um Gase oder Dämpfe die sich
        beim Erhitzen seines Inhaltes entwickeln, ableiten und
        auffangen zu können.

    [16] Unze ist ein englisches Gewicht, von dem 16 auf ein Pfund
        (engl.) gehen.



Fünfte Vorlesung.

    Die atmosphärische Luft, eine Mischung aus Sauerstoff und
    Stickstoff. Eigenschaften des Stickstoffs. Quantitative
    Zusammensetzung der Luft. Das Wägen der Gase. Luftdruck.
    Elastizität der Luft. – Kohlensäure als Verbrennungsprodukt der
    Kerze. Erkennung der Kohlensäure. Ihr Vorkommen in der Natur.
    Darstellung und Eigenschaften der Kohlensäure.


Wir haben gesehen: beim Verbrennen einer Kerze gewinnen wir Wasser, und
aus diesem Wasser können wir Wasserstoff und Sauerstoff darstellen. Der
Wasserstoff, wißt Ihr, stammt von der Kerze her, und der Sauerstoff
tritt aus der Luft hinzu. Da könnt Ihr nun mit Recht fragen: »Wie
kommt’s denn aber, daß die Kerze nicht gleich gut in Luft und in
Sauerstoff brennt?« Ihr erinnert Euch recht gut, wie ich ein brennendes
Stückchen Kerze in Sauerstoff brachte (vergl. Fig. 22, S. 126), daß
da die Verbrennung eine ganz andere, nämlich viel lebhafter war, als
in der atmosphärischen Luft. Nun, warum das? Diese Frage ist von
der höchsten Wichtigkeit für uns, sie berührt ganz unmittelbar die
Natur der atmosphärischen Luft, und ich werde mich bemühen, sie Euch
verständlich zu beantworten.

[Sidenote: Atmosphärische Luft.]

Die lebhaftere Verbrennung der Körper im Sauerstoff kann uns als
Erkennungsmittel dieses Gases dienen. Ihr habt gesehen, wie eine
Kerze an der Luft und wie sie in Sauerstoff brennt; Ihr habt dasselbe
beobachtet beim Phosphor und ebenso bei Eisenfeilspänen. Es gibt indes
noch verschiedene andere Mittel für denselben Zweck, und um Eure
Erfahrung und Eure Einsicht zu bereichern, werde ich Euch noch etliche
vorführen. Hier habe ich ein Gefäß voll Sauerstoff; daß solcher darin
ist, muß ich Euch freilich erst nachweisen: ich bringe einen schwach
glimmenden Span hinein, und die Erfahrungen, die Ihr das vorige Mal
gesammelt habt, lassen Euch den Erfolg mit Bestimmtheit voraussagen
– seht her: durch diese lebhafte Verbrennung ist die Anwesenheit des
Sauerstoffs unzweifelhaft nachgewiesen. Und nun eine andere und zwar
sehr merkwürdige und nützliche Probe auf Sauerstoff. Da habe ich zwei
Gefäße; beide sind mit Gasen gefüllt und zwischen ihnen befindet
sich eine Platte, damit die Gase sich nicht berühren können. Die
Platte nehme ich jetzt weg, und die beiden Gase kriechen nun förmlich
ineinander. »Was geschieht denn da?« fragt Ihr; »Es findet ja keine
Verbrennung statt, wie wir’s bei der Kerze gesehen haben!« Und dennoch
sollt Ihr in dieser Verbindung des einen Gases mit dem anderen einen
Beweis für die Gegenwart von Sauerstoff kennen lernen. Seht das
schön rotbraun gefärbte Gas, welches auf diese Weise entstanden ist!
Wir können das Experiment in derselben Weise auch mit gewöhnlicher
Luft machen, wenn wir sie mit diesem Prüfgas[17] mischen. In diesem
Gefäß hier ist nur Luft – dieselbe Luft wie die, in welcher die Kerze
brannte – und diese Flasche enthält unser Prüfgas; ich lasse sie über
Wasser zusammenkommen, und nun seht das Ergebnis: der Inhalt der
Versuchsflasche fließt in das Gefäß über, welches nur Luft enthielt;
wir beobachten genau denselben Vorgang, wie soeben beim Sauerstoff
und schließen daraus wiederum, daß der Sauerstoff auch in der Luft
vorhanden ist – ganz derselbe Sauerstoff, den wir schon aus dem von der
Kerze entwickelten Wasser darstellten. Aber warum brennt denn nun die
Kerze in der Luft doch nicht so gut wie in Sauerstoff? Nun, wir werden
sogleich auf diesen Punkt kommen. Hier habe ich zwei Gläser; beide sind
bis zu derselben Höhe mit Luftarten gefüllt, die ganz gleiches Aussehen
haben, und in der Tat weiß ich augenblicklich nicht, welches von beiden
Gefäßen Sauerstoff und welches atmosphärische Luft enthält – nur daß
sie mit diesen Gasen sorgsam gefüllt wurden, weiß ich bestimmt. Indes,
da habe ich ja unser Prüfgas von vorhin; das will ich auf beide Gefäße
einwirken lassen, um zu sehen, ob sich an dem Braunwerden dieses Gases
in den beiden anderen Gasen eine Verschiedenheit zeigt. Ich lasse das
Gas also in eins der Gläser einfließen und sehe zu, was sich ereignet.
Da seht, es wird sofort braun – also ist Sauerstoff darin! Nehmen
wir nun das andere Gefäß vor. Ihr seht, das wird nicht so rasch und
nicht so entschieden braun als das erste. Dabei zeigt sich aber noch
folgender merkwürdige Umstand: Wenn ich diese beiden Gase mit Wasser
gut durchschüttle, so nimmt das Wasser das braune Gas in sich auf,
löst es, und wenn ich dann von neuem etwas Prüfgas hineinlasse, so daß
abermals braunes Gas entsteht, und schüttle wieder, so wird es wiederum
aufgelöst, und das kann ich so lange fortsetzen, als noch eine Spur
Sauerstoff in dem Gefäß vorhanden ist.

Wenn ich das Prüfgas in die Luft bringe, so ist der Vorgang ein
anderer. Zuerst entsteht auch hier das braune Gas; sobald ich dann
Wasser hineinbringe, verschwindet das braune Gas, und ich kann so fort
und fort von unserem Prüfgas mehr hinzufügen, bis ich zu einem Punkt
komme, wo durch diesen eigentümlichen Körper, der die Luft und den
Sauerstoff braun färbt, keine Bräunung mehr hervorgerufen wird. Woher
kommt das? Ihr seht es im Augenblick: weil außer dem Sauerstoff noch
etwas anderes in der Luft enthalten ist, was zuletzt übrig bleibt. Ich
will noch ein wenig Luft in das Gefäß einlassen, und wenn dann wieder
eine Bräunung erfolgt, so könnt Ihr daraus schließen, daß von dem
braunfärbenden Gas noch etwas darin war, daß also auch nicht der Mangel
desselben das Zurückbleiben jener Luftart bedingte.

Nunmehr werdet Ihr leichter imstande sein, das zu verstehen, was
ich eigentlich zu sagen habe. Als ich Phosphor in einem Gefäß
verbrannte[18], saht Ihr, als sich der aus Phosphor und dem Sauerstoff
der Luft gebildete Rauch abgesetzt hatte, daß etwas aus der Luft in
ziemlicher Menge unverbraucht übrig geblieben war – ganz so, wie hier
das Prüfgas etwas unberührt zurückläßt; und wirklich ist es ein und
dasselbe Gas, welchem dort der Phosphor wie hier das braunfärbende Gas
nichts anhaben konnte, und dieses Etwas ist eben kein Sauerstoff, und
doch ein Bestandteil der atmosphärischen Luft.

[Sidenote: Stickstoff.]

Da haben wir also ein Mittel gefunden, die Luft in die beiden Stoffe
zu zerlegen, aus denen sie zusammengesetzt ist – in Sauerstoff, der
die Kerze, den Phosphor und alles andere verbrennen macht, und in
den andern Körper, der keine Verbrennung bewirkt, den _Stickstoff_,
_Nitrogen_. Dieser andere Bestandteil ist in weit überwiegender Menge
in der Luft enthalten. Bei seiner Prüfung werden wir ganz sonderbare
Eigenschaften an ihm entdecken; es ist ein ganz merkwürdiger Körper,
obwohl er Euch vielleicht ganz uninteressant vorkommt. In mancher
Hinsicht mag er dies freilich scheinen, z. B. darin, daß er keine
glänzenden Verbrennungserscheinungen bewirkt. Wie den Wasserstoff
und den Sauerstoff, will ich auch ihn zunächst mit meinem Wachslicht
prüfen. Da seht, er entzündet sich nicht, wie es der Wasserstoff tat,
und er läßt den Wachsstock nicht fortbrennen, wie wir’s beim Sauerstoff
sahen; ich mag’s anstellen, wie ich nur will, er tut weder dies noch
jenes; er selbst fängt nicht Feuer, und den brennenden Wachsstock
verlöscht er gar; jede Flamme löscht er aus, mag brennen, was da will;
es gibt nicht _einen_ Körper, der unter gewöhnlichen Umständen darin
zu brennen vermag. Der Stickstoff riecht nicht, er schmeckt nicht, er
löst sich nicht im Wasser, er ist weder sauer, noch alkalisch, er ist
so völlig indifferent gegen alle unsere Sinne, wie es nur irgend etwas
sein kann. Da möchtet Ihr vielleicht sagen: »Mit dem ist nichts – der
ist unsrer Aufmerksamkeit gar nicht wert – was tut denn der in der
Luft?« Doch halt! Laßt uns nur etwas genauer zusehen, ob wir an ihm
nicht ganz wichtige und schöne Beobachtungen machen können. Nehmen wir
einmal an, die Luft bestände aus lauter Sauerstoff, statt aus einer
Mischung von Stickstoff mit Sauerstoff – was würde da aus uns werden?
Ihr wißt, daß ein glühendes Stück Eisen in einem Gefäß mit reinem
Sauerstoff vollständig verbrennt; nun seht den eisernen Rost auf dem
Herd im Feuer – wo würde er bleiben, wenn die Luft nur aus Sauerstoff
bestände! Der Rost würde fast ebenso schnell verbrennen als die Kohlen;
denn auch das Eisen des Rostes hat große Neigung zum Verbrennen, d. h.
es hat eine sehr bedeutende Verwandtschaft zum Sauerstoff. Das Feuer in
einer Lokomotive würde ein Feuer mitten in einem Holzmagazin sein, wenn
die atmosphärische Luft aus lauter Sauerstoff bestände. Der Stickstoff
aber bändigt das Feuer, macht es uns dienstbar, und außerdem nimmt er
die andern Verbrennungsprodukte mit sich fort, wie Ihr sie auch bei der
Kerze habt aufsteigen sehen, zerstreut sie in der weiten Atmosphäre und
leitet sie an Stellen hin, wo sie einem andern herrlichen Zwecke zum
Wohle des Menschen dienen, nämlich zur Unterhaltung der Vegetation.
Und so seht Ihr, daß dieser Stickstoff, den Ihr anfänglich für so
uninteressant hieltet, uns ganz wunderbare Dienste leistet.

Der Stickstoff ist in seinem gewöhnlichen Zustand ein völlig
indifferentes Element; auch die stärkste elektrische Kraft veranlaßt
ihn kaum, und jedenfalls nur in sehr geringem Grade, eine direkte
Verbindung mit dem anderen Bestandteil der Luft, mit dem Sauerstoff,
oder mit irgend einem andern Körper einzugehen; er ist ganz und gar
indifferent, und ich möchte ihn deshalb einen Sicherheitsstoff nennen.

Bevor wir indes in unserer Betrachtung fortfahren, muß ich von der
atmosphärischen Luft selbst noch einiges sagen. Ich will hier die
Zusammensetzung von 100 Teilen Luft anschreiben:

                 Raumteile. Gewichtsteile.

    Sauerstoff        21          23
    Stickstoff        79          77
                    ----        ----
                     100         100

Das ist genau das Verhältnis des Sauerstoffs und des Stickstoffs in der
atmosphärischen Luft, wie es uns die Analyse ergibt; wir finden, daß
5 Raumteile atmosphärischer Luft ungefähr 4 Raumteile Stickstoff auf
1 Raumteil Sauerstoff enthalten. Eine so überwiegende Menge Stickstoff
ist also erforderlich, um den Sauerstoff so weit in seiner Wirkung zu
mäßigen, daß unsere Kerze ordentlich brennt, und ferner die Luft in
einen solchen Zustand zu versetzen, daß unsere Lungen ruhig und gesund
darin atmen können. Denn beides, unser Atmen sowohl wie das Brennen der
Kerze oder der Feuerung im Ofen, hängt gleichmäßig von diesem richtigen
Mischungsverhältnis des Sauerstoffs und des Stickstoffs in der Luft ab.

Nun muß ich Euch aber auch das _Gewicht_ dieser Gase selbst angeben. Es
wiegt:

    1 Kubikmeter (1000 Liter) Stickstoff    1256 Gramm.
    1 Kubikmeter (1000 Liter) Sauerstoff    1430 Gramm.
    1 Kubikmeter (1000 Liter) atmosph. Luft 1293 Gramm.

[Illustration: Fig. 25.]

[Sidenote: Das Wägen der Gase.]

Ich habe schon mehrmals die Frage von Euch gehört und mich gefreut, daß
Ihr sie tatet: »Wie wägt man Gase?« Ich will es Euch zeigen. Es ist
ganz einfach und leicht. Hier habe ich eine Wage und hier eine kupferne
Flasche; diese ist so dünn und leicht als möglich gemacht, doch so,
daß sie noch fest und stark ist, zugleich vollkommen luftdicht und
auf der Drehbank sauber abgedreht. Sie ist mit einem Hahn versehen,
den man leicht schließen und öffnen kann; jetzt steht er offen, läßt
also die Luft frei in die Flasche eintreten. Hier nun habe ich meine
feine, sehr empfindliche Wage, und ich denke, die Flasche in ihrem
gegenwärtigen Zustande wird gerade von dem Gewicht gehalten werden, das
auf der anderen Schale liegt. Ferner habe ich hier eine Pumpe, mittelst
welcher wir Luft in die kupferne Flasche pressen können, und zwar
wollen wir eine gewisse Anzahl von Raumteilen Luft hineinpressen, denen
der Stiefel der Pumpe als Maß dient. Wir wollen jetzt gleich zwanzig
solcher Raumteile in die Flasche hineinpumpen. – So! – Nun schließen
wir den Hahn fest und bringen die Flasche auf die Wage. Seht, wie sie
sinkt! Sie ist jetzt bedeutend schwerer geworden. Wodurch? Nun, durch
die Luft, die wir mit der Pumpe hineingepreßt haben. Es ist nichts als
Luft darin, die Luft darin nimmt auch keinen größeren Raum ein, aber
wir haben _schwerere_ Luft in demselben Raum, weil wir eben die Luft
zusammengepreßt haben. Damit Ihr nun auch erfahrt, wieviel dem Raum
nach die eingepreßte Luft beträgt, habe ich hier eine Flasche voll
Wasser, deren Hals genau in den der Kupferflasche paßt und ebenfalls
mit einem Hahn versehen ist. Ich schraube sie beide sorgfältig
aufeinander und öffne die Hähne, so daß nun die durch 20 Pumpenzüge
komprimierte Luft in die Glasflasche übertreten und sich ungehindert
zu ihrem ursprünglichen Umfang wieder ausdehnen kann. Um nun sicher zu
sein, daß wir bei unsrer Arbeit ganz richtig zu Werke gegangen sind,
wollen wir die kupferne Flasche wieder auf die Wage legen; wird sie von
dem Gewicht auf der andern Schale – es ist noch dasselbe wie vorhin
– auch jetzt wieder genau im Gleichgewicht gehalten, so war unser
Experiment richtig. Seht, die Wage steht ganz gleich. Auf diese Weise
also können wir das Gewicht der Luftmenge ermitteln, die wir mittelst
der Pumpe hineinpressen und daraus dann das Gewicht eines Kubikmeter
Luft zu 1293 Gramm bestimmen. Doch kann solch ein Experiment im kleinen
Euch unmöglich die ganze Bedeutung dieses Gegenstandes vor Augen
führen. Es ist wahrhaft wunderbar, wie viel auffälliger sie wird, wenn
man solche Versuche mit größeren Luftmengen ausführt. Dieses Volumen
Luft hier – das ist ein Liter – wiegt nicht ganz 1¹/₃ Gramm. Wie hoch
schätzt Ihr den Inhalt des Kastens dort, den ich eigens zu diesem Zweck
habe machen lassen? Die Luft darin wiegt gerade ein Pfund, ein volles
Pfund. Auch das Gewicht der Luft in diesem Saale habe ich berechnet;
sie wiegt – Ihr werdet’s kaum denken – aber sie wiegt wirklich über
eine Tonne (d. i. 1000 Kilogramm). Seht, so ungeheuer wachsen da
gleich die Zahlen an, und von solcher Bedeutung ist die Gegenwart
der atmosphärischen Luft und des Sauerstoffs und Stickstoffs in ihr,
woraus wir wiederum auf die Größe des Nutzens schließen können, den sie
uns schafft, indem sie Stoffe hin und her, von einem Ort zum andern
versetzt und schädliche Dünste dahin bringt, wo sie nützlich wirken
statt zu schaden.

[Illustration: Fig. 26.]

[Sidenote: Luftdruck.]

Nachdem wir nun diese kurze Betrachtung über das Gewicht der Luft
angestellt haben, wollen wir auch gleich einige Folgerungen ziehen,
ohne welche Ihr so manches andere, zu dem wir noch gelangen werden,
nicht recht verstehen würdet. Erinnert Ihr Euch vielleicht eines
ähnlichen Experimentes? Habt Ihr noch nichts dergleichen beobachtet?
Ich will einmal eine ähnliche Pumpe nehmen, wie ich sie kürzlich
benutzte, um Luft in die kupferne Flasche hineinzupressen, und will
einen Apparat damit verbinden, dessen Öffnung ich mit der Hand bedecken
kann. Wir können die Hand in freier Luft so leicht hin und her bewegen,
daß wir kaum glauben, etwas dabei zu fühlen; es erfordert schon eine
sehr rasche Bewegung, um einen Widerstand der Luft gewahr zu werden.
Wenn ich aber meine Hand hierher lege, auf den sogenannten Rezipienten
der Luftpumpe, und nun die Luft herauspumpe – seht da, was geschieht!
Warum ist meine Hand auf einmal an den Apparat gefesselt, so daß
ich die ganze Luftpumpe mit herumziehen kann, da ich sie doch gar
nicht anfasse und halte? Seht, ich kann die Hand kaum wieder davon
losmachen. Nun, was ist die Ursache? Es ist das Gewicht, der Druck der
Luft – das Gewicht der _darüber_ befindlichen Luft drückt meine Hand so
fest auf den leeren Raum darunter.

[Illustration: Fig. 27.]

Ich will noch ein anderes Experiment machen, welches Euch darüber
noch besser Aufklärung geben wird. Über diesen Zylinder ist eine
Schweinsblase ausgespannt und festgebunden; ich bringe den Zylinder auf
die Luftpumpe und pumpe die Luft heraus – Ihr werdet gleich den Erfolg
sehen, jetzt ist die Blase flach ausgespannt; setze ich aber die Pumpe
ein wenig in Bewegung – seht, wie sie einsinkt, wie sie nach unten
eingedrückt wird; seht, wie sie tiefer und immer tiefer niederwärts
geht, bis sie vermutlich zuletzt durch die Gewalt der darauf drückenden
Luft zersprengt werden wird. [Die Blase zerspringt zuletzt mit einem
lauten Knall.] Das geschah einzig und allein durch die darauf drückende
Last der darüber stehenden Luft, und dieser Hergang ist ganz leicht zu
verstehen. Die Luftschichten können wir uns übereinander aufgestapelt
denken, wie die fünf Würfel hier auf einander stehen. Nun seht Ihr
doch, daß die vier oberen von diesen Würfeln von dem fünften, der auf
dem Boden aufliegt, getragen werden, und wenn ich diesen wegnehme,
so müssen die oberen heruntersinken. Gerade so ist’s auch bei der
atmosphärischen Luft. Die oberen Luftschichten werden von den untersten
getragen, ruhen auf ihr, und wenn diese untere Luftschicht weggepumpt
wird, so müssen eben Wirkungen eintreten, wie Ihr sie an meiner auf
den Recipienten gefesselten Hand und am Zersprengen der Blase gesehen
habt, und wie Ihr sie jetzt noch besser beobachten sollt. Über dieses
Gefäß hier habe ich eine Gummihaut gespannt und werde nun die Luft
herauspumpen. An diesem Gummi, der also eine Scheidewand zwischen
der untern Luftschicht und der obern bildet, könnt Ihr den Druck
sehr deutlich beobachten. Jetzt kann ich schon die ganze Hand in das
Gefäß hineinlegen. Und dieses Resultat wird einzig bewirkt durch den
gewaltigen Druck der oberen Luftschichten. Wie schön zeigen sich da
diese wunderbaren Verhältnisse!

[Illustration: Fig. 28.]

Hier habe ich einen kleinen Apparat, an dem Ihr nachher, wenn ich
meinen Vortrag geschlossen habe, Eure Kraft im Ziehen erproben könnt.
Er besteht aus zwei hohlen Halbkugeln von Messing, deren Ränder genau
auf einander passen; die eine ist mit einer Röhre versehen, an der
sich ein Hahn befindet, so daß man die Luft herauspumpen und dann
abschließen kann. Seht, die beiden Hälften lassen sich jetzt, wo Luft
darin ist, ganz leicht auseinandernehmen; wenn wir aber die Luft
herauspumpen, so werdet Ihr nachher sehen, daß je zwei von Euch mit
allem Kraftaufwande nicht im Stande sind, sie auseinanderzuziehen.
Jeder Quadratzentimeter der Oberfläche der geschlossenen und
ausgepumpten Kugel hält einen Druck von ungefähr einem Kilogramm aus,
und Ihr mögt nun Eure Stärke versuchen und zusehen, ob Ihr dieses
Luftdruckes Herr werdet.

Hier hab’ ich noch ein anderes hübsches Ding – einen Sauger für
Kinder, nur etwas verbessert von der Wissenschaft. So junge Leute,
wie wir, sind ganz in ihrem Recht, nach Spielzeug zu greifen und es
zum Gegenstand ihrer Forschung zu machen, wie ja auch manchmal die
Wissenschaft zur Spielerei gemacht wird. Hier ist also unser Sauger;
er besteht aus Gummi. Wenn ich ihn auf den Tisch aufklappe, seht, da
steht er auf einmal fest. Nun, warum tut er das? Ich kann ihn auf dem
Tische gleiten lassen; will ich ihn aber emporheben, so scheint er den
Tisch mit in die Höhe ziehen zu wollen; ich kann ihn ganz leicht von
einer Stelle zur andern schieben, aber nur wenn ich ihn an die Kante
des Tisches bringe, läßt er sich wegziehen. Auch dieser Sauger wird
nur durch den Luftdruck so fest gehalten. Hier hab’ ich mehrere; da
nehmt ein Paar und drückt sie aneinander! Ihr werdet sehen, wie fest
sie zusammenhalten. Sie können wirklich ganz gut zu dem Zweck gebraucht
werden, zu dem man sie in Vorschlag gebracht hat, nämlich sie an
Fenstern oder glatten Wänden zu befestigen und allerlei kleine Sachen
daran aufzuhängen; sie werden einen ganzen Tag daran festhalten. Ich
weiß indes, daß Kinder besonders solche Experimente gern sehen, die
sie zu Hause leicht nachmachen können, und darum will ich Euch noch
ein recht hübsches zur Veranschaulichung des Luftdruckes zeigen. Hier
ist ein Glas voll Wasser; wenn ich Euch nun frage, ob Ihr das Glas so
umdrehen könnt, daß das Wasser nicht herausläuft, aber ohne daß Ihr’s
mit der Hand zuhaltet – es soll nur durch den Luftdruck darin gehalten
werden – würdet Ihr das machen können? Nehmt ein Weinglas, ganz oder
halb voll Wasser, legt ein glattes Stück Papier oben auf, dreht es
vorsichtig um, wie ich’s hier mache, und nun seht zu, was mit dem
Wasser und dem Papier wird. Die Luft kann nicht hinein, weil das Wasser
vermöge seiner kapillaren Anziehung Papier und Glasrand ringsherum
fest zusammenhält. Und das Wasser fließt nicht heraus, da es durch den
äußeren Luftdruck zurückgehalten wird.

Ich hoffe, das Ihr durch alles dieses eine richtige Vorstellung von dem
Gewichte, also auch von der Körperlichkeit der Luft bekommen habt,
und wenn ich Euch sage, daß der Kasten dort ein Pfund Luft enthält und
dieses Zimmer mehr als eine Tonne, so wird es Euch wohl begreiflich
sein, daß die Luft ein ganz gewichtiger Körper ist. Ich will noch ein
anderes Experiment zeigen, um Euch ihre Widerstandsfähigkeit darzutun.
Die Knallbüchse kennt wohl jeder, die man so leicht aus einem Federkiel
oder irgend einer ähnlichen Röhre herstellen kann; aus einem Kartoffel-
oder Apfelscheibchen wird mit dem Kiel selbst ein Pfropfen ausgestochen
und an das andere Ende hingeschoben, wie ich es hier mache, so daß der
Ausgang dicht verschlossen wird; nun steche ich ein zweites Stückchen
aus und schiebe es hinein; jetzt ist also die Luft im Innern der Röhre
vollständig eingeschlossen, ganz wie wir’s zu unserm Zweck gebrauchen.
Nun aber zeigt es sich, daß keine Kraft imstande ist, dieses zweite
Pfröpfchen vollständig auf das erste aufzutreiben; das ist eine völlige
Unmöglichkeit. Bis zu einem gewissen Grad läßt sich die Luft wohl
zusammenpressen, doch lange vor der Berührung der beiden Pfropfen
wird die eingezwängte Luft den vorderen Pfropfen mit einem Knall
hinaustreiben; die Wirkung ist hier ähnlich wie beim Schießpulver,
dessen Kraft zum Teil von denselben Umständen abhängig ist, welche Ihr
hier erläutert seht.

Neulich sah ich einem Versuch zu, der mir sehr gefiel und den ich
gleich für unsern Zweck zu benutzen gedachte. Freilich, um des Erfolges
sicher zu sein, hätte ich ein paar Minuten schweigen sollen, ehe
ich mich an die Ausführung mache; denn die Lungen müssen bei diesem
Experiment das meiste tun. Es handelt sich darum, dieses Ei durch
meinen Atem aus dem einen Eierbecher in den andern zu treiben; ich bin
allerdings des Erfolges nicht ganz sicher, weil ich jetzt schon zu viel
gesprochen habe, und wenn mir’s nicht gelingt, so hat das also seinen
guten Grund.

[Der Vortragende macht den Versuch, und es glückt ihm, das Ei aus dem
einen Becher in den andern hinüber zu blasen.]

Ihr seht, die Luft dringt zwischen dem Ei und der Becherwand abwärts,
sie übt auf das Ei von unten einen Druck aus, welcher das Ei zu heben
imstande ist, obwohl ein ganzes Ei doch im Verhältnis zur Luft sehr
schwer ist. Wenn Ihr den Versuch nachmachen wollt, so tut Ihr gut, das
Ei vorher hart zu kochen; dann könnt Ihr es ruhig versuchen, es von
einem Becher in den andern hinüber zu blasen, und bei einiger Vorsicht
wird es Euch auch gelingen.

Doch genug für jetzt von dem Druck und dem Gewichte der Luft, um
noch eine andere wichtige Eigenschaft an ihr kennen zu lernen. Ihr
saht soeben bei der Knallbüchse, wie ich den zweiten Pfropfen ½ bis
¾ Zoll weit hineintreiben konnte, ehe der vordere hinausflog, daß
also die eingeschlossene Luft bis zu einem gewissen Punkte dem Druck
nachgab; ebenso saht Ihr, wie sich die Luft in der kupfernen Flasche
mittelst der Pumpe so bedeutend zusammenpressen ließ. Nun, das hängt
von einer wunderbaren Eigenschaft der Luft ab, nämlich von ihrer
_Elastizität_. Ich werde Euch diese Eigenschaft der Luft möglichst
gut zu veranschaulichen suchen. Eine Blase aus Gummihaut, wie ich sie
hier habe, eignet sich vortrefflich dazu. Sie ist luftdicht, d. h. sie
läßt weder Luft ein- noch austreten; aber sie kann sich ausdehnen und
wieder zusammenziehen, so daß sie der darin eingeschlossenen Luft in
jeder Weise nachgibt, und daher gleichsam als Maßstab ihrer Elastizität
dienen kann. Ihr seht, die jetzt schlaffe Blase enthält nur wenig Luft.
Ich binde sie fest zu, bringe sie unter die Glocke der Luftpumpe und
pumpe aus dieser die Luft heraus, hebe also den Druck der letzteren auf
die in der Blase befindliche Luft auf. Seht, wie sie jetzt fort und
fort sich ausdehnt, weiter und immer weiter, bis sie nun den ganzen
Innenraum der Glocke ausgefüllt hat. Und lasse ich nun die Luft wieder
in die Glasglocke eindringen, seht da, so geht auch die Luft in der
Blase wieder auf ihren ursprünglichen Umfang zurück. Dies zeigt uns
deutlich die wunderbare Eigenschaft der Luft, welche man Elastizität
nennt. Vermöge derselben ist sie in so hohem Grade befähigt, sich
zusammendrücken zu lassen und sich auszudehnen, und gerade hierdurch
ist sie ganz besonders zu ihrer wichtigen Rolle im Haushalte der Natur
geeignet.

Wir gelangen nunmehr zu einem anderen und zwar sehr wichtigen Teil
unseres Thema. Erinnern wir uns, was wir bereits an unserer brennenden
Kerze erforscht haben. Wir sahen, daß sie beim Brennen verschiedene
Stoffe entstehen läßt, und fanden Kohle in Gestalt von Ruß[19], Wasser
und etwas anderes, was wir noch nicht untersucht haben. Das Wasser
fingen wir auf, die übrigen Verbrennungsprodukte ließen wir bisher
ungehindert in die Luft entweichen. Diese nun müssen wir jetzt unserer
Forschung unterwerfen.

[Illustration: Fig. 29.]

[Sidenote: Kohlensäure als Verbrennungsprodukt der Kerze.]

Hier habe ich eine Vorrichtung, die uns bei unserer Untersuchung
die nötigen Dienste leisten wird. Unsere Kerzen setzen wir mitten
auf diesen Steg und darüber diesen gläsernen Schornstein – so! Die
Kerze wird ganz hübsch weiter brennen; denn die Luft hat ja unten und
oben ungehinderten Durchgang. Zunächst seht Ihr wieder die uns schon
bekannte Erscheinung, daß die Wandung des Glases feucht wird – es
ist das Wasser, zu welchem sich der in der Kerzenflamme entwickelte
Wasserstoff mit dem Sauerstoff der Luft verbindet; außerdem aber steigt
noch etwas anderes oben heraus: das ist keine Feuchtigkeit, kein
Wasser, es ist nicht verdichtbar; und es hat zudem sehr merkwürdige
Eigenschaften. Ich will eine Flamme an die Öffnung des Schornsteins
halten, und Ihr könnt sehen, daß sie von der austretenden Luft fast
verlöscht wird, und wenn ich sie vollständig dem Strom aussetze,
seht – da geht sie ganz und gar aus. Ihr werdet sagen: das ist so,
wie es sein muß; und ich vermute, Ihr denkt Euch, es müsse so sein,
weil von der Luft, welche zur Verbrennung gedient hat, nur Stickstoff
übrig bleibt und Stickstoff die Verbrennung nicht unterhält, also den
Span auslöschen muß. Gut; aber sollte nicht noch etwas anderes als
Stickstoff vorhanden sein? Hier muß ich freilich etwas vorgreifen –
das heißt, ich muß Euch aus meinen weiteren Kenntnissen die Mittel
darbieten, mit deren Hilfe Aufgaben wie diese gelöst, und dergleichen
Gase, wie wir hier haben, untersucht werden können. Also – ich nehme
eine leere Flasche, halte sie verkehrt über unsern Schornstein und
fange die Verbrennungsprodukte der Kerze darin auf; und wir werden uns
bald überzeugen, daß die aufgefangene Luftart nicht nur der Verbrennung
sehr ungünstig ist – seht, wie mein Wachsstock darin sogleich verlöscht
– sondern daß sie noch ganz andere Eigenschaften besitzt.

[Sidenote: Kalkwasser.]

Ich nehme hier ein wenig ungelöschten Kalk und gieße etwas gewöhnliches
Wasser darauf, rühre ein paarmal um, bringe nun die Mischung auf dieses
Papierfilter in dem Trichter, und nicht lange dauert’s, so läuft davon
ein ganz klares Wasser in das unterstehende Fläschchen ab, wie Ihr’s
da seht. Ich habe zwar dort eine ganze Flasche von diesem Wasser –
Kalkwasser – vorrätig stehen, das ich ebenso gut benutzen könnte; aber
Ihr wißt ja, ich habe eine Vorliebe dafür, meine Untersuchungen mit
Dingen anzustellen, die vor Euren Augen entstanden sind. Von diesem
schön klaren Kalkwasser nun gieße ich ein wenig in die Flasche, in
der wir die Luft von unserer Kerze aufgefangen haben, und nun seht,
welche Veränderung darin vorgeht! Seht Ihr, wie das Kalkwasser ganz
milchig geworden ist! Paßt auf, ich werde Euch zeigen, daß das mit
bloßer Luft nicht geschieht. Hier ist eine Flasche, in der sich, wie
Ihr seht, weiter nichts als atmosphärische Luft befindet; ich gieße
etwas Kalkwasser hinein und schüttle tüchtig um – es bleibt ganz klar;
weder der Sauerstoff, noch der Stickstoff der Luft, noch was sonst
in dieser Menge Luft enthalten sein mag, bringt jene Veränderung
in dem Kalkwasser hervor. Dieselbe Flasche mit demselben Kalkwasser
halte ich nun aber so an den Schornstein, daß die Verbrennungsgase
der Kerze hineinstreichen und mit dem Kalkwasser in Berührung kommen
können – seht, es dauert gar nicht lange, so ist’s milchig geworden.
Diese weiße Substanz nun kann sich aus nichts anderem gebildet haben,
als aus dem zum Kalkwasser verwendeten Kalk und etwas anderem, was
von der Kerze kommt – jenem zweiten Verbrennungsprodukt, dessen Natur
wir eben zu erforschen bemüht sind und von welchem ich heute zu Euch
sprechen will. Bis jetzt also wissen wir von seinem Vorhandensein nur
durch seine Wirkung auf das Kalkwasser, die für uns ganz neu war und
die, wie wir gesehen haben, weder dem Sauerstoff, noch dem Stickstoff,
noch auch dem Wasser zuzuschreiben ist. Dieses weiße Pulver, welches
aus Kalkwasser und den Verbrennungsgasen der Kerze entsteht, hat
anscheinend ganz die Eigenschaften der _Kreide_; und wenn man es näher
untersucht, so findet man, daß es wirklich genau derselbe Stoff ist
wie die Kreide. So sind wir denn in unserm Bestreben, den Vorgang bei
einer so alltäglichen Erscheinung wie das Brennen einer Kerze kennen
zu lernen, ganz unversehens Zeuge davon geworden, wie Kreide entsteht
und haben durch sorgfältige Beobachtung aller Umstände bei unserem
Experiment die Bedingungen ihrer Entstehung kennen gelernt. Wenn man
Kreide (am besten ein wenig feucht) stark erhitzt, so verwandelt sie
sich in gebrannten Kalk; es muß also der andere Bestandteil, den sie
außer dem Kalk enthält, dabei entweichen, und in der Tat ist dieses der
Fall. Beim Brennen von Kreide oder Kalk entweicht dasselbe Gas, welches
bei der Verbrennung einer Kerze entsteht und durch seine Verbindung mit
dem Kalk wiederum Kreide gibt.

[Sidenote: Kohlensäure.]

Um dieses Gas, welches wir _Kohlensäure_ nennen, in größerer Menge
darzustellen und seine Eigenschaften näher kennen zu lernen, bedienen
wir uns freilich eines bequemeren Verfahrens. Die Kohlensäure findet
sich in großer Menge in der Natur und zwar in vielen Fällen, wo Ihr sie
am wenigsten suchen würdet. Aller Kalkstein besteht zum großen Teil
aus demselben Gas, wie wir es hier aus der Kerze haben sich entwickeln
sehen; alle Kalk- und Kreidegebirge, alle Muschelschalen, Korallen und
dergl. enthalten große Mengen Kohlensäure. Wir finden diese merkwürdige
Luftart in so festen Gesteinsarten wie Marmor und Kalk mit fest
geworden, sie hat ihre luftige Natur darin aufgegeben und völlig die
Eigenschaften eines festen Körpers angenommen – deshalb hat sie _Black_
auch »fixe Luft« genannt.[20]

Aus dem Marmor können wir die Kohlensäure ganz leicht darstellen. In
dem Gefäß hier habe ich etwas Salzsäure, und darüber steht, wie Euch
mein Wachslicht anzeigt, nichts als atmosphärische Luft; seht, ich
gehe mit dem Licht bis auf den Grund hinab – das Gefäß enthält über
der Salzsäure nichts als Luft. Hier habe ich Marmor, und zwar von der
schönsten und feinsten Sorte, wovon ich nun etliche Stückchen in das
Gefäß bringe – sofort entsteht anscheinend ein gewaltiges Aufkochen.
Aber was da aufsteigt, ist nicht etwa Wasserdampf, sondern ein Gas,
das auf mein hineingehaltenes Wachslicht, wie Ihr seht, genau dieselbe
Einwirkung ausübt, wie vorher die aus dem Schornstein über unsrer Kerze
entweichende Luft – die Flamme verlöscht, und wir haben hier wie dort
genau dieselbe Erscheinung, bewirkt durch ein und dasselbe Gas, durch
die Kohlensäure. Auf diese Weise können wir Kohlensäure in großer Masse
darstellen; seht – jetzt schon ist das Gefäß bis obenan damit gefüllt.
(Dies wird dadurch bewiesen, daß der brennende Span verlöscht, sobald
er nur eben in das Gefäß eingetaucht wird.)

Das Gas ist aber keineswegs nur im Marmor enthalten. In dieses Gefäß
da habe ich etwas gewöhnliche Schlemmkreide getan – also Kreide, die
durch Auswaschen mit Wasser von groben Teilchen befreit ist, wodurch
sie zu Stuckatur- und dergleichen Arbeiten brauchbarer wird. In dem
großen Gefäß befindet sich Schlemmkreide mit Wasser, und in diesem hier
habe ich konzentrierte Schwefelsäure, die zu dem Experiment, das wir
jetzt vorhaben, geeignet ist; nur mit Schwefelsäure nämlich bildet der
Kalk beim Freiwerden der Kohlensäure wieder einen unlöslichen Körper,
während die Salzsäure, wie Ihr vorhin gesehen, eine lösliche Substanz
liefert, die das Wasser gar nicht trübt. Ihr werdet gleich sehen, warum
ich meine Vorrichtung zu dem beabsichtigten Experiment in dieser Weise
treffe – nämlich, damit Ihr im kleinen leicht nachmachen könnt, was
ich Euch hier in großem Maßstab zeigen werde. Wir haben hier wieder
ganz denselben Prozeß, wie bei der Einwirkung von Salzsäure auf Marmor;
ich entwickle in dem großen Gefäß hier die Kohlensäure, und sie zeigt
sich gegen alle Prüfungsmittel als ganz dasselbe Gas, welches wir bei
Verbrennung der Kerze in freier Luft erhielten. So verschieden auch
diese beiden Methoden der Darstellung erscheinen mögen – das Ergebnis
ist ganz dasselbe, hier wie dort wird ein und dieselbe Kohlensäure
gewonnen.

Gehen wir indes zu weiteren Versuchen mit unserem Gas über, um seine
Natur näher kennen zu lernen. [Einige Zylinder sind inzwischen über
Wasser mit dem Gase gefüllt worden.] Hier habe ich ein Gefäß voll
Kohlensäure, und wie wir’s bei den früher untersuchten Gasarten getan,
so will ich auch bei ihr zunächst fragen, wie sie sich in bezug auf die
Verbrennung verhält. Brennbar, seht Ihr, ist sie nicht und ebensowenig
unterhält sie die Verbrennung. [Ein brennender Wachsstock, der in
das Gas getaucht wird, verlöscht, und das Gas bleibt unentzündet.]
Sehr löslich im Wasser kann sie auch nicht sein; denn wir haben
sie ja dort ganz leicht über Wasser aufgefangen. Ferner haben wir
schon gesehen, wie sie auf Kalkwasser einwirkt, wie sie damit Kreide
bildet; sie wird ein Bestandteil dieser Kreide, welche man eben wegen
ihrer Zusammensetzung aus Kohlensäure und Kalk – ebenso wie Marmor,
Kalkstein, Korallen etc. – auch als kohlensauren Kalk bezeichnet.

Zunächst aber muß ich Euch nun zeigen, daß sie sich doch in geringer
Menge in Wasser löst, in dieser Beziehung also sich von Sauerstoff
und von Wasserstoff unterscheidet. Hier habe ich einen Apparat, mit
dessen Hilfe wir die Lösung bewerkstelligen können. Im unteren Teil
des Apparats befindet sich der Marmor und die Säure, im oberen kaltes
Wasser, und wie Ihr seht, sind beide so mit einander verbunden, daß das
entwickelte Gas aus dem einen in den andern gelangen kann; setze ich
ihn nun in Tätigkeit, so seht Ihr sofort das Gas in Blasen durch das
Wasser hindurchstreichen; das geschah schon vorher eine Zeitlang, und
wir werden jetzt finden, daß sich etwas davon im Wasser aufgelöst hat.
Ich nehme etwas Wasser heraus und koste es – es schmeckt säuerlich, es
ist mit Kohlensäure gesättigt; aber Ihr wißt, wie wir die Gegenwart von
Kohlensäure chemisch nachweisen, Ihr wißt, daß Kalkwasser ein sicheres
Erkennungsmittel für Kohlensäure ist – ich will also etwas hinzusetzen,
und seht, sofort wird es trüb und weiß.

Ferner habe ich von der Kohlensäure zu berichten, daß sie ein schweres
Gas ist, schwerer als die atmosphärische Luft. Zur Vergleichung
schreibe ich die Gewichte aller bisher von uns untersuchten Gase hier
auf:

    1 Kubikmeter               wiegt

    Wasserstoff             89 Gramm
    Sauerstoff            1430 Gramm
    Stickstoff            1250 Gramm
    Atmosphärische Luft   1293 Gramm
    Kohlensäure           1965 Gramm

[Illustration: Fig. 30.]

Also ein Kubikmeter Kohlensäure wiegt fast zwei Kilogramm. Diese
Schwere des Gases kann durch viele Experimente ersichtlich gemacht
werden. Hier nehme ich z. B. ein Glas, das nichts als Luft enthält, und
versuche, aus dem da, das voll Kohlensäure ist, etwas hineinzugießen;
ich bin nun begierig, ob etwas hineingeflossen ist oder nicht. Durch
den Augenschein ist das nicht zu erkennen, wohl aber am Brennen meines
Wachsstockes darin. Seht, da habt Ihr’s: die Flamme verlöscht, sobald
ich das Gas in das tiefere Gefäß hineingieße. Noch deutlicher würde
ich die Kohlensäure hier wiederum durch ihre Wirkung auf Kalkwasser
nachweisen, die Ihr nun schon so oft gesehen habt. Jetzt werde ich
einmal den kleinen Eimer da in unsern Kohlensäure-Brunnen hinablassen
– leider haben wir nur zu oft wirkliche Kohlensäurebrunnen – und wenn
Kohlensäure da unten ist, muß er sich damit füllen, als ob es Wasser
wäre; wir ziehen ihn wieder herauf, prüfen seinen Inhalt mit unserm
Wachsstock, und da sehen wir’s – er ist voll Kohlensäure.

[Illustration: Fig. 31.]

Noch augenfälliger zeigt sich die Schwere der Kohlensäure an folgendem
Experiment auf meiner Wage. Auf die eine Wageschale habe ich ein Glas
gestellt und durch Gewichte auf der andern Seite die Wage wieder ins
Gleichgewicht gebracht. Ich gieße nun dieses mit Kohlensäure gefüllte
Glas in das Gefäß auf der Wage aus, das erst nur atmosphärische Luft
enthielt, und Ihr seht, wie es sofort niedersinkt. Auch jetzt will ich
die Untersuchung mit meinem brennenden Wachsstock nicht unterlassen –
wir sehen, wie ihm das Fortbrennen in dem Gefäß auf der Wage unmöglich
wird, wissen also, daß sich wirklich Kohlensäure darin befindet.

Blase ich eine Seifenblase, natürlich mit gewöhnlicher Luft, und lasse
sie in dieses Gefäß mit Kohlensäure fallen, so wird sie schwimmen.
Aber ich will zuerst einen dieser kleinen, mit Luft gefüllten Ballons
nehmen. Ich bringe ihn in dieses, zum Teil mit Kohlensäure gefüllte
Gefäß. Er schwimmt auf der Kohlensäure, und wir können daran die Höhe
erkennen, bis zu welcher sie das Gefäß erfüllt. Gieße ich noch mehr
Kohlensäure hinein, so wird der Ballon gehoben. Jetzt ist das Gefäß
nahezu voll davon; und nun will ich sehen, ob ich eine Seifenblase
darauf blasen und sie in derselben Weise schwimmen lassen kann.
[Der Vortragende bläst eine Seifenblase, läßt sie in das Gefäß mit
Kohlensäure fallen, und sie schwimmt richtig mitten darin.] Sie
schwimmt wie vorher der Ballon, weil die Kohlensäure schwerer ist als
die Luft.

Wir haben nun die Kohlensäure kennen gelernt, sowohl hinsichtlich
ihrer Bildung aus der Kerze oder dem Marmor, als in ihren wichtigsten
physikalischen Eigenschaften, besonders in ihrer Schwere; und bei
unsrer nächsten Zusammenkunft denke ich Euch zu zeigen, wie sie
zusammengesetzt ist, d. h. aus welchen Elementen sie besteht.


Fußnoten:

    [17] Dieses »Prüfgas« ist das sogenannte Stickoxyd der
        Chemiker, eine Verbindung von Stickstoff (von welchem in
        dieser Vorlesung ausführlich die Rede ist) und Sauerstoff.
        Es ist ausgezeichnet durch die Eigenschaft, sich in
        Berührung mit freiem Sauerstoff sogleich mit diesem zu
        einer sauerstoffreicheren Verbindung zu vereinigen. Da
        Stickoxyd und Sauerstoff farblose und unsichtbare Gase
        sind, das Gas, welches durch ihre Verbindung entsteht,
        aber dunkel rotbraun gefärbt ist, so zeigt in der Tat das
        Stickoxyd die Gegenwart von freiem Sauerstoff in einer sehr
        augenfälligen Weise an.

    [18] Siehe Fig. 9, Seite 74.

    [19] Bei unvollständiger Verbrennung.

    [20] Fix kommt aus dem Lateinischen und bedeutet fest.



Sechste Vorlesung.

    Chemische Zusammensetzung der Kohlensäure. Ihre Bildung durch
    Verbrennung von Kohlenstoff. Mengenverhältnis der Bestandteile.
    Zerlegung der Kohlensäure in ihre Elemente. Bildung von
    Kohlensäure durch Verbrennung des Holzes und des Leuchtgases.
    Feste und gasförmige Verbrennungsprodukte der Körper. –
    Der Atmungsprozeß. Kohlenstoffgehalt der Nahrungsmittel.
    Die Körperwärme. Wechselwirkung zwischen der Tier- und
    Pflanzenwelt. – Einfluß der Temperatur auf den Eintritt
    chemischer Prozesse.


Eine Dame, welche diese Vorträge mit ihrer Gegenwart beehrt, hat
mich noch weiter durch Übersendung dieser beiden Kerzen zu Dank
verpflichtet. Sie stammen aus Japan und sind vermutlich aus jenem
Material verfertigt, das ich Euch schon in der ersten Vorlesung
zeigte, dem sogenannten Japanischen Wachs. Ihr seht, sie sind noch
viel zierlicher gestaltet und ausgeschmückt als jene französischen
Kerzen, die ich ebenfalls damals vorwies, und ihrem ganzen äußeren
Aussehen nach möchte man sie wahre Luxuskerzen nennen. Außerdem aber
zeigen sie eine merkwürdige Eigentümlichkeit, nämlich einen hohlen
Docht – jene vorzügliche Verbesserung also, welche Argand an der Lampe
einführte und durch welche er ihren Wert so bedeutend erhöhte. Wer
schon öfter Sendungen aus dem fernen Osten erhielt, wird wohl bemerkt
haben, daß solche Gegenstände auf dem langen Transport ein mattes,
unscheinbares Aussehen bekommen haben; es ist aber ganz leicht, ihnen
die ursprüngliche Schönheit und das frische Äußere wiederzugeben; man
braucht sie zu diesem Zweck nur mit einem reinen seidenen Tuch gut
abzureiben, also die Unebenheiten und Rauhigkeiten ihrer Oberfläche
gleichsam zu polieren. Eine dieser beiden Kerzen habe ich so behandelt
und Ihr werdet den Unterschied von der andern nicht polierten bemerken,
die ich natürlich ebenso auffrischen könnte. Außerdem ist an diesen
japanischen Kerzen noch die Eigentümlichkeit hervorzuheben, daß sie
viel mehr kegelförmig gegossen sind, als es bei uns üblich ist.

In meinem letzten Vortrag habe ich Euch bereits viel von der
Kohlensäure erzählt. Ich habe Euch besonders ihre Reaktion auf
Kalkwasser vorgeführt, dessen Bereitung ich Euch zeigte, so daß Ihr
es selbst machen könnt; und Ihr erinnert Euch, wie die in einer
Flasche aufgefangene Luft aus unserer Kerze in dem Kalkwasser einen
weißen Niederschlag hervorbrachte, daß ferner dieser Niederschlag
aus demselben Kalk bestand, der sich in den Muscheln, Korallen, wie
in vielen Gebirgsarten und Mineralien findet. Von ihrer eigentlichen
chemischen Natur indes habe ich noch nicht ausführlich und eingehend
genug gesprochen, und ich muß deshalb dieses Thema heute wieder
aufnehmen.

Wie wir bei Untersuchung der Verbrennungsprodukte unserer Kerze
bereits das aufgefundene Wasser in seine Elemente zerlegten, so müssen
wir jetzt auch die aus der Kerze entwickelte Kohlensäure auf ihre
Bestandteile prüfen, und einige Experimente werden uns auch hier zum
Ziele führen.

Ihr erinnert Euch, daß eine schlecht brennende Kerze Ruß entwickelt,
während bei einer gut brennenden davon nichts zu sehen ist; Ihr wißt
aber auch, daß die Helligkeit der Kerzenflamme gerade diesem Ruße
zu verdanken ist, welcher zunächst ins Glühen kommt und schließlich
verbrennt. Hier habe ich ein Experiment vorbereitet, an dem es sich
recht deutlich zeigt, wie hellleuchtend die Flamme wird, wenn alle
Kohlenteilchen innerhalb derselben zum Erglühen und Verbrennen
gelangen, so daß dabei durchaus nichts von schwarzen Flöckchen zu sehen
ist. Ich entzünde einen ungemein lebhaft brennenden Stoff, Terpentinöl
nämlich, mit dem dieser Schwamm getränkt ist. Seht den aufsteigenden
Ruß, wie er massenhaft in der Luft herumfliegt! Und nun denkt daran,
daß ich Euch sagte: von solchem Ruß, solcher Kohle, entsteht die
Kohlensäure, wie wir sie aus der Kerze erhielten. Das nun will ich Euch
jetzt beweisen. Ich bringe den Schwamm mit dem brennenden Terpentinöl
in ein Glas voll Sauerstoff, und da seht Ihr denn, wie prächtig jetzt
die Flamme leuchtet und daß aller Ruß vollständig verzehrt wird. Dies
ist aber erst die eine Hälfte unseres Experiments. Was folgt nun?

Die Kohle, welche Ihr soeben aus der Terpentinflamme in die Luft
fliegen saht, ist also völlig im Sauerstoff verbrannt, und wir werden
finden, daß wir bei diesem raschen ungestümen Vorgange ganz genau
dasselbe Ergebnis erlangten, welches uns die ruhige Verbrennung
unserer Kerze lieferte. [In die Flasche, in welcher das Terpentinöl
mit Sauerstoff verbrannte, wird Kalkwasser gegossen, welches beim
Umschütteln stark getrübt wird.] Ich habe Euch dieses Experiment
gezeigt, obwohl sein Erfolg eigentlich vorauszusehen war, damit Euch
der Gang unserer Untersuchungen bei jedem Schritt so klar und deutlich
werde, daß Ihr keinen Augenblick den Faden verlieren könnt, wenn Ihr
nur recht Achtung gebt.

Alle Kohle also, die in der Luft oder in reinem Sauerstoff verbrennt,
tritt als Kohlensäure aus der Flamme heraus; in den Teilchen dagegen,
welche nicht so verbrannt sind, stellt sich Euch der zweite Bestandteil
der Kohlensäure dar, nämlich Kohle, jener Körper, welcher die Flamme
so hell machte, als sie genug Sauerstoff zum Verbrennen erhielt,
welcher aber teilweise ausgeschieden wurde, als nicht genug Sauerstoff
vorhanden war, um ihn zu verbrennen.

Um Euch nun diese Vereinigung der Kohle und des Sauerstoffs zu
Kohlensäure noch verständlicher zu machen, wozu Ihr jetzt schon viel
besser befähigt seid als früher, habe ich hier einige Experimente
vorbereitet. Dieses Gefäß hier ist mit Sauerstoff gefüllt, und hier
ist etwas Kohle, die ich in einem Schmelztiegel zunächst rotglühend
mache. Ich will gleich voraus bemerken, daß ich Euch diesmal ein etwas
unvollkommenes Resultat zu bieten wage; aber es geschieht gerade, um
das Experiment deutlicher zu machen. Ich bringe jetzt Sauerstoff und
Kohle zusammen. Daß dies Kohle, gewöhnliche pulverisierte Holzkohle
ist, könnt Ihr an der Art sehen, wie sie an der Luft brennt. [Indem
er etwas von der rotglühenden Holzkohle aus dem Tiegel herausfallen
läßt.] Nun werde ich sie aber in Sauerstoff verbrennen; achtet auf den
Unterschied! In der Entfernung mag es Euch vielleicht scheinen, als
ob sie mit einer Flamme brenne; dem ist aber nicht so. Jedes einzelne
Stückchen Kohle brennt als ein Funke, und indem es so brennt, bildet es
Kohlensäure. Ich wünschte diese paar Experimente besonders auch deshalb
anzustellen, weil sie das recht deutlich vor Augen führen, worauf ich
später näher eingehen werde, nämlich: daß Kohle eben in _dieser_ Weise
brennt und nicht mit einer Flamme.

Statt aber so viele einzelne Kohlenstäubchen zu verbrennen, will ich
nun lieber ein größeres Stück Kohle benutzen, dessen Gestalt und
Umfang Ihr während des Brennens deutlich unterscheiden könnt. Ihr
werdet dann auch den ganzen Vorgang besser beobachten. Hier ist
das Gefäß mit Sauerstoff, und hier ist ein Stück Kohle, an das ich
einen Holzspan befestigt habe; diesen kann ich anzünden und so die
Verbrennung einleiten, welche sich sonst nur schwierig bewerkstelligen
ließe. Da seht Ihr nun die Kohle brennen, aber nicht mit einer Flamme
(oder wenn Ihr doch ein Flämmchen bemerkt, so ist es jedenfalls nur
ein ganz kleines; es rührt davon her, daß bei der Verbrennung sich
vorübergehend eine eigene Substanz, sogenanntes Kohlenoxyd an der
Oberfläche der Kohle bildet). Die Verbrennung geht diesmal langsam
vor sich, wie Ihr seht, und nach und nach entwickelt sich Kohlensäure
durch die Verbindung der Kohle mit dem Sauerstoff. Hier habe ich ein
anderes Stück Kohle, und zwar Borkenkohle, welches die Eigentümlichkeit
besitzt, beim Brennen in Stücke zu zerspringen, zu explodieren. Durch
die Hitze wird dieser Kohlenklumpen in einzelne Teilchen zerplatzen,
die in die Luft fliegen; indes brennt jedes Teilchen ebenso wie die
ganze Masse in dieser eigentümlichen Art – es brennt wie eben Kohle
brennt, ohne Flamme. Ihr bemerkt, daß eine Menge einzelner kleiner
Verbrennungen vor sich gehen, seht aber keine Flammen. Ich kenne kein
schöneres Experiment als dieses, um zu zeigen, daß die Kohle nur
glimmend brennt.

[Sidenote: Zerlegung der Kohlensäure.]

Hier also sehen wir Kohlensäure aus ihren Elementen entstehen. Wenn wir
sie mit Kalkwasser prüfen, so werdet Ihr sehen, daß wir ganz denselben
Körper erhalten, den ich Euch bereits früher beschrieben habe. Wenn
sich 6 Gewichtsteile Kohle (mag sie von der Flamme einer Kerze oder von
pulverisierter Holzkohle herstammen) und 16 Gewichtsteile Sauerstoff
verbinden, so erhalten wir 22 Teile Kohlensäure; und 22 Teile
Kohlensäure geben mit 28 Teilen Kalk 50 Teile kohlensauren Kalk. Wenn
Ihr Austerschalen untersucht und ihre Bestandteile wägt, so werdet Ihr
finden, daß je 50 Teile davon 6 Teile Kohle und 16 Teile Sauerstoff
verbunden mit 28 Teilen Kalk enthalten. Indessen will ich Euch nicht
mit solchen Einzelheiten behelligen; wir wollen uns vielmehr an die
Natur unseres Gegenstandes im allgemeinen halten. Seht, wie die Kohle
nach und nach schwindet [der Vortragende zeigt auf das Stück Kohle, das
in dem Gefäß mit Sauerstoff ruhig fortbrennt]. Ihr mögt sagen, daß sich
die Kohle in der umgebenden Luft auflöst; und wenn das ganz reine Kohle
wäre (die wir übrigens leicht herstellen könnten), so würde auch gar
kein Rückstand übrig bleiben; vollkommen reine Kohle läßt keine Asche
zurück.

Die Kohle ist ein fester Körper, dessen Festigkeit durch Hitze allein
nicht aufgehoben werden kann; aber beim Verbrennen geht sie in ein
Gas über, welches sich unter gewöhnlichen Umständen nicht zu einem
festen oder flüssigen Körper verdichten läßt. Und noch wunderbarer
mag der Umstand erscheinen, daß durch diese Aufnahme der Kohle der
Sauerstoff durchaus nichts an seinem Rauminhalt ändert: er verwandelt
sich in Kohlensäure, und diese nimmt genau denselben Raum ein, wie der
Sauerstoff, welcher zu ihrer Bildung erforderlich war.

Ich muß Euch indes noch ein anderes Experiment zeigen, um Euch
hinreichend mit der Natur der Kohlensäure bekannt zu machen. Da sie
ein zusammengesetzter Körper ist, indem sie aus Kohle und Sauerstoff
besteht, so müssen wir auch imstande sein, sie in ihre Bestandteile
zu zerlegen; und das können wir auch in der Tat bei ihr so gut wie
beim Wasser. Der einfachste und kürzeste Weg ist der, einen Körper
auf die Kohlensäure einwirken zu lassen, welcher den Sauerstoff aus
ihr an sich zieht und die Kohle zurückläßt. Ihr erinnert Euch, wie
ich Kalium auf Wasser oder Eis legte, und Ihr saht, daß es imstande
war, den Sauerstoff vom Wasserstoff zu trennen. Nun, versuchen wir
einmal dasselbe bei der Kohlensäure. Ihr wißt, die Kohlensäure ist ein
schweres Gas, ich will sie nicht mit Kalkwasser prüfen, weil sich das
mit den folgenden Experimenten nicht vertragen würde, und ich denke,
die Schwere des Gases und seine Kraft, Flammen auszulöschen, wird Euch
seine Gegenwart hinlänglich beweisen. Ich bringe eine Flamme in das
Gas, und Ihr seht, das Licht geht aus. Vielleicht möchte das Gas sogar
Phosphor auslöschen, von dem Ihr doch wißt, daß er sehr heftig brennt.
Hier ist ein Stückchen Phosphor, das ich durch Erhitzen entzünde. Ich
bringe es in das Gas und Ihr seht, es löscht aus, wird aber in der
Luft wieder Feuer fangen und von neuem weiter brennen. Das Kalium nun
ist imstande, schon bei gewöhnlicher Temperatur auf die Kohlensäure
zu wirken, freilich nicht so kräftig, wie es unser augenblicklicher
Zweck erfordert, da sich bald eine umhüllende Schicht darüber bildet,
welche das Fortschreiten des Prozesses erschwert. Wenn wir es aber so
erwärmen, daß es in der Luft brennt, wozu wir ja das volle Recht haben
und wie wir’s auch mit dem Phosphor taten, so werdet Ihr sehen, daß
es auch in Kohlensäure brennen kann; und wenn es brennt, so tut es
dies eben, weil es sich mit dem Sauerstoff der Kohlensäure verbindet,
so daß Ihr dann sehen werdet, was dabei zurückbleibt. Ich werde also
dieses heißgemachte Kalium in der Kohlensäure verbrennen, um das
Vorhandensein des Sauerstoffs in der Kohlensäure nachzuweisen. [Beim
Erhitzen explodiert das Kalium.] Es kommt öfter vor, daß ein schlechtes
Stückchen Kalium beim Brennen explodiert oder sich auf irgend eine
Weise ungeeignet zeigt. Ich muß also ein anderes Stück nehmen; nun,
nachdem es erhitzt ist, bringe ich es in das Gefäß und Ihr seht, daß
es in der Kohlensäure brennt – nicht so gut wie in der Luft, weil
die Kohlensäure den Sauerstoff ziemlich festhält; aber es brennt
doch weiter und nimmt den Sauerstoff fort. Wenn ich dieses Kalium
nun in Wasser bringe, so finde ich, daß (außer Pottasche, um die Ihr
Euch jetzt nicht zu kümmern braucht) etwas Kohle gebildet ist. Ich
habe hier das Experiment nur auf rohe Art ausführen können; aber ich
versichere Euch, daß, wenn ich es sorgfältig machen und statt fünf
Minuten einen Tag darauf verwenden könnte, wir eine gehörige Menge
Kohle in dem Löffel oder an der Stelle, wo das Kalium verbrannte,
erhalten würden, so daß über das Ergebnis unseres Experiments
kein Zweifel obwalten könnte. Da seht Ihr also die Kohle in ihrem
gewöhnlichen schwarzen Zustande aus der Kohlensäure abgeschieden, als
sprechenden Beweis, daß diese aus Kohle und Sauerstoff besteht. Und nun
brauche ich Euch wohl kaum zu sagen, daß, wo auch immer Kohle unter
gewöhnlichen Umständen, d. h. bei gehörigem Luftzutritt verbrennen mag,
immer Kohlensäure gebildet wird.

[Sidenote: Feste Verbrennungsprodukte.]

In der Flasche hier ist etwas Kalkwasser und sonst nichts als
atmosphärische Luft; bringe ich dahinein einen Holzspan, so mag ich
diese drei Dinge mit einander umschütteln wie ich will, das Wasser
wird stets so klar bleiben, wie Ihr es jetzt seht. Verbrenne ich nun
aber den Holzspan in der Flasche, wie ich es jetzt tue, also in der
über dem Kalkwasser befindlichen Luft – daß Wasser dabei gebildet
wird, wißt Ihr schon – bekomme ich da vielleicht auch Kohlensäure?
Nun, da seht: da schlägt sich schon kohlensaurer Kalk nieder, welcher
sich nur aus Kohlensäure bilden kann; die Kohlensäure muß also aus der
Kohle entstanden sein, welche aus dem Holze stammt, wie in anderen
Fällen aus der Kerze oder irgend einem brennenden Körper. Ihr selbst
habt schon oft genug ein sehr einfaches Experiment ausgeführt, durch
welches Ihr die Kohle im Holze zu sehen bekamt; wenn Ihr ein Stückchen
Holz anzündet, es teilweise verbrennen laßt und es dann ausblaset,
so erhaltet Ihr Kohle, welche zurückbleibt. Nicht alle kohlehaltigen
Körper indes zeigen ihren Gehalt an Kohle so leicht; eine Kerze z.
B. tut das nicht, von der wir doch recht gut wissen, daß sie Kohle
enthält. Auch im Leuchtgas, das beim Verbrennen sehr viel Kohlensäure
entwickelt, seht Ihr nichts von der Kohle; aber ich kann sie Euch ganz
leicht sichtbar machen. Hier habe ich eine Flasche voll Leuchtgas; ich
zünde es an, und die Verbrennung wird andauern, so lange noch etwas Gas
in dem Gefäß ist. Die Kohle freilich seht Ihr jetzt nicht, sondern nur
die Flamme; aber schon aus deren hellerem Leuchten werdet Ihr nach den
früher gewonnenen Erfahrungen vermuten, daß feste Kohlenteilchen darin
zum Erglühen und Verbrennen gelangen. Indes will ich Euch die Kohle mit
Hilfe eines anderen Prozesses wirklich mit Augen schauen lassen. In
einer anderen Flasche – in dieser hier – habe ich etwas von demselben
Leuchtgas mit einem Körper vermischt, der bloß den Wasserstoff des
Gases verbrennen wird, nicht aber die Kohle.[21] Ich will diese
Mischung nun mit meinem Wachslicht anzünden, und da habt Ihr’s; der
Wasserstoff wird verbrannt, die Kohle aber bleibt als ein dichter
schwarzer Rauch zurück. Ich denke, durch diese Experimente habt Ihr
die Gegenwart von Kohle in einer Flamme erkennen gelernt und zugleich
begriffen, welcher Art die Verbrennungsprodukte sind, wenn Leuchtgas
oder andere kohlehaltige Körper in freier Luft vollständig verbrannt
werden.

[Sidenote: Gasförmige Verbrennungsprodukte.]

Bevor wir indessen die Kohle verlassen, wollen wir noch ein paar
Versuche anstellen, durch welche wir noch weitere Einblicke in ihr
wunderbares Verhalten bei der gewöhnlichen Verbrennung erhalten werden.
Ich habe Euch gezeigt, daß die Kohle beim Verbrennen nur verglimmt,
wie feste Körper es immer tun; dabei bemerktet Ihr jedoch, daß sie
nach dem Verbrennen nicht als fester Körper zurückbleibt. Es gibt nur
sehr wenige Brennstoffe, die sich in dieser Hinsicht ebenso verhalten.
Eigentlich tut dies nur jene große Gruppe unserer gewöhnlichen
Brennstoffe: die kohlenartigen Substanzen, die Steinkohlen, die
Holzkohlen und die Hölzer. Ich kenne außer der Kohle keinen Stoff,
welcher bei der Verbrennung dasselbe Verhalten zeigt; und wenn dem
nicht so wäre, was würde uns zustoßen? Wenn alle Brennstoffe sich
so wie das Eisen verhielten, welches ja bei der Verbrennung einen
festen Körper gibt, – wie könnten wir dann in unseren Öfen eine solche
Verbrennung haben, wie wir sie gewohnt sind? – Hier in dem Glasrohr
ist noch eine andere Art Brennstoff, ein sehr leicht brennender
Körper, so leicht entzündlich, daß er an der Luft von selbst Feuer
fängt, wie Ihr seht [indem er das Rohr zerbricht]. Das ist schwarzer
Blei-Pyrophor, und Ihr seht, wie wunderschön er brennt[22]. Er ist
pulverförmig, so daß die Luft wie bei einem Haufen Kohlen im Ofen von
allen Seiten hinzutreten kann, und so brennt er nun. Aber warum brennt
die Substanz nicht ebenso fort, wenn sie in einer Masse zusammenliegt?
[Er schüttet den übrigen Inhalt der Röhre auf eine eiserne Platte
zu einem Haufen aus.] Einfach genug, weil die Luft nicht allseitig
dazutreten kann. Auch entwickelt sich dabei große Hitze, so groß, wie
wir sie in unseren Öfen und unter unseren Kesseln gebrauchen; aber der
durch die Verbrennung gebildete Körper ist nicht flüchtig, kann nicht
in die Luft entweichen, sondern haftet als Decke über der übrigen
Masse, so daß diese nicht mit neuer Luft in Berührung kommen kann, also
unverbrannt unter der Decke liegen bleiben muß. Worin unterscheidet
sich dieses Brennen von dem der Kohle? Die Kohle brennt zunächst ganz
in derselben Weise wie dieser Körper; aber sie unterhält auch ein
kräftiges Feuer auf dem Herd oder wo wir sie sonst brennen mögen, weil
eben die Kohlensäure, die durch die Verbrennung erzeugt wird, als Gas
in die Luft entweicht, so daß fort und fort reine Kohle dem Zutritt
frischer Luft bloßgelegt wird. Ich habe Euch auch gezeigt, daß die
Kohle beim Verbrennen in Sauerstoff keine Asche zurückläßt; aber hier
bei unserem Häufchen Blei-Pyrophor haben wir augenblicklich mehr Asche
als Brennstoff; denn er ist durch den Sauerstoff, der sich mit ihm
verbunden hat, schwerer geworden. Da seht Ihr denn, worin der große
Unterschied zwischen dem Verbrennen der Kohle und dem des Bleis oder
Eisens besteht, und warum wir das Eisen so gut bei den mannigfachen
Einrichtungen zur Feuerung, zum Leuchten oder zum Heizen verwenden
können. Das Eisen überzieht sich sehr bald mit einer dünnen Kruste
seines Verbrennungsproduktes, welche es dann vor dem Zutritte der Luft
schützt und macht, daß seine Verbrennung nur langsam fortschreitet.

Wenn die Kohle beim Verbrennen sich zuerst verflüchtigte und dann als
Verbrennungsprodukt einen festen Körper bildete, so würde unser Zimmer
bald mit einer undurchsichtigen Substanz angefüllt sein, ähnlich wie
wir’s beim Verbrennen von Phosphor sahen; statt dessen geht alles
flüchtig in die Luft. Vor der Entzündung ein fester, unveränderlicher
Körper, geht die Kohle bei der Verbrennung in ein Gas über, welches
sich nur sehr schwer wieder in festen oder tropfbar flüssigen Zustand
überführen läßt.

[Illustration: Fig. 32.]

[Sidenote: Das Atmen eine Verbrennung.]

Ich führe Euch nunmehr zu einem sehr interessanten Teil unseres Themas
– zu der Beziehung zwischen der Verbrennung unserer Kerze und jener
lebendigen Art von Verbrennung, welche in unserem Körper vorgeht. Ja,
in uns Allen findet ein lebendiger Verbrennungsprozeß statt, ganz
ähnlich dem der Kerze; und ich will versuchen, ihn Euch klar zu machen.
Die Vergleichung des menschlichen Lebens mit einer Kerze ist nicht
nur im poetischen Sinne wahr; wenn Ihr mir folgen wollt, denke ich es
euch deutlich machen zu können, daß sie auch naturwissenschaftlich
berechtigt und begründet ist.

Ich habe mir dazu einen kleinen Apparat ersonnen, den ich gleich
vor Euch aufbauen werde. Hier ist ein Brettchen, in das eine Rinne
eingeschnitten ist, und diese Rinne kann ich von oben mit einer etwas
kürzeren Platte zudecken, so daß auf jeder Seite eine Mündung frei
bleibt; den so entstandenen Kanal kann ich ferner durch aufgesetzte
Glasröhren an jeder Mündung aufwärts leiten, so daß das Ganze einen
freien Durchgang bietet. Wenn ich nun einen Wachsstock oder eine Kerze
(wir dürfen jetzt frei im Gebrauch des Wortes »Kerze« sein, seitdem
wir seine ganze Bedeutung verstehen) in eine von den Röhren stelle,
so wird die Verbrennung sehr gut vonstatten gehen. Ihr merkt, daß die
Luft, welche die Flamme unterhält, in der Röhre auf der linken Seite
hinabsteigt, dann durch die horizontale Rinne geht und in der Röhre am
andern Ende, in der die Kerze brennt, aufsteigt. Wenn ich die Öffnung,
durch welche die Luft eintritt, verstopfe, so hemme ich alsbald die
Verbrennung, wie Ihr begreift. Ich schneide die Luftzufuhr ab, und
die Kerze geht aus. Aber was können wir nun weiter daran knüpfen? In
einem früheren Experimente[23] zeigte ich Euch, was geschieht, wenn die
Luft von einer brennenden Kerze zu einer anderen gelangt. Würde ich
nun hier Luft, die von einer anderen Kerze kommt, durch eine geeignete
Vorrichtung in diese Röhre einleiten, so wißt Ihr, daß dieses Licht
verlöschen müßte. Indes, was werdet Ihr sagen, wenn ich behaupte, daß
auch mein Atem die Kerze zum Verlöschen bringt? Ich meine nicht etwa
durch Ausblasen, sondern einfach: die Natur meines Atmens ist derart,
daß die Kerze darin nicht zu brennen vermag. Ich werde jetzt meinen
Mund über die Öffnung halten und, ohne daß ich die Flamme im geringsten
anblase, keine andere Luft in die Röhre gelangen lassen, als die aus
meinem Munde kommt. Da seht Ihr schon das Ergebnis. Ich habe die Kerze
durchaus nicht ausgeblasen; ich ließ nur die Luft, die ich ausatmete,
in die Mündung des Kanals eintreten, und das Licht auf der andern Seite
verlöschte aus keinem andern Grunde als aus Mangel an Sauerstoff. Etwas
anderes – nämlich meine Lunge – hatte den Sauerstoff aus der Luft
fortgenommen, und so war keiner mehr da, die Verbrennung der Kerze
zu unterhalten. Ich halte es für recht interessant, zu beobachten,
wieviel Zeit die schlechte Luft gebraucht, die ich auf dieser Seite
in den Kanal hineinatme, bis sie auf der andern Seite zur Kerze
gelangt; anfangs brennt diese noch ganz ruhig weiter, sobald aber die
ausgeatmete Luft sie erreicht, löscht sie aus.

[Illustration: Fig. 33.]

[Sidenote: Atmungsprodukte.]

Jetzt werde ich Euch noch ein anderes Experiment zeigen, um Euch diesen
wichtigen Teil unserer Untersuchung möglichst vollständig zu erläutern.
Hier ist eine Glasglocke, die nichts als Luft enthält, was Ihr daran
sehen könnt, daß meine Kerze oder die Gasflamme darin gleichmäßig
fortbrennt. Ich verschließe sie mit einem Stöpsel und mittelst einer
Glasröhre im Kork bringe ich meinen Mund so darüber, daß ich die darin
enthaltene Luft einatmen kann. Wenn ich die Glocke auf Wasser setze,
wie Ihr es hier seht, so bin ich imstande, die Luft herauszuziehen
(natürlich muß der Kork ganz luftdicht schließen), sie in meine Lungen
gelangen zu lassen und sie dann zurück in das Gefäß auszuatmen. Nun
können wir sie untersuchen, um den Erfolg zu erfahren. Daß ich die Luft
zuerst aussog und sie dann zurückatmete, konntet Ihr deutlich an dem
Auf- und Niedersteigen des Wassers beobachten. Ich bringe nun einen
brennenden Wachsstock in diese ausgeatmete Luft, und ihr werdet ihren
Zustand an dem Verlöschen der Flamme erkennen. Ein einziger Atemzug
hat diese Luft, wie Ihr seht, vollständig verdorben, so daß es ganz
nutzlos sein würde, sie nochmals einatmen zu wollen. Nun begreift
Ihr auch den Grund der Unzweckmäßigkeit vieler Einrichtungen in den
Häusern besonders der ärmeren Klassen, welche es bedingen, daß dieselbe
Luft immer und immer wieder eingeatmet werden muß, weil der Mangel
geeigneter Ventilation die Zufuhr frischer Luft erschwert. Wenn schon
ein einziger Atemzug die Luft so verdirbt, wie Ihr es hier gesehen, wie
wesentlich muß da für unsere Gesundheit frische Luft sein!

[Illustration: Fig. 34.]

Um über diesen wichtigen Gegenstand noch klarer zu werden, wollen wir
doch einmal sehen, was mit dem Kalkwasser geschieht, wenn es mit der
Ausatmungsluft in Berührung kommt. Hier ist ein Glaskolben, der etwas
Kalkwasser enthält; durch die Glasröhren im Stöpsel kann Luft hinein-
und heraustreten, so daß wir die Einwirkung der geatmeten, wie der
frischen Luft bequem beobachten können. Ich kann nun entweder durch
~A~ Luft einsaugen und so in meine Lungen gelangen lassen, nachdem sie
durch das Kalkwasser gegangen ist; oder ich kann die Luft aus meinen
Lungen durch die bis auf den Boden gehende Röhre ~B~ treiben und ihre
Wirkung auf das Kalkwasser zeigen. Gebt Acht – ich werde bei ~A~
beginnen –; jetzt habe ich also längere Zeit die äußere Luft in das
Kalkwasser gezogen und dann durch dasselbe hindurch in meine Lungen;
es zeigt sich aber nicht die geringste Veränderung, das Kalkwasser ist
durchaus nicht trübe geworden. Nun will ich’s aber umgekehrt machen,
also die Luft _aus_ meinen Lungen durch das Kalkwasser hindurchtreiben
(indem ich sie durch ~B~ einblase); da seht, hier zeigt sich die
Wirkung sofort, das Kalkwasser wird durch die ausgeatmete Luft weiß
und milchig. »Aber dieser weiße Niederschlag im Kalkwasser ist uns ja
von früher schon ganz gut bekannt«, sagt Ihr, »das ist ja kohlensaurer
Kalk, der bei Berührung des Kalkwassers mit _Kohlensäure_ entsteht«.
Ganz recht; es ist Kohlensäure, welche die durch das Atmen unbrauchbar
gewordene Luft verdirbt; die Reaktion auf Kalkwasser läßt keinen
Zweifel daran.

[Illustration: Fig. 35.]

Ich habe hier zwei Flaschen, welche beide mit Kalkwasser gefüllt und
durch Röhren verbunden sind, wie Ihr’s hier seht. Der Apparat ist
zwar nur roh, wird aber doch für unsern Zweck genügen. Wenn ich nun
an diesen Flaschen hier (bei ~a~) ein- und dort (bei ~b~) ausatme,
so bewirkt die Einrichtung der Röhren, daß die Luft in beiden Fällen
durch das Kalkwasser streicht. Zunächst bemerkt man nun, daß die gute
Luft beim Einatmen in dem Kalkwasser wiederum gar keine Veränderung
hervorbringt; und alsdann seht ihr die Wirkung beim Ausatmen: das
Kalkwasser wird getrübt; und es ist doch nichts als mein Atem damit in
Berührung gekommen. Der Unterschied ist wohl auffallend genug!

Gehen wir nun weiter zu der Frage: Was hat dieser ganze Prozeß zu
bedeuten, der in uns vorgeht, ohne den wir nicht sein können, weder am
Tage, noch bei Nacht, und welcher vom Schöpfer so eingerichtet ist,
daß er im Wachen wie im Schlaf ganz unabhängig von unserem Willen
sich fortsetzt? Wenn wir den Atem dauernd anhielten – was wir aber
bekanntlich nur für ganz kurze Zeit vermögen – so würden wir uns selber
zerstören. Auch im Schlaf sind die Atmungswerkzeuge und die mit ihnen
verbundenen Organe in beständiger Tätigkeit; so notwendig ist der
Atmungsprozeß für unser Leben, so unentbehrlich diese unausgesetzte
Berührung der Luft mit unsern Lungen. Ich muß Euch diesen Prozeß in
möglichster Kürze auseinandersetzen. Wir nehmen Nahrung zu uns; diese
Nahrung gelangt durch die Speiseröhre zunächst in den Magen und dann
weiter in die übrigen Teile des Verdauungskanals, wo die für den Körper
brauchbaren Stoffe gelöst und von eigens dazu eingerichteten Gefäßen
aufgesogen werden. Die so umgewandelten Nahrungsstoffe werden nun,
nachdem sie zu Bestandteilen des Blutes geworden, durch eine besondere
Reihe von Gefäßen in die Lungen eingeführt und wieder herausgeschafft;
gleichzeitig wird durch eine andere Reihe von Gefäßen die Luft in die
Lungen ein- und wieder ausgepumpt. Luft und Nahrungsstoff kommen auf
diese Art in sehr nahe Berührung mit einander; sie sind nur getrennt
durch ganz dünnhäutige Scheidewändchen, wobei denn die Luft auf das
Blut eine Wirkung ganz derselben Art ausübt, wie wir sie an der Kerze
kennen gelernt haben. Der Sauerstoff der Luft verband sich mit dem
Kohlenstoff der Kerze zu Kohlensäure, und dabei wurde Wärme entwickelt;
dieselbe eigentümliche Umsetzung findet in den Lungen statt. Der
Sauerstoff der eingeatmeten Luft verbindet sich mit Kohlenstoff (nicht
Kohle in freiem Zustande, sondern hier gerade im Augenblick der
Verwendung erst frei werdend) und bildet damit Kohlensäure, welche
dann in die Atmosphäre ausgeatmet wird. So gelangen wir denn zu der
merkwürdigen Folgerung, daß wir den Nahrungsstoff als Brennstoff
anzusehen haben. Ich will ein Stückchen Zucker nehmen, und Euch daran
das eben Gesagte noch deutlicher machen. Der Zucker ist zusammengesetzt
aus Kohle, Wasserstoff und Sauerstoff; aus denselben Elementen besteht,
wie wir wissen, auch die Kerze, nur die Gewichtsverhältnisse sind
andere. Der Zucker enthält:

    Kohle         72
    Wasserstoff   11 } 99
    Sauerstoff    88 }

Es ist sehr merkwürdig, und es ist gut, wenn Ihr das beachtet, daß
Wasserstoff und Sauerstoff sich hier genau in demselben Verhältnis
vorfinden wie im Wasser, so daß man also auch sagen könnte: der Zucker
besteht aus 99 Teilen Wasser und 72 Teilen Kohle. Eben diese Kohle
im Zucker ist es, welche sich mit dem Sauerstoff der eingeatmeten
Luft in den Lungen verbindet, also uns gleichsam zu Kerzen macht
und durch diesen so schönen und einfachen Prozeß die für den Körper
unentbehrliche innere Wärme neben manchen anderen notwendigen Wirkungen
hervorbringt. Um dies noch deutlicher zu machen, nehme ich ein wenig
Zucker – oder, um Zeit zu sparen, nehme ich etwas Syrup, der aus
ungefähr ¾ Teilen Zucker und ¼ Teil Wasser besteht, und gieße etwas
Schwefelsäure hinzu. Die Schwefelsäure nimmt aus dem Zucker das Wasser
fort, mit dem sie sich kräftig verbindet, und zurück bleibt, wie Ihr
seht, eine kohlschwarze Masse – wirkliche Kohle; Ihr seht, wie die
Kohle sich abscheidet, und nach kurzer Zeit werden wir einen einzigen
festen Kohlenklumpen in dem Gefäß haben, welcher allein aus dem Zucker
stammt. Der Zucker gehört, wie Ihr wißt, zu den Nahrungsmitteln –
und schwerlich hättet Ihr die Bildung von Kohle aus einem solchen
erwartet. Meine Beweisführung wird indes noch vollständiger werden,
wenn ich diese aus dem Zucker erhaltene Kohle verbrenne, d. h. chemisch
ausgedrückt: wenn ich sie mit Sauerstoff – Oxygen – verbinde, wenn ich
sie _oxydiere_. Hier habe ich einen Körper, der kräftiger oxydierend
wirkt als die atmosphärische Luft[24], und die Oxydation der Kohle
wird darin zwar dem Anschein nach anders vor sich gehen als beim
Atmungsprozeß, im wesentlichen aber ist es ganz derselbe Vorgang, hier
wie dort Verbrennung der Kohle durch Verbindung mit dem zugeführten
Sauerstoff. Ich lasse jetzt die Einwirkung stattfinden, und Ihr seht
nun sofort die Verbrennung erfolgen. Ich wiederhole es: ganz dasselbe,
was in den Lungen durch den Sauerstoff der Luft geschieht, vollzieht
sich hier in einem rascheren Prozesse[25].

[Sidenote: Atmung und Verbrennung.]

Es wird Euch in Erstaunen setzen, wenn ich Euch mitteile, welch’
hohe Gewichtsmengen Kohle bei dieser merkwürdigen Umwandlung in den
Lungen verarbeitet werden. Schon wenn Ihr berücksichtigt, wie eine
so kleine Kerze vier bis sieben Stunden brennt und so lange auch
fortwährend Kohlensäure entwickelt, werdet Ihr eine Ahnung bekommen,
daß die Menge der Kohle, welche täglich in Form von Kohlensäure in
die Luft aufsteigt, sehr bedeutend sein muß. Welche Masse Kohlensäure
mag wohl jeder von uns ausatmen! Welch ungeheurer Umsatz an diesem
Brennstoff muß in der ganzen Natur, bei aller Verbrennung, aller
Oxydation, aller Atmung stattfinden! Ein erwachsener Mann verwandelt
in 24 Stunden etwa 240 Gramm, also nahezu ein halbes Pfund Kohle in
Kohlensäure; eine Kuh verbraucht täglich ungefähr 2 Kilogramm Kohle,
und ein Pferd 2¼ Kilogramm beim Atmen; also: das Pferd verbrennt in
seinem Körper binnen 24 Stunden 2¼ Kilogramm Kohle, um während dieser
Zeit seine natürliche Wärme zu unterhalten. Alle warmblütigen Tiere
entwickeln so ihre Blutwärme einzig und allein durch Verbrennen der in
den Nahrungsstoffen eingeführten Kohle[26]. Und welcher großartige
Einblick ergibt sich daraus in die Vorgänge, welche sich in unserer
Atmosphäre vollziehen! In London allein werden innerhalb 24 Stunden
548 Tonnen, also 5,000,000 Pfund Kohlensäure allein durch Atmung
entwickelt. Und wo bleibt all diese Kohlensäure? Sie geht in die Luft.
Verhielte sich die Kohle beim Verbrennen ebenso wie Blei oder Eisen –
Ihr habt gesehen, daß diese Körper feste Oxydationsprodukte liefern
– was würde da geschehen! Niemals könnte in gewöhnlicher Luft eine
lebhafte Verbrennung vor sich gehen. Die Kohle aber wird durch die
Oxydation zu einem Gas, das sich in die atmosphärische Luft erheben,
sich mit ihr vermischen kann und nun von diesem gewaltigen Träger
fortgeschafft wird.

Was aber wird nun aus der Kohlensäure? Wahrhaft wunderbar ist es zu
sehen, daß dieses Atmungsprodukt, welches für uns so nachteilig zu sein
schien, als wir seine Unbrauchbarkeit zu fernerem Atmen erkannten, –
daß dieser gleiche Stoff wiederum zur Lebensquelle einer anderen Klasse
von Geschöpfen wird; die Pflanzenwelt auf unserer Erdoberfläche saugt
die Kohlensäure als Nahrungsstoff ein. Und auch unter der Oberfläche,
in den großen Wassermassen der Meere und Seen findet derselbe Austausch
statt; die Fische und anderen Seetiere atmen im Wasser in eben dieser
Weise, wenn auch nicht in unmittelbarer Berührung mit der freien Luft.

Seht da diese Goldfische in der Glaskugel! Sie ziehen fortwährend das
Wasser durch ihre Kiemen hindurch und atmen dabei den Sauerstoff ein,
welchen das Wasser aus der Luft aufgenommen hat, und Kohlensäure atmen
sie aus.

Und so sehen wir denn alles sich regen zu dem einen großen Werke, die
beiden lebendigen Reiche der Schöpfung einander dienstbar zu machen.
Alle Bäume, Sträucher und Kräuter der Erde nehmen Kohlenstoff auf; sie
nehmen ihn durch die Blätter aus der Luft, in die wir und alle Tiere,
ihn in Gestalt von Kohlensäure entsendet haben, und sie wachsen und
gedeihen darin. Gebt ihnen ganz reine Luft, wie sie uns am dienlichsten
ist – sie werden dahinwelken und absterben: gebt ihnen Kohlensäure, und
sie werden wachsen und sich wohlbefinden. Alle Kohle in diesem Stück
Holz, ebenso wie in allen Pflanzen, stammt aus der Atmosphäre, welche
die Kohlensäure aufnimmt, die uns schädlich, jenen aber nützlich ist –
was dem einen den Tod brächte, dem andern bringt es Leben. Und so sehen
wir Menschen uns abhängig nicht nur von unseren Nebenmenschen, sondern
abhängig von aller Mitkreatur, sehen uns mit dem All der Schöpfung zu
einem großen Ganzen verbunden durch die Gesetze, nach denen jedes Glied
zum Heile der anderen lebet und webet und schafft.

Bevor wir nun zum Schluß kommen, muß ich Eure Aufmerksamkeit noch
auf einen Umstand lenken, der bei allen unseren chemischen Arbeiten
eine wichtige Rolle spielt. Ich zeigte Euch kürzlich Blei-Pyrophor,
der sich entzündete; Ihr saht, daß er gleich beim Zerbrechen der
Röhre, als er kaum mit etwas Luft in Berührung gekommen, und ehe er
noch aus dem Röhrchen heraus war, Feuer fing. Nun, das geschah in
Folge chemischer Verwandtschaft – dieser den Elementen innewohnenden
Hinneigung zu einander, vermöge welcher alle chemischen Prozesse,
die wir ausführen, vor sich gehen. Beim Atmen wirkt sie in unseren
Lungen, beim Brennen unserer Kerze in der Flamme; und hier wirkt sie
zwischen dem Blei und dem Sauerstoff der Luft; stiege auch hier das
Verbrennungsprodukt des Bleies von der Oberfläche in die Luft auf,
so würde immer wieder eine neue Schicht Feuer fangen und das Blei
ganz bis zu Ende verbrennen. Wie ganz anders aber verhält sich die
Kohle! Während wir dort bei der ersten Berührung der Luft sofortige
Entzündung beobachten, bleibt die Kohle Tage, Jahre, Jahrhunderte lang
unverändert an der Luft liegen. Die in dem verschütteten Herkulanum
aufgefundenen Schriften waren mit einer Tinte geschrieben, welche Kohle
enthielt, und sie haben sich über 1800 Jahre unverändert erhalten,
haben durch den Einfluß der Luft nicht im geringsten gelitten, obwohl
sie mit ihr in vielfache Berührung kamen. Nun, worin besteht also diese
große Verschiedenheit der Kohle von jenem andern Körper? Es ist eine
wirklich erstaunliche Erscheinung, daß gerade der Körper, der von der
Natur recht eigentlich zum Brennstoff bestimmt erscheint, auf seine
Entzündung _wartet_! Unsere Kohle fährt bei Berührung mit der Luft
nicht flammend auf wie jenes Bleipräparat und noch so mancher brennbare
Körper, den ich Euch hätte zeigen können; sondern sie wartet ihre
Verwendung ab. Ist dieses Warten nicht eine absonderliche, eine ganz
wunderbare Eigenschaft? Unsere Kerze fängt nicht von selbst Feuer an
der Luft, gerät nicht auf einmal in Brand, wie jenes Bleipräparat; sie
wartet Jahre, sie wartet ganze Zeitalter ab, ohne einer Veränderung
zu unterliegen, bis wir sie in Tätigkeit setzen. Drehe ich den Hahn
hier an der Gaslampe auf, so strömt das Gas kräftig aus dem Brenner
aus; aber Ihr seht, Feuer fängt es nicht an der Luft – es tritt
heraus in die Luft, wartet aber, bis ich es entzünde; und blase ich
die Flamme wieder aus, so strömt es abermals ohne zu brennen heraus
und wartet von neuem, bis ich meinen Wachsstock daran halte. Ich muß
die Kerze oder das Gas erst _erwärmen_, wenn es sich entzünden soll.
Dabei ist es merkwürdig, wie die verschiedenen entzündlichen Stoffe
verschiedener Hitzegrade bedürfen, damit sie sich entzünden; manche
brauchen nur geringe Temperaturerhöhung, andere verlangen stärkere
Erhitzung. Hier habe ich z. B. zwei explodierende, also sehr kräftig
feuerfangende Substanzen, Schießpulver und Schießbaumwolle; sogar diese
weichen in den Temperaturgraden ab, bei denen sie sich entzünden.
Das Schießpulver besteht aus Kohle und einigen andern Stoffen, die
es sehr leicht brennbar machen; und die Schießbaumwolle wird durch
eigentümliche Behandlung aus der gewöhnlichen Baumwolle angefertigt,
enthält also ebenfalls viel Kohle, denn die Baumwolle stammt ja aus
dem Pflanzenreiche. Beide entzünden sich nicht von selbst; und sie
werden bei verschiedenen Hitzegraden, oder sonst unter verschiedenen
Bedingungen in Tätigkeit versetzt. Berühre ich diese beiden Substanzen
mit einem heißen Draht, so werdet Ihr sehen, welche sich zuerst
entzündet. Da seht – die Schießbaumwolle ist explodiert, während
selbst der heißeste Teil des Eisendrahtes das Schießpulver nicht zu
entzünden vermag. Wie schön zeigt sich an diesem Beispiel die Tatsache,
daß verschiedene Körper zur Entwickelung ihrer eigentümlichen Tätigkeit
verschiedene Bedingungen verlangen! Der eine Körper wartet es ruhig
ab, bis die gehörige Wärme seine Tätigkeit weckt; der andere aber
wartet gar nicht – wie es beim Atmungsprozeß der Fall ist. Sofort beim
Eintritt der Luft in die Lungen verbindet sich der Sauerstoff mit der
Kohle; noch bei der niedersten Temperatur, welche der Körper ertragen
kann, wenn er selbst dem Erfrieren nahe ist, findet die Wirkung des
Atmens ohne weiteres statt: es wird Kohlensäure gebildet, und alle
Funktionen gehen ihren normalen Gang.

So werdet Ihr erkennen, in wie weit Atmung und Verbrennung
übereinstimmen.

Und so wünsche ich Euch denn zum Schluß unsrer Vorlesungen, daß Ihr
Euer Leben lang den Vergleich mit einer Kerze in jeder Beziehung
bestehen möget, daß Ihr wie sie eine Leuchte sein möget für Eure
Umgebung, daß Ihr in allen Euren Handlungen die Schönheit einer
Kerzenflamme widerspiegeln möget, daß Ihr in treuer Pflichterfüllung
Schönes, Gutes und Edles wirket für die Menschheit.


Fußnoten:

    [21] Dieser Körper ist das _Chlor_, ein Element, welches große
        Neigung besitzt, sich mit Wasserstoff zu verbinden.

    [22] Einen solchen Pyrophor kann man auf mannigfache Art
        erhalten, z. B. indem man zitronensaures Blei in einem
        geschlossenen Gefäße glüht. Das Blei bleibt dann in einem
        sehr fein verteilten Zustande zurück, gemischt mit Kohle,
        welche aus der Zitronensäure stammt. Sobald die Luft mit
        der schwammigen Masse in Berührung kommt, entzündet sie
        sich, wobei die Kohle zu Kohlensäure, das Blei zu Bleioxyd
        verbrennt.

    [23] Siehe Fig. 29, Seite 125.

    [24] Der gewöhnliche Salpeter – bekanntlich ein Bestandteil des
        Schießpulvers – kann zu diesem Zwecke verwendet werden.
        Auch das chlorsaure Kali eignet sich gut dazu. Es enthält
        viel Sauerstoff und gibt denselben, wie aus dem S. 124
        Gesagten hervorgeht, beim Erhitzen leicht ab.

    [25] Einige Nahrungsmittel gleichen hinsichtlich ihrer
        Zusammensetzung dem Zucker, welcher Wasserstoff und
        Sauerstoff in demselben Verhältnisse enthält wie das
        Wasser. Beispielsweise ist dies auch bei der Stärke der
        Fall, welche den Hauptbestandteil aller Mehlarten ausmacht
        und daher zu den wichtigsten Nahrungsstoffen gehört. Bei
        den Fetten dagegen, sowie bei den Hauptbestandteilen des
        Fleisches trifft dieses Verhältnis nicht zu: sie enthalten
        weit weniger Sauerstoff als Zucker und Stärke. Damit sie
        im menschlichen oder tierischen Körper verbrennen, bedarf
        es einer größeren Sauerstoffzufuhr von außen, da nicht nur
        der Kohlenstoff zu Kohlensäure, sondern auch ein großer
        Teil des Wasserstoffs zu Wasser oxydiert werden muß.
        Wie bei der Kerze haben wir also auch in unserem Körper
        als Verbrennungsprodukte Kohlensäure und Wasser. Beide
        befinden sich in der Ausatmungsluft, die erstere als Gas,
        das letztere als Dampf. Die Anwesenheit der Kohlensäure in
        der Ausatmungsluft wurde durch die im Texte angegebenen
        Versuche bewiesen; das Vorhandensein von Wasserdampf zeigt
        sich sehr leicht, wenn wir mit unserem Atem einen kalten,
        blanken Körper anhauchen; sogleich wird er durch einen
        Niederschlag von feinen Wassertröpfchen blind werden. –
        Auch das Beschlagen der Schlafzimmerfenster, welches man
        im Winter des Morgens beobachtet, rührt von dem durch die
        Lungen (und die Haut) ausgeschiedenen Wasserdampf her; der
        letztere wurde, wenigstens teilweise, durch die Oxydation
        des in den Nahrungsmitteln enthaltenen Wasserstoffs
        gebildet.

    [26] Die Erzeugung der Körperwärme ist nicht die einzige
        Folge des im Körper stattfindenden Oxydationsprozesses.
        Eine Eigentümlichkeit des Tieres (und des Menschen) ist
        die Bewegung. Das Tier kann den eigenen Körper bewegen
        und außerdem noch äußere Lasten in Bewegung setzen: es
        _arbeitet_. Man weiß jetzt, daß jede Arbeit den Aufwand
        einer Kraft erfordert, welche nicht aus nichts entstehen
        kann. Soll eine Dampfmaschine Arbeit liefern, so müssen
        wir unter ihrem Kessel einen Brennstoff – Holz, Kohlen
        etc. – verbrennen, und die geleistete Arbeit steht im
        geraden Verhältnis zu dem aufgewendeten Brennstoff.
        Gerade so bedarf der Körper des Menschen und der Tiere
        eines Brennstoffes zur Leistung der Arbeiten, welche ihm
        zugemutet werden. Dieser Brennstoff ist die eingenommene
        Nahrung, von der wir ja sahen, daß sie in ihrer
        Zusammensetzung den gewöhnlichen Brennstoffen gleicht.
        Auch die Produkte der Verbrennung sind in beiden Fällen
        dieselben. Kohlensäure und Wasserdampf, welche wir durch
        die Lungen ausatmen, entweichen auch aus dem Kamine einer
        Dampfmaschinenfeuerung. – So sind die Nahrungsmittel,
        welche wir aufnehmen, und welche durch den eingeatmeten
        Sauerstoff verbrannt werden, die Quelle, aus welcher fort
        und fort die Wärme des Tierkörpers und zugleich seine
        Arbeitsleistungen fließen. Diese Nahrungsmittel liefern uns
        die Pflanzen; sie besitzen die merkwürdige Fähigkeit, aus
        Kohlensäure und Wasser diejenigen Stoffe zu bilden, welche
        zum Aufbau ihres eigenen Körpers erforderlich sind und
        zugleich den Tieren zur Nahrung dienen; und so zeigen sich
        diese beiden großen Reiche in einer höchst wunderbaren und
        für beide gleich notwendigen Wechselwirkung. – Die Pflanzen
        aber bedürfen zur Ausübung ihrer Lebensfunktionen eines
        mächtigen Agens, und dieses ist kein anderes als das Licht
        der Sonne. Eine Pflanze, welche den Sonnenstrahlen entzogen
        wird, verkümmert bald und geht zuletzt zugrunde. Und genaue
        Untersuchungen haben zweifellos ergeben, daß nur unter
        dem Einflusse des Sonnenlichts jener wichtige Prozeß in
        den Pflanzen sich vollzieht. Das Sonnenlicht ist also die
        eigentliche Quelle allen Lebens auf der Erde. Es vermittelt
        den großen Kreislauf, welcher den Kohlenstoff und den
        Wasserstoff – und nebenbei noch einige andere Stoffe –
        zuerst zu Bestandteilen der Pflanze und dann zu solchen
        des Tierkörpers macht, damit sie dann, von den Tieren
        ausgeschieden, wiederum in den Pflanzenkörper gelangen, und
        so den Lauf von neuem beginnen.



    Weitere Anmerkungen zur Transkription


    Offensichtliche Fehler wurden stillschweigend korrigiert.
    Ansonsten wurde die Originalschreibweise beibehalten. Die
    Darstellung der Ellipsen wurde vereinheitlicht.

    Die Abbildung 15 wurde um 180° gedreht.



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