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Title: ie Tier- und Pflanzenwelt des Süsswassers. Zweiter Band.
Author: Apstein, Carl Heinrich, Clessin, Stephan, Seligo, Arthur, Zschokke, Friedrich
Language: German
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*** Start of this LibraryBlog Digital Book "ie Tier- und Pflanzenwelt des Süsswassers. Zweiter Band." ***


  ####################################################################

                     Anmerkungen zur Transkription

  Der vorliegende Text wurde anhand der Buchausgabe von 1891 so weit
  wie möglich originalgetreu wiedergegeben. Typographische Fehler
  wurden stillschweigend korrigiert. Ungewöhnliche und heute nicht mehr
  verwendete Schreibweisen bleiben gegenüber dem Original unverändert;
  fremdsprachliche Ausdrücke wurden nicht korrigiert.

  Fußnoten wurden mit römischen Zahlen markiert und direkt nach dem
  betreffenden Absatz eingefügt, Literaturhinweise als Endnoten dagegen
  am Ende eines jeden Kapitels, gekennzeichnet mit arabischen Zahlen.
  Darüberhinaus haben einige der Autoren dort weitere nummerierte
  Literaturhinweise angefügt, welche durch arabische Zahlen gefolgt von
  runden Klammern gekennzeichnet werden.

  Botanische und zoologische Bezeichnungen werden meist in kursiver
  Schrift dargestellt, Personennamen meist gesperrt. Dies wird
  allerdings nicht durchweg konsistent gehandhabt; in der vorliegenden
  Bearbeitung wurde dies auch nicht harmonisiert.

  Besondere Schriftschnitte werden im vorliegenden Text mit Hilfe der
  folgenden Symbolen gekennzeichnet:

        kursiv:     _Unterstriche_
        fett:       =Gleichheitszeichen=
        gesperrt:   +Pluszeichen+
        serifenlos: ~Tilden~

  ####################################################################



                                  Die

                        Tier- und Pflanzenwelt

                                  des

                             Süsswassers.

                            [Illustration]



                                  Die

                        Tier- und Pflanzenwelt

                                  des

                             Süsswassers.

                 Einführung in das Studium derselben.

                         Unter Mitwirkung von

  =Dr. C. Apstein= (Kiel), =Fr. Borcherding= (Vegesack), =S. Clessin=
  (Ochsenfurt), =Prof. Dr. F. A. Forel= (Morges, Schweiz), =Prof. Dr.
  A. Gruber= (Freiburg i. Br.), =Prof. Dr. P. Kramer= (Halle a. d. S.),
  =Prof. Dr. P. Ludwig= (Greiz), =Dr. W. Migula= (Karlsruhe), =Dr. L.
  Plate= (Marburg), =Dr. E. Schmidt-Schwedt= (Berlin), =Dr. A. Seligo=
  (Danzig), =Dr. J. Vosseler= (Tübingen), =Dr. W. Weltner= (Berlin) und
  =Prof. Dr. F. Zschokke= (Basel)

                             herausgegeben

                                  von

                          Dr. Otto Zacharias,

 Direktor der Biologischen Station am Grossen Plöner See in Holstein.

                             Zweiter Band.

              Mit 51 in den Text gedruckten Abbildungen.

                                Leipzig

                  Verlagsbuchhandlung von J. J. Weber

                                 1891



                       Alle Rechte vorbehalten.



Vorwort.


Nach der Aufnahme zu urteilen, welche der erste Teil des vorliegenden
Werkes in den nächst interessierten Kreisen sowohl als auch in der
Tagespresse gefunden hat, ist mit unserer „Einführung in das Studium
der Tier- und Pflanzenwelt des Süsswassers“ eine in der biologischen
Litteratur wirklich vorhandene Lücke ausgefüllt worden.

Die Absicht des Herausgebers ist demnach vollständig erreicht; aber
mit der Befriedigung, die er hierüber empfindet, wird sogleich auch
der Wunsch rege, sämtlichen Herren, welche der Aufforderung zur
Mitarbeiterschaft an diesem Buche in so freundlicher Weise entsprochen
haben, beim Erscheinen des Schlussbandes den verbindlichsten Dank für
ihre wertvollen Beiträge abzustatten. Der Unterzeichnete nimmt an,
dass er damit nicht nur seinen eigenen Empfindungen Ausdruck giebt,
sondern zugleich auch im Namen aller Derjenigen spricht, welche eine
umfassende, gemeinverständliche und +sichere+ Unterweisung in
betreff der einheimischen Wasserwelt bisher vermisst haben.

  =Biologische Station am Plöner See.=
         Ende September 1891.

                                                 =Dr. Otto Zacharias.=



Inhaltsverzeichnis.


                                                                   Seite

  =I. Die Hydrachniden (Wassermilben).= Von Prof. Dr. +P. Kramer+ in
      Halle.

  Geschichtliches. -- Stellung der Süsswassermilben zu den übrigen
  Milben. -- Beschreibung der äussern Gestalt von _Piona flavescens_.
  -- Die hauptsächlichsten inneren Organe der _Hydrachnidae_. -- Die
  typischen Gruppen der Wassermilben, durch Beispiele erläutert. --
  Geographische Verbreitung und Lebensweise. -- Entwickelung, erläutert
  an _Nesaea fuscata_, _Diplodontus filipes_ und _Hydrachna globosa_.
  -- Anhang: Tabelle zur Bestimmung der bis jetzt unterschiedenen
  Gattungen                                                         1–50

  =II. Kerfe und Kerflarven des süssen Wassers, besonders der stehenden
       Gewässer.= Von Dr. +E. Schmidt-Schwedt+ in Berlin.

  Einleitende Bemerkungen. -- Vergleich mit den Wassersäugetieren.
  -- Besondere Wichtigkeit von Atmung und Bewegung. -- 1. _Käfer_:
  a) Taumelkäfer. -- b) Schwimmkäfer. -- c) Kolbenwasserkäfer. -- d)
  Parnus, Cyphon, Donacia. -- 2. _Zweiflügler_: Larven und Puppen. --
  Kennzeichnung derselben: a) Mücken: _Culex_, _Anopheles_, _Dixa_,
  _Corethra_, _Mochlonyx_, _Chironomus_, _Tanypus_, _Simulia_. --
  b) _Phalacrocera._ -- c) Stratiomyden. -- d) _Eristalis._ -- 3.
  _Schmetterlingslarven_: _Paraponyx_, _Hydrocampa_, _Cataclysta_.
  -- 4. _Netzflüglerlarven_: a) Frühlingsfliegen: _Limnophilus_,
  _Polycentropus_, _Hydropsyche_. -- b) _Sialis_, _Sisyra_. --
  5. _Geradflüglerlarven_: a) Libellen: _Agrion_-, _Libellula_-,
  _Aeschna_-Gruppe, _Calopteryx_, _Gomphus_. -- b) _Eintagsfliegen_:
  _Chloëon_, _Caenis_. -- c) _Afterfrühlingsfliegen_: _Nemura_.
  -- Gegensatz der Netzflügler und Geradflügler hinsichtlich des
  Wasserlebens zu den übrigen Ordnungen. -- 6. _Schnabelkerfe_: a)
  Hydrometriden. -- b) _Notonecta_, _Plea_. -- c) _Corisa._ -- d)
  _Nepa_, _Ranatra_, _Naucoris_. -- _Schlussbemerkungen_: Hinweis auf
  die Kerfe des Meeres. -- _Anhang_: Tabelle zu annähernder Bestimmung
  der Kerflarven des Süsswassers                                  51–122

  =III. Die Mollusken des Süsswassers.= Von +S. Clessin+ in Ochsenfurt.

  Einteilung der Mollusken. -- Wohnorte und Gewohnheiten. --
  Entwickelung und Alter der Mollusken. -- Anpassungsfähigkeit der
  Mollusken. -- Die Mollusken der Tiefenfauna. -- Höhlen-Mollusken. --
  Die Perlenmuschel                                              123–150

  =IV. Die deutschen Süsswasserfische und ihre Lebensverhältnisse.= Von
       Dr. +A. Seligo+ in Heiligenbrunn bei Danzig.

  Das Wasser als Lebenselement der Fische. -- Das Süsswasser. --
  Ausbreitung der Süsswasserfische. -- Umgrenzung des zu besprechenden
  Gewässergebietes. -- Der Ursprung der Cypriniden und Salmoniden. --
  _Aufzählung_ der im Gebiete vorkommenden Arten der Knochenfische,
  Ganoidfische und Neunaugen und die Verbreitung derselben. -- Die
  _Organe_ der Fische und ihre _Verrichtungen_: Haut, Schuppen, Glanz,
  Farbe. -- Wirbelsäule. -- Körperform. -- Ortsbewegung, Flossen,
  Muskeln. -- Leibeshöhle, Zwerchfell, Brusthöhle, Herz, Leber,
  Nieren, Milz. -- Mundhöhle und Bezahnung. -- Kiemen. -- Atmung
  und Sauerstoffbedürfnis, Fischregionen der Gewässer. -- Darm und
  Magen. -- Verdauung. -- Körpertemperatur, Einflüsse der Temperatur
  des Mediums. -- Nahrung, Fütterung, Wachstum. -- Schwimmblase. --
  Fortpflanzungsorgane und das Laichen. -- Samenfäden und Eier. --
  Fortpflanzung des Aals, des Lachses und der Forellen. -- Künstliche
  Fischzucht. -- Teichwirtschaft. -- Einführung ausländischer und
  Ausbreitung einheimischer Fischarten auf künstlichem Wege. --
  Brutpflege. -- Gehirn und Sinnesorgane: Auge, Hörorgan, Seitenorgan,
  Geschmack und Geruch, Tastorgane. -- Fischfang                 151–208

  =V. Die Parasiten unserer Süsswasserfische.= Von Prof. Dr. +Fr.
      Zschokke+ in Basel.

  Allgemeines über den Parasitismus. -- Verbreitung der parasitischen
  Würmer der Wanderfische. -- Zahl der Arten in den verschiedenen
  Organen des Fischkörpers. -- Aufzählung von 29 Fischarten und ihrer
  Parasiten. -- _Nematoden_ (_Fadenwürmer_): _Cucullanus elegans_,
  _Ascaris acus_, _Agamonema capsularia_. -- _Echinorhynchen_
  (_Kratzer_): _Echin. proteus_, _Echin. angustatus_, _Echin.
  clavaeceps_. -- _Trematoden_ (_Saugwürmer_): _Distoma laureatum_,
  _Dist. globiporum_, _Dist. nodulosum_. -- _Diplozoon paradoxum_,
  _Gyrodactylus elegans_. -- _Cestoden_ (_Bandwürmer_): _Caryophyllaeus
  mutabilis_, _Cyathocephalus truncatus_, _Triaenophorus nodulosus_,
  _Ligula simplicissima_, _Schistocephalus dimorphus_, _Bothriocephalus
  latus_                                                         209–254

  =VI. Die quantitative Bestimmung des Plankton im Süsswasser.= Von Dr.
       +C. Apstein+ in Kiel.

  Einleitung. -- Vertikalnetz. -- Filtrator. -- Konservierung. --
  Anwendung der Apparate. -- Volumenbestimmung. -- Vorbereitung zur
  Zählung. -- Stempelpipetten. -- Das Hensensche Zählmikroskop. --
  Zählung und Protokoll derselben. -- Ein Beispiel zur Methodik  255–294

  =VII. Die Fauna des Süsswassers in ihren Beziehungen zu der des
        Meeres.= Von Dr. +Otto Zacharias+ in Plön (Holstein).

  Das Vorkommen von marinen Gattungen im Süsswasser. -- Reliktenseen.
  -- Eine Meduse als Bewohnerin von Strandseen auf Trinidad.
  -- Einwanderung von Meerestieren in den Ortoire-Fluss. --
  Freischwimmende Muschellarven (_Dreyssena polymorpha_) im Süsswasser.
  -- Die Verbreitung der kleinen Wasserfauna durch „passive Wanderung“.
  -- Der Süsswasser-_Monotus_. -- Die „_Fauna relegata_“ des Professors
  Pavesi. -- Der Transport kleiner Wasserorganismen durch Schwimmvögel,
  Wasserkäfer und strömende Luft. -- Hakenborsten und Klebzellen der
  Würmer als Anheftungswerkzeuge. -- Das Wandern der Wasserschnecken
  und Muscheln. -- Spezialisierte Haftorgane bei Protozoen
  (_Difflugia_)                                                  295–312

  =VIII. Über die wissenschaftlichen Aufgaben biologischer
         Süsswasser-Stationen.= Von Dr. +Otto Zacharias+ in Plön
         (Holstein).

  Die Begründung der „Biologischen Station“ zu Plön. -- Vorteile
  eines solchen Forschungsinstituts. -- Die pelagischen Organismen
  des Grossen Plöner Sees. -- Die besonderen Aufgaben von
  Süsswasserstationen. -- Die Winterfauna unserer Binnenseen.
  -- Beobachtung der Wasserinsekten und der im Wasser lebenden
  Larven von Landkerbtieren. -- Erforschung der eigentümlichen
  Fortpflanzungsverhältnisse mancher Turbellarien und Oligochäten.
  -- Faunistische Exkursionen und vergleichende Untersuchungen. --
  Praktische Gesichtspunkte. -- Beschreibung der Plöner Station. -- Die
  Erforschung der böhmischen Gewässer durch Prof. Anton Fritsch  313–331

  =IX. Das Tierleben auf Flussinseln und am Ufer der Flüsse und Seen.=
       Von +Fr. Borcherding+ in Vegesack.

  Einleitende Bemerkungen. -- Die Säugetiere an und in dem Süsswasser.
  -- Die Brutvögel. -- Die Gäste auf dem Frühjahrs- und Herbstzuge.
  -- Die Sumpfschildkröte, _Emys europaea_ Gray. -- Die Anuren und
  Urodelen des süssen Wassers. -- Die Fischfauna eines Flusses, eines
  Geest- und eines Moorsees. -- Die Mollusken an und in den Gewässern.
  -- Die niedere Tierwelt                                        333–369



Die Hydrachniden (Wassermilben).

Von Prof. Dr. =P. Kramer= in Halle a. d. S.


Die Hydrachniden oder Süsswassermilben gehören mit ihren auf dem Lande
lebenden Verwandten jenem unermesslichen Heere spinnenartiger Tiere
an, welche im Systeme der Zoologen den Namen Acarida tragen, und deren
Formenreichtum bei einem gewissen gemeinsamen Grundzug der Gestalt ein
ausserordentlich grosser ist.

Noch bis gegen Ende des vorigen Jahrhunderts waren es im ganzen nur
wenige Milben, auf welche sich die Aufmerksamkeit der Beobachter
gelenkt hatte. Sie gehörten zumeist den auf dem Menschen und den
Haustieren lebenden Schmarotzern an und wurden um der Krankheiten
willen, die sie hervorrufen, beachtet und beschrieben. Die erste
grössere Arbeit über andere Acarida lieferte erst der sorgfältig
beobachtende und scharfblickende dänische Naturforscher O. Fr. Müller+,
indem er im Jahre 1781 eine grosse Zahl der in Dänemark einheimischen
Süsswassermilben abbildete und die vortrefflichen Abbildungen
durch kurze Erklärungen erläuterte. So war es also gerade die uns
beschäftigende Milbengruppe, welche zuerst mit einer für lange Zeit
unerreichten Vollständigkeit behandelt worden ist.

Manches Jahrzehnt hindurch geschah darnach für die nähere Kenntnis der
Acariden wenig Entscheidendes. Erst die Arbeiten +Dugès’+ 1834 und des
Forstrats +C. L. Koch+ 1837–1850 bezeichnen einen neuen wesentlichen
Fortschritt. So brachte namentlich des ersteren eingehende Darstellung
die Kenntnis der Entwickelung von _Hydrachna globosa_, während
letzterer durch die grosse Zahl der von ihm beobachteten Milben, unter
denen sich auch sehr zahlreiche Süsswassermilben befanden, zuerst
überhaupt eine Vorstellung von dem Reichtum der Milbenklasse gab, wenn
auch freilich die nicht hinreichende Genauigkeit seiner Abbildungen und
Beschreibungen dem Systematiker noch heute viel Mühe bereitet.

In der neuesten Zeit ist den Acariden ein immer grösseres Interesse
entgegengebracht worden, wenn auch lange noch nicht in dem Masse,
als es die in mehr als einer Hinsicht merkwürdige Lebens- und
Entwickelungsgeschichte derselben verdient. Allerdings sind die
Beobachtungsobjekte meist sehr klein und schwierig zu behandeln und
daraus mag sich der im ganzen langsame Fortschritt unserer Kenntnis
über diese Tiergruppe erklären. Die Süsswassermilben bilden aber
noch die am wenigsten Schwierigkeiten bietende Gruppe und laden
durch ihre zierliche Gestalt und Munterkeit des Wesens, auch durch
verhältnismässige Grösse zur Beobachtung ein. Auch sind sie fast
überall reichlich zu finden, wo nur irgend fliessendes oder stehendes
Wasser Jahr für Jahr vorhanden ist.

Die meisten anderen Milben bleiben unserem Auge in der Regel verborgen,
obwohl es kaum einen Ort geben dürfte, wo einem genaueren Beobachter
nicht irgend ein charakteristischer Vertreter dieser Tiergruppe
begegnete. Zumeist möchte wohl eine feuchte Umgebung dem Leben dieser
der Mehrzahl nach zarten Geschöpfe günstig sein, aber doch wird man
auch an den kahlen, in trockenster Luft des Sommers am Wege liegenden
Steinen nicht umsonst nach einer mit zierlichem Stechapparat versehenen
blauroten Acaride (_Bryobia speciosa_) suchen, der sich noch manche
Vertreter unserer zierlichen Panzermilben (_Oribatidae_) anschliessen.
Milben finden sich unter Laub und Steinen, im Moose und auf den
Blättern der Bäume, auf und unter ihrer Rinde und im anbrüchigen
Holze, auf und unter der Haut zahlreicher kalt- und warmblütiger
Tiere, auf den Federn der Vögel, ja sogar in denselben: wo sich nur
überhaupt irgendwelche Nahrung darbieten mag, sei sie natürlichen oder
künstlichen Ursprungs, überall begegnen wir Milben, ihre Leibesgestalt
oft in wunderbarer Weise dem Aufenthaltsort anpassend und ihre
Lebensgewohnheiten einrichtend nach den Bedingungen, die derselbe
bietet.

Bei der immer noch vorhandenen sehr unvollständigen Kenntnis auch
unserer heimatlichen Milben ist es noch nicht möglich gewesen, eine
sogenannte natürliche Anordnung dieser Tiere vorzunehmen, d. h. eine
solche, bei welcher die Abstammung, die gegenseitige Verwandtschaft
ausschlaggebend ist, doch heben sich schon einige grössere
Verwandtschaftskreise aus dem Schwarm der überhaupt hierhergehörigen
Tiere ab. So bilden die soeben schon erwähnten Panzermilben, denen
jeder Sammler am häufigsten im Moose begegnet, einen in sich völlig
abgeschlossenen Stamm. Sie sind reine Landbewohner, und wenn man
auch in jüngster Zeit im Meere einige Vertreter gefunden haben
will, so ist das doch mit Vorsicht aufzunehmen. Ebenso stellen die
_Gamasidae_, diejenigen Milben, zu welchen die auf den Dungkäfern so
häufig scharenweise anzutreffenden braunen Acariden gehören, eine wohl
abgeschlossene Gruppe dar. So vielgestaltig aber auch die Wohnstätten
derselben sind, in das Wasser ist doch keins davon hinabgestiegen. Zwar
hat man einen ihrer Vertreter in den wohl gewiss mit Wasser stets und
reichlich bespülten Nasengängen einer Seehundsart aufgefunden, auch
haben eifrige Naturforscher unter den durch die Flutwelle regelmässig
überspülten Steinen des Seestrandes einige Gamasiden entdeckt, aber
wirkliche Wassertiere haben wir damit doch nicht vor uns. Nicht besser
steht es mit den zahllosen Geschlechtern der die Haut und die Federn
der Vögel oder die Haare der kleinen Säugetiere bevölkernden Milben
(_Sarcoptidae_) oder denjenigen, welche dem grossen Stamm der durch die
Mehlmilbe gekennzeichneten Acariden (_Tyroglyphidae_) angehören. Wenn
sie auch meist der Feuchtigkeit als einer notwendigen Voraussetzung
ihres Lebens bedürfen, so sind sie doch niemals Bewohner unserer Teiche
und Flüsse geworden. Einzig und allein diejenige Gruppe unter den
Milben, denen ich die allgemeine Bezeichnung Vorderatmer gegeben habe,
weil sie ihre beiden kleinen Luftlöcher ganz vorn an dem kegelförmig
hervorspringenden Mundabschnitt führen, bietet uns Beispiele von auch
dem Leben im Wasser angepassten Milben dar. Diese Vorderatmer werden
am besten durch die so häufig in unseren Gärten am Fusse der Obstbäume
anzutreffende Samtmilbe (_Trombidium fuliginosum_) veranschaulicht.
Trombidiumartige Milben also sind es, welche in grosser Zahl die süssen
Gewässer, nur mit wenigen Arten die See bewohnen.

Eine Naturgeschichte dieser Hydrachniden muss vor allen Dingen ein Bild
der äusserlich wahrnehmbaren Gestalt entwerfen und so mag sich denn
zunächst darauf die Aufmerksamkeit richten.

Ein Zug mit dem Fangnetz durch das klare Wasser eines Teiches
fördert in der Regel ausser zahlreichen kleinen Krustern auch manche
undurchsichtige und durchsichtige Hydrachnide zutage. Wir entnehmen
eine Milbe der letzteren Sorte, es ist eine _Piona flavescens_, und
betrachten sie, nachdem sie in ein Uhrgläschen übergeführt ist,
zunächst mit der Lupe.

[Illustration: Fig. 1.

_Piona flavescens_, von der Seite gesehen.]

Der rundliche Rumpf ist, wie wir bald bemerken, ungeteilt, oben
hochgewölbt, unten abgeflacht, so wie Fig. 1 es zeigt. Bei den meisten
Hydrachniden hat er diese Gestalt, nur ausnahmsweise treffen wir einen
flachen Rumpf, einen stark in die Länge gezogenen, oder einen durch
besondere Anhänge am hinteren Rande ausgezeichneten. Der vorderen
Hälfte der Unterfläche entspringen die acht Füsse.

Wie schlank und zierlich sind diese hellen völlig durchsichtigen
Füsschen, die das Tier oft in ganzer Länge von sich streckt und so eine
Zeit lang still und unbeweglich liegen bleibt, um mit einem plötzlichen
Ruck eine Strecke fortzueilen. Wieder liegt es still da und fängt nach
einer kurzen Ruhe an langsam auf dem Grunde fortzukriechen. Jetzt eilt
es wieder, sich wie im Wirbel überschlagend, in hastiger Bewegung eine
Strecke fort, um bald zu ruhen, bald langsam im Wasser zu wandeln.

Betrachten wir die einzelnen Füsse noch genauer, so fallen besonders
an den hinteren Paaren lange, seidenglänzende Haarborsten auf,
welche gedrängt stehen und leicht beweglich sind. Die zahlreichsten
bemerken wir am vorletzten und drittletzten Gliede der beiden hinteren
Fusspaare. Es sind dies die für unsere Süsswassermilben ganz besonders
charakteristischen Schwimmborsten, und von ihrer Anzahl, ihrer Breite
und Stellung hängt zum grossen Teil die Gewandtheit und Schnelligkeit
ab, mit der sich die Tierchen im Wasser bewegen. Als Regel können
wir annehmen, dass bei den erwachsenen Milben die vorderen Füsse nur
wenige, die hinteren dagegen zahlreiche Schwimmborsten führen, und dass
wiederum an jedem Fusse, der überhaupt welche besitzt, das vorletzte
Glied die meisten, die dem Körper näheren Glieder immer weniger
solche Borsten tragen. Ausnahmen von dieser Regel sind allerdings
beobachtet. So bemerkt man, dass bei einer der grössten einheimischen
Arten, einer der schnellsten und gewandtesten Schwimmerinnen, _Eylaïs
extendens_, welche als tiefrote Jägerin die Wasser durcheilt, das
vierte Fusspaar gar keine Schwimmborsten besitzt. Das Tier hat sich
daher gewöhnt, den letzten Fuss jeder Körperseite beim Schwimmen ruhig
nach hinten gestreckt zu tragen. Diese Haltung giebt ein untrügliches
Erkennungsmittel für die soeben namhaft gemachte, in unseren
stillstehenden Gewässern häufigere Milbe ab. Einigen Wassermilben
fehlen die Schwimmborsten sogar gänzlich. Sie sind dadurch gezwungen,
eine durchaus kriechende Lebensweise zu führen, und leben meist im
Schlamme verborgen.

Wie wenig übrigens der Besitz oder Mangel von Schwimmborsten
eine Verwandtschaft zwischen manchen in diesem einen Punkte
übereinstimmenden Milben mit sich bringt, beweisen zwei Gattungen,
deren Vertretern die Schwimmborsten fehlen, nämlich _Bradybates_ und
_Limnochares_ (die Tiefschreiter und Schlammfreunde). Diese Milben
sind in ihrer ganzen Erscheinung ausserordentlich verschieden von
einander. Erstere möchte wohl als das Urbild einer, der Lebensweise im
Wasser angepassten Samtmilbe angesehen werden können, so vollständig
wiederholt sie Zug um Zug die Gestalt dieser Landmilbe. Ganz anders
bietet sich _Limnochares_ dem Beobachter dar. Ein unförmlicher
linsengrosser roter Klumpen, welcher mühsam von den auffallend kurzen
dünnen Füssen fortgeschleppt wird und das langgezogene schnabelförmige
Mundstück beim Zurückziehen ganz in sich aufzunehmen vermag, ist sie
ganz darauf angewiesen, dass die Tragkraft des Wassers ihre Muskeln bei
der Fortbewegung ihres Leibes unterstützt.

Hervorgehoben mag noch werden, dass das Schwimmborstensystem
am ausgebildetsten bei den Hartmilben des süssen Wassers, den
Hartschwimmern, deren hervorstechendste Gattung _Arrenurus_
(Hartschwanz) ist, gefunden wird. Hier zeigt jeder der beiden
Hinterfüsse eine doppelte Reihe solcher Borsten.

Steht es nun auch gewiss fest, dass die Schwimmfertigkeit durch die
Schwimmborsten wesentlich bedingt ist, so beweist doch die Beobachtung
derjenigen Milben, welche die tiefen Regionen des Genfersees bewohnen,
dass damit die Frage nach den Gründen des Schwimmens noch nicht ganz
erledigt ist. Dort im Genfersee, und vermutlich auch in anderen sehr
tiefen Seen der Schweiz, hat Prof. +Forel+ in den tiefsten Schichten
eine Hydrachnide gefunden, welche sich trotz aller vorhandenen
Schwimmborsten nicht imstande zeigt, den Boden zu verlassen und
schwimmend die Oberfläche zu erreichen. Wird eine solche Milbe in
ein noch so flaches Gefäss gethan, so vermag sie nur auf dem Boden
zu kriechen. Wird ihr, wenn man sie an die Oberfläche gezogen
hat, der Unterstützungspunkt genommen, so sinkt sie trotz allen
Fussbewegungen, die sie ausführt, doch auf den Boden zurück. Offenbar
hat sie sich unter dem Einfluss des bereits erheblichen Wasserdrucks
auf dem Boden des Genfersees entwöhnt, von ihren Schwimmborsten
einen richtigen Gebrauch zu machen, sie hat ihre Füsse niemals im
Schwimmen geübt und hat so, trotz den vorhandenen Schwimmborsten,
die zum Schwimmen notwendigen kräftigen Bewegungen dauernd verlernt.
Es scheint also auch ein richtiger Gebrauch der sonst zum Schwimmen
hinreichend ausgerüsteten Füsse vorausgesetzt werden zu müssen,
damit die Schwimmborsten eine dem Wasser hinreichenden Widerstand
entgegensetzende Fläche bilden und so die Fortbewegung bewirken können.

Wir wenden uns nun wieder der Gestalt unserer _Piona_ zu. Während
die gewölbte Oberseite derselben dem beobachtenden Blick ausser den
deutlich wahrnehmbaren dunklen Augenpunkten wenig bietet, wird er,
nachdem man die Milbe auf den Rücken gelegt hat, bei Betrachtung der
Unterseite von einigen besonderen Organen gefesselt.

Auf der Bauchfläche bemerkt man nämlich vier von einander getrennt
stehende härtere Hautplatten, und an jeder sind zwei Füsse
eingelenkt[I]. Bei näherer Betrachtung ergiebt es sich, dass jede der
Platten aus zwei mit einander verschmolzenen Plättchen zusammengesetzt
ist und dass jedes der acht Plättchen die Gelenkhöhle für das Hüftglied
je eines der acht Füsse trägt. Wir nennen die Plättchen die Hüftplatten
der Füsse oder die Epimeren. Unsere _Piona flavescens_ lässt erkennen,
dass die Hüftplatten für die beiden vierten Füsse, rechts und links,
die umfangreichsten sind. Das ist nicht immer der Fall. Überhaupt
finden wir in der Ausbildung und gegenseitigen Gruppierung dieser
Epimeren eine so ausserordentliche Mannigfaltigkeit, dass nicht mit
Unrecht die hieraus sich ergebenden Unterschiede zur schärferen
Trennung der Gattungen verwendet worden sind.

  [I] Vergleiche auch Fig. 3 _e_ S. 39.

Zwischen den Epimeren der beiden vorderen Füsse befindet sich der
Mundapparat, in der Regel gestützt durch eine vermutlich als Unterlippe
zu deutende, erhärtete Platte. Diese Platte trägt zunächst die meist
fünfgliedrigen Taster.

Dieselben dienen wohl hauptsächlich dem Gefühlssinn, werden aber
auch zum Festhalten der Beute benutzt. Die Mundöffnung selbst wird
in der Regel in der Tiefe eines oben offenen, eine kurze Halbröhre
darstellenden kopfähnlichen Anhangs gefunden, in welchem sich als
wesentlichstes Mundwerkzeug die Kaukiefer eingelassen finden. Diese
Kiefer bilden einen wichtigen Anhalt zur Unterscheidung grösserer
Abteilungen unter den Süsswassermilben, indem sie bei einigen Gattungen
eingliedrig sind und die Gestalt eines kräftigen nach vom gerichteten
Stachels haben, bei anderen dagegen aus zwei Gliedern bestehen, von
denen das zweite einer mit der Spitze nach oben gewendeten Klaue oder
Kralle gleicht. Ganz derselben Verschiedenheit begegnet man auch bei
derjenigen Gruppe der Landmilben, welche ich bereits oben als die
den Süsswassermilben am nächsten stehende bezeichnet habe, bei den
Trombididen.

Was für Gliedmassen oder Teile ausserdem noch zu dem Mundapparat
gehören, ist noch durch weitere Beobachtungen genauer zu erforschen.
Es giebt nach Ansicht einiger Beobachter noch ein zweites Kieferpaar,
welches dieselben in gewissen verhärteten Stäbchen entdeckt zu haben
glauben, während andere diese Deutung jener Stäbchen leugnen. Es
ist daher auch die verwandtschaftliche Stellung der Milben durchaus
noch nicht allgemein festgestellt. Die einen, z. B. +G. Haller+,
wollen sie zu den krebsartigen Tieren ziehen, indem das Vorhandensein
einer grössern Anzahl von Kiefern dafür geltend gemacht wird. Die
anderen sind der Meinung, dass die Milben den spinnenartigen Tieren
zuzuzählen sind. Sicherlich kann hierüber lediglich aus anatomischen
Gründen ein sicheres Urteil nicht gezogen werden, vielmehr muss
die Entwickelungsgeschichte ein entscheidendes Wort mitsprechen.
Vielleicht gelingt es zunächst aus den an Gamasiden noch anzustellenden
Beobachtungen, hierüber mehr Licht zu verbreiten.

Auf der Unterseite unserer Milben begegnen wir nun noch der
Geschlechtsöffnung und der Afteröffnung. Umfangreich, wenigstens beim
weiblichen Geschlechte, ist die erstere, meist punktförmig klein die
zweite, jedoch fehlt letztere nirgends, wie irrtümlich behauptet
worden. Die Geschlechtsöffnung ist bei den allermeisten Gattungen
von eigentümlichen, entweder napfartigen oder porenartigen Gebilden
begleitet, welche meist neben ihr zu Gruppen vereinigt auf besonderen
verhärteten Plättchen aufgestellt oder in die weiche Haut eingebettet
sind, in einzelnen Fällen aber auch auf der innern Fläche der die
Öffnung schliessenden Klappen ihren Platz gefunden haben. Die Abbildung
dieser Gebilde, wie sie sich beim Männchen und Weibchen von _Nesaea
fuscata_ finden, in Fig. 3 _i_ und _k_, giebt wohl eine hinreichend
deutliche Vorstellung davon. Stehen diese sogenannten Haftnäpfe neben
der Geschlechtsöffnung, so dürften sie kaum noch ihrem Zweck als
Haft- oder Tastorgan genügen, finden sie sich dagegen auf der innern
Deckklappenfläche, so ist ihre Funktion noch unbeeinträchtigt.

Die einzelnen Gattungen der Wassermilben zeigen in der Zahl, Anordnung
und Grösse dieser Näpfe eine so ausserordentliche Verschiedenheit,
dass sie hierdurch häufig mit grosser Leichtigkeit von einander
unterschieden werden können. Es gehören diese Haftnäpfe zu einer
ganz besonders charakteristischen Eigentümlichkeit gerade unserer
Süsswassermilben, so dass es gerechtfertigt erscheint, noch einen
Augenblick bei ihnen zu verweilen. Es sind offenbar umgebildete
Oberhautporen. Betrachtet man nämlich die Oberfläche einer
Süsswassermilbe genauer, so findet man dieselbe mit einer Anzahl
regelmässig verteilter grösserer Porenöffnungen versehen, welche
meistens zu kleinen, häufig aber auch sehr umfangreichen Hautdrüsen
führen. Bei sehr vielen Milben ist die nächste Umgebung einer solchen
Pore verhärtet, so dass dort eine kleine Platte in die Haut eingelassen
scheint, auch wird die Öffnung regelmässig von einer Haarborste
begleitet. Diese Hautdrüsen mögen wohl eine Flüssigkeit absondern,
welche anderen Wassertieren Ekel erregt, so dass sie die Wassermilben
nicht verspeisen mögen. Hat man doch beobachtet, dass unsere Milben von
den Fischen verschmäht werden. Welchen Vorrat an solcher Flüssigkeit
diese Hautdrüsen, wenn sie enorm entwickelt sind, enthalten, lässt sich
bei den Hartmilben (_Arrenurus_) erkennen. Wird eine solche in Spiritus
gelegt, so fährt nach kurzer Zeit der Drüseninhalt wie ein langer sich
kräuselnder Faden aus der Pore hervor, so dass die ganze Milbe völlig
eingewickelt wird. Nun ist es wohl nicht falsch geurteilt, wie bereits
oben angedeutet wurde, wenn wir annehmen, dass die Haftnäpfe auf der
Unterseite des Hinterleibes ursprünglich solche Hautdrüsenöffnungen
gewesen sind. Die ursprünglichen Drüsengebilde sind aber in Haftorgane
umgewandelt und dementsprechend hat sich die Öffnung samt der Platte,
in welcher sie steht, umgestaltet. Meistens bemerkt man noch deutlich
innerhalb des Umrisses eines solchen Napfes die Porenöffnung. In
anderen Fällen ist sie aber auch schon geschwunden, was darauf
hindeutet, dass das Organ seine Funktion wieder eingebüsst hat.

Wenn ich soeben bemerkte, dass diese Haftnäpfe eines der wesentlicheren
Merkmale unserer Süsswassermilben darstellen, so ist damit dennoch
nicht gesagt, dass es unter ihnen nicht auch solche gäbe, die überhaupt
dieser Organe entbehrten. Die Mannigfaltigkeit der Formen, die wir
allerwärts im Tierreiche finden und die dem ordnenden Zoologen oft
so viele Schwierigkeiten entgegenstellt, findet sich auch bei den
winzigen, das süsse Wasser belebenden Acariden. Die Kräfte der Natur
lassen sich in kein Schema und System zwingen, sondern gestalten die
Formen nach den vorhandenen Lebensbedingungen aus. So mag es denn wohl
sein, dass die Masse der das süsse Wasser bevölkernden Milben aus
mehreren verschiedenen Hauptstämmen erwuchs, deren Ursprung wir nicht
mehr deutlich unterscheiden können. Der eine Stamm, der namentlich
alle schwimmenden Süsswassermilben umfasst, hat Haftnäpfe auf der
Bauchfläche erzeugt, der andere, zu denen einige kriechende Gattungen
zu rechnen wären, hat solche Näpfe nicht hervorgebracht. Es ist auch
bemerkenswert, dass die ersten Larvenstadien, also die eben dem Ei
entschlüpften Jungen, keine Haftnäpfe besitzen.

Im Vorhergehenden sind die wesentlichsten Organe und die
hauptsächlichsten Erscheinungen der äussern Gestalt kurz berührt. Es
wird später sich noch Gelegenheit bieten, manches, was jetzt übergangen
werden musste, so z. B. die besonderen Kennzeichen und Abzeichen
der Männchen im Gegensatz zu den Weibchen, zur Sprache zu bringen
und so das Bild der äussern Gestalt zu vervollständigen. Auch die
Beschaffenheit der äussern Körperhaut, ob sie hart oder weich ist, ob
glatt oder mit Fortsätzen versehen, hat wohl für die Beurteilung der
äussern Gestalt im weitern Sinne Bedeutung, kann jedoch in einer nur
kurz schildernden Darstellung bloss andeutungsweise berührt werden.
Ebenso ist es mit dem Grössenverhältnis der Glieder zum Rumpfe,
indem nur erwähnt werden kann, dass der Rumpf wie bei _Atax_ gegen
die ungemein grossen Füsse fast verschwindet, während bei anderen
Gattungen, wie beispielsweise _Axona_, die Füsschen kaum über den Rand
des Rumpfes hervorragen. Dies Alles und manches Andere würde einer
Spezialgeschichte der Hydrachniden Stoff zu ausführlichen Betrachtungen
geben. Wir aber verlassen die äussere Gestalt und wenden uns einer
weitern wichtigen Angelegenheit zu, der Darstellung der inneren Organe.

Die inneren Organe sind in neuester Zeit mehrfach eingehend beobachtet
und beschrieben worden. Wir finden in der Regel eine sehr feine, nach
hinten sich erweiternde Speiseröhre, deren vorderer Abschnitt zu einem
Saugapparat umgewandelt ist, indem Muskelstränge sich an der obern und
untern Röhrenfläche ansetzen, welche diesen Teil des Organs abwechselnd
erweitern und verengern können. Der Magen ist sehr umfangreich und
besitzt bis fünf blindsackartige Ausstülpungen, deren Oberfläche mit
einer Schicht von Leberzellen ausgerüstet ist. Der Enddarm ist in der
Regel wiederum ein Kanal von ziemlicher Enge. Die Speiseröhre steht in
ihrem vordersten Abschnitt in Zusammenhang mit den nicht unerheblichen
Speicheldrüsen. Diese sind in der Regel in mehrfacher Anzahl vorhanden,
führen jedoch immer nur jederseits zu einer einzigen Ausflussöffnung.
Der Enddarm seinerseits nimmt in seinem letzten Abschnitt den
Ausführungsgang der charakteristischen Exkretionsdrüse auf, welche
bei allen Milben zu einer so ausserordentlichen Entwickelung gelangt
ist. Diese Drüse liegt oberhalb des Magens und besitzt einen längeren
Hauptstamm, welcher sich etwa in der Mitte des Rückens in zwei Äste
gabelt. Da der Inhalt dieser Exkretionsdrüse merklich durch die Haut
der Mehrzahl der Hydrachniden hindurchschimmert, so hat sie von jeher
die Aufmerksamkeit der Beobachter erregt, aber auch solche, die auf die
Färbung der Milben ein allzugrosses Gewicht legten, oft irregeführt, da
je nach der Füllung der Farbeneindruck ein sehr verschiedener sein kann.

Das Atmungssystem wird bei den Hydrachniden durch zwei in
ausserordentlich zahlreiche Tracheenfäden auseinanderfahrende
Tracheenstämme dargestellt, welche in einem Paar von Luftlöchern
ausmünden. Diese letzteren liegen zwischen den Einlenkungsstellen der
Kiefer in einer kleinen Platte. Der Hauptstamm jeder Trachee ist mit
einem Spiralfaden versehen, während die zarten Tracheenfäden selbst
keine solchen besitzen.

Das Tracheensystem tritt auch bei den Hydrachniden gerade so wie bei
allen anderen Milben, wo es überhaupt zur Ausbildung gelangt, erst nach
der ersten Häutung auf, die sechsfüssigen Larven besitzen noch keine
Andeutung davon. Die Luftatmung der Wassermilben giebt uns hier nun
Veranlassung, einen kurzen Blick auf andere luftatmende Wassertiere zu
werfen.

Vergleicht man das Betragen der hierher gehörigen verschiedenen,
dem niedern Tierreich angehörenden Bewohner des süssen Wassers, so
bemerkt man bald einen sehr in die Augen fallenden Unterschied. Die
Wasserkäfer z. B. und die Mehrzahl der Wasserwanzen vermögen nur kurze
Zeit zu tauchen. Immer wieder müssen sie die zum Atmen nötige Luft
unmittelbar aus der über dem Wasser stehenden Atmosphäre schöpfen und
deshalb häufig die Oberfläche aufsuchen. Auch vielen Mückenlarven geht
es nicht besser, sie fahren unruhig bald in die Höhe, bald in die
Tiefe. Dagegen sind die in das Wasser eingewanderten Milben völlig
und ausschliesslich Wassertiere geworden. Sie bleiben stets unter der
Oberfläche, trotzdem dass sie ein ausgebildetes Luftatmungssystem
besitzen. Sie hüllen sich auch nicht etwa, wie zahlreiche Uferkäfer und
die merkwürdige grosse Wasserspinne (_Argyroneta aquatica_), in einen
dichten Mantel von Luft, den sie unausgesetzt mit sich führen und immer
wieder erneuern, sondern leben gerade wie die Larven von zahlreichen
Libellen, Frühlingsfliegen und Mücken nur und allein im Wasser. Ihr
Luftröhrensystem ist trotzdem, dass sie niemals die Oberfläche
aufsuchen, mit Luft durchaus angefüllt. Es weist uns diese Beobachtung
auf einen wohl noch nicht ganz aufgeklärten Naturvorgang. Die Frage,
auf welche Weise die Luft in die Atmungskanäle der Süsswassermilben
gelangt und wie sie sich, nachdem sie etwa durch Atmen verbraucht
worden ist, wieder erneuert, ist es, welche dabei noch der Lösung
harrt. Unter ganz ähnlichen Verhältnissen atmen die durchsichtigen
Larven der bei uns häufigen Büschelmücke (_Corethra plumicornis_).
Bei dieser hat der bekannte Zoologe +A. Weissmann+ zuerst beobachtet,
dass in den beiden grossen Paaren von Luftsäcken, welche dem Tier zur
Aufrechterhaltung des Gleichgewichts beim Schwimmen zu dienen scheinen,
die Luft während eines bestimmten Zeitpunktes der Entwickelung ganz von
selbst auftritt, ohne dass in der Wandung jener Blasen auch nur die
geringste Öffnung vorhanden wäre oder irgend eine Verbindung derselben
mit der Oberhaut des Tieres bestünde. Die Luftfüllung tritt plötzlich
auf und verbleibt dann in den Blasen. Bei den Wassermilben, welche nach
der ersten Häutung zahlreiche Tracheen besitzen, könnte es vielleicht
ebenso sein, indem die Luft sich ganz von selbst innerhalb der vorher
mit Flüssigkeit angefüllten Luftkanäle bildet. Denn es ist in der That
schwer denkbar, dass die im Wasser verteilte Luft sich in die feine
Ausmündungsstelle der Luftkanäle eindrängen könne, um von da aus in die
zuletzt überaus feinen Fäden zu gelangen. Ein Saugapparat ist bisher
an den Atmungsröhrchen noch nicht beobachtet und allein ein solcher
könnte die Luft dazu vermögen, die Flüssigkeit aus den Luftröhren zu
verdrängen. Genug, wir erwarten von der Zukunft hier, wie noch für so
manche Vorkommnisse, eine befriedigende Erklärung der Thatsachen.

Die Hydrachniden sind getrennten Geschlechtes. Die samenerzeugenden
Organe des Männchens sind wohl in der Regel paarig und haben
einen gemeinsamen Ausführungsgang, welcher mit einem besondern
Begattungsorgan versehen ist. Die Eierstöcke der Weibchen sind zwar
auch paarig, jedoch sind sie mit ihren Enden derart verschmolzen,
dass sie ein einziges ringartiges Organ darstellen; die beiden
Eileiter sind jedoch zunächst getrennt und bilden erst kurz vor der
Geschlechtsöffnung einen kugeligen Uterus.

Das Nervensystem besteht in einem zentralen sogenannten Schlundganglion
und den von diesem ausgehenden Nervensträngen. Das Schlundganglion
wird der Länge nach von der Speiseröhre durchsetzt, wodurch es in ein
oberes und ein unteres geteilt wird, die indes so nahe an einander
gerückt sind, dass sie eine gemeinsame Masse bilden, an welcher keine
Schlundkommissur auffindbar ist[II].

  [II] Dr. v. Schaub, „Anatomie von Hydrodroma“, p. 29.

Vom obern Schlundganglion gehen die Nerven zu den Augen und
den Mundteilen, von dem untern dagegen zu den Füssen und den
Geschlechtsorganen. Die Nervenfäden spalten sich übrigens häufig und
lösen sich mit Ausnahme der Augennerven in eine Fülle von überallhin
sich verbreitenden Nervenfasern auf.

Das Nervensystem möge uns noch einen Augenblick länger fesseln. So
klein und zum Teil winzig unsere Süsswassermilben auch sind, so
entbehren sie doch der die Aussenwelt auffassenden Sinne nicht.
Gesichts- und Gefühlssinn haben sogar eine hohe Entwickelungsstufe
erreicht. In der Regel finden wir bei den Hydrachniden zwei Paare
von Augen. Diese stehen entweder weit von einander getrennt, wie
bei jener oben genauer besprochenen _Piona_, oder sie sind auf der
Mitte des Vorderrückens dicht an einander gestellt, so dass sie an
die Augen der Weberknechte (_Phalangidae_) erinnern. Mag nun die
Anordnung die eine oder die andere sein, jedesmal findet sich in
einem Milbenauge eine Linse, welche das Licht nach einem hinter ihr
gelegenen Punkte bricht, und eine becherförmig gestaltete Netzhaut
mit dunklem Pigment, welche die Lichteindrücke zur Empfindung bringt.
Der Sehnerv leitet dieselben dann dem oben erwähnten Gehirn zu. Ob
nun die Milbe wohl einen Gesamteindruck von ihrer Umgebung durch
ihre Augen gewinnt? Jedenfalls kommt bei Beantwortung dieser Frage
der allgemeine Stand des Seelenlebens in Betracht und nicht bloss
die physikalische Vollkommenheit des Sehapparats. Dass sie aber
scharfe und deutliche Eindrücke durch ihren Gesichtssinn erhalten,
scheint mir aus der grossen Raschheit hervorzugehen, mit welcher die
Mehrzahl der Süsswassermilben, welche des Schwimmens kundig sind,
entgegenstehenden Hindernissen ausweichen. Allerdings wird hier, wie
auch sonst wohl vielfach im Tierreiche, der Gesichtssinn offenbar durch
den sehr entwickelten Tastsinn unterstützt. Bei unseren Milben sind
Tastorgane in ganz ähnlicher Weise, wie bei den übrigen Gliedertieren,
über den ganzen Körper verbreitet und ragen als Haartaster über die
Oberfläche des Leibes hervor. Man wird wohl nicht irregehen, wenn
man die in grosser Regelmässigkeit, wenn auch meist in ziemlich
spärlicher Anzahl auf der Haut der Tierchen allenthalben zerstreuten,
meist kurzen Haarborsten als ebenso viele Tastorgane ansieht. Ebenso
ist ein grosser Teil der auf den Beinen und namentlich den Tastern
befindlichen Haarborsten zu den Fühlhaaren zu rechnen. An zahlreichen
grossen Borsten, welche die ersten Füsse schmücken, hat man die
Einrichtung solcher Fühlhaare genauer untersucht. Die Haarborste steht
in einer kleinen Pore der Oberhaut; sie ist selbst zumteil hohl und
mit lebendiger Substanz ausgefüllt, welche durch die Pore hindurch
mit dem Innern des Milbenkörpers in Zusammenhang steht. Unmittelbar
unter das in der Porenöffnung stehende Ende der Borste hat sich ein
Nervenfaden hinbegeben und dort ein kleines Knötchen gebildet, welches,
sobald durch irgend eine äussere Veranlassung die Borste gedrückt
oder gezerrt wird, durch das untere Borstenende gestreift und in
Mitleidenschaft gezogen werden muss. Hierdurch kommt die Tastempfindung
und zugleich auch jedenfalls eine Ortsbestimmung zu stande. Die
Oberhaut des Tierchens ist, da sie aus einer festen widerstandsfähigen
Masse gebildet ist, an sich einer Empfindung nicht fähig. Dieser
Mangel wird durch jene Tastborsten fast völlig ausgeglichen. Man hat
übrigens auch in dem der Haut von innen anliegenden Zellengewebe
zahlreiche Nervenelemente entdeckt und so ist es auch möglich, dass ein
an irgend einer Stelle auf die weiche und nachgiebige Hautfläche bei
den weichhäutigen Hydrachniden ausgeübter Druck auch ohne besondere
Tasthaare eine Gefühlsempfindung auslöst.

In ganz besonderer Weise sind, wie sich wohl vermuten lässt, die Taster
mit Gefühlshaaren ausgerüstet. Es ist dies um so notwendiger, als die
meist weit vom Munde und auf der Stirnwölbung aufgestellten Augen die
Umgebung des Mundes nicht zu übersehen vermögen. Von den Mundteilen
kann also nur nach bestimmten Gefühlseindrücken gehandelt werden. Diese
werden durch dicht aufgestellte Tasthaare vermittelt.

Ähnlich ist auch die Unterseite der Füsse und zwar namentlich ihrer
Endglieder mit zahlreichen kurzen Haaren versehen, welche beim
Schreiten und wohl auch beim Schwimmen, wie ferner beim Ergreifen der
Beute die Tastempfindungen veranlassen.

So haben die unscheinbaren und auf den ersten Blick willkürlich über
den Körper verstreuten Haarborsten einen wichtigen Beruf.

Ob die Wassermilben Gehörs- und Geruchsempfindungen besitzen, ist nicht
beobachtet. Geschmacksempfindungen werden sie ganz gewiss haben, da es
höchst wahrscheinlich ist, dass sie ihre Beute auch durch den Geschmack
unterscheiden.

Ob man nun auch von einem seelischen Leben unserer Geschöpfe sprechen
darf? Einen bestimmten Charakter hat jedenfalls jede Wassermilbe im
Vergleich mit anderen. Darunter kann ich hier freilich nur die Art
und Weise ihres Betragens verstehen. Die Schnelligkeit, mit welcher
die Bewegungen ausgeführt werden; die Feindschaft oder Freundschaft,
um diese Worte hier zu gebrauchen, welche den übrigen Mitgliedern
einer und derselben Art entgegengebracht werden; die Gewandtheit, mit
welcher eine solche Milbe einer drohenden Gefahr zu entrinnen sucht,
alles dieses, namentlich das Zuletzterwähnte, lassen den Schluss
gerechtfertigt erscheinen, dass wir bei diesen kleinen Geschöpfen ein
verhältnismässig hoch entwickeltes Seelenleben voraussetzen dürfen.
Wenn sich nun auch diese seelischen Regungen wohl zumeist auf den
Erwerb der Nahrung, auf Sicherstellung des einzelnen Tieres und auf
Erhaltung der Art richten, so ist doch das Vorhandensein derselben von
ausserordentlichem Interesse und fordert zu immer neuen Beobachtungen
auf, damit auch für diese niedrigen Geschöpfe die Tiefe und Ausdehnung
des ihnen verliehenen seelischen Lebens immer mehr bekannt werde.

Wir wenden uns nun einer kurzen Besprechung der hauptsächlichsten
Gattungen zu.

An der Hand der oben gegebenen Beschreibung von _Piona flavescens_ und
unter Benutzung der beigefügten Abbildung in Fig. 1 ist jeder leicht
imstande sich eine hinreichend genaue Vorstellung von der Gestalt
einer Hydrachnide überhaupt zu machen. Jedoch wird der Naturfreund,
der es unternimmt, die häufigeren Mitglieder unserer Tierfamilie in
den stehenden und fliessenden Gewässern seiner Heimat genauer zu
betrachten, bald bemerken, dass er in der That recht verschiedenartige
Geschöpfe in sein Aquarium bringt. Wir wollen ihm in dem Nachfolgenden
einige Winke für das Unterscheiden der gesammelten Tierchen geben,
verweisen aber zu einer eingehenderen Betrachtung auf unsern Anhang.
Vieles lässt sich schon mittels einer schärferen Lupe deutlich genug
erkennen, ganz wird es indessen nicht ohne die Zuhilfenahme eines
Mikroskops abgehen. Und gerade die mikroskopische Betrachtung der
hier uns beschäftigenden, zumteil recht kleinen Geschöpfe entfaltet
eine solche Fülle zierlicher Formen vor unseren Augen, dass wir
unwillkürlich von der Begierde ergriffen werden, immer neue Gestalten
einer solchen zu unterwerfen.

Die im Anhang gegebene Tabelle nimmt ihre Merkmale nicht mit Rücksicht
auf die gegenseitige Verwandtschaft der Hydrachniden, sondern mit
Rücksicht auf Deutlichkeit und leichtes Auffassen. Hier dagegen möchte
ich versuchen, die hauptsächlichsten Gruppen herauszuheben.

Betrachtet man die klaren Wasser eines Grabens oder kleinen Teiches
aufmerksam, so geschieht es wohl, dass man ein linsengrosses,
blutrotes, kugelförmig aufgeschwollenes Geschöpf in kräftigem Zuge
durch die stille Flut eilen sieht, lebhafte Wendungen bald hierin
bald dorthin ausführend. Ein schneller Griff mit dem Fangnetz und die
Schwimmerin ist in Gefangenschaft geraten. Wir entlassen sie in eine
bereitgehaltene flache Schale und können sie nun mit blossem Auge
deutlich erkennen und prüfen. Entweder streckt sie den vierten Fuss
jederseits beim Schwimmen unbeweglich nach hinten, oder sie macht auch
mit ihm, also mit sämtlichen acht Füssen lebhafte Schwimmbewegungen.
Im erstern Falle haben wir eine unserer ansehnlichsten und häufigsten
Süsswassermilben vor uns, einen Repräsentanten der oben schon erwähnten
Gattung _Eylaïs_[III]. Die Milbe ist eine arge Räuberin und überfällt
mit ihren kräftigen Füssen und den zwar ausserordentlich kleinen, aber
überaus kräftigen Kiefern, was ihr in den Weg kommt. Sie bildet eine
ganz besondere Abteilung der Hydrachniden für sich, da bei ihr die
Mundöffnung und die damit zusammenhängende Ausbildung der Kiefer eine
ganz eigentümliche geworden ist. Wie eine sorgfältige Betrachtung des
Mundes mit dem Mikroskop lehrt, hat die ganze Gestalt und Anordnung
desselben eine überraschende Ähnlichkeit mit einer Saugscheibe.
Man bemerkt eine kreisrunde Platte, eingerahmt durch einen Kranz
zierlicher Haarborsten, in der Mitte die winzige Mundöffnung tragend,
aus welcher die schwärzlichen Spitzen der Kieferendglieder in Gestalt
zweier scharfer Zähnchen etwas hervorgeschoben werden können. Gegen
diese Zähnchen drücken die kräftigen Taster und Füsse ihre Beute,
welche alsbald die tödliche Wunde empfängt. Betrachten wir das in
ausgewachsenem Zustande bis 4 _mm_ lange Tier von oben her, so wird
man auf dem Vorderrücken, und zwar ziemlich nahe der Mittellinie vier
schwarze, dicht bei einander stehende Augenpunkte gewahr werden. Lösen
wir mit einem scharfen Messer die dieselben tragende Hautstelle ab
und richten nun das Mikroskop auf sie, so erblicken wir die zu den
einzelnen Augen gehörigen Linsen, jede in eine besondere dickwandige
Hautkapsel eingeschlossen. Es giebt nur wenige Hydrachniden, bei denen
die Augen in der angegebenen Art und Weise angeordnet und geschützt
sind. Auffallend ist es und mag hier gleich erwähnt werden, dass die
eben dem Ei entschlüpften jungen _Eylaïs_ weit von einander getrennt
aufgestellte Augenpunkte führen, dass also die soeben erwähnte
eigentümliche und von der Regel abweichende Augenstellung erst in
späteren Stadien ihres Lebens und zwar nach der ersten Häutung
beobachtet wird. Es ist dies eine Thatsache, welche bei Beurteilung
der Verwandtschaft unserer Gattung auch mit Landmilben nicht ohne
Bedeutung ist.

  [III] Siehe Anhang.

Hatte die gefangene und in die Glasschale entlassene Milbe, wie eine
kurze Betrachtung bald ergeben wird, auch am vierten Fusse jeder Seite
dichte Büschel von Schwimmborsten, so werden wir eine Vertreterin einer
zweiten wichtigen Gruppe von Süsswassermilben vor uns haben, und zwar
der Gruppe, nach welcher die ganze Familie ihren Namen bekommen zu
haben scheint. Sie ist dann ein Mitglied der Gattung _Hydrachna_[IV],
welche in mehreren sehr stattlichen Arten unsere Gewässer bevölkert.

  [IV] Siehe Anhang.

Die Gattung _Hydrachna_ ist ausgezeichnet durch ihre sehr eigenartige
Mundbildung. Keine andere Süsswassermilbe hat einen ähnlich gebauten,
zu einem Stechorgan umgestalteten Schnabel, welcher sanft gekrümmt
in ansehnlicher Länge zwischen den kurzen Tastern hervorragt. Dieser
Schnabel wird durch die Unterlippe gebildet und stellt eine oben
offene Halbröhre dar, ist selbst scharf zugespitzt, dennoch aber nicht
als eine gefahrdrohende Waffe anzusehen, so wenig wie die beiden
haarscharfen messerartigen eingliedrigen Kiefer, welche in jener
Rinne auf- und abgeschoben werden können. Die Milbe scheint nicht
von tierischer Nahrung zu leben, sondern benutzt ihr umfangreiches
Stechorgan dazu, um Pflanzenstiele anzubohren. Ihre Eier wenigstens
legt sie in Höhlungen, welche sie mittels ihres Schnabels in
Blattstiele von Wasserpflanzen eingebohrt hat. Der kugelförmig
aufgetriebene Körper wird von den weit nach vorn gerückten Füssen nicht
besonders schnell durch das Wasser getragen, er scheint sogar häufig
durch sein Gewicht einen hemmenden Einfluss auszuüben, wenigstens wird
oftmals die Unterseite des Tieres beim Schwimmen von oben her sichtbar.
Auch _Hydrachna_ besitzt, gerade wie _Eylaïs_, Augen, welche paarweise
in eine mit wulstigen Rändern versehene, harte Kapsel eingeschlossen
sind, jedoch stehen die beiden Augenpaare weit von einander entfernt.
Die Bauchfläche trägt jederseits von der Geschlechtsöffnung eine Platte
mit zahlreichen Haftnäpfen, jedoch sind letztere klein und unansehnlich.

Im Gegensatze zu den beiden soeben erwähnten Gattungen, denen in
gewissem Sinne noch zwei andere beigesellt werden können, nämlich
_Hydrodroma_ und _Limnochares_[V], weil sie sechsfüssige Larven von
ausgesprochenem Trombidium-Charakter besitzen, bilden die dann noch
übrigen etwa 24 Hydrachniden-Gattungen eine grössere Abteilung für
sich, da sie viel Verwandtschaftliches zeigen und daher zunächst auch
noch zusammengefasst werden können.

  [V] Siehe Anhang.

Das Hauptmerkmal dieser Gruppe dürfte wohl darin bestehen, dass die
sechsfüssige Larve einen eignen Typus hat, den ich den Nesaea-Typus
nenne, und welcher durch die Abbildung in Fig. 3 _a_ S. 39 dargestellt
ist. Da jedoch diese Larven nicht immer leicht zu beschaffen sind, so
müssen wir wohl damit zufrieden sein, die Milben nach der Form der
Kiefer näher zu bezeichnen. Als Beispiel für die ganze eben in Rede
stehende Süsswassermilbenabteilung gilt die oben näher beschriebene und
abgebildete _Piona flavescens_. Dieselbe besitzt Kiefer, wie sie in
Fig. 3 _b_ zur Anschauung gebracht sind. Dieselben sind zweigliedrig
und das letzte Glied besitzt die Gestalt einer Klaue, wonach die ganze
Kieferart den Namen klauenförmiger Kiefer erhalten hat. Dieselben
werden von der Milbe so getragen, dass die Klauen mit ihrer Spitze nach
oben schlagen. Die ganze Menge der hierhergehörigen Milben zerfällt
in zwei grössere Heerlager, welche wir am einfachsten nach ihrer
äussern Körperhülle in sogenannte Hartschwimmer und Weichschwimmer
zu trennen haben. Hartschwimmer sind solche Süsswassermilben, deren
Körper durch eine feste, allseitig geschlossene wahre Panzerhaut
geschützt ist, während die Weichschwimmer eine solche Verhärtung der
Haut nicht aufzuweisen haben. Bemerkenswert ist es allerdings, dass
auch die jüngsten, dem Ei entschlüpften Larven der Weichschwimmer,
soweit sie zur Beobachtung gekommen sind, eine wenigstens auf dem
Rücken ziemlich weitgehende Hautverhärtung aufzuweisen haben, welche
sich aber in späteren Stadien wieder verliert. Diese Beobachtung wird
zur Beurteilung der wahren verwandtschaftlichen Verhältnisse künftighin
wohl nicht ganz ausser Acht gelassen werden können.

Zu den Hartschwimmern gehört namentlich die ausserordentlich
artenreiche Gattung _Arrenurus_[VI]. Es scheint keinen Teich oder
See zu geben, für welchen sich nicht eine eigentümliche Art dieser
merkwürdigen Gattung aufweisen liesse. Sie ist ganz besonders der
Aufmerksamkeit wert, weil es nach den bisherigen Beobachtungen den
Anschein hat, als wäre sie besonders der Veränderlichkeit unterworfen.
Grünrote, braune, ja ganz bunte Arten derselben wimmeln häufig durch
einander und bereiten, wenn man nur Weibchen vor sich hat, dem
Untersucher fast unüberwindliche Schwierigkeiten. Diese verschwinden
aber sogleich, sobald die Männchen mit ihren so ganz eigentümlich
gebauten Hinterleibsanhängen zu Gebote stehen.

  [VI] Siehe Anhang und Figur 2, _a_, _b_, _c_.

Es bietet sich hier eine passende Gelegenheit, den geschlechtlichen
Unterschieden in der äussern Gestalt, welche bei _Arrenurus_ in
ausserordentlich hohem Masse zu Tage treten, etwas Aufmerksamkeit zu
widmen. Es erscheint wunderbar, dass innerhalb einer und derselben
Tiergruppe diese Unterschiede in so ungleichem Masse ausgebildet
sind, denn während sie bei der eben erwähnten Gattung in einem höchst
bedeutenden Grade vorhanden sind, treten sie bei vielen anderen, die
mit ihr unter nahezu gleichen Bedingungen leben, eigentlich völlig
zurück. Eine Erklärung dieser Thatsachen ist bis jetzt nicht gut zu
erwarten gewesen. Vielleicht lüftet eine fortgesetzte Beobachtung den
über dieser ganzen Frage der geschlechtlichen Formverschiedenheiten
noch ruhenden Schleier. Jedenfalls ist bei _Arrenurus_ diese
Verschiedenheit der Geschlechter am weitesten fortgeschritten und hat
ausser den Füssen, wo sie auch bei anderen Gattungen beobachtet wird,
noch den Rumpf ergriffen, indem ausser ansehnlichen kegelförmigen
Fortsätzen auf dem Rücken namentlich der Hinterrand des Leibes in
mannigfacher Weise umgestaltet ist. In den Abbildungen Fig. 2 S. 24
haben wir einige Formen solcher Schwanzanhänge zur Anschauung gebracht.
Es lassen sich dabei offenbar ganz bestimmte typische Gestalten, die
alsdann in freier Weise variieren, unterscheiden.

[Illustration: Fig. 2.

a _Arrenurus calcarator_.]

[Illustration: b _Arrenurus caudatus_.]

[Illustration: c _Arrenurus albator_.]

So unterscheiden wir eine langgestreckte Schwanzform, wie sie unter
Fig. 2 _b_ von _Arrenurus caudatus_ abgebildet ist, von einer
fischschwanzähnlichen, bei welcher die hinteren Seitenecken in zwei
ansehnliche Zipfel ausgezogen sind, zwischen denen in einer mittleren
Abteilung oft sonderbar gestaltete Fortsätze und Blättchen auffallen.
Ein Beispiel hierfür ist Fig. 2 _c_, _Arrenurus albator_. Eine
dritte Form bietet im ganzen an sich unbedeutendere Anhänge, welche
keine leicht bestimmbare Gestalt besitzen und daher der Beschreibung
Schwierigkeiten entgegenstellen. Einen solchen Anhang zeigt Fig. 2 _a_
von _Arrenurus calcarator_.

Diese Anhänge wie überhaupt die besonderen geschlechtlichen
Eigentümlichkeiten der Gestalt treten erst nach der letzten Häutung des
Tieres hervor und sind auch dann nicht gleich voll entwickelt, sondern
scheinen erst nach und nach ihre endgültige Form anzunehmen. Ausser
durch ihren Schwanzanhang sind die Männchen von _Arrenurus_ noch durch
eine den Weibchen abgehende Bewaffnung des vierten Fusses jeder Seite
ausgezeichnet. Beiden Geschlechtern gemeinsam ist jedoch die bereits
oben berührte starke Ausstattung der hinteren Füsse mit Schwimmborsten,
welche es ihnen ermöglicht, mit ausserordentlich kräftigen Bewegungen
das Wasser zu durcheilen. Ihre Nahrung besteht vornehmlich aus den
kleinsten Bewohnern des süssen Wassers, den Rädertierchen, Daphniden
etc., sie sind leicht in Gefangenschaft zu halten, selbst in sehr
kleinen Aquarien. Drollig nehmen sich beim Schwimmen die Arten mit
einem langen Schwanzanhang aus, indem die verhältnismässig schwachen
Füsse es nicht verhindern können, dass der langgestreckte Hinterleib
gleich einem Pendel fortwährend hin und her schwankt, was dem Schwimmen
einen ungeschickten Anschein verleiht.

Die Grösse der bei uns vorkommenden Arrenurus-Arten ist
ausserordentlich verschieden und schwankt zwischen 2 und ½ _mm_.

Neben dieser sehr artenreichen Gattung _Arrenurus_ sind noch einige
weniger in die Augen fallende harthäutige Hydrachniden erwähnenswert,
so die kleinen bunten Vertreter der Gattung _Axona_[VII]. Sie sind zwar
mit unbewaffnetem Auge kaum wahrzunehmen, zeichnen sich aber einesteils
durch ihre lebhafte Färbung, anderseits aber auch durch die ganz
besonders merkwürdige Gestalt, welche dem vierten Fusse des Männchens
eigentümlich ist, aus. Offenbar ist dieses anhangsreiche Glied dem
Männchen gegeben, um das Weibchen festhalten zu können, doch mag es
auch ein blosser Schmuck sein, der die Weibchen fesselt und anzieht,
wenn man auch zweifelhaft sein könnte, ob diese winzigen Tiere ein so
hohes geistiges Leben entfalten, dass man von Freude am Schmuck bei
ihnen reden kann. Dass jedoch die Milben an und für sich auch tieferen
Gefühlsbewegungen nicht unzugänglich sind, tritt sehr deutlich bei
einer kleinen Landmilbe (_Cheyletus_) hervor, welche ihre in Häufchen
zusammengelegten Eier nicht nur bis zum Ausschlüpfen der Jungen nicht
verlässt, sondern dieselben auch gegen Angriffe tapfer verteidigt.
Wenn dies auch das einzige mir bis jetzt bekannte Beispiel eines
höheren geistigen Lebens bei unserer Tierfamilie ist, so ist es gerade
hinreichend, um überhaupt ein solches bei derselben zu beweisen.

  [VII] Siehe Anhang.

Es bleibt nun noch als letzte Gruppe diejenige zu erwähnen übrig,
welche ich im Gegensatze zu den soeben erwähnten Hartschwimmern als die
Weichschwimmer bezeichnet hatte.

Gemeinsames Kennzeichen ist bei den erwachsenen Tieren dieser Gruppe
eine weiche Körperhaut. Die zahlreichen Gattungen derselben bieten
sonst allerdings sehr mannigfaltige Verschiedenheiten, doch dürfte es
selbst dem geübteren Beobachter ziemliche Schwierigkeiten bereiten,
diese Unterschiede zu bemerken.

Als Repräsentant dieser Gruppe muss wiederum jene oben ausführlicher
erwähnte und auch abgebildete _Piona_ dienen, und es mag genügen,
hier auf sie zu verweisen. Nur einen Punkt möchte ich auch bei
dieser Gruppe besonders hervorheben, nämlich noch einmal die
Gestaltverschiedenheiten, welche man zwischen Männchen und Weibchen
derselben Art beobachtet. Hier sind es besonders und vor allem
die Füsse, welche bei beiden Geschlechtern in auffallender Weise
verschieden gestaltet sind, indem die Männchen mancherlei besondere
Anhänge und Umformungen einzelner Fussglieder aufzuweisen haben.

Wie bei zahlreichen Männchen von Insekten sind nämlich die Füsse hier
in Fangorgane umgestaltet, um die flüchtigen Weibchen festzuhalten.
Allerdings findet dies auch nicht bei allen hierhergehörigen Gattungen
statt, auch ist für zahlreiche Arten überhaupt das Männchen noch
nicht beobachtet, wo es aber bekannt geworden ist, da dient zugleich
auch die besondere Gestalt der Füsse zu einer verhältnismässig
leichten Unterscheidung der oft zahlreichen Arten. So muss es als
feststehend gelten, dass die in unseren Gewässern neben der Gattung
_Arrenurus_ am häufigsten vorkommende Gattung _Nesaea_ bei allen ihren
zahlreichen Arten im männlichen Geschlecht ein umgeformtes drittes
und viertes Fusspaar besitzt. Jeder Fuss des dritten Paares hat ein
keulenförmig gestaltetes Endglied, an welchem auch die Kralle eine
von der gewöhnlichen abweichende Gestalt besitzt, wie sie Fig. 3 _g_
von _Nesaea fuscata_ zeigt. Weiter ist, was auch schon bei geringer
Vergrösserung bemerkt werden kann, das drittletzte Glied an den
Füssen des vierten Fusspaares hufeisenförmig eingebogen und trägt
an den Rändern der Einbuchtung einen Kranz starrer und auffallender
Haarborsten (Fig. 3 _h_).

Einer andersgearteten Umgestaltung des vierten Fusses begegnet man bei
den Piona-Männchen. Es würde jedoch zu weit führen, wenn hier noch mehr
in Einzelheiten eingegangen würde.

Jedoch noch einer besonderen Erscheinung, welche bei Männchen und
Weibchen einer kleinen Gruppe von Gattungen beobachtet wird, kann ich
nicht unterlassen Erwähnung zu thun, weil sie zeigt, wie sonderbar oft
die Richtung zu sein scheint, in welcher die Umformung der Gestalt
fortschreitet. Hier handelt es sich auch um eine Eigentümlichkeit
der Füsse. Es ist Regel, dass die Hydrachniden an sämtlichen acht
Füssen deutliche und wohl ausgebildete Krallen tragen. Die Abbildung
Fig. 3 _d_ zeigt eine solche von _Nesaea fuscata_. Jene kleine
Gruppe von Milben, zu denen unter anderen die in unseren Gewässern
häufig gefundene Gattung _Limnesia_[VIII] gehört, hat nun diese Krallen
an den beiden vierten Füssen durchaus eingebüsst. Hier endigt das
letzte Fussglied mit einer stumpfen kegelförmigen Spitze. Allerdings
beobachtet man leicht, dass bei zahlreichen Wassermilben die Krallen
an den vierten Füssen ungleich kleiner sind als namentlich am zweiten
und dritten Fusspaar aber sie sind stets gut ausgebildet und zeigen
auch die für die Gattung charakteristische Form. Wie lässt es sich hier
nun erklären, dass sie bei _Limnesia_ völlig fehlen. Nur als Vermutung
könnte angeführt werden, dass _Limnesia_ das vierte Fusspaar niemals
zum Festklammern des Körpers benutzt, sondern stets in schwingende
Bewegung setzt, sobald sie vom Schwimmen ausruht, vielleicht um das
Wasser um den Leib in Zirkulation zu bringen.

[VIII] Siehe Anhang.]

Im Anschluss an die soeben, wenn auch nur in flüchtigen Umrissen
gegebene Übersicht der Hauptformen unserer Süsswassermilben möge ein
kurzes Wort über ihren Aufenthalt, ihre Verbreitung und allgemeine
Lebensweise folgen. Zwar sind auch über diesen Punkt die Beobachtungen
nur wenig umfassend, aber so weit sie ein Urteil zulassen, darf
man wohl sagen, dass die Hydrachniden stehende klare Gewässer den
fliessenden vorzuziehen scheinen. Auch trifft man in grösseren
Wasserbecken, deren Ufer durch die offenbar von Wind und Wellenschlag
herrührenden zerstörenden Einflüsse des Wassers mit absterbenden
Pflanzenresten bedeckt, auch häufig mit moderndem Schlamm überzogen
sind, viel seltener Milben an, als in den kleinen mit dichtem
Wasserpflanzengebüsch durchsetzten Weihern und Teichen. Hier, wo die
kleinen Kruster, wie Daphniden und Cyclopiden, ihr Wesen treiben, wo
die Mücken und zarten Netzflügler ihre Eier massenhaft ablegen, wo
zahllose Infusorien an den Wasserpflanzen auf- und niederfahren, da
finden unsere zumeist vom Raube lebenden Hydrachniden ein geeignetes
Jagdgebiet, welches sie in allen Stadien ihrer Entwickelung in meist
rastloser Eile durchlaufen, den Beobachter in Erstaunen setzend über
die Ausdauer und Kraft ihrer Muskeln, welche, am Tage und oft auch
des Nachts angestrengt, dennoch nicht ermüden und in gleichmässiger
Schnelligkeit den Körper von Ort zu Ort führen. Doch ist es nicht nur
die Reichhaltigkeit der Nahrung, es ist auch die bald höher steigende
Temperatur solcher stehenden Gewässer, welche offenbar unseren Milben
sehr angenehm ist. Beobachtet man doch, dass, wenn im Hochsommer die
kleinen Wasserbecken bis auf zwanzig und mehr Grad erwärmt werden,
die Scharen, namentlich der Arrenurus-Arten, ganz ausserordentlich
anwachsen. Wie die Ameisen im Sonnenbrand nur um so rastloser ihren
Zwecken und Pflichten nachgehen und für den Beschauer ein Schwindel
erregendes Gewimmel hervorbringen, so jagen sich die roten, grünen und
bunten Hartschwimmerarten durch die untergetauchten Wasserpflanzen
und fallen massenhaft dem Sammler ins Netz. Übereinstimmend hiermit
ist die von einem Beobachter gemachte Bemerkung, dass die höher im
Gebirge gelegenen Teiche gewöhnlich arm an Wassermilben sind, weil
die Temperatur derselben selbst im Sommer eine verhältnismässig
niedrige ist. Dass die Milben allerdings auch in kaltem Wasser gut
zu leben vermögen, beweist der Umstand, dass man schon sehr früh
im Jahre, wenn das Eis noch auf dem Wasser steht, reichliche Beute
findet und zwar nicht bloss erwachsene Tiere, sondern solche auf allen
Entwickelungsstadien. Daher ist es wohl möglich, dass die niedrigere
Temperatur der Gebirgsteiche die den meisten Milben zur Nahrung
dienenden Kruster, sowie andere zartere Geschöpfe, die von ihnen
verfolgt werden, nicht recht zur Entwickelung kommen lässt, so dass
das Fehlen zahlreicher Milben erst hieraus zu erklären wäre. Diese
letztere Ansicht wird vielleicht durch eine Beobachtung unterstützt,
welche aus südlicheren Gegenden stammt, wo überhaupt wohl auch in
kühlerem Wasser reicheres Leben zu finden ist, so dass auch Milben
darin nicht zu darben brauchen. So hat der französische Naturforscher
+Th. Barrois+ während einer der Erforschung der Azoren gewidmeten
Reise eine Hydrachnide beobachtet, über deren Lebensgewohnheiten er
sich folgendermassen auslässt: „Ich fand diese Art stets in rasch
fliessendem, wenig tiefem Wasser der Quell- und Sturzbäche, welche von
den Bergen herabkommen, um entweder in einen See, was indessen nicht
oft vorkommt, oder sogleich ins Meer sich zu ergiessen, und deren Bett
zahlreiche Kieselsteine enthält. Obgleich die Tiere sehr gute Schwimmer
sind, so habe ich sie niemals mit dem Netz gefangen; sie leben vielmehr
auf der Unterseite der Steine, wo sie in Gruppen von fünf, sechs,
zehn und noch mehr zusammen sich in die Löcher der basaltigen Laven
festsetzen, um nicht von dem Strome mit fortgerissen zu werden. Die
Temperatur dieser Bäche und Flüsschen ist sehr niedrig und steigt auch
im August und September höchstens auf 15½°. Die Verbreitung dieser Art
in vertikaler Richtung bietet grosse Unterschiede. Ich habe sie fast
unmittelbar am Meer gesammelt und auch in einer Höhe von 800 Metern“.
Hierbei wird noch eines besonders merkwürdigen Umstandes wie folgt
gedacht: „Obwohl die beobachtete Milbe in grosser Menge in gewissen
Giessbächen lebt, welche sich in Seen ergiessen, so findet sie sich in
diesen Seen selbst niemals. Zur Erklärung dieses gewiss auffallenden
Vorkommnisses lässt sich Folgendes etwa anführen: Unsere Hydrachnide
liebt sehr flache, sprudelnde, reine Gewässer. Man trifft sie niemals
in Lachen. Nun sind die Seen ruhig und führen weniger klares und
reines Wasser als die Bäche, denn die darin befindlichen Steine sind
meist mit einer mehr oder weniger dicken Schicht von Schlamm bedeckt,
welchen man sehr selten an den von den Milben besetzten Lavaschlacken
der Bäche findet. Vor allem muss man aber in dem Temperaturunterschied
der Seen und Bäche den Grund für die Abwesenheit der Milben in den
ersteren suchen. Denn in dem See steigt die Wassertemperatur wohl um
9° höher als in dem Zufluss. Der schroffe Wechsel der Temperatur wird
denjenigen Milben, welche von dem Bache mit in den See hinabgerissen
werden, verderblich, denn sie sind überhaupt sehr empfindlicher Natur.
Es ist mir mehrere Male bei meinen Ausflügen vorgekommen, dass ich
versucht habe, sie lebend heimzubringen, aber fast regelmässig fand
ich sie trotz aller Vorsicht tot vor“. So empfindlich wie die soeben
angeführte Bewohnerin der Azoren sind nun freilich die meisten unserer
Hydrachniden nicht. Zumal gegen erwärmtes Wasser zeigen, wie schon
erwähnt, die meisten der unsere Kleingewässer, namentlich die Teiche
und Weiher, bewohnenden Milben eine starke Widerstandsfähigkeit.
Jedoch wird es noch immer ausgedehnter Beobachtungen bedürfen, um die
Einflüsse der Temperatur auf das Leben unserer Wassertiere genauer
kennen zu lernen.

Mit den Azoren ist wohl die von Europa fernste Station, auf welcher
Süsswassermilben beobachtet worden sind, genannt worden. Steht es
überhaupt mit der Kenntnis der Acariden in den aussereuropäischen
Ländern ziemlich schlecht, so sind die Gebiete, in denen man sich nach
den im süssen Wasser lebenden Milben umgesehen hat, im wesentlichen
in Europa zu suchen und auch da sind noch die meisten Strecken
unerforscht. Es folgt fast naturgemäss aus diesem Umstande, dass
das Wissen über diese Tiergruppe ein in jeder Beziehung durchaus
lückenhaftes sein muss. Allerdings scheinen ja, und das gilt auch
von sehr zahlreichen Landmilben, die einzelnen Gattungen und Arten
sehr grosse Verbreitungsgebiete zu besitzen, aber dennoch ist noch
überall das Fehlen gewisser an anderen Orten vorkommender Formen ausser
Zweifel, und es trifft auch hier die Wahrnehmung zu, dass der Süden an
Formen reicher ist, als der Norden.

Halten wir eine Überschau ab über die Gegenden, welche überhaupt
nach Süsswassermilben durchsucht sind, so sind zu nennen zahlreiche
schwedische Gewässer (durchforscht von +C. J. Neuman+), ein Teil
der norditalienischen (d. v. +J. Canestrini+ und +A. Berlese+), die
Schweizer Seen (d. v. +G. Forel+ und +G. v. Haller+), die nordöstlichen
Gebiete Frankreichs (d. v. +J. Barrois+) und manche Gebiete
Deutschlands (d. v. +C. L. Koch+, +Koenike+, +Kramer+).

Wie es aber bei einer erst beginnenden Erforschung einer Tierklasse
fast natürlich ist, haben sich die meisten Beobachtungen zunächst
auf die äussere Erscheinung der Hydrachniden gerichtet, die
Lebensbeziehungen dagegen sind zum grösseren Teil noch übersehen
worden. Dennoch lässt sich Einiges auch bereits jetzt hierüber sagen.

Zunächst hat sich wohl als unzweifelhaft ergeben, wie auch schon
weiter oben betont worden ist, dass die Hydrachniden auf Grund ihrer
Entwickelungsgeschichte in zwei Gruppen gesondert werden können, welche
sich durch die Lebensweise ihrer sechsfüssigen ersten Larven ergeben.
Die eine Gruppe besitzt Larven, welche Gestalt und Lebensweise der
Trombidiumlarve zeigen, die anderen nicht. Man kann es nämlich wohl
als Regel aufstellen, vorbehaltlich freilich einer erst in Zukunft zu
gewinnenden ganz allgemeinen Bestätigung, dass die trombidiumartigen
Milben während ihrer ersten Jugend vom Blute anderer Tiere, namentlich
der Insekten, leben und sich daher an solche ansaugen. Erst nachdem
sie die erste Häutung überstanden haben, führen sie nicht mehr ein
parasitisches, sondern ein freies Leben. Solche Lebensweise führen nun
die Jungen von _Hydrachna_, _Eylaïs_ und _Limnochares_ und, soweit
ich sehe, auch von _Hydrodroma_, einer schön scharlachroten, ziemlich
ansehnlichen Wassermilbe. Die Beobachtungen sind bei den soeben namhaft
gemachten Acariden noch keineswegs in gleichem Masse vollständig, ganz
abgeschlossen dürften sie vielmehr nur bei der Gattung _Hydrachna_
sein, jedoch unterliegt es keinem Zweifel mehr, dass bei allen die
Übereinstimmung in der Hauptsache der Entwickelung, der parasitischen
Lebensweise, eine sehr weitgehende ist.

Die Jungen von _Hydrachna_ bleiben von dem Augenblick des Ausschlüpfens
aus dem Ei im Wasser, dagegen steigen die der drei anderen Gattungen
möglichst bald an die Oberfläche und machen ausgiebigen Gebrauch
von ihren Rennbeinen, indem sie mit einer fast staunenswerten
Geschwindigkeit auf dem Wasser und den Pflanzen des Ufers auf und ab
eilen, um Insekten zu suchen, welche sie besteigen können. Die Larven
von _Limnochares_ nehmen z. B. die ebenfalls auf der Wasseroberfläche
lebenden Schreitwanzen zu erwünschten Nährtieren und bohren sich in
die weichen Chitinskelettpartien ein. Bei den Larven von _Hydrodroma_
bot sich noch ein anderes Schauspiel, als ich Gelegenheit hatte, einen
auskriechenden Schwarm von jungen Tieren zu verfolgen. Nachdem sie an
die Oberfläche des Wassers emporgekommen waren und ich die Tierchen
sammeln wollte, um sie an Blattläusen sich festsaugen zu lassen, musste
ich zu meinem Erstaunen bemerken, dass sie die Fähigkeit besassen in
mächtigen Sprüngen fortzuhüpfen. In kurzer Zeit war daher der ganze
Schwarm zerstreut und den Blicken völlig entschwunden.

Die sechsfüssigen Larven der übrigen Hydrachniden leben, im Gegensatze
zu den eben namhaft gemachten, frei schwimmend im Wasser und nähren
sich vom Raube. Sie besitzen daher eine dieser Lebensweise angepasste
Gestalt, welche zwar ebenfalls von der künftigen des erwachsenen Tieres
abweicht, aber namentlich in der Bildung der Füsse ganz verschieden
ist von den Larven obiger Arten. Eine bemerkenswerte Ausnahme von
dieser Lebensweise beobachten wir nur bei einigen Arten der Gattung
_Atax_[IX]. Von den bisher bekannten sieben oder acht Arten dieser
Gattung führen etwa drei oder vier ein vollständig freies Leben,
während die anderen Arten sich einer ausschliesslich parasitischen
Lebensweise ergeben haben. Diese Arten hausen von Generation zu
Generation zwischen den Weichteilen der Teich- und der Malermuschel und
verlassen ihr Wohntier wahrscheinlich nur während ihrer Larvenzeit,
um ein neues aufzusuchen. Dabei sei gleich erwähnt, dass durch das
parasitische Leben sich eine bestimmte Veränderung ihres Organismus
eingestellt hat, wenigstens möchte ich dieselbe damit in ursächlichen
Zusammenhang bringen. Während nämlich die frei lebenden Hydrachniden
sämtlich, soweit die Beobachtungen reichen, ein wohl ausgebildetes
Atmungssystem haben, fehlt den parasitischen Atax-Arten jede Spur von
Tracheen und der mit den Luftlöchern in Verbindung stehende Hauptstamm
ist auf ein ausserordentlich geringfügiges Stückchen zurückgebildet,
so dass man fast von einem vollständigen Fehlen desselben reden
kann. Ob es nun der Aufenthalt in einer so schleimigen und luftarmen
Flüssigkeit, wie sie die Muscheln erfüllt, mit sich gebracht hat, dass
das Atmungsorgan ausser Thätigkeit gesetzt wurde und daher verkümmerte,
darüber eine bestimmte Ansicht auszusprechen scheint noch nicht der
rechte Zeitpunkt gekommen zu sein.

  [IX] Siehe Anhang.

Wenn uns die parasitischen Atax-Arten schon darauf führten, von
der Auswanderung von einem Wohntier auf ein anderes zu reden,
so dürfte es an der Zeit sein, überhaupt die Verbreitung der
Süsswassermilben aus ihren doch meist eng begrenzten heimatlichen
Wasserbecken in andere etwas näher zu betrachten. Ich komme dabei
auf die Beobachtungen des Dr. +Th. Barrois+, die er auf den Azoren
gemacht hat, noch einmal zurück. Er traf dort zwei Gattungen an und
unter diesen eine, welche ja allerdings allgemein verbreitet ist,
deren Arten aber nicht gerade zu den allergewöhnlichsten gehören.
Er fand stets sehr zahlreiche Exemplare der diesen beiden Gattungen
angehörigen Milben in den dortigen Bächen an. Dies hatte wohl seinen
Grund darin, dass die Gewässer der vulkanischen Azoren in der ersten
Periode des Bestehens dieser aus dem Ozean aufgetauchten Inseln wohl
noch völlig unbevölkert gewesen sind. Erst nach und nach werden
dorthin verschlagene Süsswasserbewohner von dem neuen Gebiet Besitz
genommen und frei von aller Konkurrenz sich rasch vermehrt haben.
Wie lässt es sich wohl erklären, dass sich auch die immerhin zarten
Wassermilben dabei beteiligten? Unter allen Umständen wird die
Verbreitung derselben dorthin auf mechanische Ursachen zurückzuführen
sein. Durch irgend einen Besucher oder Bewohner eines schon von ihnen
besetzten Süsswasserbeckens muss ihre Überführung in ein von ihnen
noch nicht bewohntes vermittelt worden sein, sobald der natürliche
Lauf der Gewässer auch bei Überschwemmungen die neue Heimat mit der
alten nicht in Verbindung zu setzen vermochte. Als Dr. +Barrois+,
um über die Verpflanzung seiner Sperchon-Arten nach den Azoren ins
Klare zu kommen, die dortigen Gewässer aufmerksam durchforschte,
fand er ausser den Milben vor allen Dingen zahlreiche Wasserwanzen
von der Gattung _Corixa_ vor. Die Wasserwanzen können, wie sämtliche
entwickelte Wasserinsekten, lange Stunden ausserhalb des Wassers
leben, denn sie sind ja eigentlich Lufttiere und gehen nur um ihrer
Nahrung willen ins Wasser. Sie machen auch grosse Flüge, namentlich
bei Nacht, um aus einem Becken in ein anderes zu gelangen, wobei sie
wahrscheinlich einem scharfen und sicheren Geruch folgen. Solche
fliegende Wasserinsekten werden unter Umständen ganz ebenso, wie
Schmetterlinge und Heuschrecken, vom Winde erfasst und aufs Meer
hinausgetrieben, wobei sie wohl meist zu Grunde gehen, gelegentlich
aber auch einsam daliegende Inseln erreichen, deren Gewässer sie dann,
wenn es gerade mit befruchteten Eiern beladene Weibchen waren, nun
mit ihrer Nachkommenschaft bevölkern können, vorausgesetzt, dass die
Lebensbedingungen sonst ihrem Körper entsprechen. Auf diese Art und
Weise werden die Wasserwanzen wahrscheinlich nach den Azoren gekommen
sein.

Nun haben schon häufig Beobachter bemerkt, dass die zur Larvenruhe
gelangten noch unentwickelten Milben sich an solche Wasserwanzen, wie
eben beschrieben, anheften, um daselbst ihre Verwandlung unter dem
Schutze der alten Larvenhaut durchzumachen. So kann es leicht gekommen
sein, dass eine Wasserwanze, welche solche Larven von Wassermilben
an sich trug, vom Winde nach den Azoren verschlagen wurde. Wenn
dann die angeheftete Wassermilbenlarve während der gewiss längeren
Reise nicht ganz austrocknete, so wird sie, nachdem ihr Träger eine
neue Heimat in irgend einem Gewässer der Azoren gefunden hatte,
dort nach einiger Zeit ausschlüpfen und, wenn Männchen und Weibchen
gleichzeitig hinübergetragen worden sind, ihre Art in den Flüsschen
der Azoren weiter fortpflanzen müssen. Nun hat Dr. +Barrois+ bemerkt,
dass die in Larvenruhe verfallenen Larven des ersten Stadiums gegen
Austrocknung mehr Widerstand entgegensetzen, als es der sonst sehr
zarte Körper der Hydrachniden vermag, und dass daher obige Art und
Weise die wahrscheinlichste sei, wenn man sich die Verbreitung der
Süsswassermilben über das Meer hinüber erklären will. Gewiss ist
dies wohl eine Möglichkeit, aber doch keineswegs eine so einzig
gültige, dass man annehmen müsste, die ersten Larven der Wassermilben
hätten überhaupt die Gewohnheit angenommen, sich namentlich an
Süsswasserinsekten festzusetzen, um dort ihre Larvenruhe abzumachen,
und diese Gewohnheit bringe es nun mit sich, dass die während der
Larvenruhe gegen das Austrocknen besser gewappneten Tiere von den
ausfliegenden Wasserinsekten auch dorthin transportiert würden,
wohin sie auf gewöhnlichem und ihrer Organisation entsprechendem
Wege nicht gelangen könnten. Es sind die Möglichkeiten, eine weit
entfernte Station zu erreichen, so mannigfaltige, dass es unserem
Ermessen nach noch nicht thunlich ist, zu betonen, dass es die auf
den Azoren gefundene _Corixa_ ist, welche zu der Zeit, wo sie selbst
durch Zufall die Azoren erreichte, auch die Sperchon-Art mit nach
dem neuen Aufenthaltsorte hinüberbrachte. Es ist ja gewiss, dass
im Verlauf der Jahrtausende, welche seit dem Auftauchen der Azoren
aus dem Meere verstrichen sind, oftmals eine _Corixa atomaria_ von
Portugal hinübergeführt sein kann und dass immer einmal wieder ein
_Sperchon glandulosus_ an ihr angeheftet gewesen sei. Wenn man diesen
Umstand aber immer wieder durchdenkt, so wird man immermehr zu der
Überzeugung sich hinneigen, dass diese Möglichkeit ja allerdings
wohl vorliegt, dass aber ebensosehr auch Wasservögel, welche, wie
+Barrois+ in einer Anmerkung selbst hervorhebt, an ihren Füssen und
Schnäbeln so häufig Reste von Pflanzen aus süssem Wasser mit sich
führen, die Vermittler sein können, ja, dass es nicht bloss Larven zu
sein brauchen, welche in die neue Heimat hinübergeführt worden sind,
Larven, die der Gefahr der Unfruchtbarkeit ausgesetzt sind, sondern in
den feucht bleibenden vegetabilischen Resten im Schnabel und an den
Zehen können die erwachsenen Tiere ebensogut der neuen Heimat zugeführt
werden. Zudem sind auch nicht alle Beobachter darin übereinstimmend,
dass die Wassermilben, wenn sie ihrem feuchten Elemente entnommen
sind, dem Eintrocknen so leicht erliegen. +Claparède+, der bedeutende
Genfer Naturforscher, hat vielmehr an der die Teichmuschel parasitisch
bewohnenden Atax-Art gefunden, dass sowohl Muttertiere als Eier
sehr lebenskräftig sind. In den Muscheln, die wochenlang ausserhalb
des Wassers in der Dürre gelegen und halb ausgetrocknet dem Tode
entgegengehen, fand er die Milben zwar durch Verdunstung erstarrt,
jedoch beim ersten Wasserzusatz sehr schnell wieder lebendig und die
Eier entwickelungsfähig werden.

Es ist also nicht ausgeschlossen, dass die Besiedelung der mitten
im Meere gelegenen Inseln mit Süsswassermilben unmittelbar durch
Überführung fortpflanzungsfähiger Individuen geschehen sei und
noch geschieht. Es wird sogar die Verbreitung der das süsse Wasser
bewohnenden Milben im allgemeinen überhaupt so gedacht werden müssen,
dass erwachsene Weibchen, nicht unbefruchtete und unfruchtbare Larven,
auf mechanischem Wege von Wasserbecken zu Wasserbecken getragen werden
und so ihre Art in Gebieten, wo dieselbe noch nicht vertreten war,
heimisch machen.

Es bleibt uns nun endlich noch ein wichtiger Gegenstand zur Besprechung
übrig, nämlich die Entwickelung des Einzeltieres vom Ei bis zum
erwachsenen Zustand.

Für jedes Lebewesen ist es eine der wichtigsten Aufgaben, seine
Art durch Nachkommen zu erhalten. Daher ist für den aufmerksamen
Naturfreund die Fortpflanzung und Entwickelung des Einzeltieres ein
Gegenstand des grössten Interesses.

Bei den Milben ist nun gerade die Entwickelungsgeschichte noch sehr des
weiteren Studiums benötigt, jedoch ist namentlich für die Hydrachniden
das Beobachtungsmaterial nicht ganz unerheblich, so dass es gelingen
wird, ein Bild des Entwickelungsganges einer Wassermilbe in grossen
Zügen zu entwerfen.

Ich wähle zwei Beispiele, nämlich die Entwickelung der in unseren
heimischen Gewässern häufigsten kleinen rotbraunen Wassermilbe, _Nesaea
fuscata_ Koch, welche für die Mehrzahl aller anderen als Muster dienen
kann; daran mag sich die schon seit langer Zeit bekannte Entwickelung
der kugeligen Wassermilbe, _Hydrachna globosa_ Dugès, anschliessen.

Die Eierchen der rotbraunen Wassermilbe werden in Häufchen bis zu
dreissig und mehr an Wasserpflanzen oder an Steinen des Wassergrundes
gelegt. Es trifft sich wohl, dass man ein Weibchen bei seinem Geschäft
der Eiablage genauer beobachten kann. Es legt die Eier in lockeren
Haufen, dabei meist rückwärts schreitend und sie in schneller Folge
aus dem Körper hervorstossend. Die roten Eierchen sind dabei von einer
sehr dünnen weisslichen Schicht umgeben. Dieses ist die klebrige
Kittsubstanz, welche jedem Ei mitgegeben wird. Schnell quillt dieselbe
im Wasser auf, und während die letzten Eier gelegt werden, hat sich
bei den ersten bereits ein breiter weisser Hof um dieselben gebildet.
Nach Verlauf einiger Stunden sind die Zwischenräume zwischen den Eiern
völlig von der Kittsubstanz ausgefüllt, die Eierchen ruhen jetzt, zu
einem einzigen Häufchen verschmolzen, unter einer im Wasser vollends
erhärtenden Hüllschicht.

Nach gemessener Zeit hat sich aus dem ursprünglichen Eiinhalt der
sogenannte Embryo gebildet, zu gleicher Zeit ist aber auch noch eine
zweite, innere Eihaut entstanden, welche sich nach und nach bedeutend
ausdehnt und sich, weil sie innerhalb der harten äusseren Eischale
keinen genügenden Raum findet, bald in viele Falten legt. Jetzt platzt
die harte äussere Eihaut, die zweite dehnt sich durch Aufsaugen von
Wasser sehr rasch aus und glättet sich vollkommen. So geschieht
es, dass der Beobachter ein neues, sehr viel grösseres Ei aus dem
ursprünglich gelegten hervorgehen sieht. Die Gestalt desselben ist in
Fig. 3 _f_ dargestellt. Ein solcher Vorgang, dass aus einem Ei nicht
ein entwickeltes Tier mit freibeweglichen Gliedmassen hervortritt,
sondern ein zweites Ei, ist bisher bei den Milben nicht selten
beobachtet worden, jedoch scheint er nur bei den Acariden verbreitet zu
sein und zwar bei den trombidiumartigen Milben ganz besonders. So habe
ich ihn bei den oben bereits einmal erwähnten _Cheyletus_ vorgefunden.
Hier entwickelt das Ei eine innere Eihaut, welche an einer bestimmten
Stelle einen scharfen Stechapparat besitzt, der zur bestimmten Zeit die
alte Eihaut durchsticht, um dem sogenannten zweiten Ei den Austritt zu
gestatten. Bei _Nesaea_ fallen die alten Eischalen einfach ab, indem
sie durch die aufschwellende noch in der zweiten Haut befindliche junge
Milbe gesprengt werden.

Ist nun die Larve innerhalb dieser zweiten Eihaut entsprechend
entwickelt, so sprengt sie dieselbe, was etwa nach vierzehn Tagen
geschieht. Für die ausgeschlüpften Larven ist es aber keine leichte
Arbeit, ganz frei zu werden, denn noch trennt die erhärtete
Oberflächenschicht der Kittsubstanz die Tierchen von ihrem Element.
Durch die unruhige Bewegung zahlreicher Füsse wird die innere Masse
der Hüllsubstanz bald zerbröckelt, so dass die immer zahlreicher
ausschlüpfenden Larven durch einander kriechen und drängen; aber noch
ist ein Ausweg nicht gefunden.

[Illustration: Fig. 3.

_a_ Erste Larve von _Nesaea fuscata_, von der Bauchfläche aus
betrachtet -- _b_ Mundschnabel derselben, von der Seite, mit Taster (α)
und Kiefer (β) -- _c_ Fusskralle derselben Larve -- _d_ Fusskralle der
erwachsenen _Nesaea_ -- _e_ Zweite Larve von _Nesaea fuscata_ -- _f_
Aus der gesprengten ersten Eischale tritt das zweite eiförmige Stadium
hervor. Der Embryo mit deutlichem Rücken- und Bauchschild ist von dem
Apoderma umhüllt -- _g_ Endglied des dritten Fusses vom erwachsenen
Männchen der _Nesaea fuscata_ -- _h_ Vierter Fuss desselben Männchens
-- _i_ Weibliche Geschlechtsöffnung von _Nesaea fuscata_ mit den
Haftnäpfen -- _k_ Männliche Geschlechtsöffnung von _Nesaea fuscata_ mit
den Haftnäpfen.]

Endlich hat eine auch glücklich die äussere Hüllschicht an einer
besonders nachgiebigen Stelle durchbrochen und enteilt in die freie
Flut. Dies glückt zuletzt allen, aber es geht manche Stunde darüber
hin, bis die letzte Milbe dem Gefängnis entronnen ist. Und vielleicht
würde es noch länger dauern, ja mancher gar nicht gelingen, wenn nicht
die Taster unserer jungen Milben auf dieser ersten Entwickelungsstufe
eine von der späteren Gestalt sehr abweichende und für die Sprengung
eines entgegenstehenden Hindernisses sehr geeignete Form und Bewaffnung
hätten (Fig. 3 _b_). Sie sind sehr dick und nehmen eine starke
Muskulatur auf, so dass sie sehr kräftige Bewegungen zulassen. Am
vorderen Ende des letzten der sehr gedrungenen Glieder bemerkt man
eine grosse, stark gekrümmte Hakenkralle, die wie eine Hippe in die
Hüllmasse der Eier einsetzen und dieselbe aufreissen kann. Auf späteren
Entwickelungsstufen werden die Taster schlank und jene Krallen sind
ganz verschwunden. Das Tierchen bedarf ihrer später nicht mehr. Nicht
unerwähnt darf ich hier allerdings lassen, dass es auch Nesaea-Arten
giebt, bei denen die sechsfüssigen Larven die Freiheit nicht mehr
gewinnen, sondern noch unter der Kitthülle ihre nächste Häutung
durchmachen.

Wie es bei den Milben als Regel anzusehen ist -- Ausnahmen sind
ungemein selten --, hat unsere junge Larve (Fig. 3 _a_) nur sechs
Füsse, jederseits drei, mit denen sie das Wasser lebhaft tritt,
um schnell vorwärts zu eilen. Die grossen, als schwarze Pünktchen
hervortretenden Augen bestimmen Richtung und Ziel der kräftigen
Schwimmbewegung.

Wendet man eine hinreichende Vergrösserung an, so bemerkt man bald,
dass diese erste, jüngste Larve auch noch in anderer Hinsicht, nicht
nur mit Rücksicht auf die Taster, gegen die späteren Larvenstufen
recht hervorstechende Verschiedenheiten zeigt, welche schon nach der
nächsten Häutung verschwinden. So ist der ganze Rücken durch eine vorn
breitere, hinten etwas zugespitzte härtere Deckplatte geschützt (Fig.
3 _f_). Eine solche findet sich bei den erwachsenen Tieren zahlreicher
Wassermilbenarten auch nicht mehr andeutungsweise; bei anderen ist ein
geringfügiger Rest übrig geblieben (_Hydrodroma_) und bei einer nur
geringen Anzahl Arten ist die Verhärtung der Rückenhaut eine für alle
Lebensstufen dauernde.

Die Unterseite unserer jungen Larven (Fig. 3 _a_) ist von der der
späteren Larvenstufen und der erwachsenen Tiere zwar auch verschieden,
doch finden sich die auch später beobachteten Verhältnisse im
allgemeinen hier wieder vor. Auffallend ist dagegen, dass die den
Wassermilben so eigentümlichen sogenannten Haftnäpfe hier noch völlig
fehlen. So stellt die erste jüngste Larvenform eine sehr eigenartige
Entwickelungsphase dar und es kommt in der That bei dem Übergang zur
zweiten Larvenform zu einer in jeder Beziehung sehr durchgreifenden
Gestaltveränderung.

Etwa fünf oder sechs Tage, nachdem das Tierchen sich aus der Eihülle
befreit hat, stellen sich die Vorboten dieser Verwandlung ein. Die
Milbe fühlt wohl selbst, dass mit ihr etwas Bedeutsames vorgehen soll
und hängt sich, um die inneren Entwickelungsvorgänge ungestört ablaufen
zu lassen, mit ihren Tastern an irgend einem geschützten Orte fest an.
Die Glieder werden bewegungslos und die innere Körpersubstanz zieht
sich aus ihnen zurück, eine rundliche von der alten Haut umschlossene
eiartige Masse bildend. Ähnliches wiederholt sich später ebenso bei
der zweiten noch eintretenden Häutung und wird auch bei der grossen
Mehrzahl der Land und Wasser bewohnenden Milben beobachtet, wenn es
auch nicht durchaus bei sämtlichen zu einer völligen Zurückziehung des
Körperinhalts aus den Gliedern kommt.

Es gestaltet sich während der jetzt eben in Rede stehenden Larvenruhe
unter der alten Haut eine neue Milbe aus. Man beobachtet deutlich die
neuen Glieder durch die durchsichtige, nun bloss noch einen Schutz
für das zarte neue Geschöpf abgebende bisherige Haut hindurch. Nach
wenigen Tagen ist es soweit, dass das eingeschlossene Tier die Hülle
sprengen kann. Statt einer sechsfüssigen Acaride tritt eine achtfüssige
aus der Larvenhaut hervor (Fig. 3 _e_). Und während vorher die sechs
Füsse ausserordentlich dünn und verhältnismässig kurz waren, fällt
jetzt die Länge der acht neuen Füsse auf. Dieselbe übersteigt um ein
Bedeutendes die Gesamtlänge des Rumpfes und giebt dem ganzen Tier etwas
Schlankes und Zierliches. Das Rückenschild ist bis auf die letzte Spur
verschwunden und auf der Unterseite sieht man ausser den völlig anders
geformten grossen Hüftplatten noch jederseits von der kaum angedeuteten
Geschlechtsöffnung ein schräg gestelltes Plättchen, welches zwei
deutlich ausgebildete kreisrunde Haftnäpfe trägt. Noch ein Blick auf
die Füsse belehrt uns, dass nicht nur reichliche Schwimmborsten die
mittleren Glieder derselben schmücken, zwar noch nicht so zahlreiche
wie beim erwachsenen Tier, aber doch schon genau ebenda aufgestellt wie
bei diesem, sondern dass auch die Krallen eine ganz veränderte Form
bekommen haben. Fig. 3 _c_ zeigt die Kralle der ersten Larve, während
Fig. 3 _d_ diejenige aller späteren Lebensstufen darstellt, besser als
eine Beschreibung es zu geben vermag. Die grösste Veränderung hat aber
der Mundabschnitt erfahren. Der lange Schnabel ist verschwunden und die
Taster sind langgestreckt und schlank, auch fehlt ihnen die scharfe
Kralle, welche den ersten Larven so eigentümlich ist. Einem genaueren
Beobachter entgeht auch nicht, dass die grosse Pore, welche bei
letzterer zwischen den Hüftplatten des ersten und zweiten Fusses stand,
jetzt ganz verschwunden ist. Dies hängt wohl mit der auffallendsten
der inneren Veränderungen zusammen. Jetzt hat nämlich die junge Milbe
zahlreiche Luftröhren bekommen, welche alle von zwei am Grunde der
Kiefer ausmündenden Hauptstämmen ausgehen. Mit dieser Larvenform,
welche in Fig. 3 _e_ abgebildet ist, ist für die Hydrachniden die
letzte Stufe vor der ganz ausgebildeten Form erreicht. Es ist dies
keineswegs Gesetz in dem ganzen Reiche der Acariden, dass zwischen
Ei und erwachsenem Tier nur zwei Larvenstadien eingeschaltet sind.
Vielmehr zeigen zahlreiche Gattungen, namentlich aus den Familien der
Hartmilben und Tyroglyphus-artigen Milben drei und mehr Larvenstadien
zwischen Ei und erwachsenem Tier, so dass es ein interessantes
Gebiet der Forschung ist, entweder die Gründe einer so eingreifenden
Verschiedenheit der Entwickelungsgeschichte innerhalb der Familie der
Acariden darzulegen oder durch richtigere Auffassung der bestehenden
Verhältnisse eine Übereinstimmung der scheinbar verschiedenen
Entwickelungsformen zu erkennen. Bemerkenswert ist es jedenfalls,
dass die Trombidium-Arten eine mit den Hydrachniden im wesentlichen
übereinstimmende Entwickelungsweise zeigen, so dass auch hierdurch
deren nahe Verwandtschaft bestätigt wird. Doch kehren wir noch einmal
zu unserer Larve zurück. Diese war zunächst dadurch ausgezeichnet,
dass die Füsse im Vergleich zum Rumpf ausserordentlich lang, wenn
auch zierlich sind. Dieses Verhältnis ändert sich jedoch bald, indem
die Larve durch sehr reichliche Nahrungsaufnahme schnell und erheblich
wächst, so dass der Rumpf mächtig anschwillt, während die Gliedmassen
unverändert dieselbe Grösse beibehalten und so allmählich immer mehr
gegen den Rumpf zurücktreten.

Bald tritt nun eine neue Pause in der Entwickelung ein. Die Milbe
sucht ein Versteck und versinkt in einen neuen Zustand völliger
Regungslosigkeit, während welcher sich innerhalb der Larvenhaut die
vollständig ausgebildete Milbe entwickelt. Entschlüpft dann der
Larvenhaut das endgültig fertiggestellte Tier, so fällt auch wieder
vor allem der Unterschied in der Längenentwickelung der Füsse auf.
Aber auch in vielen anderen Punkten ist an dem neuen Geschöpfe eine
wesentlich andere Form und Bildung zu bemerken. So sind die Weibchen
nunmehr von den Männchen deutlich zu unterscheiden, während bis
zur letzten Larve ein äusserlicher Unterschied der männlichen und
weiblichen Larven nicht festgestellt werden konnte. Es sind aber
auch abgesehen von diesem Unterschiede in beiden Geschlechtern die
Schwimmborsten an den Gliedern namentlich der hinteren beiden Fusspaare
ausserordentlich viel zahlreicher geworden. Endlich findet man statt
der wenigen Haftnäpfe auf der Unterseite des Hinterleibes nunmehr deren
zahlreiche jederseits in einem Häufchen vereinigt (Fig. 3 _i_ u. _k_).

Ist die erwachsene Milbe nach der letzten Häutung noch verhältnismässig
klein, so bewirkt eine reichliche Nahrungszufuhr bald ein ansehnliches
Wachstum, so dass es namentlich Weibchen bis zu 1½ _mm_ Länge giebt,
während die Männchen meist erheblich kleiner bleiben. Überhaupt ist
bei den Milben das Männchen meistens ziemlich viel kleiner als das
Weibchen, selbst dann, wenn letzteres nicht durch die zahlreichen
allmählich heranwachsenden Eier aufquillt.

Wie lange eine erwachsene Milbe zu leben vermag, ist nur selten
Gegenstand des Experiments gewesen. Ich selbst habe Larven von _Nesaea
fuscata_ einen ganzen Winter hindurch gehalten, ohne dass sie sich
verwandelt hätten. Andere Beobachter haben ähnliche Resultate bemerkt.
Es ist wohl möglich, dass eine Milbe der erwähnten Art mehrere Jahre
hindurch ihr Leben erhalten kann.

Den Beschluss dieser Darstellungen aus der Entwickelungsgeschichte
der Süsswassermilben mag die Lebensgeschichte der _Hydrachna globosa_
machen. Dieselbe ist schon von Dugès in den dreissiger Jahren unseres
Jahrhunderts entdeckt und seitdem oftmals bestätigt worden. Diese
Wassermilbe ist, wie bereits oben gesagt, insofern bemerkenswert, als
aus ihren Eiern junge Larven schlüpfen, welche von den entsprechenden
der Hart- und Weichschwimmer, also auch denen von _Nesaea_ und _Atax_
völlig verschieden sind, dagegen mit den Larven der auf dem Lande
lebenden Trombidien grosse Ähnlichkeit besitzen. Eine derartige Larve,
welche aber nicht zu _Hydrachna_, sondern zu einer Gattung gehört,
welche den Namen _Hydrodroma_ erhalten hat, ist in Fig. 4 abgebildet.
Sie zeichnet sich durch eine mächtige Entwickelung der Kiefer aus und
führt Taster, welche unmittelbar an die Taster aller trombidiumartigen
Landmilben erinnern, dadurch, dass das letzte Tasterglied an dem untern
Ende des vorletzten Gliedes seitlich und nicht am obern Ende eingelenkt
ist. Die Füsse sind mit Krallen bewehrt, welche sich in dieser
Form ebenfalls bei zahlreichen Landmilben, selbst bei Panzermilben
(Oribatiden) wiederfinden. Diese kleinen scharlachroten Larven scheinen
unter allen Umständen ein parasitisches Leben führen zu müssen. So
heften sich die Hydrachna-Larven an Insekten, welche im Wasser leben,
fest. Sehr bevorzugt wird die graue Wasserwanze, an welcher man im
Frühjahr häufig die schon über stecknadelkopfgrossen Parasiten mit
ihrem Kopfe in die weicheren Hautpartien an den Gelenken eingebohrt
findet. Da die völlig ausgewachsene Wassermilbe schon im Juni
beobachtet wird, so wird bereits Anfang Juli das Ausschlüpfen aus den
Eiern stattfinden. Die jungen Milben machen ihre erste Larvenzeit teils
freilebend, so lange nämlich, bis sie ein geeignetes Nährtier gefunden
haben, teils als Parasiten angeheftet an letzterem durch. Diese
letztere Periode erstreckt sich durch den Herbst bis zum Frühjahr.
Während dieser Zeit nimmt die Grösse des Tieres durch unausgesetzte
Nahrungszufuhr dauernd zu, so dass Larven bis zu 2 _mm_ Länge an
den Nährinsekten angetroffen werden. Der Hinterleib dehnt sich dabei
allein aus, während die Gliedmassen keine Grössenzunahme erfahren.
Gewissermassen gestaltet sich das Tier zu einer Vorratskammer von
Nährstoffen um, welche nun im Frühjahr zur Neubildung der zweiten Larve
verwendet werden. In dem aufgetriebenen Hinterleibe bemerkt man, wie in
einem zugeschnürten Beutel ruhend, nunmehr die völlig anders gestaltete
neue Milbe. Dieselbe hat acht Füsse statt der früheren sechs und zeigt
ein verändertes Kopfsegment, ist überhaupt in keiner Weise vergleichbar
der ersten Larve.

[Illustration: Fig. 4.

Erste Larve von _Hydrodroma rubra_.]

Diese zweite Larve hat bereits im wesentlichen die Gestalt des
erwachsenen Tieres, zunächst aber noch nicht dessen Grösse. Durch
schnelles Wachstum erreicht sie dieselbe aber bald und begiebt sich an
einen Ort, wo sie die zweite Larvenruhe durchmachen kann. Zu diesem
Zweck entleert sie einen Tropfen ihres Speichelvorrats und heftet
dadurch ihren langen Schnabel an die Unterlage fest an. Die Glieder
verlieren ihre Beweglichkeit und der Leibesinhalt gestaltet sich noch
einmal zu einem neuen Tiere um. Nach etwa zehn Tagen durchbricht
letzteres die schützende Haut der ruhenden Larve. Nunmehr ist das Tier
ausgebildet und erfährt nur noch ein Grössenwachstum.


Anhang.

Tabelle zur Bestimmung der bis jetzt bekannt gewordenen Gattungen der
Hydrachniden.

  1.  Die Augen nahe bei einander, der Mittellinie des Körpers
      sehr genähert                                                   2.

      Die Augen in zwei weit von einander getrennte Gruppen
      gesondert, dem Seitenrande des Körpers genähert                 3.

  2.  Sämtliche Füsse ohne Schwimmborsten           _Limnochares_, Latr.

      Nur das vierte Fusspaar ohne Schwimmborsten        _Eylaïs_, Latr.

  3.  Die Mandibeln eingliedrig, stechborstenartig, in einem
      schnabelartigen Mundrohr laufend               _Hydrachna_, Müller

      Mandibeln zweigliedrig                                          4.

  4.  An den Füssen keine Schwimmborsten                              5.

      An den Füssen Schwimmborsten                                    6.

  5.  Auf dem Rücken zahlreiche polygonale, einander sehr
      genäherte erhärtete Felder                    _Thyas_, C. L. Koch.

      Eine einzige Panzerplatte bedeckt den Rücken     _Aturus_, Kramer.

      Der Rücken durchaus weichhäutig              _Bradybates_, Neuman.

  6.  Die Körperhaut in beiden Geschlechtern überall erhärtet         7.

      Auf dem Rücken des Männchens eine denselben fast vollständig
      bedeckende poröse Platte, welche dem Weibchen fehlt
                                                      _Forelia_, Haller.

      Auf dem Vorderrücken bei beiden Geschlechtern eine nur wenig
      umfangreiche vierzipfelige Stirnplatte   _Hydrodroma_, C. L. Koch.

      Der Rücken bei beiden Geschlechtern durchaus weichhäutig        9.

  7.  Am vierten Fusse jeder Seite keine Krallen   _Marica_, C. L. Koch.

      Am vierten Fusse jeder Seite Krallen                            8.

  8.  Jederseits nur drei Haftnäpfe                     _Axona_, Kramer.

      Jederseits sehr zahlreiche kleine, porenartige Haftnäpfe
                                                     _Arrenurus_, Dugès.

  9.  Die Taster endigen scherenförmig             _Diplodontus_, Dugès.

      Die Taster endigen nicht scherenförmig                         10.

  10. Die Epimeren sämtlicher Füsse jeder Seite bilden ein
      zusammenhängendes Feld                                         11.

      Die Epimeren der Füsse jeder Seite sind in zwei von
      einander getrennte Gruppen gesondert                           14.

  11. Der Körper bedeutend mehr lang als breit, oval abgerundet
                                                 _Pseudomarica_, Neuman.

      Der Körper kreisrund                                           12.

      Der Körper hinten fast gradlinig abgestutzt
                                                  _Acercus_, C. L. Koch.

  12. Die Haftnäpfe fehlen ganz                 _Pontarachna_, Philippi.

      Jederseits drei Haftnäpfe                                      13.

      Jederseits zahlreiche Haftnäpfe                _Midea_, Bruzelius.

  13. Die Haftnäpfe auf der Innenfläche der Geschlechtsdeckklappe.
                                                     _Lebertia_, Neuman.

      Die Haftnäpfe auf der äussern Oberfläche der
      Geschlechtsdeckklappe.                        _Mideopsis_, Neuman.

  14. Am vierten Fusse ohne Krallen                                  15.

      Am vierten Fusse Krallen                                       16.

  15. Jederseits drei Haftnäpfe auf der Innenfläche der
      Geschlechtsklappe                             _Teutonia_, Koenike.

      Jederseits drei Haftnäpfe auf der Aussenfläche der
      Geschlechtsklappe                          _Limnesia_, C. L. Koch.

  16. Jederseits drei Haftnäpfe auf der Innenfläche der
      Geschlechtsklappe.                             _Sperchon_, Kramer.

      Die vorhandenen Haftnäpfe neben dem Geschlechtshof in die Haut
      eingelassen, oder auf Platten angebracht                       17.

  17. Jederseits drei Haftnäpfe                                      18.

      Jederseits sechs oder viele Haftnäpfe                          21.

  18. Am Vorderrande des vorletzten Tastergliedes ein stumpfer
      zapfenartiger Fortsatz neben dem fünften Gliede
                                                    _Piona_, C. L. Koch.

      Am Vorderrande des vorletzten Tastergliedes kein zapfenartiger
      Fortsatz                                                       19.

  19. Die Epimere des vierten Fusses jeder Seite am hintern Rande
      in der Mitte in eine längere Spitze nach hinten ausgezogen
                                           _Hydrochoreutes_, C. L. Koch.

      Die Epimeren des vierten Fusses jederseits hinten geradlinig
      abgeschnitten                                                  20.

  20. Die Haftnäpfe klein, den Geschlechtshof völlig einrahmend
                                                      _Megapus_, Neuman.

      Die Haftnäpfe verhältnismässig gross, auf besonderen, neben
      dem Geschlechtshof stehenden Plättchen eingelassen
                                               _Hygrobates_, C. L. Koch.

  21. Die Krallen mit blattartig erweiterter Basis; Männchen mit
      besonders umgestaltetem dritten und vierten Fuss
                                                   _Nesaea_, C. L. Koch.

      Die Krallen nicht mit blattartig erweiterter Basis, Männchen
      mit nicht besonders umgestalteten Füssen        _Atax_, Bruzelius.


Litteratur.

1) =Otto Friedrich Müller=, Hydrachnae, quas in aquis Daniae
palustribus detexit, descripsit, pingi et tabulis aeneis XI incidi cur.
Lipsiae 1781.

2) =Pierre André Latreille=, Précis des caractères génériques des
Insectes. Paris 1796.

3) =Antoine Dugès=, Recherches sur l’ordre des Acariens en général et
la famille des Trombidiés en particulier. Premier mémoire. Annales des
Scienc. nat. Paris 1834.

4) =Carl Ludwig Koch=, Deutschlands Crustaceen, Myriapoda und
Arachniden, Heft 1–40. Regensburg 1835–41. Desselben Verfassers
Uebersicht des Arachnidensystems. Nürnberg 1842.

5) =Ragnar Magnus Bruzelius=, Beskrifning öfver Hydrachnider, som
förekomma inom Skåne. Akad. Abhandl. Lund 1854.

6) =Edouard Claparède=, Studien an Acariden. Zeitschrift für wissensch.
Zoologie von Siebold und Kölliker, XVIII. Bd. Leipzig 1868.

7) =A. Croneberg=, Ueber den Bau der Hydrachniden. Zool. Anzeiger von
V. Carus. Leipzig 1878, Jahrg. I, Nr. 14.

8) =C. J. Neuman=, Om Sveriges Hydrachnider, med 14 Taflor. Kongl.
Svenska Vetenskaps-Akad. Handlingar, Bd. 17, 1879.

9) =G. Haller=, Die Hydrachniden der Schweiz, mit 4 Tafeln. Bern 1882.

10) =F. Koenike=, Ueber das Hydrachniden-Genus Atax. Bremen 1881.

11) =F. Koenike=, Revision von A. Leberts Hydrachniden des Genfersees.
Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. XXXV, 1881.

12) =F. Koenike=, Zwei neue Hydrachniden vom Isergebirge. Zeitschr. f.
wiss. Zool. Bd. XLIII.

13) =F. Koenike=, Eine neue Hydrachnide aus dem Karraschsee bei
Deutsch-Eylau. Schriften der naturforschenden Gesellschaft zu Danzig.
N. F. VII. Bd.

14) =F. Koenike=, Ein neues Hydrachniden-Genus (Teutonia). Archiv f.
Naturgesch. 1890, Bd. 1.

15) =F. Koenike=, Einige neubenannte Hydrachniden. Abh. des naturw.
Vereins in Bremen, Bd. IX.

16) =Robert Schaub=, Über die Anatomie von Hydrodroma. Ein Beitrag zur
Kenntnis der Hydrachniden (mit 6 Tafeln). Sitzungsberichte der kaiserl.
Akad. der Wissenschaften in Wien. Math.-naturw. Klasse, Bd. XCVII, 1888.

17) =Robert Schaub=, Über marine Hydrachniden nebst einigen Bemerkungen
über Midea (mit 2 Tafeln). Sitzungsberichte der kaiserl. Akad. der
Wissenschaften in Wien. Math.-naturw. Klasse. Bd. XCVIII, 1889.

18) =Th. Barrois=, Matériaux pour servir à l’étude de la faune des eaux
douces des Azores. I. Hydrachnides. Lille 1887.

19) =Th. Barrois= et =R. Moniez=, Catalogue des Hydrachnides etc. Lille
1887.

20) =Th. Barrois=, Note sur la dispersion des Hydrachnides. Revue
biolog. du Nord de la France, T. I. 1888–1889.



Kerfe und Kerflarven des süssen Wassers, besonders der stehenden
Gewässer.

Von Dr. =E. Schmidt-Schwedt= in Berlin.


=Vorbemerkung.= Der folgende Aufsatz will nur +Skizzen+ aus der
Kerfwelt des süssen Wassers geben; dass dabei ganz wesentlich die Kerfe
und Kerflarven der stehenden Gewässer berücksichtigt worden sind, ist
schon in der Überschrift angedeutet worden. Ich habe diese Beschränkung
geübt, um mich in den Schilderungen fast ganz auf eigene Anschauung,
auf eigene Beobachtungen stützen zu können. Auch der Kundige, so hoffe
ich, wird darin, besonders in biologischer Hinsicht, manches Neue
finden; in jedem einzelnen Falle es als solches kenntlich zu machen
oder zu abweichenden Angaben in der Litteratur besonders Stellung zu
nehmen, schien mir in einem Aufsatze wie dem vorliegenden überflüssig.


Einleitung.

Wenn von dem zahllosen Heer der Kerfe die Rede ist, denkt wohl fast
Jeder zunächst nur an die augenfälligen Vertreter derselben, welche dem
Luftmeer angehören und auf Blatt und Blüte, wie auf und in der Erde
ihr Wesen treiben: dass auch dem Wasser Vertreter dieses „luftigen“
Volkes in reichlicher Menge angehören, der Gedanke liegt wohl Vielen
fern. Wer dann unter kundiger Leitung besonders ein pflanzenreiches
stehendes Gewässer etwa im Mai mit dem Netz[X] untersuchen will,
der dürfte wohl staunen über das reiche Insekten- und vornehmlich
Insektenlarvenleben derselben und wenn er einiges mit nach Hause nimmt
zu genauerer Untersuchung und Beobachtung der Lebenserscheinungen,
könnte sich leicht ein dauerndes Interesse für diese Tierwelt
daraus entwickeln. Derjenige nun, welcher seine Aufmerksamkeit den
Wasserinsekten zuwenden will, kann zeitig im Frühjahr mit seiner
Thätigkeit beginnen. Wenn kaum einige Zeit das Eis unserer Gräben
und Teiche den wieder kräftiger werdenden Sonnenstrahlen gewichen
ist, beginnt schon ein grosser Teil der im Wasser lebenden Insekten
und Insektenlarven ihr gewohntes Treiben. Geraume Zeit also, bevor
der erste Schmetterling, die erste Grabbiene (_Andrena_), die erste
Pollenia (Fliegenart) erscheint, bietet ein Ausflug nach Teichen und
Gräben auf Wasserinsekten reichliche Ausbeute. Ja, manche Vertreter
unserer biologischen Gruppe scheinen eine Winterruhe kaum zu halten;
wenigstens habe ich mehrfach selbst im Januar Larven der Käferfliegen
unter dem Eise ihrer Lebensaufgabe, dem Frassgeschäft, obliegen und
Schwimmkäfer wie Wasserwanzen sich ebendort tummeln sehen. Es ist eben
das Wasser, die Urheimat alles Lebendigen, für alle Lebewesen, die
in seinen Schoss sich begeben haben, in vieler Hinsicht ein ungleich
freundlicheres Element als das Luftmeer. Die besonders im Frühjahr
sprungartigen Veränderungen in der Wärme der Luft, die allen Tieren,
welche zu früh ihre Winterplätze verlassen haben, leicht verderblich
werden, gleicht das Wasser mässigend aus und die trüben Regen- und
Schneeschauer des Frühjahrs hält es seinen Inwohnern sicher vom
Leibe. Bei den nicht zu hohen Wärmegraden bietet sogar das Wasser
im Frühjahr denen unter seinen Bewohnern, welche zur Atmung nicht
die atmosphärische Luft, sondern die im Wasser gebundene benutzen,
besonders günstige Daseinsbedingungen, da der Luftgehalt des Wassers
dann wegen der geringen Wärme grösser ist als im Sommer[XI]. Das
reichste Insektenleben zeigen die Gewässer wohl im Mai; die Zahl
der Larven, welche den grösseren Bestandteil der Insektenwelt des
Wassers ausmachen, ist dann auf ihrem Höhepunkt. Zum Hochsommer
nimmt deren Zahl wieder ab. Nicht wenige der dem Wasser angehörigen
Insektenlarven überwintern freilich selbst in diesem Zustand, z. B.
einzelne Schwimmkäferlarven, zahlreiche Mücken-, Köcherfliegen- und
Eintagsfliegenlarven.

  [X]  Ich benutze dazu mit Vorliebe wenig tiefe Netze aus weissen
       Rosshaaren. Dieselben bieten besonders den Vorteil, dass der
       Stoff im Wasser nicht quillt, also die Lücken gleich weit bleiben
       und dass ferner Algenschleim u. dergl. nicht daran haften bleibt.

  [XI] Auch bei den Ausflügen, die dem Fange unserer Tiere gelten,
       macht sich geringe Wärme als günstiger Umstand bemerkbar;
       ungleich leichter als an warmen Sommertagen bringt man die Tiere
       ohne Abgang an Toten an kühlen Frühlingstagen heim.

Ist nun auch die Zahl der Insekten und besonders der Insektenlarven,
welche im Wasser leben, eine recht erkleckliche, so ist doch
anderseits zu betonen, dass die eigentliche Stärke dieser Grossmacht
des Tierreichs auf der Erde, in der Luft liegt und -- was für unsere
Betrachtungen wichtiger ist -- dass das Verhältnis der Insekten zum
Wasserleben im wesentlichen ein gleiches ist wie das der Säugetiere
zu demselben. Ich will damit sagen, dass hier wie dort der Grundtypus
der Klasse in seiner ganzen Gestaltung auf das Landleben hinweist (wie
etwa umgekehrt der der Fische und Krebse auf das Wasserleben) und dass
die im Wasser lebenden Vertreter, bei den Säugetieren z. B. Seeotter,
Seehund, Walfisch, zwar mehr oder minder weit gehende Abänderungen
von jenem Grundtypus zeigen, die eben im Zusammenhange mit ihrem
besonderen Aufenthaltsorte stehen, aber doch immer noch deutlich genug
erkennen lassen, dass solche Eigentümlichkeiten erst etwas nachträglich
Hinzugekommenes sind, oder vom Standpunkte der Abstammungslehre aus:
Die Vorfahren dieser im Wasser lebenden Tiere waren Landtiere; erst
nachträglich haben sich die Anpassungen, welche in Beziehung zum
Wasserleben stehen, herausgebildet. Zwei Gebiete der Lebensthätigkeit
nun werden bei der Gegenüberstellung von Land- und Wasserleben
besonders berührt und also auch die denselben dienenden Organe:
+Atmung+ und +Bewegung+[XII]. Diesen beiden Funktionen und ihren Organen
werden wir also im Folgenden in erster Linie unsere Aufmerksamkeit
zuzuwenden haben.

  [XII] An dritter Stelle wären die Sinnesorgane in Betracht zu ziehen,
        doch muss ich dieselben, da dies ein völlig unbebautes Gebiet
        ist, im Folgenden ausser Betracht lassen.

Bei den Säugetieren ist die Zahl der Ordnungen, aus denen Vertreter
dem Wasser angehören, nicht eben gross, wenige Raubtiere, Nagetiere
und die beiden Ordnungen der Robben und Wale; ein gleiches trifft
für die Insekten zu, wenn man die entwickelten Tiere im Auge hat --
es sind dann nur Käfer und Schnabelkerfe (Wanzen) zu nennen. Anders
gestaltet sich aber das Bild, wenn man, wie billig, auch die Larven
berücksichtigt. Dann ist nur eine Ordnung im Wasser nicht vertreten,
nämlich die der Hymenopteren, d. h. der Verwandten von Biene, Wespe
und Blattwespe. Um nun die stattliche Reihe aller dieser Vertreter in
eine übersichtliche Anordnung zu bringen, dürfte es sich empfehlen, die
natürlichen Gruppen des Insektenvolkes, die Ordnungen, zu Grunde zu
legen.


Käfer.


1. Taumelkäfer (Gyriniden).

Zu den wenigen Vertretern der Wasserinsekten, welche sich auch dem
flüchtigen Auge des Spaziergängers aufdrängen, gehören die mässig
grossen (bis 7 _mm_), nicht eben zahlreichen Arten der Taumel- oder
Drehkäfer (Gyriniden). In vielfach durch einander geschlungenen
Linien schwimmen sie blitzschnell bei schönem Wetter gesellig +auf
der Oberfläche+ stehender wie fliessender Gewässer dahin. Diesen
Tummelplatz, die Oberfläche des Wassers, teilt mit ihnen unter den
Wasserinsekten in gleich ausgesprochener Weise nur noch eine Familie
der Schnabelkerfe, die Wasserläufer (_Hydrodromici_), die auf langen
Beinen zur Überraschung des Zuschauers auf dem Wasser dahinlaufen[XIII].

  [XIII] Auf der Oberfläche des Wassers trifft man nicht selten auch
         verschiedene Fliegenarten, besonders solche aus der Familie der
         Dolichopiden und Musciden (Ephydrinen). Ebenso leicht, wie sie
         auf dem Wasser dahin laufen, fliegen sie auch wieder von dort
         fort; Anpassungen an das Leben an diesem Aufenthaltsort wie bei
         Taumelkäfern und Wasserläufern sind mir nicht bekannt. -- An
         vierter Stelle könnte man hier vielleicht noch die winzigen
         Springschwänze (Poduren) nennen, die sich bisweilen in der Nähe
         des Ufers in grossen Scharen ansammeln und dann einer Masse
         Schiesspulver gleichen, dessen Körner auf rätselhafte Weise in
         hüpfende Bewegung versetzt sind.

Unterscheiden sich die Taumelkäfer von den Wasserläufern schon dadurch,
dass sie an der Oberfläche dahin+schwimmen+, nicht auf ihr laufen, so
kommt dazu noch weiter, dass sie auch, was jene nie thun, leicht in
das Wasser hinabtauchen, sei es nun, um sich der Ungunst des Wetters
oder drohender Gefahr zu entziehen oder um Beute zu erhaschen. Während
der Käfer auf der Oberfläche schwimmt, scheint er gleichzeitig die
Umgebung =über= wie =unter= Wasser zu mustern; wenigstens weist darauf
eine seltsame Einrichtung seiner Augen hin. Jedes derselben ist nämlich
durch eine breite Chitinleiste in einen nach oben und einen nach unten
gewendeten Teil geschieden, so dass man bei unseren Tieren von vier
Netzaugen sprechen kann.

Die Ausgestaltung ihrer Beine zum Schwimmen ist vollkommener als bei
irgend einem anderen Käfer und zwar gilt das in annähernd gleichem
Grade für Mittel- wie Hinterbeine, während die Vorderbeine, welche
nur zum Greifen und Festhalten benutzt werden, armartig verlängert
sind. An den Mittel- und Hinterbeinen sind besonders die Schienen
und vier ersten Fussglieder flossenartig verbreitert und dabei
etwas schaufelartig ausgehöhlt; der Aussenrand ist überdies mit
Schwimmborsten besetzt. Schwimmen, besonders schnelles Schwimmen mit
den Gliedmassen, ist eine ansehnliche Arbeitsleistung und stellt
daher an die Festigkeit des Körperbaues, vornehmlich hinsichtlich der
Anfügung der Gliedmassen, hohe Anforderungen. Wer den Bau unseres
Käfers auf diesen Gesichtspunkt hin untersuchen will, wird ihn in
Einklang mit jenen Forderungen finden. Besonders die Hinterhüften sind
auffallend gross und fest mit dem Brustskelett verwachsen; an der
Mittelbrust, von deren Hüftteilen annähernd Gleiches gilt wie von den
Hinterhüften, fällt besonders der grosse Mittelteil (_Mesosternum_)
auf, dessen Ausdehnung einen Schluss erlaubt auf die auch in diesem
Brustring entwickelten Muskelmassen.

Die Anpassung der Beine an das Schwimmen ist eine so ausgeprägte, dass
die Käfer auf dem Lande ebenso unbeholfen sind wie manche Vertreter der
im Wasser lebenden Säugetiere. Wollen sie jedoch von einem Gewässer zum
anderen wandern, so stehen ihnen wie allen Wasserkäfern dazu die Flügel
zu Gebote.

[Illustration: Fig. 5[XIV].

_1_ Larve von _Gyrinus striatus_ Oliv. Von den vier Endhaken sind
nur zwei abgebildet. _Tr_ Tracheenkiemen -- _2_ Larve von _Dytiscus
marginalis_ -- _3_ Larve von _Acilius sulcatus_ -- _4_ Larve von
_Hyphydrus ovatus_. 1 und 4 nach Schiödte, 2 und 3 nach Schiödte und
Rösel kombiniert.]

  [XIV] Die vergrösserten Figuren für die Zinkographie sind von Herrn
        Kupferstecher +Ettel+, Berlin, dem ich dafür zu Dank verbunden
        bin, teils nach vorhandenen Abbildungen, teils nach meinen
        Handzeichnungen, teils nach der Natur gezeichnet worden; im
        letzteren Falle ist stets Zeichnung und Objekt von mir
        verglichen worden. Im ersten Falle ist stets der Schriftsteller
        genannt worden, dem die Figur entlehnt wurde, in den beiden
        letzten ist angegeben worden: nach der Natur.

Sind die Gyriniden hinsichtlich ihrer Bewegung ausgesprochene
Wassertiere, so bieten sie dagegen rücksichtlich der Atmung nichts
Besonderes dar. Befinden sie sich an der Oberfläche, also mit der
Rückseite ganz an der Luft, so atmen sie wie gewöhnliche Landkäfer;
tauchen sie unter, so sieht man am Hinterende stets ein kleines
Luftbläschen glänzen. Ganz anders verhalten sich in diesem Punkte die
Larven der Taumelkäfer. Diese besitzen (Fig. 5, 1 Larve von _Gyrinus
striatus_) jene eigenartigen Atmungsorgane, welche einem Teil der
Insektenlarven des Wassers zukommen und mit dem Namen +Tracheenkiemen+
belegt worden sind. Wie die gewöhnlichen Kiemen vermögen diese Organe
dem Wasser den absorbierten Sauerstoff zu entnehmen, enthalten jedoch
nicht einen lebhaften Blutstrom, sondern verzweigte Luftröhren
(Tracheen), welche von zartem Protoplasma umgeben sind. Bei den
Gyrinidenlarven sind diese Organe seitlich bewimpert (s. Fig. 5,
1); jeder Hinterleibsring trägt an der Seite je ein Paar dieser
Kiemenfäden, der letzte aber vier derselben, die nach hinten gerichtet
sind. In schlechtem, d. h. sauerstoffarmem Wasser habe ich unsere
Larve mehrfach den Hinterleib auf- und niederschwingen sehen, während
sie sich mit den Beinen festhielt. Offenbar dienten diese Bewegungen
zur schnelleren Erneuerung des für die Atmung nötigen Wassers. Durch
gleichartige Bewegungen des Körpers, also ebenso wie die Egel unserer
Gewässer, vermag auch die Larve ziemlich schnell durch das Wasser zu
schwimmen; dabei gewinnen auch wohl die Wimpern der Tracheenkiemen ihre
Bedeutung. An der Gestalt und Verteilung dieser Organe, an den sechs
Brustfüssen und an den vier gekrümmten Chitinhaken am Hinterleibsende
(in unserer Figur sind nur zwei davon sichtbar) sind unsere Larven
leicht kenntlich.

So häufig übrigens die Taumelkäfer sind, so selten habe ich -- und
wie es scheint auch Andere -- die Larven angetroffen. Vermutlich
halten sich dieselben in Schlupfwinkeln, etwa unter Steinen am Boden
der Gewässer, auf; dafür sprechen ihre Atmungsorgane, die sie davon
befreien, wie andere Wasserkäferlarven zur Atmung an die Oberfläche
kommen zu müssen, die zarte Beschaffenheit des Hinterleibes und
der Besitz der gekrümmten Haken am Körperende, die anscheinend zum
Festhalten in Gängen oder an Gegenständen dienen. Die Larven leben
übrigens wie die Käfer vom Raube. Zur Verpuppung verlassen sie, wie das
fast für alle Käferlarven des Wassers gilt, dieses Element und gehen an
das Land.


2. Schwimmkäfer (Dytisciden).

Ungleich reicher an Arten als die nur in zwei Gattungen mit zwölf Arten
vertretenen Taumelkäfer ist die Schar der eigentlichen Schwimmkäfer
(Dytisciden). Unter den im Wasser lebenden Käfern sind sie schon
durch die fadenförmigen, auch im Wasser stets frei getragenen Fühler
gekennzeichnet. Nahezu 150 deutsche Arten werden unterschieden, für die
zwölf Gattungen aufgestellt worden sind. Die ansehnlichsten Vertreter
unserer Familie sind die Arten der Gattung _Dytiscus_ und _Cybister_
(über 2½ _cm_ gross); unter ihnen wieder ist wohl der Gelbrand,
_Dytiscus marginalis_, diejenige Art, welcher man am häufigsten
begegnet[XV].

  [XV] Im Netz gebärdet er sich gewöhnlich sehr unruhig; fasst man ihn,
       so sucht er sich durch Entleerung seines Unrats und einer
       milchigen Flüssigkeit, die dem Vorderbrustring entquillt, zu
       befreien.

Der Gelbrand hält sich wie alle seine Familiengenossen, sofern er nicht
fliegend das bisher bewohnte Gewässer mit einem anderen vertauscht,
nur +in+, nie +auf+ dem Wasser auf, dort seinem räuberischen Treiben
nachgehend. In nicht zu langen Zwischenräumen muss er jedoch, um zu
atmen, an die Oberfläche kommen. Die Hauptmenge der Atemöffnungen liegt
aber an der Rückseite des Hinterleibes unter den Flügeln und daher
steckt der Käfer, das Kopfende schräg nach unten haltend, nur das Ende
des Hinterleibes heraus und lüftet dabei ein wenig die Flügeldecken.
Bei der geringsten Beunruhigung fährt er sofort in die Tiefe.
Eine schnelle Erledigung des in dieser Lage offenbar gefährlichen
Atemgeschäftes wird nun ermöglicht durch ungewöhnlich grosse, mit
vollkommenen Schutzvorrichtungen gegen Staub versehene Luftlöcher;
besonders die dem Körperende näheren sind im Gegensatz zu dem bei
Landkäfern üblichen Verhalten durch Grösse ausgezeichnet. Sind sie es
doch auch, welche hier zunächst in Anspruch genommen werden. Durch die
Luft, welche sich in den Tracheen und unter den Flügeln befindet, wird
übrigens der Körper im Verhältnis zu seinem Rauminhalt so leicht, dass
der Käfer infolgedessen im Wasser emporsteigt und also sich anstrengen
muss, nicht wenn er +zur+ Oberfläche will, sondern umgekehrt, wenn er
+zur Tiefe+ hinab will. Den Weg dahin nimmt er meist nicht in einfach
senkrechter Richtung, sondern fast immer etwas schräg; er benutzt
so den Widerstand, welchen seine breite Gestalt der Wirkung des
Auftriebes entgegenstellt, wie der Arbeiter, welcher das Fass nicht
einfach hebt, sondern auf der Schrotleiter emporrollt.

Einer bemerkenswerten, auf die Atmung bezüglichen Beobachtung sei
hier noch gedacht, die ich zuerst bei _Cybister Roeselii_ machte: die
Haut der Bauchseite dieses Käfers ist so durchsichtig, dass an dem
auf den Rücken gelegten Tier die Luftröhren, besonders die stärkeren,
querverlaufenden Stämme unter den Ringen des Hinterleibes und eine
grosse Tracheenblase der Brust deutlich zu erkennen sind. An ihnen
kann man nun ohne Schwierigkeit wahrnehmen, wie zum Auspressen und
Wiedereinsaugen der Luft ihre Wandungen abwechselnd zusammen und
wieder aus einander gehen. Das erstere geschieht infolge besonderen
Muskeldruckes, das Öffnen dagegen infolge der Spannkraft der
Luftröhrenwände.

Zum Schwimmen benutzt der Gelbrand fast nur die Hinterbeine, deren
Schienen und Fussglieder mit Schwimmhaaren versehen sind, und zwar
beim Männchen mit zwei Reihen, beim Weibchen mit einer. Wie ein
geschulter Schwimmer bewegt der Käfer die in ihren Fussgliedern nach
oben gekrümmten Beine dieses Paares stets gleichzeitig. Von auffälliger
Grösse sind wiederum die +fest mit dem Körper verwachsenen+ Hüften,
die bei der ersten Betrachtung ein Teil der Brust zu sein scheinen;
eigenartig ist die Befestigung der übrigen Beinteile daran, nämlich
derart, dass den Schenkeln und Schienen nur die Bewegung von vorn
nach hinten möglich ist. Die Mittelbeine sind zwar auch mit einigen
Schwimmborsten versehen, ihre Bedeutung beim Schwimmen besteht aber
nur darin, dass sie mithelfen, wenn nötig, die Richtung des Körpers
zu ändern. Ihre Hüften sind klein, kugelig, die ganze Mittelbrust ist
an der Unterseite von der Hinterbrust fast verdrängt, so dass dadurch
die Unterseite des Käfers ein charakteristisches Gepräge erhält. Dass
die geringe Ausbildung der Mittelbrust in Beziehung steht zu ihrer
geringen Muskelmasse und diese wieder zu der geringen Inanspruchnahme
der Mittelbeine, braucht hier wohl nur angedeutet zu werden. Die
Vorderbeine sind fast ganz in den Dienst des Mundes getreten; sie
halten die Beute und führen sie dem Munde zu. In sprechender Weise
kommt die Arbeitsteilung unter den Beinen zum Ausdruck, wenn man dem
Tier etwa einen Regenwurm bietet. Mit den Vorderbeinen ihn haltend,
schwimmt der Käfer mit den Hinterbeinen einem Ruhepunkte zu, wobei
die Mittelbeine die oben angegebene Nebenrolle spielen; angelangt,
hält er sich mit den Mittelbeinen fest, während die Hinterbeine in
einer eigentümlich gekrümmten Haltung stehen und die Vorderbeine den
Mundteilen Handlangerdienste leisten. Der Unterschied in der Thätigkeit
der drei Beinpaare prägt sich auch in der Krallenbildung aus; nur an
den Hinterbeinen sind die Krallen in ziemlichem Grade verkümmert.

In Beziehung zum Schwimmen steht ferner offenbar die feste
Ineinanderfügung von Kopf, Brustschild (Halsschild) und den übrigen
Körperteilen, wobei besonders auch der Dorn an der Unterseite der
Vorderbrust, der sich in eine Rinne der Mittelbrust legt, zu beachten
ist, und ebenso die Verwachsung der ersten Bauchringe: Durch alle
diese Punkte wird erreicht, dass beim Schwimmen die Teile sich nicht
hin und her bewegen und dass keine unnötigen vorspringenden Teile die
Reibung erhöhen. Zum Durchschneiden des Wassers ist so der flache
Körper trefflich eingerichtet. Als Besonderheit bleibt endlich zu
erwähnen, dass beim Männchen die drei ersten Fussglieder der Mittel-
und Vorderbeine in ausgeprägter Weise zu Haftorganen umgebildet
sind; die der Vorderbeine bilden eine rundliche Scheibe, von deren
mit Saugnäpfchen versehenen Haaren sich besonders zwei durch Grösse
auszeichnen. Dass infolge der Elastizität der Wandung die einmal
angedrückten Teile eben nach dem Prinzip von Saugnäpfen ohne weiteres
Zuthun des Käfers haften, lehrt ein Versuch mit den toten Tieren.
Drückt man die feuchte Haftscheibe etwa an eine Glasplatte, so bleibt
nicht nur beim Aufheben dieser Platte der Käfer daran hängen, sondern
man kann auch noch einen zweiten und dritten an den ersten anhängen.

Die Weibchen anderseits zeigen einen eigentümlichen Dimorphismus,
insofern nämlich, als die eine Reihe derselben mit gefurchten, die
andere mit glatten Flügeldecken versehen ist.

Die Larven der Gattung _Dytiscus_ (Fig. 5, 2) sind im Frühjahr
in unseren stehenden Gewässern eine recht häufige Erscheinung.
Abgesehen von den Larven der Libellen, die wegen der bald entwickelten
Flügelansätze nicht mit Käferlarven verwechselt werden können, sind sie
wohl mit denen von _Cybister_ die grössten Insektenlarven des süssen
Wassers; erwachsen messen sie etwas über 5 _cm_. Als Schwimmkäferlarve
ist sie kenntlich durch die grossen sichelförmigen, auf der Innenseite
nicht gezähnten Oberkiefer, durch den Mangel einer eigentlichen
Mundöffnung, durch den platten Kopf, ferner durch die Zweizahl der
Krallen an den drei Brustfüssen und endlich durch die stärkere
Chitinisierung der Rückenseite -- nur der letzte Hinterleibsring
ist ringsum stärker chitinisiert[XVI]. Als unterscheidend für die
Larven unserer +Gattung+ wäre neben der Grösse hervorzuheben, dass
zwischen den vier längeren Fühlergliedern anscheinend je ein kürzeres
eingeschaltet ist, dass die beiden letzten Leibesringe seitlich mit
stärkeren Schwimmhaaren versehen sind und dass die beiden am Körperende
befindlichen Anhänge gross und stark befiedert sind.

  [XVI] Vgl. dazu den Versuch einer Tabelle über die Kerflarven am Ende
        dieses Aufsatzes.

Wie der Käfer muss die Larve zum Atmen an die Oberfläche kommen; die
beiden einzigen thätigen Luftlöcher[XVII] liegen am Ende des letzten
Ringes. Die beiden Körperanhänge flach auf dem Wasser ausbreitend,
hängt die Larve beim Atmen in S-förmiger Krümmung an der Oberfläche.

  [XVII] Die sieben anderen Stigmenpaare des Hinterleibes und die beiden
         Paare der Brust sind geschlossen und besonders an jüngeren
         Tieren schwer wahrzunehmen; eine Bedeutung haben sie nur noch
         bei den Häutungen der Larve, indem sie dann als Anheftepunkte
         der alten Tracheen dienen, die aus den neugebildeten
         herausgezogen werden müssen.

Wird sie beunruhigt, so schnellt sie sich durch einen kräftigen Schlag
des +Hinterleibes+ ein gut Stück in die Tiefe. Diese Zuhilfenahme des
Abdomens bei der Bewegung ist übrigens ein charakteristischer Zug
vieler Insektenlarven gegenüber dem entwickelten Tier. Schwimmt die
Larve ruhiger im Wasser umher, so benutzt sie dazu in gleichmässiger
Weise die drei mit Schwimmhaaren versehenen Beinpaare, die Beine
desselben Paares aber meist nicht wie der Käfer gleichzeitig bewegend.

Die Larve führt ein ausgesprochen räuberisches Leben, dabei frisst sie
ihre Beute nicht, sondern saugt derselben die Säfte aus; besonders
oft habe ich sie so Kaulquappen aussaugend beobachtet. Wie schon oben
erwähnt, fehlt eine eigentliche Mundöffnung; aber die Oberkiefer haben
auf der Innenseite eine durch Ineinandergreifen der Ränder geschlossene
Rinne, welche nach der Spitze zu offen ist und nach dem Grunde zu in
den Verdauungskanal mündet. Will man die Larven zur Verpuppung bringen,
so darf man es nicht an Nahrung und einer Gelegenheit, an das Land zu
kommen, fehlen lassen.

Ist hier auch nicht der Ort, auf die Besonderheiten der anderen
Gattungen allgemeiner einzugehen, so möchte ich mir doch nicht
versagen, auf den einzigen, nicht eben häufigen Käfer unserer Familie
hinzuweisen, der bei Berührung Töne von sich giebt -- er benutzt dazu
die Flügeldecken und letzten Hinterleibsringe --, und der auch sonst
eine eigenartige Stellung in der Familie einnimmt: _Pelobius hermanni_,
und ferner auf die beiden Gattungen _Haliplus_ und _Cnemidotus_, deren
kleine Arten bei abweichender Hüftenbildung der Hinterbeine nicht
regelrecht schwimmen, sondern pudeln.

Zur Bestimmung der Käfer stehen zahlreiche Bücher zur Verfügung; die
Bestimmung der Larven bietet dagegen grosse Schwierigkeiten[1][XVIII]; ja
viele von ihnen sind erst durch die hervorragenden Arbeiten Schiödtes
bekannt geworden. Ich versuche hier noch einige der häufigeren,
wenigstens der um Berlin häufigeren Larven kenntlich zu machen.

  [XVIII] Die Buchstaben verweisen auf die Litteratur am Schluss des
          Aufsatzes.

Leicht zu kennzeichnen ist die nicht seltene Larve von _Acilius
sulcatus_ (Fig. 5, 3), die erwachsen etwa 3 _cm_ misst. Der erste
Brustring ist etwa dreimal so lang als in der Mitte breit; die
mittleren Hinterleibsringe sind stark verbreitert, die beiden letzten
Ringe seitlich mit Schwimmhaaren versehen, die beiden Anhänge dagegen
unbewimpert. Der Kopf ist durch schwarze Flecke in der Mitte und an den
Seiten ausgezeichnet; die Fühler haben auch hier abwechselnd längere
und kürzere Glieder. Die ersten Jugendstadien der Larve sind übrigens
fast ganz schwarz.

Gewissermassen ein Gegenstück zu der Larve von _Acilius_ bildet die
bis 2.2 _cm_ lange Larve von _Colymbetes fuscus_. Der erste Brustring
derselben ist nämlich 1½mal so breit als lang und breiter als die Mitte
des sich nach hinten verjüngenden Abdomen. Nur der letzte Ring trägt
einen seitlichen Haarbesatz, dagegen sind die beiden Schwanzanhänge
gleichmässig und beiderseitig bewimpert. Die Fühler sind einfach
viergliedrig. Sehr nahe schliessen sich hieran die Larven von _Agabus_
und _Ilybius_. Larven dieser Gruppe habe ich vielfach in einzelnen
Exemplaren auch überwinternd angetroffen.

Unter den kleineren, d. h. bis 1 _cm_ grossen Larven ist die von
_Hyphydrus ovatus_ (Fig. 5, 4) durch die lange, schmale, schnabelartige
Verlängerung des Kopfes nach vorn auffällig. Das Körperende läuft in
drei Anhänge bez. Fortsätze aus, von denen der mittlere haarlos ist.

Einen ähnlichen, aber weit kürzeren und breiteren Stirnfortsatz
besitzen die noch kleineren Larven von _Hydroporus parallelogrammus_.

Endlich erwähne ich wegen ihrer Eigenart die kleinen Larven von
_Cnemidotus_, die an Brust und Hinterleib mit fadenförmigen,
gegliederten Tracheenkiemen versehen sind und wie die von _Haliplus_
nur je eine Kralle an den Beinen besitzen, und die nach Schiödte mit
wahren, d. h. bluterfüllten Kiemen ausgestatteten Larven von _Pelobius_.


3. Kolbenwasserkäfer (Hydrophiliden).

Ein bemerkenswertes Gegenstück zu den Schwimmkäfern bilden in fast
allen Punkten die Arten der dritten dem Wasser angehörigen Familie, der
Kolbenwasserkäfer oder Hydrophiliden. Als Vertreter wollen wir auch
wegen seiner Grösse (3.5 bis 4.5 _cm_) den pechschwarzen Wasserkäfer
(Fig. 6, 5 S. 66) wählen, der treffend hie und da beim Volke
+Wasserkuh+ heisst.

[Illustration: Fig. 6.

5 _Hydrophilus piceus_ von unten. _T_ Unterkiefertaster -- _F_ Fühler
-- _MH_ Grenze von Mittel- und Hinterbrust. Die Beine der rechten Seite
sind bis auf die Hüften entfernt -- 6 Larve von _Hydrous caraboïdes_ --
7 Kopf der Larve von oben. _Ok_ Oberkiefer -- _Uk_ Unterkiefer -- _Ul_
Unterlippe -- _F_ Fühler -- 8 Eiergehäuse mit Blatt, das letztere etwas
abgebogen. -- 5 und 8 nach der Natur, 7 nach Schiödte, 6 nach Schiödte
und Rösel kombiniert.]

+Kolben+wasserkäfer werden unsere Käfer wegen der Gestalt ihrer Fühler
genannt; wenn man freilich dieses unterscheidende Kennzeichen an
unserem Vertreter oder an irgend einem seiner Verwandten, so lange
er im Wasser ist, aufsuchen will, kann einem Seltsames begegnen: die
Fühler scheinen doch +fadenförmig+, nicht kolbenförmig zu sein. Die
Lösung ist: der Käfer trägt im Wasser nie wie die Dytisciden die Fühler
vorgestreckt, sondern nach unten und hinten in die an der Unterseite
haftende Luftmasse zurückgelegt; dafür aber sind die Kiefertaster so
auffallend lang, dass sie leicht für Fühler gehalten werden können.
_Palpicornes_ wurden deswegen auch die Käfer genannt. Sobald sie
freilich aus dem Wasser genommen werden[XIX], pflegen sie die Fühler
aus dem Versteck hervorzustrecken. Es macht den Eindruck, als ob er
wie alle seine Verwandten in Fühlern und Tastern für Luft und Wasser
besondere Sinnesorgane hätte.

  [XIX] Beim Gelbrand hatten wir bei dieser Gelegenheit seiner nicht
        eben sauberen Bemühungen zu gedenken sich zu befreien.
        _Hydrophilus_ scheint ausser den lebhaften Bewegungen der mit
        Dornen versehenen Beine, die zusammenwirken mit einem scharfen
        Stachel der Hinterbrust, noch ein besonderes Mittel zu gleichem
        Zweck anzuwenden. Ergriffen, etwa mit der Pincette an den
        Beinen, und zwar nur dann, lässt er einen knirschenden Ton
        hören. Fasst man den Käfer mit starker Pincette am Kiel der
        Mittelbrust, so sieht man, wie er bei der Erzeugung des Tones
        den Hinterleib zugleich in der Richtung von hinten nach vorn
        und von oben nach unten bewegt. Man kann bei toten wie lebenden
        Tieren einen gleichartigen Ton erzeugen, indem man entweder den
        Brustkiel niederdrückt oder mit der Pincette den Hinterleib
        von hinten nach vorn und etwas nach dem Rücken zu bewegt. Über
        die Lage der tonerzeugenden Stellen vermag ich trotzdem keine
        sicheren Angaben zu machen.

+Atmung.+ Zur Atmung kommt der pechschwarze Wasserkäfer wie der
Gelbrand zur Oberfläche, jedoch hierbei einen charakteristischen
Unterschied gegen den letztern zeigend. Nicht das Ende des Hinterleibes
steckt er aus dem Wasser, sondern den Kopf bringt er an die Oberfläche,
beugt ihn zur Seite, so dass die behaarte Stelle an der Hinterseite
der Augenwölbung die Oberfläche berührt, und legt dann die konkave
Seite der +behaarten+ Glieder der Fühlerkeule, diese zwischen dem
ersten und zweiten Gliede umbiegend, hier von aussen an, so dass ein
röhrenförmiger Zugang für die Luft zu der behaarten und unbenetzten
Unterseite gebildet wird. Durch die nun beginnenden Pumpbewegungen
des Tieres wird der Körper im Wasser gehoben und gesenkt. In der
seidenartigen Behaarung der Unterseite, die sich in der ganzen
Breite bis zum ersten Hinterleibsringe einschliesslich und von da
an den Seitenrändern erstreckt (Fig. 6, 5), wird die Luft zu den
Stigmen des Hinterleibs fortgeleitet. Doch dürften die Luftlöcher
in der Verbindungshaut zwischen Vorder- und Mittelbrust, welche der
Zugangsstelle der Luft soviel näher liegen, bei unserem Käfer die
wichtigere Rolle spielen. Darauf weist wenigstens der Umstand hin,
dass sie, ganz abweichend von den Verhältnissen beim Gelbrand, die
Hinterleibsstigmen an Grösse übertreffen. Für das Festhalten der Luft
an der Unterseite -- der Käfer trägt unter Wasser also einen den
grössten Teil des Körpers einnehmenden „Silber“-überzug -- ist auch
die Eigentümlichkeit von Bedeutung, dass die Flügeldecken über den
Hinterleib nach unten vorragen.

Schwimmt der Gelbrand eigentlich nur mit den Hinterbeinen, so benutzt
der Kolbenwasserkäfer dazu Mittel- und Hinterbeine. Die Beine desselben
Paares bewegt er dabei abwechselnd (er pudelt), so dass der Körper
beim Schwimmen hin und her „wackelt“. Eine Hilfe, trotzdem die
Richtung zu halten, gewährt wohl die dach- bez. kielförmige Gestaltung
der Unterseite des Hinterleibes. Die ganze Bewegung ist ungleich
schwächlicher als die des Gelbrandes. Dem entspricht auch die schmale
Gestalt der Hinterhüften, die überdies nicht wie beim Gelbrand mit der
Hinterbrust fest verwachsen, sondern ihr beweglich eingefügt sind.
Die Beteiligung der Mittelbeine am Schwimmen zeigt sich nicht nur in
ihrer Behaarung, sondern auch darin, dass die Mittelbrust nicht wie
beim Gelbrand durch die Hinterbrust von der Unterseite verdrängt ist.
Ähnlich wie der Hinterleib ist auch die Brustunterseite gekielt; der
Kiel der Hinterbrust geht nach hinten in einen langen und scharfen
Schutzdorn aus.

Übrigens sind auch bei unserem Käfer die Vorderbeine der Männchen
ausgezeichnet: das letzte Tarsenglied ist beilförmig verbreitert.
Anderseits findet sich bei einem Teil der Weibchen am vordern Teil des
Seitenrandes der Flügeldecken ein leistenartiger Vorsprung.

+Nahrung.+ Gewöhnlich werden die Hydrophiliden kurzweg als
Pflanzenfresser bezeichnet und das würde den Gegensatz zu den
fleischfressenden, räuberischen Dytisciden recht scharf machen. Doch
ist jene Bezeichnung nicht ohne Einschränkung zutreffend; oft habe
ich _Hydrophilus piceus_ und ebenso den nah verwandten mittelgrossen
(1.5 bis 1.75 _cm_) _Hydrous caraboïdes_ tote oder auch nur matte
Wassertiere auffressen sehen. Anderseits ist schon auf Grund der
Untersuchung der unverdauten Bestandteile seiner Nahrung deren häufige
Herkunft aus dem Pflanzenreiche nicht zu bezweifeln. Man bezeichnet ihn
also wohl am besten als +Allesfresser+.

Alles, was wir bisher an dem Vertreter der Kolbenwasserkäfer
kennen gelernt haben, weist darauf hin, dass irgend eine nähere
verwandtschaftliche Beziehung der beiden Käferfamilien zu einander
nicht besteht, und jeder weitere Untersuchungspunkt bestätigt diese
Auffassung. Können wir auch auf Einzelheiten hier nicht weiter
eingehen, so sei doch wenigstens kurz erwähnt, dass neben den
schon erwähnten Punkten (Bildung der Fühler, Brust, Beine etc.)
besonders auch die Bildung der Mundteile und die Flügeladerung für
diese Auffassung spricht. In allen diesen Punkten stellen sich die
Dytisciden, soweit nicht die Anpassung an das Leben im Wasser in
Frage kommt, unmittelbar neben die ebenfalls räuberischen Laufkäfer
des Landes und mit ihnen thun das, wenngleich nicht ebenso nahe, die
Taumelkäfer; dagegen muss für die Hydrophiliden der Anschluss bei ganz
anderen Familien der Landkäfer gesucht werden.

+Entwickelung.+ In nachdrücklicher Weise wird diese Ansicht auch
durch alles, was auf die Entwickelung Bezug hat, gestützt. Schon
in der Eiablage thut sich ein Gegensatz zwischen Hydrophiliden und
Dytisciden kund: während die Dytisciden keine besondere Fürsorge irgend
welcher Art für die Eier und die ausschlüpfenden Larven treffen,
gilt das für die Hydrophiliden in auszeichnender Weise. Die Arten
unserer Gattung und mehrerer anderer fertigen aus einer Masse, die
in Fäden aus röhrenartigen Vorsprüngen des Hinterleibsendes tritt,
ein weisses, rundliches, ansehnliches Gespinst (Fig. 6, 8), das an
einer Seite in einen nach oben gerichteten schornsteinartigen Fortsatz
ausläuft. Im Innern liegen die grossen länglichen Eier und bringen die
ausgeschlüpften Larven geschützt die erste Zeit zu. Bei _Hydrophilus_
ist das Gespinst der Unterseite eines Blattes angeklebt, bei _Hydrous_
ist das Blatt ringartig um das Gespinst befestigt. Wer diese Masse
nicht schon von Ansehen kennt, wird leicht in die Versuchung kommen,
vom Ufer aus sie für Papierstücke zu halten, die in das Wasser gefallen
sind.

Die anfangs bräunlichen, später schwärzlichen, zum grösseren Teile
weichhäutigen Larven[XX] unterscheiden sich weitgehend von denen der
Schwimmkäfer. Als systematisch wichtiges Kennzeichen ist zu betonen,
dass die Beine nicht Fuss und Klaue gesondert haben und die Beine
nicht wie fast immer bei den Schwimmkäferlarven mit zwei Klauen,
sondern nur mit einer solchen versehen sind. Stärker fällt in die
Augen der Unterschied der Mundteile: die Unterlippe ist gross und
vorstehend (bei den Schwimmkäfern bis auf die Taster sehr winzig),
die Oberkiefer (Fig. 6, 7) nicht einfach sichelförmig, sondern auf
der Innenseite mit Höckern (bei den Verwandten mit starken Zähnen)
versehen. Die Nahrung besteht nämlich auch bei diesen Larven aus
erbeuteten Wassertieren, z. B. Schnecken; dieselben werden aber nicht
durch die Oberkiefer ausgesogen, sondern vor der Mundöffnung mit
den Oberkiefern zermalmt, und dann die Säfte durch die Mundöffnung
aufgesogen, während die Chitinteile vor derselben liegen bleiben.
Durch diese eigentümliche Art der Nahrungsaufnahme wird die Gewohnheit
der meisten Hydrophiliden-Larven bedingt (für die von _Hydrophilus_
selbst habe ich es noch nicht beobachtet), die Beute ausserhalb des
Wassers zu tragen, den Kopf dann so zu heben, dass die Mundöffnung
und die davorliegende Beute gerade nach oben gerichtet ist, und in
dieser eigentümlichen Haltung die Beute zu verzehren. Die nicht
benutzbaren Chitinteile werden zuletzt bei Seite geworfen. Im Wasser
würde bei dieser Weise der Nahrungsaufnahme ein grosser Teil der
Säfte der Beute verloren gehen und viel Wasser in den Verdauungskanal
aufgenommen werden; in der Luft dagegen gelangen nur zum Schluss
einige Luftblasen mit in den Verdauungskanal. Dieselben fallen bei
mikroskopischer Betrachtung kleinerer durchsichtiger Larven leicht auf;
ihre Herkunft konnte ich mir lange nicht erklären. Die Bewegung der
Larven ausserhalb des Wassers erinnert übrigens durch das abwechselnde
Strecken und Verkürzen der vordern und hintern Körperhälfte lebhaft an
die Bewegungsart vieler madenförmiger Zweiflüglerlarven. Mit dieser
Bewegungsart hängt augenscheinlich auch die Weichhäutigkeit des
Hinterleibes und der beiden letzten Brustringe bis auf kleine Teile des
Rückens sowie die in der Abbildung nicht wiedergegebene Faltenbildung
des Hinterleibes zusammen.

  [XX] Die Larven von _Hydrophilus piceus_ habe ich in erwachsenem
       Zustande nicht zu häufig angetroffen; ungleich häufiger die
       von dem schon erwähnten nahe verwandten _Hydrous caraboïdes_.
       Deswegen ist auch das Gespinst und die Larve dieses Käfers Fig.
       6, 6 und 7 in die Abbildung aufgenommen worden.

Zur Atmung dienen der Larve wiederum nur zwei Stigmen am Ende des
Hinterleibes; dieser Körperteil wird also auch hier an die Oberfläche
gebracht. Zum Schwimmen dienen die oben und unten stark bewimperten
Beine; die vier hinteren werden dabei anders als beim Käfer, nämlich
gleichzeitig bewegt. Bei den Larven von _Hydrous caraboïdes_ trägt
der Hinterleib (Fig. 6, 7) an den Seiten grössere bewimperte Anhänge,
die an die Tracheenkiemen der Gyrinus-Larve erinnern. Doch können die
Anhänge hier nicht als Tracheenkiemen angesprochen werden, da ihnen
ein reicher entwickeltes Luftröhrensystem fehlt. Auch vom Blutstrom
werden sie, wenigstens bei älteren Larven, nicht durchzogen. Ihre
Bedeutung liegt vielleicht in der Oberflächenvergrösserung für
mediane Schwimmbewegungen des Hinterleibes. Für gewöhnlich sieht man
freilich auch unsere Larve nur mit den Beinen schwimmen und zwar
auffälligerweise mit allen gleichzeitig.

Zur Verpuppung gehen die Larven der Hydrophiliden ebenso wie die der
Dytisciden ans Ufer, um dort eine geschützte Stelle über dem Wasser
aufzusuchen.


Die übrigen Hydrophiliden.

Ziemlich zahlreich sind die Verwandten des pechbraunen Wasserkäfers,
wenn auch nicht so zahlreich wie die des Gelbrandes; die Artenzahl
der Hydrophiliden ist etwa halb so gross wie die der Dytisciden.
An Grösse kommt unserem Käfer, von der zweiten Art seiner Gattung
_Hydrophilus aterrimus_ abgesehen, keine Art auch nur annähernd
gleich; die nächst grösste, oben mehrfach genannte Art geht schon
auf 17 _mm_ herab, die folgenden (_Hydrobius_-Arten) meist auf 7–8
_mm_ und die meisten anderen erreichen nicht mehr 5 _mm_ Länge. Mit
Ausnahme von _Hydrous caraboïdes_, den Arten von _Hydrobius_ und
_Berosus_ besitzt keine Art mehr bewimperte Beine und die Fähigkeit zu
schwimmen. Die Mehrzahl der Arten +kriechen+ also nur an den Pflanzen
unter Wasser umher; losgerissen treiben sie hilflos zur Oberfläche
und suchen dann, den Bauch nach oben, mühsam wieder eine Pflanze oder
das Ufer zu erreichen[XXI]. Auch die genannten Arten benutzen übrigens
keineswegs immer ihre Schwimmfähigkeit, um von einer Stelle zur andern
zu kommen, wie das für die Dytisciden gilt, sondern oft genug sieht man
sie, besonders die Arten von _Hydrobius_, an Gegenständen im Wasser
umherkriechen.

  [XXI] Einige Arten, welche der Familie zugerechnet werden, leben
        sogar beständig ausserhalb des Wassers.

Die Fähigkeit, willkürlich Töne hervorzubringen, habe ich ausser bei
_Hydrophilus_ noch bei _Hydrous caraboïdes_, _Spercheus emarginatus_,
_Hydrobius oblongus_ und _Berosus luridus_ beobachtet[XXII]. Besonders
die beiden letzten Arten knirschen bei Berührung bez. nach derselben
sehr laut und regelmässig; bei _Hydrous_ habe ich die Töne mehrfach
abends gehört, als eine Schale mit mehreren Tieren dieser Art
unmittelbar vor mir stand. Auf Berührung hat er dagegen nicht
geantwortet.

  [XXII] Bei _Spercheus_ wurde, wie ich beobachten konnte, bei der
         Erzeugung des Tones der Hinterleib nicht in der Mittellinie
         des Körpers, sondern seitlich bewegt.

Abgesehen von diesen beiden Punkten stimmen jedoch auch die übrigen
im Wasser lebenden Verwandten mit unserem Vertreter in fast allen
biologischen Punkten ebenfalls überein, so besonders in Fühler-,
Kiefer-, Brustbildung. Sie zeigen auch z. B. unter Wasser stets nur die
Taster, erst an der Luft die Fühler; so nehmen sie ferner stets auf
der Unterseite die Atemluft mit in das Wasser und zwar ist bei allen
ausser der Gattung _Hydrophilus_ die ganze Unterseite mit Luft bedeckt.
Auch sorgen alle in besonderer Weise für die ausschlüpfenden Larven,
wenn auch nicht genau in der Weise wie _Hydrophilus_. Für _Hydrous_
wurde das Gespinst für die Eier schon erwähnt. Ähnliche mit hornartigem
Ansatz versehene Gespinste in freilich viel kleinerem Massstabe werden
von _Helephorus_ gefertigt. Ein Weibchen des _Helephorus aquaticus_
z. B., das ich für sich in einer kleinen Schale hielt, lieferte
Ende Mai solche Gespinste an Kork angeklebt in Mehrzahl mit ungefähr
je zehn Eiern. _Hydrobius_ und _Philhydrus_ kleben ihre weissen,
pantoffelförmigen, „ungehörnten“ Gespinste im ersten Frühjahr an
den Blättern stehender Pflanzen fest; besonders oft habe ich sie in
Mehrzahl an Grasblättern getroffen. Die Weibchen von _Spercheus_ und
_Helochares_ tragen die verklebten Eierpakete unter dem Hinterleibe
mit sich herum, sie mit den Hinterbeinen und den vorstehenden Rändern
der Flügeldecken haltend. Beide sind im Mai um Berlin recht häufige
Erscheinungen. Die Larven der Mehrzahl dieser Arten kann man, wie ich
vielfach erprobt habe, aus den gekennzeichneten Gespinsten oder Paketen
leicht erhalten. Deswegen glaube ich darauf verzichten zu sollen, noch
die Unterschiede der Larven der einzelnen Arten anzugeben. Sie besitzen
übrigens in den Mundteilen, der Beinbildung (Fussglied und Klaue nicht
gesondert), Zahl der Fussklauen, Weichhäutigkeit des Hinterleibes alle
die oben geschilderten Merkmale. Hervorgehoben sei nur, dass nach
Schiödte die mir unbekannte Larve von _Berosus spinosus_ mit sieben
Paar fädiger Tracheenkiemen und die von _Philhydrus testaceus_ mit
fünf Paar Afterbeinen ähnlich denen der Raupen, jedoch in anderer
Verteilung, versehen ist.


4. Käfer und Käferlarven anderer Familien.


a) Parnus.

Mit den kleineren Hydrophiliden findet man oft an Wasserpflanzen einen
5 _mm_ grossen Käfer bräunlicher Farbe, _Parnus prolifericornis_,
der ebenso wenig zu schwimmen vermag wie diese Hydrophiliden, der
ebenso wie jene die Luft zur Atmung an der Aussenseite des Körpers
mit unter Wasser nimmt, aber nicht allein an der Unterseite, sondern
wie die Wasserspinne an der ganzen Körperoberfläche. Als Mittel,
diese Lufthülle zu halten, dient ihm wie der Spinne ein seidenartiger
Haarüberzug des Körpers. Biologisch schliesst er sich ganz den
kleineren Hydrophiliden an; Fühlerbildung und andere morphologische
Eigenschaften weisen ihm dagegen mit wenigen anderen Genossen, die
teilweise ebenfalls das Wasser lieben, eine besondere systematische
Stellung an[XXIII].

  [XXIII] Die Larve unserer Art ist meines Wissens noch nicht bekannt,
          die von _Parnus auriculatus_ fand Hh. Th. Beling in feuchter
          Erde. S. Verh. d. Zool.-botan. Vereins in Wien 1882.


b) Cyphon-Larven.

Recht häufig trifft man schon zeitig im Frühjahr in Gräben mit
verwesenden Blättern in Gemeinschaft mit den Larven der Stechmücke eine
Käferlarve, die offenbar keiner der oben genannten Familien angehört.
Wie die Zucht des Tieres ergab, gehört sie zu einer Art der Gattung
_Cyphon_; die Käfer selbst halten sich gern auf Blättern in der Nähe
des Wassers auf. Die zarthäutige, dunkle Larve wird bis 1 _cm_ lang und
ist von oben nach unten stark zusammengedrückt; als gutes Kennzeichen
dient die für Larven ganz ungewöhnliche Länge der Fühler, welche bei
sehr zahlreichen Gliedern länger als die Hälfte des Körpers sind,
und der Mangel an Hinterleibsanhängen irgend welcher Art. Zur Atmung
kriecht die Larve zur Oberfläche; die beiden thätigen Luftlöcher liegen
auch hier am Körperende. Die Mundteile lassen sie als Pflanzenfresser
erkennen. Zur Verpuppung geht auch sie an das Ufer. Die Larve einer
andern Art, die sich durch lichte Färbung von der obigen unterscheidet,
fand ich im Juni besonders an den Blättern des Froschbiss.


c) Donacia-Larven und -Puppen.

Zum Schluss sei endlich der ganz eigenartigen biologischen Verhältnisse
wegen der Larven und Puppen der Schildkäfer (_Donacia_ und _Haemonia_)
gedacht. Die bleichen, bis 1½ _cm_ langen Larven leben im Schlamm an
den Wurzeln verschiedener Wasserpflanzen, der Seerosen, Igelkolben,
Schachtelhalme, so dass man ohne besonderes Suchen ihrer kaum gewahr
wird. Da sie ohne Tracheenkiemen oder eigentliche Kiemen und von
sehr träger Bewegung sind, da ferner ihre derbe Haut und Gestalt
den Gedanken an Hautatmung ausschliesst, so sind sie dem Beobachter
hinsichtlich ihrer Atmung zunächst ein Rätsel. Die Lösung der
Atemaufgabe ist bei ihnen so seltsam wie möglich: sie benutzen
die Luft, welche in den stets reich entwickelten Luftgängen von
Wasserwurzeln vorhanden ist. Ich habe mich bemüht[XXIV] den Nachweis
dafür zu führen, dass die Larven dazu die beiden sichelförmigen
braunen Anhänge am Ende des Hinterleibes benutzen, die nichts anderes
seien als eigentümlich einseitig über die Körperhaut verlängerte
Stigmenränder. Diese Anhänge werden, wie unmittelbare Beobachtung und
das Vorhandensein der entsprechenden paarigen Narben an den Wurzeln
ergab, in die Pflanze eingedrückt, durch den Druck des Pflanzengewebes
werden zwei Längsspalten an der Rückseite der Anhänge geöffnet und
nun die Luft eingesogen. Zur Ausatmung dürften die beiden kurzen
Stigmenöffnungen an der Basis der Anhänge dienen. Auch zur Nahrung
dienen den Larven, wenigstens denen von _D. crassipes_, die Wurzeln.
Zur Zeit, wenn die Verpuppung naht, fertigt die Larve ein elliptisches
Gehäuse, das der Wurzel angeklebt ist, beisst hier ein Loch in die
Wurzel, so dass die ausströmende Luft das Wasser aus dem Gehäuse
verdrängt, und schliesst nun völlig das Gehäuse, um so von Luft umgeben
der Umwandlung zur Puppe und zum Käfer entgegenzugehen. Diese Gehäuse
trifft man an Wurzeln und Rhizomen ungleich häufiger als die Larven,
welche leicht beim Herausziehen der Wurzel abgestreift werden. Im
Gehäuse ist dann entweder noch die Larve, oder schon die Puppe, nicht
selten auch der meist farbenprächtige Käfer vorhanden. Frisst sich
endlich der Käfer durch das Gehäuse durch, so steigt er infolge der
Luftschicht, welche seiner kurzseidenhaarigen Unterseite anhaftet,
an die Oberfläche. Man trifft ihn nicht selten beim Fischen zwischen
den Blättern und Binsen der Oberfläche an. Die Eier werden an den
Blättern bestimmter Pflanzenarten abgelegt. _Donacia crassipes_ benutzt
die Blätter der Seerose und zwar werden die Blätter an einer Stelle
durchbissen und die Eier in zwei Bogenreihen auf der Unterseite neben
diesem Loch angeklebt.

  [XXIV] S. Berliner entomologische Zeitschrift Bd. XXXI, S. 325–334,
         und Bd. XXXIII, S. 299–308.


Die Zweiflügler[2].

Durch die Zartheit und Ungeschütztheit der Flügel sind die Zweiflügler
selbst, d. h. die Mücken und Fliegen, von dem Leben im Wasser[XXV] so
gut wie völlig ausgeschlossen; von den Larven und Puppen derselben
aber lebt eine recht erkleckliche Anzahl im Wasser, und diese Zahl
wächst besonders noch an, wenn dabei auch diejenigen Fliegenlarven
mitgerechnet werden, welche sich in Lachen kleinsten Umfangs aufhalten
und halb ein Wasser-, halb ein Luftleben führen. Von den letzteren soll
im folgenden ganz abgesehen werden; auch dann werden wir noch gezwungen
sein, uns auf die häufigeren und typischen Formen zu beschränken.

  [XXV] Der Dipteren, welche +auf+ dem Wasser angetroffen werden, wurde
        schon oben beim Taumelkäfer kurz gedacht. Eine winzige Mücke,
        _Clunio adriaticus_, lebt seltsamerweise nach +v. Frauenfeld+
        bei Triest unter dem Meeresspiegel an Miesmuscheln.

Vorweg sei der +Merkmale+ gedacht, an denen wir Larven des Wassers als
+Dipteren-Larven+ zu erkennen vermögen.

Zunächst fehlen ihnen stets echte, d. h. gegliederte Beine, die sonst
bei allen Insektenlarven des Wassers vorhanden sind. Bei einigen
Gattungen der Mücken (z. B. _Chironomus_, _Tanypus_, _Simulia_) kommen
zwar sogenannte falsche Beine vor, nämlich solche, die ungegliedert und
mit einer Gruppe von Haken versehen sind, aber selbst abgesehen von
diesem Unterschied der Bildung lässt schon die Stellung derselben, ein
Paar am ersten Brustring und meist ein Paar am +Hinterleibsende+, eine
Verwechselung dieser Larven mit denen anderer Ordnungen nicht zu. Da
die Verwandlung der Zweiflügler wie die der Käfer eine +vollkommene+
ist, also den Larven jede Spur von +Flügelansätzen+ fehlt und auch
oft der Kopf wenig deutlich ist, so haben manche von ihnen ein recht
wurmähnliches Aussehen. Im Zweifelfalle wird stets der Besitz von
Tracheen oder von einem chitinösen Kopfskelett mit Kiefern oder von
einer Schlundkapsel mit Chitinhaken die Dipteren-Larve kenntlich machen.

[Illustration: Fig. 7.

9 Puppe von _Culex pipiens_ -- 10 Larve von _Mochlonyx culiciformis_
-- 11 Larve von _Dixa amphibia_. _a_ Luftlöcher -- 12 Larve von
_Chironomus plumosus_. _f__{1}, _f__{2} Die beiden Paare fussartiger
Fortsätze mit zahlreichen Chitinhaken -- _a_ Schlauchförmige Anhänge
-- _r_ Rektaldrüsen -- 13 Puppe von _Simulia ornata_ -- 14 Larve von
_Stratiomys spec._ 10, 11, 12, 13 nach Meinert -- 9 nach E. Köhne -- 14
nach der Natur.]

Unter den Dipteren-Larven des Wassers nimmt fraglos die Gruppe der
„+Eucephalen+“ (Fig. 7, 9–13), d. h. derjenigen, welche einen
deutlichen Kopf mit Fühlern, Augen und ordentlichen Kiefern besitzen,
und für welche die Larve der gemeinen Stechmücke ein gutes Beispiel
ist, den ersten Rang ein. Ihnen werde ich die mit fadenförmigen
Tracheenkiemen versehene Schnakenlarve (_Phalacrocera replicata_)
anschliessen. Die nächst wichtige Gruppe bilden die Larven der
+Waffenfliegen+ (Fig. 7, 14), gekennzeichnet durch den einziehbaren,
unansehnlichen Kopfteil, durch die deutliche Gliederung des Körpers und
den Kranz von Atemhaaren am Ende des Hinterleibes. An letzter Stelle
werde ich endlich die Larven der Schwebfliegengattung _Eristalis_
anzuführen haben, denen ein Kopfabschnitt fehlt, deren Körpergliederung
wenig deutlich ist und die mit einem fernrohrartig einziehbaren
Atemanhang versehen sind.


1. Eucephale Zweiflüglerlarven (Mückenlarven).

Unter allen unseren Insektenlarven giebt es vielleicht keine zweite,
die so leicht zu haben, so leicht zu halten und in ihrer Entwickelung
zu verfolgen ist, und deren Verwandlung dabei einen so überraschenden
Eindruck macht, wie die unserer Stechmücken-Arten[XXVI] (_Culex_). Im
März, gleich nach dem Auftauen der Gewässer, bei mildem Wetter oft auch
im Dezember und Januar, trifft man in Gräben mit stehendem Wasser,
besonders wenn dieselben vermodernde Laubblätter enthalten, die Larven
der Gattung _Culex_ oft in ausserordentlicher Menge an. Sie sind um
diese Zeit meist noch winzig, etwa 3–4 _mm_ lang, wachsen aber schnell
heran. Zur Aufzucht hat man nur nötig ein Glas oder eine Schale mit
Wasser, zur Nahrung einige vermodernde, untersinkende Blätter. Die
Bälge der Larven findet man nach den bald eintretenden Häutungen im
Wasser schwimmen, den Kopf und Atemanhang derselben von schwärzlicher
Farbe, die übrigen Teile recht durchsichtig. Ist dann nach einigen
Wochen oder, wenn man später grössere Larven nahm, oft nach einigen
Tagen, die Verpuppung eingetreten, so kann man nach einer Frist von
neun bis zehn Tagen das Ausschlüpfen der Mücke erwarten.

  [XXVI] Bis zu gewissem Grade teilen alle eucephalen Larven diese
         Eigenschaften mit den Culex-Arten.

Zu erkennen sind die Larven der Gattung _Culex_ unter den anderen,
mit deutlichem Kopf versehenen Zweiflüglerlarven unschwer 1) durch
die Verwachsung der Brustringe, deren Zahl noch durch drei grössere
Borstenbündel angedeutet ist, und 2) durch den langen, zur Atmung an
der Oberfläche benutzten Fortsatz des achten Hinterleibsringes. Das
Ende des Leibes geht also scheinbar zweiteilig aus; den einen Gabelast
bildet der eben genannte, von den beiden Hauptluftröhrenstämmen
durchzogene Fortsatz, den andern das eigentliche Körperende mit dem
After (vgl. Fig. 7, 10). An diesen stehen vier ausstreckbare, zarte
Fortsätze (Fig. 7, 12 _r_), die sogenannten Rektaldrüsen; es stehen
ferner am letzten Segment in der Mittelebene des Körpers nach unten
gerichtet in deutlicher Reihe die wichtigsten Schwimmborsten.

+Bewegung.+ Wie freilich die Bewegung zu stande kommt, lässt sich, wenn
sie recht schnell ausgeführt wird, kaum erkennen; purzelnd schiesst
dann das Tier bald dahin, bald dorthin vorwärts. Erst bei langsamerer
Bewegung unterscheidet man das Wie derselben, so z. B., wenn das Tier
zur Atmung zur Oberfläche kommt und fast dieselbe erreicht hat, dann
zeigt sich, dass der Hinterkörper mit seiner in der Mittelebene des
Körpers stehenden Borstenreihe rechts und links schlägt und so den
Körper, das Afterende voran, vorwärts treibt. Dem entspricht nun, dass
am +Vorderteil+ die Borsten +seitlich+ gerichtet sind. Eine eigenartige
Fortbewegung kann man ausserdem oft wahrnehmen, wenn die Larven an den
Wänden den Algenansatz benagen: durch die Bewegung der Mundteile selbst
rücken sie dann ziemlich schnell an der Wand fort.

+Atmung und Nahrung.+ Dass die Larven zum Atmen an die Oberfläche
kommen und dass die vereinigten Atemöffnungen an dem Fortsatz des
achten Segmentes liegen, ist schon oben angedeutet worden. Die
Zeit, in welcher sich dieses Emporkommen wiederholt, ist ziemlich
kurz. Die Tiere hängen dabei in etwas schräger Körperhaltung an der
Oberfläche; bei richtiger Haltung des Auges kann man die Einsenkung
der Oberflächenschicht an der betreffenden Stelle deutlich wahrnehmen.
Schliessen sie die Atemöffnungen, so sinken sie langsam an den
Boden. Dort beginnen sie wieder ihre Nahrung, besonders vermodernde
Pflanzenstoffe, zu verarbeiten. Tritt übrigens irgend eine Beunruhigung
bei der Atmung ein, so purzeln sie nach allen Richtungen fort.
Bisweilen heben die Larven auch, wenn sie an der Oberfläche hängen,
ihren Kopf bis zu derselben empor und drehen sich, indem sie lebhaft
die Kiefer bewegen, nach dem Prinzip der Rückwirkung, kreisend um den
Atemfortsatz.

+Puppe+ (Fig. 7, 9). Während bei den Käfern die Larven stets zur
Verpuppung das Wasser verlassen, bleibt bei den Dipteren, deren Larven
im Wasser leben, auch die Puppe im Wasser. Dadurch werden auch bei den
Puppen eigenartige Verhältnisse hinsichtlich der Atmung und Bewegung
bedingt. Die Puppen der „eucephalen“ Larven werfen alle, wie das bei
den Insekten ja die Regel ist, bei einem grossen Teil der Dipteren aber
gerade nicht zutrifft, die letzte Larvenhaut völlig ab; es lassen also
ihre Puppen (s. Fig. 7, 9 u. 13) wie die Schmetterlingspuppen deutlich
bereits Kopf mit Augen, Fühlern und Mundteilen, Brust mit Flügeln und
Beinen und endlich den Hinterleib unterscheiden. Flügel, Beine und
Fühler sind aber nicht wie bei den Schmetterlingspuppen mit dem übrigen
Körper verklebt, sondern frei.

Die Puppen von _Culex_ atmen wie die Larven die Luft direkt, müssen
also entweder stets an der Oberfläche hängen oder die Fähigkeit haben,
sich zu derselben zu bewegen. Das letztere ist der Fall und so besitzen
sie eine für echte Insektenpuppen ganz überraschende Beweglichkeit.
Dabei ist die Art der Bewegung plötzlich eine ganz andere als bei
den Larven: zwar ist auch hier der Hinterleib der treibende Teil,
wie ja auch bei anderen Puppen, z. B. Schmetterlingspuppen, derselbe
durch Beweglichkeit ausgezeichnet ist, derselbe schlägt aber nicht
+seitlich+, sondern +in der Mittelebene+, und ist im Zusammenhang damit
am Ende mit zwei seitlich gestellten Platten versehen. Atemöffnungen
sind zwei vorhanden, nicht aber am Hinterleib, sondern an der Rückseite
der Brust, am Ende zweier leicht beweglicher, trichterförmiger
Anhänge[XXVII]. Fragezeichen ähnlich hängen die Puppen zur Atmung an der
Oberfläche.

  [XXVII] +Palmén+ behauptet in seiner wichtigen Arbeit über die
          Morphologie des Tracheensystems (Leipzig 1877) S. 64
          auffallenderweise, dass diese Anhänge keine Öffnungen haben.
          Ich fand keine Schwierigkeit, mich an Längsschnitten der
          Anhänge vom Gegenteil zu überzeugen; als Luftsieb -- die
          Staubteilchen dort beweisen es -- dienen Haare, die in
          zierlicher Weise nach Art von Strebepfeilern emporragen,
          gruppenweise zusammenneigen und oben verwachsen sind.
          Leichter noch gewinnt man die Überzeugung von der Endöffnung
          dieser Anhänge, indem man eine Puppe auf ausgeschliffenem
          Objektträger unter Wasser bringt, und mit einem Deckglas
          bedeckt; bei leichtem Druck auf das letztere sieht man dann
          eine grosse Luftblase aus den Enden der Anhänge hervorquellen
          und, wenn man rechtzeitig wieder aufhört, beim Nachlassen des
          Druckes wieder in den Anhang zurücktreten.

Es möge gleich hier vermerkt werden, dass bei allen Puppen dieser
Gruppe sich gleiche oder homologe Anhänge an der Rückseite zwischen
Vorder- und Mittelbrust befinden und dass im Zusammenhang damit
die Bewegung der Puppe stets durch Schlagen des Hinterleibes in
der Mittelebene erfolgt. Die Erklärung dafür dürfte in folgender
Eigentümlichkeit der Entwickelung liegen: Will das Insekt der
Puppenhaut entschlüpfen, so platzt in der ganzen Unterordnung, welcher
unsere Tiere nach dem System von +Brauer+ zugehören, die Puppenhaut
in einem =~T~=förmigen Spalt an der Rückseite der Brust. Diese muss
sich daher bei unseren Puppen zu der Zeit an der Oberfläche des
Wassers befinden, also muss der ganze Bau der Puppe und ihre immerhin
beschränkte Bewegungsweise derart sein, dass die Rückseite der Brust
an die Oberfläche gebracht wird. Die mit Luft erfüllten Atemtrichter
halten dann zuletzt, auch ohne Bewegung des Hinterleibes, die Puppe in
der rechten Stellung an der Oberfläche. -- Das Ausschlüpfen der Mücke
und die Erhärtung ihrer Teile erfolgt in recht kurzer Zeit, in einer
bis zu einigen Minuten[XXVIII]. Dass der ganze Entwickelungsschritt schnell
vollzogen wird, ist der gefahrvollen Lage wegen, in der sich das Tier
währenddem befindet, von Wichtigkeit. Nicht nur die Feinde im Wasser
und in der Luft bereiten ihm dann Gefahr, auch jeder Windstoss kann
verderblich werden. Gern warten daher die Tiere die ruhige, feuchtwarme
Luft nach einem Gewitterregen ab.

  [XXVIII] Genauere Notizen habe ich von unserer Art darüber nicht zur
           Verfügung. Bei einer Puppe von _Chironomus plumosus_, aus
           der die Mücke, während ich dies niederschrieb, ausschlüpfte,
           dauerte der Akt vom ersten Platzen der Haut bis zum ersten
           Auffliegen der Mücke nicht ganz 20 Sekunden!

Der Laich bildet nach allgemeiner Angabe eine flache runde Scheibe,
die in der Mitte etwas ausgehöhlt ist und deswegen auf dem Wasser
schwimmt. Ich selbst habe das Ablegen der Eier und den Laich noch
nicht beobachten können; so oft ich Laich von der beschriebenen Form
auffand, erwies er sich doch stets bei weiterer Entwickelung als der
von _Corethra plumicornis_. Stechmücken, die im Aquarium in Menge
ausgeschlüpft waren, haben niemals bei längerer Gefangenschaft, wie ich
das bei anderen Gattungen beobachtet, den Laich abgelegt. Selbst als
ich solche Mücken mit verdünntem Honig und Blut fütterte und wochenlang
unter einer Glasglocke bei Gegenwart einer kleinen Schale mit Wasser
hielt, erhielt ich keinen Laich.

_Anopheles sp._ und _Dixa_ (Fig. 7, 11). Biologisch schliessen
sich an die Larven von _Culex_ am nächsten die von _Anopheles_
und _Dixa_ an; beide atmen durch zwei Stigmen (Fig. 7, 11 _a_) am
achten Hinterleibsring und beide sind Pflanzenfresser. Schwimmen
sie, so geschieht das gleichfalls durch seitliches Schlagen des
Hinterleibes. Von _Culex_ unterscheiden sie sich durch den Mangel eines
Atemfortsatzes und biologisch dadurch, dass sie sich ganz vorwiegend
an der Oberfläche aufhalten, meist auf dem Rande schwimmender Blätter
oder Gegenstände ruhend. Die schwärzliche Larve von _Dixa_ nimmt
dabei stets die Gestalt eines lateinischen =U= an und schiebt sich
in dieser Haltung ziemlich schnell durch abwechselnde Bewegung der
beiden Schenkel des =U= fort, die entsprechend mit Borsten versehen
sind. Weder Kopf noch Körperende, sondern die Mitte des Tieres
schreitet hier also voran: ein seltsamer Anblick. Den Kopf nach
oben und hinten zurückgeschlagen, wirbelt sich die Larve durch die
Bewegung der Mundteile die Nahrung zu. Dem gegenüber ist die Larve von
_Anopheles_ durch lichtere Färbung und einfache gerade Körperhaltung
gekennzeichnet; überdies sind bei _Anopheles_ die drei Brustringe wie
bei _Culex_ verwachsen, bei _Dixa_ wenigstens der erste deutlich frei.
Wie die Larve von _Dixa_ wirbelt auch sie sich die Nahrung durch die
Bewegung der Mundteile zu; auch sie hält dabei die Unterseite des
Kopfes nach oben, erreicht dies aber durch eine Drehung des Kopfes von
180° um die Längsachse. Die Puppen gleichen in ziemlichem Grade denen
von _Culex_.

Einen zweiten Typus der mit deutlichem Kopf versehenen Mückenlarven
stellt die viel untersuchte Larve von _Corethra plumicornis_ dar.
Dieselbe liebt pflanzen- und deswegen tierreiche stehende Gewässer
mit grösseren Stellen freien, klaren Wassers. Um Berlin ist sie eine
recht häufige Erscheinung; sie scheint auch stets in grosser Zahl
zu überwintern. Gekennzeichnet wird sie fast hinlänglich durch die
Bemerkung, dass sie von glasartiger Durchsichtigkeit ist; nur die
beiden Luftblasenpaare im vorderen und hinteren Teile des Körpers,
sowie gewöhnlich der gelbliche bis schwach gelbrote Darm machen
sie wahrnehmbar. Anfangs entgeht sie wohl Jedem oft genug, wenn
sie ruhig im Netz liegt. Als weitere Kennzeichen seien hier noch
folgende genannt: ein Atemfortsatz am achten Hinterleibsring ist
nicht vorhanden, ebenso wenig Luftlöcher, der Kopf ist schnabelförmig
verlängert, die Mundteile und selbst die Fühler sind zum Rauben
eingerichtet.

+Atmung+ und +Bewegung+. Da bei der Larve von _Corethra_ vom
Tracheensystem nur zwei paarige lufterfüllte Anschwellungen vorn und
hinten entwickelt sind, thätige Luftlöcher und auch Kiemen völlig
fehlen, so kann nur +Hautatmung+ für dieselbe angenommen werden.
Gestützt wird diese Annahme in hohem Masse durch die ausserordentlich
zarte und durchsichtige Haut des Tieres, die sie zu einem so beliebten
Objekt für mikroskopische Betrachtung macht. Die Larve kommt also auch
nicht zur Oberfläche; in horizontaler Lage steht sie oft lange Zeit
still im Wasser, um sich dann plötzlich durch einen seitlichen Schlag
fortzuschleudern und zwar anscheinend in völlig regelloser Weise. Der
wirksame Teil ist auch hier der hintere Körperabschnitt; der neunte
Hinterleibsring trägt zahlreiche, lange, in der Mittelebene stehende,
fiederförmig bewimperte Schwimmhaare. Nährt sich die Larve von _Culex_
von Pflanzenstoffen, so ist die von _Corethra_ durchaus räuberischer
Natur; zartere Wassertiere, ja selbst kleinere Larven der eigenen Art
bilden ihre Nahrung.

+Puppe.+ Ungleich ähnlicher als die Larven sind die Puppen von _Culex_
und _Corethra_. Auch die Corethra-Puppe bewegt sich durch mediane
Schläge des Hinterleibes, der am Ende ebenfalls besondere, seitlich
gestellte Schwimmplatten trägt. Auch die Anhänge der Vorderbrust
finden sich wieder, aber sie sind nicht wie bei der Puppe von _Culex_
trichterförmig offen und dienen nicht der Atmung[XXIX]. Mehrfach habe ich
30–40 Puppen in einem höheren Becherglase vor mir stehen gehabt, ohne
dass in Stunden auch nur eine an die Oberfläche zur Atmung gekommen
wäre. Mehrere Centimeter tief unter der Oberfläche schweben sie. Erst
wenn sie dem Ausschlüpfen sich nähern, wenn zwischen Puppen- und
Mückenhaut sich eine Luftschicht ansammelt, steigen sie infolge der
Verringerung des spezifischen Gewichtes dauernd empor. Aber auch dann
habe ich nie die Oberflächenschicht des Wassers an der betreffenden
Stelle unterbrochen gesehen, wie das sonst bei richtiger Stellung des
Auges stets zu sehen ist, wenn Insekten oder Insektenlarven zur Atmung
an die Oberfläche kommen. Die Bedeutung der lufterfüllten Anhänge am
Rücken der Vorderbrust kann also bei _Corethra_ nur darin liegen, dass
sie der Puppe ohne weiteres besonders beim Ausschlüpfen die geeignete
Körperstellung geben. Das Ausschlüpfen der Mücke vollzieht sich auch
hier in recht kurzer Zeit.

  [XXIX] Vgl. auch +Palmén+, „Morphologie des Tracheensystems“.

+Laich.+ Dass die abgelegten schwarzen Eier eine flache Scheibe bilden,
erwähnte ich schon bei _Culex_. Nicht selten habe ich dieselben im
Freien angetroffen und auch von ausgeschlüpften Mücken erhalten,
denen durch eine übergestülpte Glasglocke das Fortfliegen verwehrt
war. Die Larven schlüpfen, wenn man nur das Wasser der Schale durch
untergetaucht lebende Pflanzen, z. B. Riccien, frisch erhält, bald aus
der Laichmasse aus.

In merkwürdiger Weise vermittelt den Übergang von _Culex_ zu _Corethra_
die Larve von _Mochlonyx culiciformis_ (Fig. 7, 10). In Körpergestalt,
in Durchsichtigkeit hält sie die Mitte zwischen jenen beiden Gattungen.
Wie bei _Corethra_ finden sich zwei Paar Luftröhrenanschwellungen
vorn und hinten; aber es sind auch noch die beiden freilich schwachen
Längsstämme des Luftröhrensystems vorhanden und lufterfüllt, die wie
bei _Culex_ in einen Anhang des achten Hinterleibsringes ausgehen. Und
nun wird dieser „Atemfortsatz“ doch wieder nicht wie bei _Culex_ zur
Atmung benutzt; die Larven schweben ebenso wie die von _Corethra_ in
horizontaler Lage im Wasser und niemals habe ich sie an die Oberfläche
kommen sehen. Auch die Mundteile zeigen eine Bildung zwischen denen von
Culex- und Corethra-Larven; freilich stehen sie denen der letzteren
näher. In der räuberischen Lebensweise stimmen sie mit diesen völlig
überein. Die Puppe schliesst sich der von _Corethra_ nahe an. Die schon
von +De Geer+ beobachtete Larve scheint lange Zeit der Aufmerksamkeit
entgangen zu sein. Ich habe sie um Berlin seit einer Reihe von Jahren
vielfach gefunden und zwar stets mit Larven von _Culex_ zusammen.

_Chironomus_ und _Tanypus_. Einen dritten Typus stellen die Larven der
Gattungen _Chironomus_ und _Tanypus_ dar, die nicht der Oberfläche oder
den mittleren Schichten der Gewässer, sondern hauptsächlich dem Boden
der Gewässer, und zwar sowohl fliessender wie stehender, angehören.
In stehenden Gewässern sind wohl die blutroten Larven von _Chironomus
plumosus_ (Fig. 7, 12) mit die häufigsten und auffälligsten.
Gekennzeichnet sind die Larven dieser beiden Gattungen durch den Besitz
von winzigen Punktaugen und von je zwei sogenannten falschen Beinen am
Vorderbrustring und am Körperende (Fig. 7, 12 _f__{1}, _f__{2}) -- die
Beine sind ungegliedert und mit einer Gruppe von Chitinhaken versehen
--, ferner durch das Fehlen der Atemöffnungen und eines ausgebildeten
Luftröhrensystems. Die Larven der beiden Gattungen unterscheiden sich
unter einander vornehmlich dadurch, dass bei den Larven von _Tanypus_
die drei Brustringe mehr oder minder zu einer Masse verwachsen, bei
denen von _Chironomus_ aber frei sind. Überdies besitzen manche
Chironomus-Larven, z. B. die von _Ch. plumosus_, vier schlauchförmige,
zarte Auswüchse an der Bauchseite des achten Hinterleibsringes (Fig. 7,
12 _a_).

+Atmung.+ Die Larven von _Chironomus_ leben, wie schon angegeben wurde,
auf dem Boden, wo sie sich mit Hilfe einer Schleimmasse, die unterhalb
der Mundöffnung austritt, aus den Schlamm- oder Sandteilchen Röhren
zum Schutz und Aufenthalt bauen[XXX]. Thut man z. B. in eine Schale
mit Larven von _Chironomus plumosus_ etwas Sand, so nimmt der Boden
in kurzer Zeit ein Aussehen an, welches im Kleinen an das Bild einer
Wiese erinnert, an deren Oberfläche zahlreiche Maulwürfe ihre Gänge
gezogen haben. Zur Wasseroberfläche kommen die Larven nicht; ihre
Atmung ist wie die von _Corethra_ Hautatmung. Die Auswüchse am achten
Hinterleibsring der Larve von _Ch. plumosus_ sowie die vier Drüsen um
den After unterstützen wohl die Atmung, da sie von einem lebhaften
Blutstrom, in dem eigenartige, fadenförmige Blutkörperchen treiben,
durchzogen werden[XXXI].

  [XXX] Ob das auch für einzelne Arten von _Tanypus_ gilt, muss ich
        dahingestellt sein lassen.

  [XXXI] Dieser Blutstrom wird leicht bei ungünstiger Lage der Larve
         auf dem Objektträger unterbrochen und entgeht dann dem
         Beobachter. Auch mir war er früher entgangen; erst jüngst,
         als ich durch eine Äusserung von Hrn. +Weltner+, der Larven
         von _Chironomus_ auf dem Boden tiefer Seen gefunden hatte, zu
         erneuter Beobachtung veranlasst wurde, nahm ich denselben wahr.

Hält man Larven unserer Gattungen in sauerstoffarmem Wasser, so sieht
man oft, wie sie sich mit den Haken der „falschen“ Vorderfüsse an
einigen Gespinstfäden, welche sie am Gefäss befestigt haben, festhalten
und nun lebhaft in medianen, wellenförmigen Bewegungen das Wasser
schlagen, offenbar, um sich beständig frischeres Atemwasser zuzuführen.

+Bewegung+ und +Nahrung+. Am Boden bewegen sich die Larven von
_Chironomus_ mit Hilfe der vorderen und hinteren falschen Beine den
Spannerraupen ähnlich fort; im Wasser schwimmen sie, wenn man es so
nennen darf, recht ungeschickt ohne feste Richtung durch =~S~=förmige
Krümmungen des Körpers[XXXII]. Als Nahrung dienen ihnen die Schlammteile
des Bodens oder richtiger die darin enthaltenen organischen
Bestandteile.

  [XXXII] Bei einer Tanypus-Larve, wohl _T. monilis_, beobachtete ich
          ich Schwimmen durch wellenförmige Bewegungen in der
          Mittelebene des Körpers.

+Puppe.+ Auch während und nach der Verpuppung bleiben die Tiere in den
Schlammröhren; dabei ist die Larvenhaut oft noch nicht vollständig vom
Hinterleibsende der Puppe abgestreift. Als gutes Kennzeichen der Puppen
von _Chironomus_ ist die eigenartige Ausbildung der Vorderbrustanhänge
zu erwähnen; diese sind nicht einfach und trichter- oder keulenförmig
wie bei den früheren Gattungen und bei _Tanypus_, sondern bestehen
aus einer grossen Menge zarter Fäden, die von feinen Tracheenröhren
durchzogen sind und deswegen silberweiss erscheinen (vgl. Fig. 7, 13).
Sie sind also nach ihrer Bildung als Tracheenkiemen anzusprechen. Die
Puppe zeigt übrigens lebhafte Atembewegungen, und zwar ein Schwingen
in der Mittelebene des Körpers. Zur Zeit, wenn das Ausschlüpfen naht,
steigt sie an die Oberfläche, wobei die lufthaltigen Brustanhänge ihr
den Weg zeigen.

+Laich.+ Unter allen Mücken ist _Chironomus_ diejenige, deren Laich ich
am häufigsten angetroffen habe. Die länglichen, schwach bräunlichen
Eier liegen in wurstförmiger, durchsichtiger Gallertmasse. Wenig
auffällig, entgehen sie leicht der Wahrnehmung. Ihre Zugehörigkeit
lässt sich leicht dadurch feststellen, dass man die Larven in
besonderer Schale mit Wasserpflanzen ausschlüpfen lässt.

_Simulia._ Biologisch und auch wohl morphologisch schliessen sich an
die Larven von _Chironomus_ und _Tanypus_ die der +Simulia-Arten+
an. Dieselben leben ausnahmslos in fliessenden Gewässern. In der
näheren Umgegend von Berlin kenne ich sie nur aus der Panke oberhalb
Schönhausen und aus der Wuhle, die bei Köpenick in die Spree mündet.
Sie sind leicht daran kenntlich, dass zwar ein vorderes, weit
verwachsenes falsches Beinpaar wie bei _Chironomus_ und _Tanypus_
vorhanden ist, dagegen das hintere fehlt, und dafür ein Kranz von
Haken am Ende des im hinteren Abschnitt verdickten Abdomens steht.
Auch sie sind Hautatmer und kommen nie an die Oberfläche. Einen
recht seltsamen Anblick gewährt ihre Bewegungsweise. Mit einer
Gespinstmasse, welche ähnlich der der Raupen aus einem Vorsprung
oberhalb der Unterlippe austritt, ziehen sie am Boden einige kurze
Fäden, greifen in diese mit dem Hakenkranz der Vorderfüsse, krümmen
den Körper zu einer Schleife, greifen nun mit dem hinteren Hakenkranz
in diese Fäden, lassen dann vorn los, strecken sich, spinnen neue
Fäden u. s. w. So bewegt sich die Larve ausgesprochen spannermässig.
Hält man sie im tief ausgeschliffenen Objektträger oder einer andern
derartigen Vorrichtung (angekitteter Glasring), so kann man das Ziehen
der Fäden gut beobachten[XXXIII]. Durch dieses Mittel sind sie befähigt,
sich im strömenden Wasser an Wasserpflanzen und Steinen festzuhalten.
Oft richten sie sich, mit dem hinteren Hakenkranz in die Spinnfäden
greifend, senkrecht zur Oberfläche des Blattes und lassen dann ihren
Strudelapparat am Munde spielen, der ihnen mit dem entstehenden
Wasserwirbel die winzigen Nahrungsbestandteile zuführt.

  [XXXIII] Auch bei Tanypus-Larven habe ich diese Bewegungsweise, wenn
           auch nicht so ausgeprägt wie bei _Simulia_, beobachtet.

+Puppe.+ Die sehr gedrungene Puppe (Fig. 7, 13) lebt in einem
tütenförmigen Gehäuse, das seitlich an Wasserpflanzen mehr oder
minder tief befestigt ist. Ihre Vorderbrustanhänge gleichen denen von
_Chironomus_, doch sind die Fäden weit weniger zahlreich. Erst zum
Ausschlüpfen steigt sie zur Oberfläche.

+Rückblick.+ Alles in allem genommen, zeigen also die „eucephalen“
Mückenlarven der Gewässer und deren Puppen eine grosse Mannigfaltigkeit
der biologischen Verhältnisse. Atmen die Larven von _Culex_, _Dixa_
und _Anopheles_ Luft in gewöhnlicher Weise an der Oberfläche, so sind
die von _Mochlonyx_, _Corethra_, _Chironomus_, _Tanypus_, _Simulia_
Hautatmer; bei einzelnen Arten von _Chironomus_ findet sich dem
Anschein nach nebenbei Atmung durch echte schlauchförmige Kiemen[XXXIV].
Sind die Larven von _Culex_, _Anopheles_, _Mochlonyx_, _Corethra_
ausschliesslich oder fast ausschliesslich Schwimmer und zwar unter
seitlicher Bewegung des Hinterleibes, so zeigt die von _Dixa_,
die =~U~=-Larve, daneben eine seltsame, oben beschriebene Art des
Fortschiebens, die Chironomus-Larven ein unregelmässiges Schwimmen
durch =~S~=förmige Krümmungen, die Tanypus-Larven ein Schwimmen durch
mediane Bewegungen, beide Gattungen ausserdem und _Simulia_ eine
spannerartige Bewegung unter Benutzung von Hakenkränzen am Vorder-
und Hinterende des Körpers und teilweise (_Simulia_, _Tanypus_) von
Gespinstfäden. Als Nahrung dienen den meisten Larven Pflanzenstoffe,
_Mochlonyx_ und _Corethra_ aber sind ausgesprochene Raubtiere.
Leben die Larven von _Dixa_ und _Anopheles_ fast ausschliesslich
an der Oberfläche, so die von _Chironomus_ und _Tanypus_ meist in
Schlammröhren am Boden, bisweilen in ansehnlicher Tiefe, die von
_Simulia_ an allen möglichen Gegenständen des Wassers; tummeln
sich Culex-Larven durch alle Schichten hindurch, so bevorzugen die
von _Mochlonyx_ und _Corethra_ die mittleren Wasserschichten. Dazu
kommt dann noch das plötzliche Umspringen der Bewegungsarten bei der
Verpuppung der Mehrzahl der Larven und die Übereinstimmung aller Puppen
in dem Besitz besonderer Anhänge am Rücken der Vorderbrust und in der
Bewegungsart: zwei Punkte, die ich schon oben biologisch zu deuten
suchte.

  [XXXIV] Auffälligerweise fehlt die Atmung durch Tracheenkiemen ganz.

Es kann hiernach nicht überraschen, dass sich die Larven im Anschluss
an diese Unterschiede oft scharf nach der Art der Gewässer in ihrem
Vorkommen sondern. Während ich z. B. in der oberhalb Schönhausen stark
fliessenden Panke nur Larven von _Simulia_, _Chironomus_ und _Tanypus_
fand, zeigte sich dicht daneben ein Wiesentümpel mit Laubblättern,
aber ohne nennenswerten Pflanzenwuchs nur von zahlreichen Culex-Larven
bevölkert, und ein naher Graben mit stehendem Wasser und dichtem
Pflanzenwuchs die schwarzen Larven von _Dixa_ und die helleren von
_Anopheles_. Um _Corethra_ zu beherbergen, schien er wegen des Mangels
an grösseren pflanzenfreien Stellen nicht geeignet zu sein. Es haben,
möchte man sagen, die verschiedenen biologischen Gruppen die Gewässer
unter sich geteilt, oder richtiger ausgedrückt: es haben sich die
Gattungen nach den verschiedenen Lebensbedingungen der Gewässer unter
einander differenziert.

_Phalacrocera replicata._ Den eucephalen Mückenlarven schliesse ich
am besten die Larve einer Schnake, _Phalacrocera replicata_, an, die
schon +De Geer+ bekannt war. Sie scheint seitdem wenig aufgefunden
zu sein, wahrscheinlich jedoch nicht wegen ihrer Seltenheit, sondern
weil sie den Blicken so leicht entgeht. Ich habe sie um Berlin fast
überall gefunden, sobald der Pfuhl oder Teich am Grunde reichlich mit
Wassermoosen bedeckt war. An solchen lebt und frisst sie; den älteren
blattlosen Stengeln sieht sie recht ähnlich und wegen der Trägheit
ihrer Bewegungen übersieht man sie doppelt leicht. Sie ergänzt in
merkwürdiger Weise in einer Hinsicht die Mückenlarven; keine derselben
hat Tracheenkiemen, unsere Schnakenlarve ist auf der Rückseite mit
ziemlich starren, gegabelten, fadenförmigen Tracheenkiemen versehen.
Der mangelhaft ausgebildete „Kopf“ ist klein und kann völlig eingezogen
werden. Das Hinterende des Körpers trägt zwei grosse, gekrümmte
Chitinhaken.

Die Puppe besitzt wie die der eigentlichen Mücken zwei
Vorderbrustanhänge und lässt Kopf, Flügel, Beine u. s. w. deutlich
erkennen. Mit zwei Paaren von Fortsätzen an den hinteren Körperringen
-- ausserdem stehen noch zwei andere Paare dort -- hält sie sich an
Pflanzen fest und streckt die Anhänge zur Atmung heraus. Von der
Verpuppung bis zum Ausschlüpfen der ansehnlichen Schnake verfliessen
nur wenige Tage.

+Larven der Waffenfliegen.+ Von anderen Zweiflüglerlarven sind mir als
einigermassen häufig und auffällig[XXXV] nur noch die unter einander
recht ähnlichen Larven der Waffenfliegen (Stratiomyden) (Fig. 7, 14)
entgegengetreten. Sie sind deutlich gegliedert und mit undeutlichem,
einziehbarem Kopfteil versehen, aus dem zwei seitliche „Fressspitzen“
hervortreten. Am Ende des Körpers steht ein zierlicher Kranz von
Haaren, den die Larven auszubreiten und zusammenzulegen vermögen.
Inmitten dieses Kranzes liegt nämlich der Eingang zu einer Art Vorhof
der Luftlöcher der Larve; wollen die Tiere atmen, so strecken sie
das Körperende an die Oberfläche und breiten den Haarkranz aus. Ihre
Bewegung ist recht unbeholfen; durch lebhaftere Krümmungen kommen sie
langsam in ziemlich regelloser Weise vorwärts. In Übereinstimmung
mit ihrer Atmungsweise und mit ihrer schwachen Bewegungsfähigkeit,
leben sie nur an der Oberfläche stehender pflanzenreicher Gewässer.
Trifft man übrigens etwa im Mai, Juni Larven an der Oberfläche, die
andauernd bewegungslos bleiben, so -- hat man es ziemlich sicher mit
einer +Puppe+ zu thun. Sicherheit kann man über diesen Punkt leicht
gewinnen dadurch, dass man die „Larve“ am Ende öffnet; im zutreffenden
Falle ist nämlich die Haut an den Enden hohl und mehr in der Mitte
liegt die zarte, ziemlich fliegenähnliche Puppe. Es wird also bei
der Verpuppung die letzte Larvenhaut nicht abgestreift, sondern das
Tier hat sich innerhalb derselben zur Puppe umgebildet. Erst beim
Ausschlüpfen der Fliege wird auch diese Larvenhaut gesprengt und zwar
in einem =~T~=förmigen Spalt. Von den echten sogenannten +Tonnen+puppen
der grossen Menge der Fliegen unterscheiden sich übrigens diese Puppen
wesentlich dadurch, dass erstens die Larvenhaut bei der Verpuppung
weiter keine Veränderung der Form erfährt und dass das Aufspringen
nicht in einem Ringe, sondern in einem =~T~=förmigen Spalt erfolgt.

  [XXXV] Bisweilen habe ich auch in Gräben mit vielem Algenschleim und
         wenig sauberem Wasser die bekannten Rattenschwanzlarven der
         Schlammfliege angetroffen. Kenntlich sind die zarthäutigen
         Larven an dem Mangel eines Kopfes und an dem fernrohrartig
         ausstreckbaren Atemrohr am Ende des Körper. Ziemlich ähnlich
         sehen ihnen wegen eines gleichen Atemanhangs die Larven von
         _Ptychoptera_ (Schnake); doch ist der Kopf deutlich, wenn
         auch einziehbar, und die Puppe eine echte Schnakenpuppe
         (Mumienpuppe) mit einem sehr verlängerten Vorderbrustanhang.
         -- Wegen mehrerer Musciden-Larven und -Puppen des Wassers
         sei hier nur auf +G. Gerke+, „Verh. des Vereins für naturw.
         Unterhaltung zu Hamburg“, 1876 ff., verwiesen.


Schmetterlinge[3].

Die Schmetterlinge selbst sind ebenso und aus gleichem Grunde von dem
Leben im Wasser ausgeschlossen[XXXVI], wie die Fliegen; von den Larven und
Puppen dagegen leben einige auch aus dieser Insektengruppe im Wasser.

  [XXXVI] Dabei muss freilich von den flügellosen Weibchen des
          _Acentropus niveus_ abgesehen werden, welches nach
          Litteraturangaben mit dem Rücken nach unten auf der
          Wasseroberfläche umherschwimmt.

Die interessanteste und nach meinen Beobachtungen häufigste dieser
Wasserraupen ist die von _Paraponyx stratiotata_; ich habe dieselbe um
Berlin fast nirgends vermisst, wo ihre Haupt-Nährpflanze, die stachlige
Wasseraloë (_Stratiotes alioïdes_), wächst. Ihren Raupencharakter
bekundet die bis auf Kopf und ersten Brustring zarthäutige Larve
durch den Besitz von Afterbeinen mit Hakenkränzen am dritten bis
sechsten und letzten Hinterleibsringe neben den sechs gegliederten
Brustbeinen sowie durch die Bildung der Mundteile. Dass sie aber
ein wohlangepasstes Wassertier ist, zeigt das Fehlen von offenen
Atemlöchern und die Ausbildung von fadenförmigen Tracheenkiemen, welche
die Seiten und den Rücken vom zweiten Brustring an einnehmen[XXXVII]. Oft
findet man die Raupe zwischen zwei Blättern der Wasseraloë, die lose
durch Fäden zusammengeheftet sind; anscheinend dient solche Stelle
dann als Zufluchtsort. In vollkommnerer Weise spinnt sich die Raupe
zur Zeit der Verpuppung ein geschlossenes, dichtes Gehäuse, das den
Blättern fest angeklebt ist. Schneidet man ein solches Gehäuse auf,
so findet man die Puppe nicht in +Wasser+, sondern in +Luft+ liegend.
Sie hat auch nicht mehr Tracheenkiemen, sondern Luftlöcher, an denen
nur auffällig ist, dass die vorderen auf einer Erhöhung liegen. Woher
stammt nun die Luft im Puppengehäuse, das doch unter Wasser hergestellt
ist? Ich habe an andrer Stelle[XXXVIII] wahrscheinlich zu machen gesucht,
dass die Luft ähnlich wie bei den Puppengehäusen von _Donacia_ aus der
Pflanze stammt und dass diese unter Druck aus dem Innern der Pflanze
hervortretende Luft das Wasser aus dem noch nicht völlig geschlossenen
Gehäuse verdrängt. Man findet nämlich einerseits die Blätter dort,
wo ein Puppengehäuse angeklebt ist, bis zu ihren grossen Luftgängen
angefressen und anderseits ist eine andere Weise als die angedeutete,
das Gehäuse mit Luft zu füllen, unter den gegebenen Verhältnissen kaum
vorstellbar[XXXIX]. Ist das Gehäuse völlig fertig, so sind übrigens die
Frasslöcher zu den Luftgängen zugesponnen.

  [XXXVII] Auch die Wasserraupen von _Acentropus niveus_ sind nach den
           Angaben in der Litteratur mit Tracheenkiemen versehen. Aus
           eigener Beobachtung kenne ich dieselben nicht.

  [XXXVIII] Siehe oben die Angabe bei _Donacia_.

  [XXXIX] Für die ebenfalls kiementragende Wasserraupe einer
          brasilianischen _Cataclysta_-Art hat freilich +W. Müller+
          eine andere Weise, das Puppengehäuse mit Luft zu füllen,
          beschrieben.

Eine zweite Gruppe von ziemlich häufigen Wasserraupen gehört den
Gattungen _Hydrocampa_ und _Cataclysta_ an. Äusserlich sind diese
Zünsler-Larven den weiter unten zu behandelnden Phryganiden-Larven
recht ähnlich, da sie sich aus zwei zurechtgebissenen Blattstücken,
die von _H. nymphaeata_ z. B. aus den Blättern der Seerose
oder des Laichkrautes oder (_Cataclysta_) aus zahlreichen
verklebten Wasserlinsen ein Schutzgehäuse herstellen und damit
im Wasser herumkriechen. Sobald man freilich die Larve aus
diesem Versteck herauskriechen sieht, zeigt sich auch abgesehen
von den Hinterleibsbeinen ein wichtiger Unterschied gegen die
Phryganiden-Larven: die Raupen besitzen keine Tracheenkiemen, sie
sind vielmehr bis auf den Kopf und ersten Brustring mit einer im
Wasser silberglänzenden Luftschicht umgeben und ebenso ist auch das
Gehäuse mit Luft erfüllt. Sie sind also einfache Luftatmer und auf
die Oberfläche des Wassers angewiesen. Die Puppe liegt gleichfalls in
diesem Luftbett.

Andere Arten von Wasserraupen, deren Gattungszugehörigkeit mir
unsicher geblieben ist (vielleicht _Scirpophaga_?), habe ich mehrfach
in ausgefressenen Binsen- oder Schachtelhalmstücken getroffen; das
Verfahren zur Herstellung des Schutzgehäuses war also ein recht
einfaches. Zur Verpuppung fand ich solche Gehäuse an den Stengeln von
Wasserpflanzen in senkrechter Stellung angeklebt und die abstehende
Öffnung verschlossen, ähnlich dem, was man bei den Gehäusen der
Phryganiden beobachtet.


Netzflügler[4].

Während in den drei obigen Ordnungen diejenigen Kerfe, die entweder im
entwickelten Zustande oder als Larve im Wasser leben, einen kleinen
oder selbst verschwindenden Teil ihrer Gruppengenossen ausmachen,
ändert sich das plötzlich bei den Netzflüglern in auffälliger Weise.
Die entwickelten Tiere meiden zwar wie die Fliegen und Schmetterlinge
das Wasser, aber unter den Larven lebt die Mehrzahl der freilich
nicht artenreichen Ordnung im Wasser, und zwar stellt die Gruppe der
Köcherfliegen (Phryganiden) die Hauptmasse derselben. Welcher Art
ein Gewässer auch immer sein mag, ob stark fliessend oder stehend,
ob pflanzenreich oder pflanzenarm, ob mit Sand- oder Schlammboden:
fast immer wird man Larven dieser Gruppe darin finden und oft in sehr
auffälliger Menge. Durch einen eigentümlichen Zug in ihrer Lebensweise
machen sie sich auch dem Laien auffällig. Die meisten von ihnen
kitten sich nämlich aus diesem oder jenem Stoff ein köcher- oder
röhrenförmiges Schutzgehäuse, welches sie mit sich herumschleppen und
in das sie sich bei Beunruhigung sogleich zurückziehen. Sie nehmen
dazu feinem Sand, gröbere Kieskörner, Schneckenhäuser mit oder ohne
Bewohner, Gras und breitere Pflanzenblätter, abgebissene Stücke von
Pflanzenstengeln, oder alte Holzstücke etc., und legen diese Teile der
Länge nach oder der Quere nach (Fig. 8, 16 u. 17) oder in spiraliger
Anordnung an einander. Wegen ihrer Auffälligkeit haben sie auch vom
Volke besondere Namen erhalten: Sprottwürmer oder Sprocken heissen sie
z. B. in einzelnen Teilen der Mark.

[Illustration: Fig. 8.

15 _Limnophilus rhombicus_ -- 16 Larvengehäuse von vorn -- 17 von oben
-- 18 Puppe von der Bauchseite. 16 und 17 nach Pictet, 15 und 18 nach
der Natur.]

Ob ein aufgefundenes Tier zu den Phryganiden-Larven gehört oder nicht,
darüber wird auch beim Anfänger selten ein Zweifel sein. In den bei
weitem meisten Fällen wird man die gewöhnliche Larvenform (Fig. 8,
15) vor sich haben, die durch den Besitz des Gehäuses und von drei
Brustbeinpaaren, durch die stärkere Chitinisierung des ganzen Kopfes
und mehr oder minder ausgedehnter Teile der Brust, sowie endlich durch
die fadenförmigen Tracheenkiemen und die beiden Endhaken des zarten
Hinterleibes gekennzeichnet ist[XL]. So leicht nun die Zugehörigkeit
einer Larve zu unserer Gruppe festzustellen ist, so schwierig und
umständlich ist anderseits die Unterscheidung der zahlreichen
Gattungen, von den Arten ganz zu schweigen. Ich werde also im folgenden
ganz davon Abstand nehmen und nur an einem Vertreter der Gruppe --
es möge die Larve von _Limnophilus rhombicus_[XLI] dazu dienen --
die biologischen Verhältnisse und die damit in Beziehung stehenden
morphologischen Eigenschaften zu schildern versuchen.

  [XL] Über die in Gehäusen lebenden Wasserraupen, d. h. Larven von
       Schmetterlingen, vergleiche man oben den dritten Abschnitt, über
       Phryganiden-Larven ohne Gehäuse weiter unten.

  [XLI] Dass die betreffende Larve zu _Limnophilus rhombicus_ gehört,
        habe ich freilich nicht durch Zucht festgestellt, sondern ich
        schliesse es nur aus dem Vergleich mit den Zeichnungen und
        Angaben bei +Pictet+ (Fig. 8, 16, 17).

Unsere Larve lebt besonders in Pfühlen und Gräben mit stehendem
Wasser. Das Gehäuse (Fig. 8, 16 u. 17) besteht in der Regel aus
dünnen Stengelstücken, die quer zur Längsachse verklebt sind, und
zwar schliessen je vier bis fünf einmal den Umfang; im Querschnitt
ist also die Aussenseite des Futterals vier- bis fünfeckig, wobei
die Seiten noch über die Ecken verlängert sind. Nicht selten benutzt
die Larve daneben auch Moosstücke oder Früchte oder Steinchen und
Schneckenhäuser, die Queranordnung jedoch, soweit möglich, beibehaltend.

Der Kopf und die beiden ersten Brustringe oben sind ebenso wie die
Beine, von denen das erste Paar besonders kräftig, wenn auch kurz ist,
stark hornig; diese Teile sind nämlich beim Fressen und Umherkriechen
mehr oder minder ausserhalb des Futterals, dürfen also nicht zart sein.
Über die helleren und dunkleren Flecke dieser Teile verweise ich auf
die Abbildung (Fig. 8, 15). Der dritte Brustring hat auf der Oberseite
sechs dunkle, mit Haaren besetzte Hornflecke und ebenso ist die Haut
oberhalb der Hüften stärker chitinisiert. Die Mundteile, besonders
auch die mit der Unterlippe verwachsenen Unterkiefer ähneln denen der
echten Raupen; auf die besondere Gestalt dieser Teile bei unserer Art
ohne Abbildung näher einzugehen -- für die Unterscheidung der Gattungen
ist das wichtig -- erscheint zwecklos. Wie bei den Raupen liegt
übrigens der Ausgang der Spinndrüse in der Mitte der Unterlippe. Fühler
fehlen wie bei fast allen Phryganidenlarven vollständig und die Augen
sind nur winzige Punktaugen.

An dem zarten, gelbweissen Hinterleib hebt sich in der Mitte als
dunklerer Streifen das Rückengefäss ab, dessen von hinten nach vorn
fortschreitende Kontraktionen schon mit unbewaffnetem Auge zu verfolgen
sind. An den Seiten zieht sich je eine dichte Reihe dunkler Haare
hin, die sogenannte Seitenlinie. Teils unmittelbar über und unter
derselben, teils etwas weiter nach oben und unten stehen vom zweiten
Hinterleibsringe an und zwar nahe dem vordern und hintern Rande die
haarförmigen, weissglänzenden Tracheenkiemen (s. Fig. 8, 15). Um die
Zahl und Verteilung derselben kurz darzustellen, hat sich meines
Wissens +Klapalek+ zuerst besonderer Schemata bedient; ich gebe hier
ein nach seiner Weise gebildetes Schema für unsere Larve.

   Oben.       Sl.       Unten.
  -------------+------------------
     3       3 |        3
       3       | 3        3     II
  -------------+------------------
     3       3 |        3
       3       | 3        3    III
  -------------+------------------
     3       2 |        3
       3       | 2        3     IV
  -------------+------------------
     3       2 |        3
       2       | 1        3      V
  -------------+------------------
      2        |         3
      2        |         2      VI
  -------------+------------------
      2        |         2
      2        |         1     VII
  -------------+------------------
      2        |         1
               |              VIII
  -------------+------------------

Zum Verständnis desselben braucht wohl nur bemerkt zu werden, dass
_Sl._ die Seitenlinie, die römischen Ziffern die Hinterleibsringe und
die arabischen Ziffern die Anzahl der Kiemenfäden bedeuten, welche
teils nahe dem Vorder-, teils nahe dem Hinterrande, und zwar nahe
der Seitenlinie oder weiter nach oben oder unten stehen. Am ersten
Hinterleibsringe stehen keine Tracheenkiemen, dagegen in der Mitte
oben und an jeder Seite je ein vorstülpbarer Fleischzapfen; am letzten
Hinterleibsring befinden sich seitlich zwei kurze derbe Chitinhaken und
in der Mitte in einem länglichen Spalt der After. Mit den Chitinhaken
des Hinterleibsendes halten sich die Tiere recht erfolgreich im
Gehäuse fest. Erwachsen kriechen die Larven langsam im Wasser umher;
jugendliche Phryganiden-Larven habe ich fast immer -- ob freilich
solche unserer Art dabei waren, ist ungewiss -- daneben lebhaft mit
Hilfe der langen, stark bewimperten Hinterbeine umherschwimmen sehen.
Solche jugendliche, wohl eben dem Ei entschlüpfte Larven sind übrigens
von den älteren noch durch den Mangel an Tracheenkiemen unterschieden,
so dass sie ganz auf Hautatmung angewiesen sind.

Dass die Atmung bei den älteren Larven durch Tracheenkiemen und
daneben wohl durch die zarte Hinterleibshaut geschieht, ist oben schon
angedeutet worden. In Beziehung zur Atmung dürfte auch die sogenannte
Seitenlinie, d. h. der beiderseitige Wimpersaum des Hinterleibes
stehen, wenigstens wenn sie stärker entwickelt ist. Bei durchsichtigen
Phryganiden-Gehäusen sieht man nämlich oft, besonders wenn das Wasser
sauerstoffarm ist, die Larve den Hinterleib in der Mittelebene
schwingen, höchst wahrscheinlich, um das den Körper umspülende
Wasser schneller zu erneuern. Die Seitenlinie macht nun, indem sie
den Hinterleib verbreitert, dieses Verfahren sicher wirksamer. Auch
die Fleischzapfen des ersten Hinterleibsringes finden dabei ihre
Verwendung; der Körper wird durch sie mehr in der Mitte des Gehäuses
gehalten, ein allseitig den Körper umspülender Wasserstrom also wohl
dadurch erleichtert. Wenn übrigens das Wasser recht schlecht zur Atmung
wird, so sieht man die Larven vorn weit aus dem Gehäuse kommen und nun
lebhaft in gleicher Richtung wie im Gehäuse das Wasser schlagen.

Dass die Phryganiden-Larven wie die Raupen vorherrschend
Pflanzenfresser sind, kann man leicht beobachten; doch lässt sich auch
unschwer feststellen, dass sie keineswegs Fleischkost, lebende und tote
Tiere, deren sie habhaft werden können, verschmähen. Hat man einer
Larve das Gehäuse genommen, so ist man nicht sicher, ob dieselbe nicht
in kurzer Zeit von ihres Gleichen angefressen wird.

Zur Verpuppung spinnt unsere Larve wie die meisten anderen
Phryganiden-Larven das Gehäuse an Wasserpflanzen oder Steinen etc.
fest, schliesst die Öffnungen durch ein Gitterwerk von Fäden, denen
noch Stengelstückchen angeklebt sind, so dass einerseits Feinde dadurch
abgehalten werden und anderseits das Atemwasser hindurchspülen kann.

Die Puppe (Fig. 8, 18) bietet mit ihren frei abstehenden Fühlern,
Beinen und Flügeln, mit den stark auffälligen Augen und gekreuzten,
hakenförmigen Oberkiefern, mit den weissen, fädigen Tracheenkiemen und
der schwarzen, mächtig entwickelten Seitenlinie am Hinterleib einen
seltsamen Anblick dar. Die nach dem Geschlecht verschiedene Gestaltung
der Hinterleibsanhänge und die Zahl und Verteilung der Dorne an den
Beinen geben zusammen mit dem Kiemenschema wichtige Anhaltspunkte zur
Unterscheidung der Gattungen und Arten. Dass auch hier die Seitenlinie
gleiche Bedeutung für die Atmung hat wie die oben beschriebene, scheint
mir zweifellos. Die Atmungsbewegungen der Puppen kann man unschwer
beobachten.

Hält man die Puppen im Zimmer, so steht Einem unmittelbar vor
dem Ausschlüpfen der Köcherfliege noch eine seltsame Beobachtung
bevor. Die Puppen kommen eines Tages aus dem Gehäuse, indem sie die
Oberkiefer zum öffnen benutzen, und schwimmen mit dem bewimperten
zweiten Beinpaar oder kriechen mit Hilfe der beiden vorderen Beinpaare
lebhaft umher, bis sie eine geeignete Stelle an der Oberfläche für
das Ausschlüpfen gefunden haben. Die ausgeschlüpften Insekten, denen
die Oberkiefer der Puppen fehlen, sehen so schmetterlingsartig und im
besondern mottenartig aus, dass sie von Laien wohl stets für Motten
gehalten werden. Das Fehlen des Saugrüssels, die Aderung der Flügel
und die Faltung der Hinterflügel können zur Unterscheidung von den
Schmetterlingen dienen.

Der Laich der Phryganiden -- den unserer Art im besondern kenne ich
nicht -- bildet meist eine grosse, oft ringförmige Schleimmasse, in der
die Eier eingebettet liegen; leicht kann derselbe mit Schneckenlaich
verwechselt werden. --

Ist diese Larvenform der Köcherfliegen auch die unbedingt
vorherrschende im Tieflande, so möchte ich doch nicht ganz den
Vertreter des zweiten unter den Phryganiden-Larven vorhandenen
Typus übergehen, welchen ich um Berlin mehrfach, besonders auch an
_Stratiotes_, angetroffen habe. Nach Vergleich mit den Abbildungen und
Angaben von +Klapalek+ gehört diese Larve zur Gattung _Polycentropus_
(Unterfamilie _Rhyacophilidae_). Der auffälligste Unterschied der
ziemlich durchsichtigen, etwas grünlich und rötlich gefärbten Larve
gegen die des ersten Typus bildet das Fehlen eines Gehäuses und der
Tracheenkiemen. Die Larve ist ein Hautatmer[XLII].

  [XLII] Es ist bemerkenswert, dass keine Neuropteren-Larve des Wassers
         durch Luftlöcher atmet, während das in allen früheren Ordnungen
         ein recht häufiger Fall war.

Es fehlen auch die Seitenlinie und die Fleischzapfen des ersten
Hinterleibsringes, was nach unserer obigen Deutung beim Fehlen
des Gehäuses ohne weiteres verständlich ist. Die Chitinhaken
am Unterleibsende stehen dagegen auf langen, zweigliedrigen
„Nachschiebern“; die Larven gebrauchen dieselben besonders, wenn
sie beunruhigt werden und sich dann unter medianen Schwingungen des
Hinterleibes rückwärts in Sicherheit zu bringen suchen[XLIII].

  [XLIII] Eine derartige Rückwärtsbewegung der Larven, sobald sie
          beunruhigt werden, scheint im ganzen Gebiet der Netzflügler,
          gleichgültig ob die Larven im Wasser leben oder nicht, die
          allgemeine Regel zu sein.

Mangelt den Larven auch das Gehäuse, so heften sie doch mit Hilfe der
Spinnmasse an Blättern einzelne Gegenstände derart fest, dass ein
gedeckter Gang entsteht, der ihnen als Zufluchtsort dient. Zur Zeit der
Verpuppung wird dann eine festere Schutzhülle hergestellt. Die Puppe
ist mit Tracheenkiemen und Seitenlinie versehen.

Eine Mittelstellung zwischen den beiden obigen Typen nehmen die Larven
der Gattung _Hydropsyche_ ein, die in stärker fliessenden Gewässern,
z. B. hier in der Panke, an und unter den Steinen des Bodens leben. Sie
haben ebenfalls kein Gehäuse, welches sie mit sich herumtragen, sondern
fertigen sich aus grösseren und kleineren Sandkörnern Gänge an den
Steinen, dagegen besitzen sie büschelförmige Tracheenkiemen. Abweichend
von der oben beschriebenen Verteilung der Kiemen bei _Limnophilus_,
stehen dieselben hier nur auf der Unterseite von Brust und Hinterleib.
Die Nachschieber sind von ähnlicher Länge wie bei _Polycentropus_ und
durch ein starkes, auffälliges Borstenbüschel an der Ansatzstelle der
Krallen ausgezeichnet.

Zur Verpuppung wird auch von diesen Larven ein besonderes Schutzgehäuse
hergestellt.


Die übrigen Neuropteren.

In den übrigen Familien der Netzflügler giebt es nur noch vereinzelte
Gattungen, deren Larven im Wasser leben, nämlich die Gattungen
_Sialis_, _Sisyra_ und _Osmylus_. Häufiger habe ich davon nur die
Sialis-Larven angetroffen und zwar stets am Boden stehender, mit
Schlammgrund versehener Gewässer. Man muss schon mit dem Netz etwas
Schlamm mitfassen, wenn man die Larven fangen will. Die Ähnlichkeit
mit den Phryganiden-Larven ist nicht zu verkennen. Nur der Kopf, die
Beine und die Brustringe sind stärker chitinisiert, der Hinterleib
ist zarthäutig und an den sieben ersten Ringen mit je einem
Paar verhältnismässig starker, +gefiederter+ und +gegliederter+
Tracheenkiemenfäden versehen. Das Ende des Hinterleibes läuft in eine
einzelne kräftige, gefiederte Endborste aus.

Ausser der abweichenden Bildung der Tracheenkiemen und des
Hinterleibsendes kann zur Unterscheidung von den Phryganiden-Larven
auch der Umstand dienen, dass der Kopf deutliche, mehrgliedrige
Fühler trägt. Die Mundteile, besonders die Oberkiefer, sind zum
Raube eingerichtet. Als Kiemenatmer brauchen die Larven nicht an die
Oberfläche zu kommen; auf dem Schlammboden kriechen sie nach Beute
umher. Beunruhigt schwimmen sie ganz nach Art der Phryganiden-Larven,
die ihres Gehäuses beraubt wurden, durch mediane Schwingungen des
Körpers rückwärts.

Zur Verpuppung gehen die Larven wie die Käferlarven an das Ufer;
die Puppe ruht dann dort im Moose. Das ausgeschlüpfte Insekt, die
„Schlammfliege“, findet man im Mai und Juni in der Nähe von Gewässern
an Pflanzen träge ruhend, leicht kenntlich an den auch mit zahlreichen
Queradern versehenen, eigentümlich grauen Flügeln. Die schwärzlichen
Eier werden in regelmässigen dichten Reihen an Pflanzen oberhalb des
Wassers abgelegt. --

Die kleinen, etwa 4 _mm_ langen Larven von _Sisyra_ leben in
Süsswasserschwämmen. Ausgezeichnet sind dieselben durch vielgliedrige
Fühler und sehr lange, gebogene, aus Ober- und Unterkiefer
zusammengesetzte Saugzangen. Fühler wie Saugzangen übertreffen den
Kopf um das Mehrfache an Länge. Die Hinterleibsringe tragen auf der
Unterseite je ein Paar +gegliederter+ Tracheenkiemen und auf der
Rückseite je vier mit Borsten versehene Auswüchse.

Die Larven des Bachameisenlöwen (_Osmylus_) lieben stark strömendes
Wasser; in Gebirgsbächen unter Steinen ist nach den Litteraturangaben
ihr Aufenthalt. Ich habe sie noch nicht angetroffen.


Geradflügler[4],[5].

Wie bei den Netzflüglern fast die ganze Familie der Köcherfliegen[XLIV]
in ihren Larven dem Wasser angehört, so unter den Geradflüglern die
drei Familien der Wasserjungfern (Odonaten oder Libelluliden), der
Eintagsfliegen (Ephemeriden) und Afterfrühlingsfliegen (Perliden). Mit
einigen anderen Geradflüglern wurden sie früher ihrer Flügelbildung
wegen der vorigen Ordnung zugezählt und werden bisweilen heute noch
_Pseudoneuroptera_ genannt. Im Larvenheer der Gewässer nehmen ihre
Larven einen hervorragenden Platz ein.

  [XLIV] Nur die Larven der Gattung _Enoicyla_ sind davon ausgenommen.
         Dieselben leben zwischen Moos.

[Illustration: Fig. 9.

19 _Larve von Aeschna_, die Unterlippe _Ul_ nach _Cloëon_ vorschnellend
-- 20 Larve von _Libellula_ -- 21 Larve von _Agrion_ -- 22 Larve von
_Calopteryx_ -- 23 Larve von _Cloëon dipterum_. 19–22 nach der Natur;
Haltung von 19 und 23 nach Rösel, 23 nach Eaton.]

Die Zugehörigkeit einer Wasserlarve zu einer dieser drei Familien ist
sichergestellt, wenn sie neben beissenden Mundteilen und drei Paar
grosser, meist kräftiger Brustbeine an Mittel- und Hinterbrust meist
recht deutliche Flügelansätze (Fig. 9, 19–23, Fig. 10, 24) besitzt[XLV].
Unsere Tiere machen nämlich kein Puppenstadium durch, d. h. ein
Ruhestadium, in dem weder Nahrung aufgenommen wird noch lebhaftere
Ortsbewegung stattfindet und in dem der grosse Entwickelungsschritt von
der Larve zum vollkommenen Insekt geschieht; solche Larven erhalten die
Flügel schrittweise mit den verschiedenen Häutungen.

  [XLV] Nur den jüngsten Larven fehlen diese Flügelansätze. Die
        Übereinstimmung in den anderen Punkten mit den ungleich
        häufigeren älteren Stadien lässt sie trotzdem unschwer erkennen.

Die Larven der Libelluliden und Ephemeriden finden sich sowohl in
stehendem wie fliessendem Wasser, die der Perliden habe ich nur in
fliessendem Wasser angetroffen. Die Larven der Libellen sind unter
den anderen Larven der Ordnung leicht kenntlich an der armartig
vorstreckbaren Unterlippe (Fig. 9, 19), die der Ephemeriden an den
blatt- und fadenförmigen Tracheenkiemen, die nur an den Seiten des
Hinterleibes stehen, und an den drei Afterborsten (Fig. 9, 23). Die
Larven der Perliden (Fig. 10, 24) besitzen keines dieser besonderen
Kennzeichen; besitzen sie Tracheenkiemen, so stehen sie meist auf der
Unterseite der Brustringe.


1. Die Larven der Libelluliden oder Odonaten.

Unter den Libellenlarven der stehenden Gewässer treten dem
Beobachter ohne weiteres drei Typen entgegen, die der _Agrion_-,
_Libellula_- und _Aeschna_-Gruppe. Die ersteren (Fig. 9, 21) sind
langgestreckt und schwächlich; am Ende des Hinterleibes mit drei
ziemlich langen blattartigen Tracheenkiemen versehen. Die hierher
gehörigen _Agrion_- und _Lestes_-Larven unterscheiden sich dadurch,
dass der Mittelteil der Unterlippe bei _Lestes_ fast stielrund,
dagegen bei _Agrion_ fast ebenso breit wie der Endabschnitt ist.
Die Larven der _Libellula_-Gruppe (Fig. 9, 20) sind ohne solche
äussere Tracheenkiemen, dafür besitzen sie aber eigenartige innere
Tracheenkiemen, nämlich an den Wandungen des Enddarmes. Die Hinterbeine
sind länger als der gedrungene Hinterleib und der Vorderabschnitt der
Unterlippe ist so ausgehöhlt, dass er in der Ruhelage die Mundteile
von vorn wie eine hohle Hand bedeckt. Dieser Gruppe gehören auch die
Larven der Gattungen _Cordulia_ und _Epitheca_ an. Die Larven endlich
der _Aeschna_-Gruppe (Fig. 9, 19) stimmen in den Atemorganen mit
denen von _Libellula_ überein, dagegen ist hier die Unterlippe im
Vorderabschnitt einfach flach und der schlanke Hinterleib ist länger
als die Hinterbeine.

Alle unsere Larven sind also Tracheenkiemen-Atmer, aber in
verschiedener Weise. Die Larven der beiden letzten Typen ziehen
willkürlich das Atemwasser durch den mit Schutzwehren versehenen After
ein und stossen es wieder aus. Diese Atembewegungen werden kräftig,
aber unregelmässig ausgeführt; oft sieht man minutenlang umsonst nach
dem ein- und austretenden Wasserstrom. Agrion- und Lestes-Larven
besitzen natürlich derartige Atembewegungen nicht, dagegen sieht
man nicht selten, dass sie, mit den Beinen sich festhaltend, durch
seitliches Schlagen des Hinterleibes das Atemwasser erneuern. Eine
recht eigentümliche Thatsache bei allen diesen Larven ist nun, dass an
der Brust Luftlöcher vorhanden sind, deren Ränder für gewöhnlich dicht
aneinander liegen, die aber geöffnet werden können. Beweis dafür ist
die Erscheinung, dass aus diesen Stigmen, wenn man die Larven[XLVI] in
Alkohol oder heisses Wasser wirft, eine Reihe von Luftblasen aufsteigen.

  [XLVI] Nur bei den jüngsten Larven tritt das nicht ein. -- Dass
         die Stigmen nicht verwachsene Ränder haben, stellte ich auch
         an Querschnitten derselben fest.

Welche Bedeutung können nur diese Luftlöcher haben? Ich vermöchte nur
ungeprüfte Vermutungen als Antwort auf diese Frage zu geben.

+Bewegung.+ Bei allen unseren Larven dienen die Atembewegungen zugleich
zum Schwimmen. Lange Zeit freilich kriechen oft die Larven am Boden
oder an Wasserpflanzen umher. Wollen Agrioniden-Larven schwimmen, so
treiben sie sich durch seitliches Schlagen des Hinterleibes mit seinen
Kiemenblättern vorwärts. Seltsamer aber nimmt sich das Schwimmen der
anderen Larven aus: mit angelegten Beinen sieht man sie plötzlich
durch das Wasser schiessen, ohne dass man zunächst zu erkennen vermag,
wie das bewirkt wird. Genauere Beobachtung zeigt -- ein +sandiger+
Grund leistet dabei gute Dienste --, dass die Larven mit grosser Kraft
das Wasser aus dem After ausstossen und dadurch nach dem Prinzip
des Rückstosses vorwärts schiessen. Hebt man die Larve im rechten
Augenblick ausser Wasser, so kann man das ausgestossene Wasser oft drei
bis vier Spannen weit fliegen sehen.

Der Ernährung nach sind alle diese Larven Raubtiere und zwar erbeuten
sie die Tiere durch plötzliches Vorstrecken der Unterlippe. Bietet man
einer Aeschna-Larve z. B. Ephemeriden- und Mückenlarven, so zeigt sich
zugleich dabei, dass die Beute erst wahrgenommen wird, wenn sie sich
zu bewegen beginnt: eine Bemerkung, die für fast alle Räuber unter den
Wasserinsekten und Wasserlarven zu gelten scheint.

+Andere Libelluliden-Larven.+ Von anderen Libelluliden-Larven, die
ich nur in fliessenden Gewässern, nicht wie die obigen in beiderlei
Gewässern, angetroffen habe, nenne ich noch zur Ergänzung die von
_Calopteryx_ (Fig. 9, 22), der prachtvoll dunkelblauen oder grünen
Libelle der Ufer, und von _Gomphus_. Die ersteren bilden einen
eigenartigen Typus dadurch, dass sie sowohl Schwanzkiemen wie innere
Kiemen haben. Kenntlich sind sie vor allem dadurch, dass sie bei
ähnlicher Gestalt wie die Agrioniden-Larven Fühler besitzen, die weit
länger als der Kopf sind und deren Grundglied mehrfach länger und
stärker als die übrigen Glieder zusammengenommen ist. -- Die Larven
von _Gomphus_ schliessen sich am nächsten denen von _Aeschna_ an; die
Unterlippe ist vorn ebenfalls flach, der Darm mit Kiemen versehen; das
unterscheidende Merkmal liegt vornehmlich in dem auffallend breiten und
grossen Endglied der Fühler.


2. Ephemeriden-Larven.

Die Larven der Eintagsfliegen (Fig. 9, 23) sind in stehenden wie
fliessenden Gewässern eine recht häufige Erscheinung; aber fast immer
gehörten die Tiere, welche ich um Berlin in stehenden Gewässern fing,
einer Art an: _Cloëon dipterum_. Erwachsen sind dieselben, die drei
langen, befiederten Schwanzanhänge nicht mitgerechnet, etwa 1 _cm_
lang. Die drei letzten Hinterleibsringe sind ohne Kiemenblättchen,
das viertletzte hat ein einfaches rundliches Blättchen, die sechs
vorhergehenden Ringe aber je zwei solcher Kiemenblätter. Unschwer
erhält man das Insekt selbst, welches nach der Zweizahl der Flügel und
nach den Schwanzborsten leicht zu bestimmen ist. Die den Ephemeriden
einzig zukommende Eigentümlichkeit, dass das der Larvenhaut
entschlüpfte, mit beweglichen Flügeln versehene Insekt (_Subimago_
genannt) sich noch einmal häutet, beobachtete ich nicht immer,
anscheinend fehlte den Tieren dazu häufig die Kraft; sie starben vorher
ab.

Durch den Besitz der blattartigen Tracheenkiemen ist die Atemart
unserer Larven hinreichend bezeichnet; zu erwähnen bleibt nur, dass
dieselben zur Erneuerung des Wassers oft schnell hintereinander auf-
und niederbewegt werden, ohne dass sich etwa das Tier vom Platze
bewegt. Für gewöhnlich gehen die Larven mit den gut entwickelten
Beinen am Boden einher; bei der geringsten Beunruhigung jedoch fahren
sie jäh durch das Wasser dahin. Durch kräftige mediane Bewegungen des
Hinterleibes mit seinen befiederten Anhängen schnellen sie sich fort.
Ihre Nahrung besteht aus Pflanzenkost; wie erfolgreich sie dieselbe
verarbeiten, zeigt sich z. B. darin, dass eine Schale mit Cloëon-Larven
und Pflanzen sich am Boden bald mit den Resten guter, gesegneter
Verdauung füllt.

Ausser den Cloëon-Larven habe ich in kleineren stehenden Gewässern
nur noch hie und da die von _Caenis luctuosa_ angetroffen. Dieselben
sind leicht daran zu erkennen, dass das erste Paar Kiemenblättchen zu
Schutzdecken für die folgenden umgewandelt ist und dass die letzteren
blattartig, aber am Rande mit zarten Fortsätzen versehen sind. Die vier
letzten Hinterleibsringe sind von jenen Schutzplatten nicht bedeckt.

Ungleich reicher als in stehenden Gewässern sind die Ephemeriden-Larven
in fliessenden entwickelt; reicher und mannigfaltiger gestalten sich
dort auch die Lebensbedingungen derselben. Manche von ihnen (z. B.
_Ephemera_ und _Palingenia_) graben sich mit den kräftigen Vorderbeinen
Gänge in das Ufer; andere wieder, wie die der alten Gattung _Baëtis_,
drücken sich bei eigenartig platter Gestalt dicht den Steinen an und
vermögen sich so im Strome zu halten; noch andere kriechen, wohl an
ruhigeren Stellen, auf alles Andere Verzicht leistend, im Schlamme
umher[XLVII]. Recht mannigfach ändert dabei auch die Gestalt der
Tracheenkiemen ab. Näher hierauf einzugehen, muss ich mir schon aus
äusseren Gründen versagen[5].

  [XLVII] Die Cloëon-Larven würden zu denen gehören, welche +Pictet+ als
          +Schwimmer+ bezeichnet.]


3. Larven der Perliden oder Afterfrühlingsfliegen.

Die Larven der Perliden scheinen stehende Gewässer ganz zu meiden; auch
schwächer fliessende sind arm an ihnen, wogegen reissende Gebirgsbäche
ihre rechte Heimat sind.

Die einzige Larve, welche ich in schwach fliessenden Gräben um Berlin
angetroffen habe, ist die von _Nemura variegata_ (Fig. 10, 24 S. 109).
Als Orthopteren-Larve ist sie, wenigstens in den älteren Stadien, an
den Flügelansätzen des zweiten und dritten Brustringes kenntlich;
von den Ephemeriden-Larven, mit denen sie noch am ersten verwechselt
werden könnte, unterscheidet sie sich erstens durch den Mangel an
Tracheenkiemen und zweitens dadurch, dass sie nicht drei, sondern nur
zwei lange Anhänge am Hinterleibsende hat. Innerhalb der Familie gehört
die Larve zu denen, bei welchen das zweite Glied des dreigliedrigen
Fusses kleiner ist als das erste.

Die Larve besitzt keine Tracheenkiemen; wie atmet sie denn? Ich habe
sie weder jemals zur Atmung an die Oberfläche kommen sehen, noch
spricht die Derbheit ihrer Haut und ihre Grösse für Hautatmung, so dass
mir die Atemverhältnisse der Larve rätselhaft sind.

Eigenartig nimmt sich die Bewegung der Larve aus. Bei keiner bisher
genannten Larve sind die Beine so kräftig und lang zugleich, wird der
Hinterleib so wenig auf dem Boden nachgeschleppt, ist die Bewegung
ein so flinkes Gehen wie bei dieser Larve. Ihre Lebensweise ist eine
räuberische.

Die Ähnlichkeit zwischen der älteren Larve und dem entwickelten Insekt
ist recht auffallend; der Schritt von dem einen zum andern Zustand
scheint deswegen auch recht leicht und schnell zu geschehen. Brachte
ich Larven in feuchter Schachtel mit Moos zusammen heim, so fand ich am
nächsten Tage meist mehrere davon schon ausgeschlüpft.

Von den übrigen Larven der Familie, die sich alle einander recht
ähnlich sehen, möchte ich nur noch die grösseren Perla-Larven
erwähnen, die durch Tracheenkiemen an der Unterseite der Brust
ausgezeichnet sind[XLVIII].

  [XLVIII] Zuerst bei Tieren dieser Familie wurde die überraschende
           Thatsache festgestellt, dass auch entwickelte Kerfe noch
           Tracheenkiemen besitzen. +Palmén+ hat dann diese Erscheinung
           als allgemeiner verbreitet nachgewiesen.

[Illustration: Fig. 10.

_24_ Larve von _Nemura variegata_ -- _25_ _Notonecta glauca_, von der
Bauchseite -- _26_ _Corisa striata_ -- _27_ _Naucoris cimicoides_ --
_28_ _Ranatra linearis_ -- _29_ Binsenstück mit zahlreichen Eiern von
_Ranatra_ -- _30_ Ein einzelnes Ei von _Ranatra_, vergrössert.]

+Schlussbemerkung.+ Sowohl am Anfang dieser wie der vorigen Ordnung
hob ich hervor, dass die Anzahl der Wasserlarven innerhalb der Ordnung
ungleich grösser als bei den früheren ist. Dazu kommt nun noch ein
Anderes. Bei den Larven der Käfer, Zweiflügler und Schmetterlinge war
die Anpassung an das Wasserleben, besonders hinsichtlich der Atmung,
eine recht verschiedene; eine Reihe von Arten atmete noch durch
Luftlöcher, daneben fand sich mehr oder minder ausgedehnt Atmung durch
die Haut, echte Kiemen oder Tracheenkiemen. Ungleich einheitlicher,
geschlossener erscheinen darin die Larven der Neuropteren und
amphibischen Orthopteren: fast alle sind sie Tracheenkiemenatmer,
selten finden sich daneben Hautatmer und nie einfache Luftatmer.
Ferner sind sie einerseits alle nach ihrer Organisation ausgesprochene
Wassertiere, und anderseits werden die einzelnen Gruppen den
verschiedenartigen Bedingungen des Wasserlebens in oft recht
eigenartiger Weise gerecht. Das Alles legt die Frage nahe: Ist das
Verhältnis dieser Larven zum Wasserleben nicht ein ganz anderes als
das der Käfer-, Zweiflügler-, Schmetterlings- und -- wie wir gleich
hinzufügen wollen -- Wanzen-Larven? Diese verglichen wir den Seehunden
und Walen, d. h. wir hielten für recht wahrscheinlich, dass sie von
Vorfahren abstammen, die samt ihren Larven in der Luft lebten; sind
jene Larven dagegen nicht vielleicht echte, ursprüngliche Wassertiere.
Besonders für die Ephemeriden ist wegen der unvollkommenen Verwandlung,
wegen der einfachen Bildung der Mundteile und weil sich die Bildung
der Flügel bei ihrem ersten Auftreten mit der der Tracheenkiemen
vergleichen lässt, schon öfters ausgesprochen worden, dass sie dem
Urtypus der Insekten ziemlich nahe stehen dürften; leiten sie sich
vielleicht unmittelbar von einer im Wasser lebenden Stammform ab? Sind
sie also den Amphibien im Kreise der Wirbeltiere zu vergleichen?
Diese Frage näher zu erwägen[XLIX], ist hier nicht der Ort, doch möchte
ich hier kurz auf den einen Punkt hinweisen, dass man im Falle der
Bejahung annehmen müsste, die Bildung eines Tracheensystems und zwar
eines +geschlossenen+, das für die Bewegung der Luft im Körper so
ungünstige Bedingungen bietet, sei bei Tieren, die unter Wasser leben,
an Stelle der Kiemen entstanden!

  [XLIX] Verwiesen sei hier besonders auf die für die Frage wichtigen
         Untersuchungen und Erörterungen von +Palmén+ („Morphologie des
         Tracheensystems“).


Schnabelkerfe[6].

Die Schnabelkerfe oder Rhynchoten lassen sich hinsichtlich ihres
Verhaltens zum Wasser recht wohl mit den Käfern vergleichen; wie bei
diesen leben unter den Schnabelkerfen nicht nur eine Reihe von Larven
im Wasser, sondern auch entwickelte Kerfe, die in beiden Ordnungen
freilich nicht völlig an diesen Aufenthalt gebannt sind. Ferner gilt
auch in dieser Ordnung wie in jener[L] der Satz, dass, wenn das
entwickelte Tier diesem Element angehört, auch die Larve im Wasser
lebt. Endlich stellen sich, wie schon bei den Käfern erwähnt wurde,
beide Ordnungen auch darin neben einander, dass einige ihrer Arten
auf der Wasseroberfläche leben: neben den sich auf der Oberfläche
herumtummelnden Gyriniden finden sich die nicht minder auffälligen
Wasserläufer, welche innerhalb der Ordnung eine besondere kleine
Familie bilden.

  [L] Vergl. jedoch die Ausnahme von _Parnus_.

Am häufigsten trifft man auf stehenden Gewässern die Arten der Gattung
_Hydrometra_ an. Der Körper ist ebenso wie die beiden hinteren
Beinpaare auffallend lang und dünn, die Vorderbeine, zwischen denen
der ziemlich lange, mit Stechborsten versehene Rüssel liegt, ungleich
kürzer. Eigenartig ist der Eindruck, den ihr Stehen und ihre Bewegung
auf dem Wasser macht. Mit den wagerecht gestreckten Fussgliedern der
Mittelbeine und zeitweise der Vorderbeine, sowie den Schienen und
Fussgliedern der Hinterbeine ruhen sie auf der Wasseroberfläche, die
an der betreffenden Stelle eingedrückt erscheint, wie bei einer auf
der Oberfläche schwimmenden Nähnadel. Durch ein feines, lufthaltiges
Haarkleid der Beine ist die Gefahr des Einsinkens gemindert. Bei der
Bewegung gebrauchen die Tiere vornehmlich die Mittelbeine, dieselben
gleichzeitig bewegend; stossweise gleiten sie auf der Oberfläche
ziemlich schnell dahin[LI].

  [LI] Die Gattung _Velia_, welche schattige, fliessende Gewässer
       liebt, schreitet oder läuft dagegen auf dem Wasser.

Die Nahrung der Hydrometriden besteht aus schwächeren Insekten,
besonders wohl auch aus eben ausgeschlüpften Mücken, die sie mit ihrem
Stech- und Saugrüssel aussaugen. An den Larven fällt besonders die ganz
ausserordentliche Verkürzung des Hinterleibes[LII] auf; hiervon und von
dem Mangel ausgebildeter Flügel abgesehen, gleichen sie, besonders auch
in der Lebensweise, sehr den entwickelten Kerfen.

  [LII] Sonst ist bei Insektenlarven der Hinterleib der am kräftigsten
        entwickelte Körperteil. Das ist nach der Lebensaufgabe des
        Larvenstadiums ohne Weiteres verständlich. Hier wird die
        Abweichung von der Regel durch die Bewegungsweise auf der
        Oberfläche und die damit verbundenen Anforderungen bedingt.

Die übrigen Schnabelkerfe nun, welche dem Wasser angehören, führen ein
Leben ähnlich dem der Dytisciden und Hydrophiliden; einige von ihnen,
nämlich die Gattungen _Notonecta_ (Fig. 10, 25), _Plea_, _Corisa_
(Fig. 10, 26), _Naucoris_ (Fig. 10, 27), sind lebhafte Schwimmer,
andere dagegen, _Nepa_ und _Ranatra_ (Fig. 10, 28), kriechen mehr den
Hydrophiliden ähnlich an den Wasserpflanzen umher. Alle aber kommen,
den Käfern gleich, zum Atmen an die Oberfläche, im einzelnen dabei
freilich verschiedene Einrichtungen und Weisen zeigend. Systematisch
sind sie übrigens auch dadurch zusammengehalten, dass sie neben dem
gegliederten Saugrüssel und den beiden ungleichartig ausgebildeten
Flügelpaaren ausserordentlich kurze Fühler besitzen, die sie verborgen
am Unterkopf tragen.


=1. Notonecta glauca= (Fig. 10, 25).

Unter den Schwimmern ist der ansehnlichste und mit auch der häufigste
_Notonecta glauca_, in kennzeichnender Weise +Rückenschwimmer+
genannt. Fassen wir ihn, wenn er aus dem Netz genommen werden soll,
nicht vorsichtig, so lernen wir wahrscheinlich auch durch seinen
empfindlichen Stich verstehen, weshalb er hie und da +Wasserbiene+
heisst.

Die Eigentümlichkeit, mit dem Bauch nach oben zu schwimmen[LIII],
kennzeichnet unser Insekt hinreichend. In Beziehung zu dieser
Schwimmart steht auch die Färbung des Tieres: nicht der Rücken ist, wie
das bei den meisten Wasserinsekten die Regel, dunkel gefärbt, sondern
der Bauch, während unter Wasser die Rückseite durch anhaftende Luft
lebhaft weiss erscheint. Nachdrücklich wird hierdurch in ähnlicher
Weise wie durch die Färbung der Flundern die Auffassung gestützt, dass
die dunklere, dem Boden ähnliche Färbung der Rückseite und die lichtere
der Bauchseite so vieler Wassertiere, z. B. so vieler Fische, eine
+Schutzfärbung+ ist.

  [LIII] Nur bei der kleinen, 2 _mm_ grossen Verwandten, _Plea
         minutissima_, findet sich die gleiche Schwimmart.

Als Ruder sind nur die stark verlängerten kräftigen Hinterbeine
thätig, die an Schienen und Fussgliedern mit zwei Reihen Schwimmhaaren
versehen sind; ihre Endkrallen sind verkümmert. Als ordentlicher
Schwimmer gebraucht das Tier die Ruder gleichzeitig. Wie es Vorder- und
Mittelbeine verwendet, sieht man leicht, wenn man auf die Oberfläche
etwa eine Fliege wirft. Meist nimmt der vornehmlich nach oben schauende
Rückenschwimmer die Beute schnell wahr, schiesst jählings darauf los
und packt sie mit armartig gekrümmten Vorder- und Mittelbeinen, um
schwebend sie auszusaugen.

Zur Atmung streckt er, den Schwimmkäfern ähnlich, das Hinterleibsende
aus dem Wasser; man möchte also hier auch grosse und ansehnliche
Luftlöcher vermuten. Die Luftlöcher des Hinterleibes jedoch sind
auffallend klein; grosse, mit zarten Schutzhaaren versehene Luftlöcher,
welche fraglos für die Atmung in erster Linie in Betracht kommen,
liegen dagegen ziemlich verborgen seitlich an der Brust, etwas nach
hinten und bauchwärts von der Ansatzstelle der Hinterflügel, ferner in
der Verbindungshaut der Vorder- und Mittelbrust, sowie zwischen Mittel
und Hinterbrust und zwar am Rande der Unterseite. Die Luft aber wird
von dem Hinterleibsende nach diesen Stigmen in eigentümlicher Weise
geleitet. Es ist nämlich der Bauch in der Mitte gekielt (Fig. 10, 25)
und wiederum an den Rändern erhaben, sodass zwei seitliche, freilich
flache Rinnen entstehen. Über diesen Rinnen stehen je zwei Haarreihen,
eine vom Aussenrande und eine von der Mitte her und unter solchem
Haardach wird die Luft in den beiden Rinnen von hinten her zur Brust
und zwischen Haaren derselben weiter zu den Stigmen fortgeleitet. Nicht
selten sieht man die Hinterbeine, Geigenbogen vergleichbar, über den
Hinterleib hinfahren, um die Luft in der einen oder anderen Richtung
fortzuschieben. Hin und wider klappen auch an der Oberfläche die
Haarreihen aus einander. Die Aussenränder der drei letzten Ringe sind
übrigens noch mit nach aussen gerichteten Haarreihen versehen und diese
ruhen beim Atmen auf der Oberfläche; auch die Bürste zur Reinigung der
Schwimmhaare befindet sich anscheinend hier.

+Laich+ und +Larven+. Im Zimmeraquarium habe ich die Eier des
Rückenschwimmers mehrfach schon im März erhalten; sie waren einzeln an
lebenskräftigen, grünen Blättern abgelegt. Die ausschlüpfenden Larven
lassen die Zugehörigkeit zu dem entwickelten Insekt in allen Punkten
bis auf die weissliche Färbung und den Mangel der Flügel erkennen. In
Menge trifft man die Larven während der Sommermonate in den Gewässern
an, dem Raube obliegend wie die entwickelten Kerfe. Ende Juni thun
die ersten den letzten Schritt in der Entwickelung, der bei den
Schnabelkerfen im Vergleich z. B. zu den Käfern recht klein ist. Dass
hier kein Ruhe- d. h. Puppenstadium nötig ist, um die letzte Häutung
vorzubereiten, ist ohne Weiteres verständlich.


=2. Corisa= (Fig. 10, 26).

Mit _Notonecta_ und _Plea_ werden bisweilen die zahlreichen und
teilweise recht häufigen Arten der Gattung _Corisa_ zu einer Familie
vereinigt. Ist auch eine gewisse oberflächliche Ähnlichkeit vorhanden,
so erweist sich doch _Corisa_ bei eingehenderer Betrachtung so
verschieden von den beiden anderen, dass eine derartige Vereinigung
recht gewaltsam erscheint. Ich beschränke mich hier darauf,
hervorzuheben, dass die Corisa-Arten, unter denen _C. Geoffroyi_
(fast 1,5 _cm_ messend) die grösste, aber nicht häufigste ist, nicht
mit dem Bauch, sondern mit dem Rücken nach oben schwimmen, dass sie
ferner nicht das Hinterleibsende zur Atmung an die Oberfläche bringen,
sondern den Vorderkörper, und zwischen Kopf und Vorderbrust oder
Vorder- und Mittelbrust, die dabei von einander gebogen werden, die
Luft einsaugen. Besonders grosse Luftlöcher liegen in der Gelenkhaut
der Vorder- und Mittelbrust, an den Seiten der Mittelbrust und
scheinbar an denen der Hinterbrust. Im Wasser erscheint die ganze
Unterseite mit einer silberglänzenden Luftschicht bedeckt. Natürlich
fehlen nun auch die eigentümlichen Luftrinnen an der Bauchseite des
Hinterleibes.

Von den Beinen ist wiederum das letzte Paar zu Schwimmbeinen
umgestaltet. Das Schwimmen erfolgt regelrecht unter gleichzeitiger
Bewegung beider Beine. Eine eigenartige, schaufelförmige Ausbildung
zeigt das Vorderbeinpaar. Es dient mit dem Schnabel zusammen bei
einzelnen Arten (oder bei allen?) als Musikinstrument. Die ziemlich
laute und anhaltende „Musik“ habe ich übrigens bei den Tieren, welche
ich hielt, stets erst am Abend gehört. Die Tiere hielten sich unter
Wasser mit den Mittelbeinen fest und geigten mit den Vorderbeinen über
den Schnabel. Deutlich liess sich die Gleichzeitigkeit des Tones mit
der Bewegung der Vorderbeine beobachten.

Wie alle Schnabelkerfe des Wassers leben auch die Corisa-Arten vom
Raube; aber sie dürften bei der Eigenart ihrer Mundteile nicht nur
zu saugen, sondern auch kleinere, festere Sachen zu zerkleinern
vermögen[LIV]. Häufig habe ich sie an winzigen Mückenlarven gesehen. Der
Schnabel weicht wesentlich von dem des Rückenschwimmers schon durch
die auffallende Kürze und Breite ab. Die Hauptmasse desselben wird
freilich, wie ich im Gegensatz zu den meisten mir bekannten Angaben,
welche gleichmässige Beteiligung der Ober- und Unterlippe an der
Schnabelbildung behaupten, fand, hier wie bei den anderen Rhynchoten
von der nach oben zusammengelegten und gegliederten Unterlippe
gebildet, in der die kurze Oberlippe und die vier Stechborsten
liegen[LV].

  [LIV] Vergl. hierzu die Angaben von +Geise+, „Die Mundteile der
        Rhynchoten“ im Archiv für Naturgeschichte 1886.

  [LV] Siehe auch +Geise+ a. a. O.

An der Bildung der Mundteile sind auch die im Mai ausnehmend häufigen
Larven als Corisa-Larven leicht zu erkennen. Dieselben bieten +vor
der ersten Häutung+ in ihrer Atmung eine Abweichung sowohl von den
Notonecta-Larven als auch von den eigenen entwickelten Zuständen. Sie
kommen nämlich nicht dazu an die Oberfläche, sondern atmen durch die
zarte Hautoberfläche. Das Tracheensystem ist zu dieser Zeit an manchen
Teilen der Haut sehr fein und reich verzweigt, aber es besitzt, wie bei
dem durchsichtigen Körper mit Hilfe des Mikroskops leicht festzustellen
ist, keine thätigen Luftlöcher. Oft sah ich solche Larven sich mit
den Hinterbeinen frisches Wasser zufächeln, während sie sich mit den
Mittelbeinen festhielten. Larven mit Flügelansätzen zeigen freilich
schon die Atmungsweise der entwickelten Tiere[LVI].

  [LVI] Die sehr ähnliche Gattung _Sigara_, besonders durch die Zahl der
        Fühlerglieder unterschieden, habe ich bisher nur in grösseren
        Gewässern, nicht in Gräben und Teichen gefunden.


3. Nepa, Ranatra, Naucoris.

Den dritten Typus der im Wasser lebenden Schnabelkerfe bilden die
beiden, je nur eine Art umfassenden Gattungen _Nepa_ und _Ranatra_
(Fig. 10, 28). Beide sind kenntlich an den langen, aus zwei
seitlichen Halbrinnen bestehenden Atemröhren am Körperende und an den
ausgeprägten, nach vorn gerichteten Raubbeinen des ersten Brustringes.
Die Schiene derselben kann gegen den Schenkel wie die Schneide eines
Taschenmessers gegen den Griff umgeschlagen werden; die Krallen am
Ende fehlen, der eingliedrige Fuss selbst sieht dagegen krallenartig
aus. Hinsichtlich der Beinbildung bildet die Gattung _Naucoris_ (Fig.
10, 27) den Übergang zu _Nepa_; sonst freilich weist sie nicht viel
Übereinstimmung mit derselben auf.

_Nepa cinerea_, der Wasserskorpion, und _Ranatra linearis_
unterscheiden sich von einander leicht durch die Gestalt; der erstere
ist breit, verhältnismässig kurz und von oben nach unten platt
gedrückt, während _Ranatra_ am besten gekennzeichnet wird durch den
Namen, welchen ihr jüngst einer meiner Schüler gab: +Strohhalmwanze+.
Wer sie nicht kennt, dürfte sie in der That oft genug jener
Ähnlichkeit wegen, da sie überdies meist bewegungslos mit abgestreckten
Beinen im Netz liegt, übersehen.

Mit der Schwimmbefähigung und Schwimmneigung beider ist es nicht
sonderlich bestellt; die Mittel- und Hinterbeine, welche dabei
gebraucht werden, sind nur schwach bewimpert. Sie bewegen jedoch
die Beine desselben Paares gleichzeitig und _Ranatra_, dessen Beine
ausserordentlich lang sind, kommt schwimmend ziemlich schnell fort.
Die Lieblingsstellung beider Tiere ist übrigens, sich schräg abwärts
gerichtet an einer Wasserpflanze mit den beiden letzten Beinpaaren zu
halten, so dass die Atemröhre eben zur Oberfläche emporragt, und so
bewegungslos auf Raub zu lauern. Blitzschnell erfassen sie mit ihren
Vorderbeinen vorbeischwimmende Tiere, auch winziger Grösse, z. B.
Daphnien. Einmal gefasst, entwindet sich keine Beute so leicht diesen
Zangen. Bisweilen sah ich _Ranatra_ eine _Daphnia_ aussaugen und
gleichzeitig mit jedem Vorderbeine eine neue Beute halten[LVII].

  [LVII] Die Mundteile der Nepiden bieten übrigens eine morphologische
         Besonderheit dar; die Unterlippe derselben besitzt am
         vorletzten Schnabelgliede eingliedrige Taster im Gegensatz
         zu der allgemeinen Angabe, dass den Rhynchoten eigentliche
         Lippentaster fehlen. Das hatte bereits +Savigny+ erkannt
         und abgebildet. Seine Abbildung ist in Lehrbüchern immer
         wieder kopiert worden, aber anscheinend ohne Verständnis und
         Nachuntersuchung, denn die Taster sind in den Abbildungen
         recht undeutlich geworden und in den Erklärungen und
         Texten völlig verschwunden. +Burmeister+, der auch die
         Abbildung von Savigny bringt, hat sogar auf das Fehlen der
         Unterlippentaster hin eine besondere Deutung der Gliederung
         des Rüssels aufgestellt, die oft wiederholt wurde, und
         +Huxley+ („Wirbellose Tiere“) zieht mit deswegen in Frage,
         ob die Mundteile der Rhynchoten mit denen der anderen
         Insekten homologisiert werden können. Aufallenderweise
         giebt auch +Geise+, der die Mundteile der Schnabelkerfe so
         genau untersucht hat, an, dass bei _Nepa_ und _Ranatra_ die
         Lippentaster fehlen. Vgl. meine Mitteilungen über Mundteile
         der Rhynchoten und die Stigmen derselben in d. Sitzungsber.
         der Gesellschaft naturforschender Freunde zu Berlin, 1891.

Die Eier legen beide Wanzen im Mai an abgestorbenen schwimmenden Binsen
u. dergl. ab und zwar so, dass das eigentliche Ei in die Pflanze
eingesenkt ist und nur die eigenartigen, fadenförmigen Anhängsel der
Eier (bei _Ranatra_ zwei, bei _Nepa_ mehrere) hervorragen (Fig. 10,
29 u. 30). Von _Ranatra_ habe ich mehrfach die Eier im Mai zu vielen
Hunderten angetroffen. Die jungen Larven schlüpfen nach kurzer Zeit
aus; die Zugehörigkeit zum entwickelten Tier ist bei ihnen wie bei
_Nepa_ ohne Weiteres zu erkennen. Es fehlen ihnen zunächst nur die
Flügelansätze und die Atmungsweise ist eine etwas andere. Bei den
entwickelten Kerfen liegen die einzig offenen Stigmen am Ende des
Hinterleibes, am Grunde der Atemröhre; die übrigen Stigmen desselben
sind auf der Bauchseite zwar vorhanden, aber geschlossen und nicht
in Thätigkeit; bei den Larven sind dagegen an der Bauchseite zwei
gleichartige Haarrinnen vorhanden wie bei _Notonecta_, und unschwer
erkennt man auch, dass von der kurzen +Atemrinne+ aus -- eine
zweiteilige Atem+röhre+ ist noch nicht ausgebildet -- die Luft in
diesen seitlichen Gängen zu den dort liegenden Luftlöchern fortgeleitet
wird. In allen anderen Punkten aber, in der Bildung der Mundteile, im
Schwimmen, in der gewöhnlichen Körperhaltung, sind die jungen Tiere ein
getreues Abbild der alten.


Schlussbemerkungen.

Reich und mannigfaltig ist also, wie wir sehen, das Kerf- und besonders
Kerflarvenleben der +süssen Gewässer+ entwickelt. Naturgemäss drängt
sich da zum Schluss die Frage auf: Wie verhält sich dazu die Kerfwelt
des Meeres? Ist dort ein ähnlicher Reichtum an Formen vorhanden;
sind es verwandte und gleiche Formen wie die des süssen Wassers? Die
Auskunft auf solche Fragen muss für Jeden zunächst überraschend sein:
Von Kerfen und besonders Kerflarven des Meeres ist so gut wie gar
nicht die Rede. Ausser einer Gattung der Wasserläufer (_Halobates_,
Meerwanze) giebt es nur ganz vereinzelte Meerestiere unter den
Kerfen und Kerflarven. Dass der Salzgehalt des Meerwassers die
Ursache dieser auffallenden Erscheinung sein sollte, ist, auch schon
wegen der Fauna der salzigen Gewässer des Binnenlandes, nicht wohl
anzunehmen. Vielleicht ist dieselbe im folgenden zu suchen. Die fast
nie ruhende Bewegung der Meeresoberfläche, besonders auch näher der
Küste, macht zunächst allen Kerfen und Larven, die zur Atmung an die
Oberfläche kommen, oft auf lange Zeit das Atmen und also das Leben
im Meere unmöglich; aber auch für diejenigen Larven, bez. Puppen,
welche durch Kiemen oder Tracheenkiemen atmen und die also zunächst
in der schützenden Tiefe verbleiben können, kommt früher oder später
der Zeitpunkt, wo sie zur Verpuppung oder zum Ausschlüpfenlassen des
Insektes das Wasser verlassen müssen, und welche Schwierigkeit bietet
sich dann für die schwachen Lebewesen durch die Brandung das Ufer
und weiter eine Stelle zu erreichen, an der sie nicht eine spätere
Welle oder die steigende Flut erreiche. Wie dem nun auch sein möge,
jedenfalls bilden die Kerfe hierin einen bemerkenswerten Gegensatz zu
der verwandten Klasse der Kruster, den echten Wassertieren, welche im
Meere so ungleich reicher als im süssen Wasser entwickelt sind.


Anhang.

Tabelle zur annähernden Bestimmung der im Wasser lebenden
Kerflarven[LVIII].

   1. (8)[LIX] Mit Flügelansätzen[LX]                                 2.

   2. (3)  Mit gegliedertem Rüssel

              _Schnabelkerfe_[LXI] oder _Rhynchoten_ (Fig. =10=, 25–28).

   3. (2)  Mit beissenden Mundteilen (_Orthoptera amphibiotica_)      4.

   4. (5)  Unterlippe zum Fangorgan ausgebildet, weit vorstreckbar
           (Fig. =9=, 19).  Mit drei blattförmigen Kiemen[LXII] am
           Ende oder mit Darmkiemen        _Odonaten_ (Fig. =9=, 19–22).

   5. (4)  Unterlippe gewöhnlich, tief geteilt                        6.

   6. (7)  Mit Kiemen nur an den Seiten des Hinterleibes. Meist
           drei lange Endanhänge.          _Ephemeriden_ (Fig. =9=, 23).

   7. (6)  Ohne Kiemen an den Seiten des Hinterleibes, oft mit
           solchen an der Brust. Meist zwei Endanhänge.
                                             _Perliden_ (Fig. =10=, 24).

   8.  (1) Ohne Flügelansätze. Larven, deren Brust- und Hinterleibsringe
           meist recht gleichartig und deren Tarsen nie gegliedert
           sind                                                       9.

   9. (10) Ohne +gegliederte+ Beine an den drei Brustringen,
           bisweilen mit fussartigen, ungegliederten Fortsätzen,
           die zahlreiche Chitinhaken tragen
                                            _Dipteren_ (Fig. =7=, 9–14).

  10. (9)  Mit gegliederten Beinen an den drei Brustringen           11.

  11. (12) Mit je einem kräftigen Chitinhaken an zwei kürzeren
           oder längeren Afterbeinen am Hinterleibsende. Fühler
           meist fehlend, selten vorhanden und dann zweigliedrig,
           winzig. Mit oder ohne fadenförmige mehrreihige Kiemen.
           Mit oder ohne Gehäuse           _Phryganiden_ (Fig. =8=, 15).

  12. (11) Ohne derartige Chitinhaken an besonderen Afterbeinen;
           mit Fühlern                                               13.

  13. (14) Raupen; mit fünf Paar Afterbeinen am dritten bis
           sechsten und letzten Hinterleibsringe. Afterbeine
           mit Hakenkränzen
                 Wasserzünsler (_Paraponyx_, _Hydrocampa_, _Cataclysta_,
                                                          _Acentropus_).

  14. (13) Fast immer ohne Afterbeine[LXIII], oder doch nie mit
           Afterbeinen in obiger Anordnung                           15.

  15. (18) Mit fadenförmigen Kiemen, ohne thätige Luftlöcher[LXIV]   16.

  16. (17) Ohne Chitinhaken am Körperende; Kiemen gegliedert,
           am Hinterleib                             _Sialis_, _Sisyra_.

  17. (16) Mit vier Chitinhaken am Körperende; Kiemen ungegliedert,
           am Hinterleib                      _Gyriniden_ (Fig. =5=, 1).

  18. (15) Ohne fadenförmige Kiemen; mit zwei thätigen Luftlöchern
           am Körperende                                             19.

  19. (20) Fühler länger als der halbe Körper; Körper platt
                                                               _Cyphon._

  20. (19) Fühler kürzer als der halbe Körper; Körper mehr
           oder minder walzenförmig                                  21.

  21. (22) Vorletzter (eigentlich drittletzter) Hinterleibsring mit
           zwei langen sichelförmigen Chitinhaken.  Körper
           weichhäutig, bleich                              _Donaciden._

  22. (21) Ohne solche Chitinhaken; Körper nicht bleich              23.

  23. (24) Oberkiefer sichelförmig, ohne Zähne auf der Innenseite;
           Beine mit gesonderter Kralle, also sechsteilig.
           Fast immer zwei Krallen         _Dytisciden_ (Fig. =5=, 2–4).

  24. (23) Oberkiefer mit deutlichen Zähnen oder doch Höckern auf
           der Innenseite. Tarsus und Kralle nicht gesondert, Beine
           also fünfgliedrig. Nie zwei Krallen
                                    _Hydrophiliden_ (Fig. =6=, 6 und 7).

  [LVIII] Die weitere Unterscheidung der unten folgenden Gruppen siehe
          teilweise im Text.

  [LIX] Die eingeklammerten Zahlen weisen auf den Gegensatz hin.

  [LX] Die jüngsten Larven sind zwar ohne Flügelansätze, aber durch
       ihre sonstige Ähnlichkeit mit den +ungleich+ häufigeren älteren
       Larven, die solche Ansätze haben, leicht kenntlich. Übrigens
       lassen sich die Larven der vier ersten Gruppen auch abgesehen
       von den Flügelansätzen durch die oben gekennzeichneten Merkmale
       der Mundbildung, der Kiemen und Endanhänge von den folgenden
       Larvengruppen unschwer unterscheiden. Zu Hilfe kann man noch
       nehmen, dass die Larven dieser vier Gruppen alle Netzaugen und
       grosse, wohl entwickelte Beine mit fast immer (oder immer?)
       teilweise gegliederten Tarsen haben und dass Brust- und
       Hinterleibsringe meist deutlich in ihrer Bildung von einander
       unterschieden sind.

  [LXI] Die Gattungen sind unschwer durch die Ähnlichkeit mit den
        erwachsenen Tieren zu bestimmen.

  [LXII] Kiemen steht in der Tabelle der Kürze wegen statt
         Tracheenkiemen.

  [LXIII] Meines Wissens kommen nur bei _Philhydrus testaceus_
          Afterbeine vor und zwar stehen sie am dritten bis siebenten
          Hinterleibsring.

  [LXIV] Hierher gehören eigentlich auch wegen ihrer Kiemen _Berosus_
         (Hydrophilide), _Cnemidotus_ und _Pelobius_ (Dytisciden).
         Von den Gyriniden, _Sialis_ und _Sisyra_ unterscheidet sich
         _Cnemidotus_ dadurch, dass auch an den Brustringen Kiemen
         stehen, _Pelobius_ durch bluterfüllte echte Kiemen an der
         Unterseite der Brust und _Berosus_ durch die besondere
         Oberkiefer- und Beinbildung (S. 24) der Hydrophiliden.


Litteratur.

[1] Zum Bestimmen der im Wasser lebenden Käfer wie der Käfer
überhaupt ist zu empfehlen der betreffende Band der „Fauna austriaca“,
nämlich =Redtenbacher=: „Die Käfer“. Wien 1858. Die Litteratur über die
Käferlarven und Käferpuppen ist übersichtlich zusammengestellt in =M.
Rupertsberger=, „Biologie der Käfer Europas“. Linz 1880. Für unsern
Zweck sind fraglos am wichtigsten die Arbeiten =Schiödtes=, welche in
der Naturhistorik. Tidsskrift von =Kröyer=, Kopenhagen, erschienen sind
und zwar in den Jahrg. 1862, 1864, 1867, 1872. Der Text ist teilweise
dänisch, teilweise lateinisch; die wichtigste Auskunft geben übrigens
schon die vorzüglichen Abbildungen. Nicht unterlassen möchte ich,
gleich hier auf die unser ganzes Gebiet behandelnden älteren Werke von
=Rösel v. Rosenhof=, =Réaumur= und =De Geer= hinzuweisen.

=Rösel=, „Monatlich herausgegebene Insektenbelustigungen“. 1746 bis
1761.

=de Réaumur=, Mémoires pour servir à l’histoire des Insectes. Paris
1734–42.

=de Geer=, Mémoires pour servir à l’histoire des Insectes. Stockholm
1752–78. (Deutsch von =Götze=. Nürnberg 1778–83.)

[2] Eine umfassende Zusammenstellung der Litteratur über
die Metamorphose der Dipteren giebt =Fr. Brauer=, „Die Zweiflügler
des kaiserlichen Museums zu Wien“ (Denkschr. d. k. k. Akad. d. Wiss.
Bd. 47. Wien 1883). Dort sind auch die Larven systematisch gruppiert
und kurz geschildert. Für die eucephalen Larven ist wegen seiner
vortrefflichen Abbildungen besonders zu empfehlen: =Fr. Meinert=,
„Eucephale Myggelarver“ (Vidensk. Selsk. 6 Räkke naturvidensk. og math.
Ath. III 3). Kopenhagen 1886.

[3] Abbildungen der Wasserraupen finden sich in =v.
Praun=, „Abbild. u. Beschreib. europäischer Schmetterlingsraupen“.
Herausgegeben von =E. Hoffmann=, 1874. Vergl. auch =Sorhagen=,
„Kleinschmetterlinge der Mark“.

[4] Für Phryganiden, Ephemeriden und Perliden sind mit
Vorteil zu benutzen die Werke von =F. J. Pictet=, 1) Recherches pour
servir à l’histoire et à l’anatomie des Phryganides. Genf-Paris 1834.
2) Histoire naturelle des insectes neuroptères. Genf-Paris 1841–1843.

Ferner ist für beide Ordnungen zu empfehlen: =Fr. Brauer=, Neuroptera
austriaca. Wien 1857. Eine Anzahl Beschreibungen und Muster für genaue
Beschreibung der Larven und Puppen der Phryganiden findet man in:
=Klapalek=, „Metamorphose der Trichopteren“. Prag 1888.

Für die Bestimmung der entwickelten Insekten ist besonders zu nennen:
=Mc. Lachlan=, A monograph revision and synopsis of the Trichoptera of
the European Fauna. London 1874–80.

[5] Die Ephemeriden nebst ihren Larven sind sehr eingehend
behandelt in: =Eaton=, A revisional monograph of recent Ephemeridae.
(Transact. of the Linnean Society.) London. Zoology. N. S. 3. 1888. Das
Werk enthält zahlreiche Tafeln über die Larven.

[6] Zur Bestimmung der Gattungen der Wasserwanzen dürften
die allgemeinen systematischen Handbücher ausreichen, z. B. das von
=Ludwig-Leunis=. Zur Unterscheidung der Arten sind die Arbeiten von
=Fieber=, besonders „Hemiptera europaea“, zu empfehlen.



Die Mollusken des Süsswassers.

Von =S. Clessin= in Ochsenfurt.


Unsere Gewässer, von der kleinsten Pfütze bis zu den grössten Seen und
von der spärlichsten Quelle bis zu den wasserreichsten Flüssen, werden
von Mollusken verschiedener Gattungen bewohnt. Aber obwohl die in den
Gewässern vorkommenden Arten meist in reicher Individuenzahl auftreten,
fallen sie dennoch dem nicht geübten Beobachter nicht so leicht ins
Auge und es bedarf selbst der gewandte Sammler in der Regel besonderer
Instrumente, um lebende Mollusken in grösserer Anzahl zu fangen. Leere
Gehäuse werden dagegen oft in reicher Menge an gewissen Lokalitäten
angeschwemmt gefunden.

Die Mollusken spielen im Haushalte der Natur eine wichtige Rolle, indem
sie faulende Pflanzenstoffe, welche in den Gewässern sich ansammeln,
verzehren und dadurch die Wasser rein erhalten. Die Mehrzahl der
Arten werden ihrer geringen Grösse und verborgenen Lebensweise wegen
leicht übersehen, doch beherbergen unsere Gewässer auch grosse, recht
ansehnliche Arten, namentlich aus der Klasse der Muscheltiere, die
bezüglich ihrer Entwickelungsgeschichte noch besonderes Interesse
bieten.


Einteilung der Mollusken.

Die im Wasser lebenden Conchylien gehören zwei sehr verschiedenen
Klassen an. Die eine besteht aus Tieren, welche einen Kopf mit Fühlern
und Augen haben, die gewöhnlich an der Basis der Fühler sitzen, im
übrigen aber jenen der Landschnecken, der Klasse der Gasteropoden
oder Bauchfüssler ähnlich sind. Sie haben mit wenig Ausnahmen (Genus
_Ancylus_ Geoff. und _Velletia_ Gray[LXV]) eine gewundene Schale, und
ist das Gehäuse zuweilen mit einem Deckel verschlossen. Die zweite
Klasse die Muscheltiere, Bivalven oder Zweischaler, haben keinen
Kopf und keine Augen; das Tier besteht nur aus einem sackartigen
Körper, dessen unterer, ausdehnbarer Teil als „Fuss“ die Bewegung
vermittelt. Den Körper umhüllen auf jeder Seite zwei buchblattartig
am Rücken angeheftete Kiemen und wird das ganze Tier von einem Mantel
umschlossen, dessen Ränder entweder ganz frei bleiben, oder teilweise
zusammengewachsen sind; im letztern Falle hat der Mantel einen Schlitz
am Vorderteile des Tieres zum Durchgange des Fusses und eine Öffnung
für die Anal- und Atemröhre. Die Schalen der Bivalven sind nicht
gewunden, sondern bestehen aus zwei gleichgrossen Klappen, die durch
ein elastisches Band, das Ligament, verbunden sind und sich nur wenig
öffnen können. Das Tier ist an den gegenüberstehenden Enden durch zwei
sehr starke Muskeln (die Schliessmuskeln), welche zugleich das Öffnen
der Schalen regeln, und durch einen kleinen Wirbelhaftmuskel an die
Schale angeheftet sind.

  [LXV] Bezüglich der Arten und Genera verweise ich auf meine Werke:
        „Deutsche Excursions-Mollusken-Fauna“. 2. Aufl. Nürnberg 1884,
        Bauer & Raspe, und „Molluskenfauna von Österreich-Ungarn und
        der Schweiz“. Nürnberg 1890, Bauer & Raspe.

[Illustration: Fig. 11.

_Dreissena polymorpha._]

Die meisten Süsswassermuscheln sind freibeweglich; nur eine Art unserer
heimischen Arten heftet sich durch einen Byssus (einen Büschel spröder
Haare) an anderen Gegenständen an (_Dreissena polymorpha_ Pallas Fig.
11).

Die Genera der nicht gedeckelten Süsswasserschnecken sind durchweg
Lungenatmer. Sie haben sehr verschiedene Formen, indem der Modus des
Aufwindens der Umgänge sehr mannigfaltig ist. Die meisten Arten haben
eine rechtsgewundene Schale, nur die Genera _Amphipeplea_, _Physa_ und
_Aplexa_ winden ihre Umgänge nach links. Ferner besitzen die Genera
_Limnaea_, _Physa_, _Aplexa_, _Amphipeplea_ ein mehr oder weniger
erhöhtes Gewinde, nur Genus _Planorbis_ rollt seine Umgänge in platter
Form auf, für welche der Name „Tellerschnecke“ sehr bezeichnend ist.
Die Genera _Ancylus_ (Fig. 12) und _Velletia_ haben eine napfförmige
Schale, von denen diejenige des ersteren Genus einer Jakobinermütze
sehr ähnlich ist; bei beiden beschränkt sich die Windung des Gehäuses
auf eine geringe Neigung des Wirbels nach rechts oder links. Die
meisten Arten haben eine rauhe Schale, an welcher die Zuwachsstreifen
deutlich erkennbar sind. Nur Genus _Physa_ und _Aplexa_ haben glatte,
glänzende Gehäuse.

[Illustration: Fig. 12.

_Ancylus fluviatilis_ mit Tier.]

Die Deckelschnecken, mit Ausnahme des Gen. _Vivipara_, bestehen aus
kleinen Arten. Alle sind mit Kiemen zur Wasseratmung ausgerüstet.
Gewöhnlich bleiben die Kiemen in der Kiemenhöhle verborgen, nur Genus
_Valvata_ (Fig. 13) besitzt die Fähigkeit, die federförmige Kieme
auszustülpen und frei hervortreten zu lassen.

[Illustration: Fig. 13.

_Valvata piscinalis_ mit Tier.]

Das Gewinde ist bei diesen Schnecken ein kreiselförmiges (Gen.
_Vivipara_ und _Valvata_) oder ein mehr oder weniger getürmtes,
nur Gen. _Neritina_ und _Lithoglyphus_ haben ein kurzes, wenig
hervortretendes Gewinde und eine starke Schale und weite Mündung; die
Oberfläche der Arten des Gen. _Neritina_ ist mit hübschen netzartigen
Zeichnungen bedeckt.

Die frei beweglichen Muscheln gehören zwei Familien an. Die grossen
Arten gehören in die Familie der Najaden. Diese haben offenen Mantel,
zwei gleichgrosse Kiemen und an der Mundöffnung jederseits zwei
Mundlappen; der Mantel ist an seinem Rande am Hinterteile mit einem
Kranze dunkelgefärbter Papillen besetzt. Die Kiemen dienen zugleich
als Brutbehälter, haben gitterförmige Abteilungen, die, wenn Brut
vorhanden, mit einer ungeheuren Anzahl von Embryonen besetzt sind.

Die kleineren Zweischaler der Familie _Cycladidae_ haben geschlossenen
Mantel, und je eine Anal- und Atemröhre, welche mehr oder weniger über
den Mantelrand hervortritt.


Wohnorte und Gewohnheiten.

Die ungedeckelten Wasserschnecken der Familie der Limnaeiden halten
sich den grössten Teil des Tages auf dem Grunde der Gewässer im
Schlamme auf, und ziehen die meisten Arten stehende Gewässer vor; nur
wenige Spezies finden sich in fliessenden Wassern, für welche sie wegen
ihrer dünnen, zerbrechlichen Schale wenig geeignet sind. In fliessenden
Wassern kommt in der Regel nur _Limnaea peregra_ vor. -- Die übrigen
Limnaea-Arten, die Spezies der Gen. _Physa_, _Aplexa_, _Amphipeplea_
und _Planorbis_ bewohnen nur stehende Gewässer.

Die Limnaeen (_Limnaea stagnalis_, _auricularia_, _ovata_, _palustris_)
steigen bei heiterem, warmem Wetter an Wasserpflanzen an die Oberfläche
des Wassers und kriechen, die Fusssohle nach oben gerichtet, das
Gehäuse untergetaucht, ebenso sicher dahin, als wenn sie an einem
festen Gegenstande kröchen. Wahrscheinlich saugt sich die Sohle an der
auf dem Wasser aufstehenden Luftsäule an, da die Tiere sich jederzeit
plötzlich zu Boden fallen lassen können. -- Das Aufsteigen der Limnaeen
an die Oberfläche wird mit dem Bedürfnisse der Tiere, Luft zu atmen,
in Verbindung gebracht, da die Limnaeiden mit Lungen ausgerüstet sind,
während die mit Kiemen versehenen Deckelschnecken nie an die Oberfläche
kommen. Die Limnaeen haben jedoch dieses Bedürfnis nur bei heiterem
Wetter und bei erhöhter Temperatur des Wassers ihrer Wohnorte.

[Illustration: Fig. 14.

_Aplexa hypnorum._]

Eine Aplexa-Art (_Apl. hypnorum_ Fig. 14) besitzt sogar die Fähigkeit,
plötzlich vom Grunde des Wassers an die Oberfläche aufzutauchen, von wo
sie sich nach einigen Sekunden ebenso schnell wieder zu Boden fallen
lassen kann.

[Illustration: Fig. 15.

_Vivipara vera_ Fr.]

Die gedeckelten Wasserschnecken der Genera _Vivipara_ (Fig. 15),
_Bythinia_ und _Valvata_ leben im Schlamme der Gewässer, und zwar meist
in stehenden, höchstens in sehr langsam fliessenden Wassern. -- Die
Arten der Genera _Neritina_ und jene der Familie der Melaniiden leben
nur in bewegtem Wasser, in welchem sie sogar stark flutende Stellen
bevorzugen, für welche die Neritinen durch ihr kaum hervortretendes
Gewinde und ihre weite Mundöffnung vorzugsweise geeignet erscheinen,
weil sie den Fluten wenig Fläche darbieten. -- Die Bythinellen (Fig.
16) finden sich nur in Quellen an Steinen sitzend; die _Vitrella_-Arten
kommen ausschliesslich in Höhlengewässern vor. -- _Velletia lacustris_
lebt in stehendem, _Ancylus fluviatilis_ und verwandte Arten nur in
fliessendem Wasser. Doch findet sich erstere zuweilen auch in Bächen,
während Ancylus-Arten auch in Seen vorkommen.

[Illustration: Fig. 16.

_Bythinella austriaca_ Frf.]

[Illustration: Fig. 17.

_Anodonta mutabilis v. cellensis_ Chem.]

Die Muscheln stecken am Grunde der Gewässer im Schlamme, in dem sie
fast völlig eingebettet sind, so dass nur das hintere Ende frei
ins Wasser hervorragt. Sie saugen das Wasser durch die Mundöffnung
am vordern Ende der Muschel ein, lassen dasselbe durch den Körper
zirkulieren und stossen es durch die Atemöffnung am hintern Ende wieder
aus. Wenn man eine Muschel rasch aus dem Wasser nimmt, schliesst sie
ihre Schalen und das Wasser spritzt dann, oft in ziemlich lebhafter
Weise, durch die Atemöffnung aus. Beim Einblick in helles nicht
tiefes Wasser kann man die im Schlamme steckenden Muscheltiere leicht
bemerken. Man gewahrt jedoch nur die mit Cirren am hintern Mantelrande
besetzte Atem- und Analöffnung. Schiebt man vorsichtig ein Rütchen in
diese Öffnung, so schliesst das Tier die Schalen, und die Spitze des
Rütchens wird mit eingeklemmt. Mit dem Rütchen lässt sich dann die
Muschel aus dem Schlamme ziehen, wenn man dieselbe fangen will.

Die Muscheln (s. Fig. 17) heften sich in fliessendem Wasser mit dem
ausgestreckten Fusse in den unter der Schlammschicht befindlichen
festen Boden. Ihre Bewegungsfähigkeit ist eine sehr geringe,
und ihr ruckweise erfolgender Marsch erstreckt sich nur auf 1–2
_m_ Länge. Derselbe wird durch Ausstrecken und Einziehen des
Fusses bewerkstelligt; bei letzterer Operation wird die Muschel
nachgeschleift, wobei sie im Schlamme eine Furche zurücklässt, an
welcher man die Länge und Richtung des Marsches erkennen kann. Die
kleineren Muscheln der Familie der Cycladen leben ebenfalls frei
beweglich im Schlamme. Nur eine Art unserer Süsswassermuscheln,
_Dreissena polymorpha_, heftet sich durch einen Byssus an andere im
Wasser liegende feste Gegenstände an, und wechselt dann ihren Standort
nicht mehr bis zu ihrem Tode. Die Muscheln sitzen oft in ganzen Klumpen
zusammen und verstopfen beispielsweise leicht Wasserleitungsröhren,
wenn sie in selbe gelangen. -- Das Festsitzen dieser durch ihre
dreieckige Form auffallenden Muschel ist die Veranlassung zur
Verschleppung in die nord- und westeuropäischen Gewässer geworden:
Ursprünglich in den Flüssen heimisch, welche ins Schwarze Meer münden,
wurde sie durch Schiffe, an deren Planken sie sich angehängt hatte,
an die Küsten der Ost- und Nordsee, sowie des Atlantischen Meeres
verschleppt, und gelangte von hier wieder durch Flussschiffe in
alle grösseren ins Meer mündenden Flüsse, von welchen sie in deren
Nebenflüsse vordrang. Durch den Donau-Main-Kanal war es ihr sogar
möglich, die Wasserscheide zwischen Rhein und Donau zu überschreiten
und in die obere Donau zu gelangen, wo ich im Jahre 1868 das erste
Exemplar fand. Einige Jahre später wurde sie bei Deggendorf beobachtet
und so wird sie nun sicher die Donau abwärts wandern, bis sie wieder
das Schwarze Meer, ihren Ausgangspunkt, erreicht hat.


Entwickelung und Alter der Mollusken.

Die meisten Wasserschnecken sind Zwitter; wenigstens die nicht
gedeckelten Arten, also insbesondere die Limnaea- (Fig. 18),
Planorbis-, Physa-, Ancylus-, Velletia- und Amphipeplea-Arten. Bei
_Limnaea peregra_ habe ich mehrfach beobachtet, dass ganze Ketten,
6–8 Individuen, bei der Begattung zusammenhingen. -- Bei den
Deckelschnecken, wenigstens bei _Vivipara_, lassen sich männliche
und weibliche Formen unterscheiden, ebenso nach +Hazay+[LXVI] bei den
Muscheln der Familie der Najaden. Ich halte dies jedoch noch immer für
sehr zweifelhaft, bis weitere verlässliche Beobachter und Anatomen
dieses Verhältnis bestätigt haben.

  [LXVI] „Mollusken-Fauna von Budapest“. Kassel 1881, Theodor Fischer.

Die Wasserschnecken legen Eier; nur bei den Vivipara-Arten entwickeln
sich die jungen Individuen schon im Muttertiere, so dass sie bereits
mit einem etwa aus zwei Umgängen bestehenden Gehäuse ausgestossen
werden. Auch die Arten der Familie _Cycladidea_ stossen ihre Jungen
schon als fertige Muscheln aus.

Die Schnecken und Muscheln sind schon fortpflanzungsfähig lange bevor
sie ausgewachsen sind. Die im Mai ausgekrochenen Jungen der Limnaea-
und Planorbis-Arten begatten sich noch im selben Herbste, obwohl sie
ein Alter von 3–4 Jahren erreichen.

[Illustration: Fig. 18.

_Lim. palustris v. corvus._]

Die Eier werden in Schnüren oder in Paketen an Steinen, Wasserpflanzen
oder häufig sogar auf die Gehäuse anderer Individuen derselben Art
abgesetzt, so z. B. bei _Limnaea ampla_. +Hazay+ hat auf den Gehäusen
dieser Art 8–12 Eierschnüre gefunden, so dass das Tier nur mühsam
sich fortbewegen konnte. -- _Limnaea auricularia_ setzt 20–25 _mm_
lange, 7–8 _mm_ breite raupenförmige Eierschnüre ab, welche 80–150
Eier enthalten, die kugelrund sind und 1 _mm_ Durchmesser haben. Der
Eidotter ist weisslichgelb und wird während der Furchung hellweiss.
-- _Limnaea stagnalis-variegata_ Hazay setzt eine Eierschnur von
45–55 _mm_ Länge ab, die 110–180 Eier enthält; die Eierchen sind
länglich-oval und 1½–2 _mm_ gross. Der Dotter ist strohgelb, das
Eiweiss wasserhell; _Aplexa hypnorum_ legt den Laich in ganz flachen
rundlichen Scheiben von 4–7 _mm_ Durchmesser und ⅔ _mm_ Dicke, mit den
Enden gegeneinandergeheftet, ab. Die Zahl der Eier wechselt zwischen
20–50. -- _Planorbis corneus_ legt ebenfalls eine 25 bis 30 _mm_ lange,
5 _mm_ breite, glatte, an den Enden zusammengeheftete Eierschnur ab.
Zahl der Eier 45–70.

Die Entwickelung des Embryo beansprucht bei Gen. _Limnaea_ gewöhnlich
20, bei _Planorbis_ und _Physa_ nur 15, bei _Bythinia_ 25 Tage. Je nach
der Temperatur des Wassers wird der Entwickelungsprozess beschleunigt
und verzögert. +Hazay+ hat beobachtet, dass bei Laich der _Limnaea
palustris var. Clessiniana_ die Embryonen sich schon in 12 Tagen
entwickelten.

Die jungen Tiere wachsen ziemlich rasch und erlangen vier bis sieben
Umgänge schon im ersten Jahre, jenachdem sie mehr oder weniger
frühzeitig im Jahre als Laich abgesetzt wurden. Das grösste Wachstum
entfällt auf das erste und zweite Jahr und nimmt dasselbe dann von Jahr
zu Jahr ab. Im Herbst und Winter erfolgt nicht das geringste Wachstum.
Während der letzten Wachstumsmonate wird der letzte frische Anbau des
Gehäuses verdickt und die Mündung verstärkt.

Die Lebensdauer der Limnäen erstreckt sich im höchsten Falle auf 4–5
Jahre; nur wenige erreichen jedoch dieses Alter. Die Jahre, welche
die Mollusken zum Ausbau ihres Gehäuses brauchen, lassen sich an den
Jahresabsätzen deutlich erkennen, da diese Tiere gleich den Insekten,
Lurchen etc. einen Winterschlaf halten. Schon im Hochsommer wächst das
Gehäuse, dessen Weiterbau im Frühjahr sofort nach dem Erwachen aus dem
Winterschlafe, meist im Monat April, beginnt, nicht mehr weiter; die
Zeit bis zum Eintritt der Winterruhe wird dazu benutzt, die Mündung
des Gehäuses durch Ablage einer Schmelzschicht zu verstärken, damit
dieselbe beim Einbohren in den Schlamm nicht beschädigt wird. Die
Jahresabsätze sind daher an den Gehäusen, durch die meist nach aussen
durchscheinenden Verstärkungsschichten, leicht zu erkennen, und lassen
sich aus der Zahl dieser Absätze die Jahre, die das Tier bis zur
Vollendung des Gehäuses braucht, ablesen. Die Limnäen weisen zwei bis
drei solcher Absätze, unter Umständen sogar deren vier, auf. _Limnaea
peregra_ hat in der Regel nur drei; ich habe jedoch auch aus höheren
Lagen im Gebirge stammende Gehäuse dieser Art mit vier Jahresabsätzen
gefunden, so dass anzunehmen wäre, dass die kürzere Sommerperiode
höher gelegener Lokalitäten die Lebensdauer verlängert. -- _Limnaea
auricularia_ und _ovata_ sterben meistens schon im zweiten Jahre
ab, _Limnaea palustris_ (Fig. 18) gewöhnlich im dritten. _Planorbis
corneus_, _marginatus_ und _carinatus_ vollenden ihre Gehäuse im
dritten und leben selten länger als 3–3½ Jahre; _Planorbis albus_,
_spirorbis_ und alle kleineren Arten dieses Genus sterben in der Regel
schon im zweiten Jahre. _Amphipeplea glutinosa_ lebt nur ein Jahr.

Unter allen Wasserschnecken werden die Limnäen am meisten von
Schmarotzertieren gequält, so dass die allermeisten derselben meist
schon, bevor die Schale ausgewachsen ist, zu Grunde gehen. +Hazay+
sagt hierüber folgendes: Keine einzige der Limnäen, welche das dritte
und vierte Lebensjahr erreicht hat, bleibt von denselben verschont; in
diesem Alter fallen alle denselben, wie einer allgemein herrschenden
Alterskrankheit, zum Opfer. Im zweiten Lebensjahre bereits finden sich
einzelne Sporocisten an dem Darm und der Leber als längliche gelbe
Schläuche vor, im dritten Lebensjahre sind dies schon massenhafte
Schlauchbündel, welche alle inneren Organe bedecken, die ganze Leber
erfüllen, langsam Herz und Lungenwand durchsetzen, so dass endlich
das Tier absterben muss. Dieser Zustand der Tiere macht sich durch
auffallende Trägheit und durch eine starke gelbe Färbung bemerkbar.
Zieht man solche Tiere aus dem Gehäuse, so erscheint unter der Haut
das ganze Innere des Körpers als gelbe Masse, alle Organe sind von
Sporocistenbündeln belegt und von der Leber ist keine Spur mehr
vorhanden.

Die Vivipara-Arten setzen keinen Laich ab; die Eier entwickeln sich im
Muttertiere bis zu Gehäusen von 11 _mm_ Länge und 7 _mm_ Breite, welche
etwa 3½ Umgänge zählen (_Vivipara hungarica_ Hazay, l. c. p. 91). Die
Schalen solch junger Tiere haben eine dichte Spiralstreifung und sind
die Streifen mit an einander gereihten rundlichen Wärzchen besetzt, von
denen manche kurze Borsten tragen. +Hazay+ fand im Uterus des Weibchens
der genannten Art sechsundvierzig schon mit Schale und Binde versehene
junge Tierchen und sehr viele Eier in allen Stadien der Entwickelung.
-- Nach demselben Autor sind die Tiere getrennten Geschlechtes und
lassen sich die Geschlechter an der Form der Schale gut unterscheiden.
-- Die Schalen ausgewachsener Tiere erreichen sieben Umgänge und
erlangen dieselben ein Alter von 8–10 Jahren.

Die Arten der Familien _Valvatidae_ und _Hydrobiidae_ setzen
Laich ab. Sie erreichen ein Alter von 2–3 Jahren. Neritina- und
Lithoglyphus-Arten können nach +Hazay+ ein Alter von 5 Jahren erreichen.

Die Muscheln der Familie der Najaden sind wahrscheinlich Zwitter,
obwohl mehrere Autoren männliche und weibliche Formen an den
Muscheln (vorzugsweise an der mehr aufgeblasenen Form der Schalen)
unterscheiden wollen. Da nämlich die Kiemen als Brutbehälter für die
Eier dienen und strotzend mit denselben gefüllt werden, wird die
Muschel sehr aufgetrieben, während jene Muscheln, die keine Eier in
die Kiemen bringen und aus irgend welchem Grunde vielleicht nicht
fortpflanzungsfähig sind, wenig aufgeblasene Schalen behalten. -- Die
Anodonta- und Unio-Arten produzieren ganz enorme Massen von Eiern, die
aus den Ovarien in die Kiemen gelangen und hier die ersten Stadien
ihrer Entwickelung durchmachen. Bei _Anodonta anatina_ wurden 120000,
bei _An. cygnea_ sogar 400000 Eier gezählt. Die Einlagerung solch
grosser Massen von Eiern kann nicht auf einmal erfolgen. Dieselben
werden allmählich, je nach ihrer Entwickelung, eingeführt und zwar
füllen sich die mittleren Fächer der Kiemen zuerst, denen dann die
gegen die Enden der Muschel zu gelegenen folgen. -- In den Kiemen
entwickeln sich die Eier zu Larven, wozu sie nach +Hazay+ je nach
den Temperaturverhältnissen 2–3 Monate brauchen. -- Die Eihülle wird
erst gesprengt, wenn sich die eigentümlich gestaltete Larvenschale
vollkommen ausgebildet hat. Dieselbe ist von dreieckiger Form und
besitzt in der Mitte der Bauchseite einen kleinen Höcker (Fig. 19).
Ist die Eihülle entfernt, so bilden sich an den Larven Byssusfäden,
mit denen sich die in einem Kiemenfache befindlichen Individuen
derart verwickeln, dass sie wie aneinandergeheftet erscheinen. Die
zusammenhängenden Larvenklumpen werden vom Muttertiere ausgestossen,
und fallen in den Gewässern zu Boden, wo die Byssusfäden der Larven
im Wasser flottieren. Die Byssusfäden verfangen sich an langsam über
dem Schlamme schwimmenden Fischen, hängen sich an dieselben an, bilden
an den Fischen kleine Cysten, in welchen sie sich so lange aufhalten,
bis die junge Muschel soweit ausgereift ist, dass sie nun ohne Schutz,
allein ihre weitere Entwickelung finden kann. +Hazay+ hat an folgenden
Fischarten die Cysten von Najaden gefunden: _Perca fluviatilis_ L.,
_Acerina cernua_ L., _Acerina Schraetzer_ L., _Cottus gobio_ L.,
_Squalius cephalus_ L., _Leuciscus virgo_ Heck., _Rhodeus amarus_
Blain., _Tinca vulgaris_ Cuv., _Carassius vulgaris_ Nils. und _Cyprinus
carpio_ L. -- Die Zeit, während welcher sie als Schmarotzer an Fischen
leben, beträgt nach +Braun+ 70–73 Tage.

[Illustration: Fig. 19.

Junge Muschel von _Anodonta_ zur Zeit, wenn dieselbe aus den Kiemen
ausgestossen wird.

(Vergrössert.)]

[Illustration: Fig. 20.

Junge Muschel von _Unio batavus_ im ersten Lebensjahre.]

Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Existenz der Muscheln durch das
Vorhandensein von Fischen bedingt ist, da sich in stehenden Wassern,
welche keine Fische beherbergen, sich auch keine Najaden finden. --
Bei diesem Verhältnisse der beiden so verschiedenen Tierklassen ist
es gewiss gerechtfertigt, dass auch die grossen Muscheln den Fischen
einen Gegendienst erweisen. Es finden sich nämlich in denselben in
der innern Kieme +Fischembryonen+ vor, die hier ihre Entwickelung
erfahren. +Hazay+ fand Mitte April bei kiementrächtigen Anodonten (bei
fast jedem zweiten der untersuchten Tiere) in den inneren Kiemen 4–8,
ebenso bei _Unio pictorum_ 5–16 Fischembryonen, die möglicherweise
von den Muschellarven sich genährt haben. Bei der grossen Anzahl der
Eier, welche die Fische absetzen, ist es wahrscheinlich, dass diese
Fischembryonen nur durch einen glücklichen Zufall zwischen die Kiemen
der Muscheln geraten. Es ist leider noch nicht festgestellt, ob gewisse
Fischarten nur auf diesem Wege ihre Embryonen-Stadien durchzumachen
haben. +Hazay+ hat ferner beobachtet, dass die Fische sich in den
Muscheln bis zu voller Ausbildung aufhalten, und dass die jungen
Fischchen ausserhalb der Muschel sich ganz nahe der Atemöffnung der
Muschel halten und durch dieselbe in die Muschel hineinschlüpften.

Die Fortpflanzungsfähigkeit tritt bei Genus _Unio_ im dritten, bei
Genus _Anodonta_ im dritten oder vierten Lebensjahre ein.

Die Muscheln erreichen ein verhältnismässig hohes Alter, welches sich
auf zehn bis zwölf Jahre erstrecken kann, was sich aus der Zahl der
Jahresabsätze leicht erkennen lässt. Die ersten Jahresabsätze sind
durch breite Zwischenräume getrennt, die mit fortschreitendem Alter
immer schmäler werden, und ist bei Muscheln höheren Alters der Rand
der Schalen ein häutiger, während jüngere Muscheln (Fig. 20) scharfe
Ränder haben. Häufig verändern dieselben mit zunehmendem Alter ihre
Formen derart, dass sie mit der jugendlichen Gestalt nur noch wenig
Ähnlichkeit haben.

Die Muscheln, insbesondere die Arten des Genus _Anodonta_, werden
häufig von einer Milbenart geplagt, die auf den Mantelhäuten des
Tieres lebt und sich vom Blute der Muschel nährt. Diese Milbe,
_Limnocharis Anodontae_ Pfr., kriecht, sich langsam fortschleppend,
auf den schlüpfrigen Häuten des Muscheltieres herum, an welchen sie
sich mittels der Krallen an den Füssen und den Spitzen der Palpen
festhält. Die Eier befestigt sie an der Mantelhaut und zwar gewöhnlich
dem Hinterteil näher. +C. Pfeiffer+ fand in einer Muschel 30–50 solcher
Tiere. Das Muscheltier wird mager, unfruchtbar und seine Kiemenblätter
sind schlaff und befinden sich in einem der Verwesung ähnlichen
Zustande.

Die Arten der Cycladeen (Gen. _Sphaerium_, _Calyculina_ und _Pisidium_)
sind Zwitter und gebären lebendige Junge, die beim Abstoss aus dem
Muttertiere schon eine verhältnismässig beträchtliche Grösse erreicht
haben. Die Zahl der Jungen eines Tieres ist deshalb auch eine geringe
und wird selten 20 übersteigen. Die Calyculinen sind einjährige Tiere,
die nur überwintern, wenn sie im Spätsommer ausgestossen werden. Die
Sphaerien und Pisidien haben eine Lebensdauer von zwei bis vier Jahren.


Anpassungsfähigkeit der Mollusken.

Es giebt wohl keine Tierklasse, welche sich mehr an die Beschaffenheit
ihrer Wohnorte anzupassen im stande ist, als jene der Mollusken.
Die Ursache dieser Erscheinung liegt in der eigenartigen Bildung
des Gehäuses, an welches das Tier bei den Schnecken nur durch den
Spindelmuskel, bei den Bivalven durch die zwei Schliess- und den
Wirbelhaftmuskel gebunden ist. Die älteren Umgänge der ersteren
oder die älteren Schichten der letzteren fallen deshalb alsbald den
zersetzenden Einflüssen der Umgebung zum Opfer und können nicht mehr
nachgebildet werden; dennoch ist die Schale ein unentbehrlicher Teil
des Tieres, welcher den weichen Körper desselben gegen die schädigenden
Einflüsse der Umgebung schützen muss, und dessen Zertrümmerung den Tod
des Tieres zur Folge hat.

Das Gehäuse verändert sich nach den eigenartigen Verhältnissen des
Wohnortes bezüglich der Färbung, Dickschaligkeit, ja sogar bezüglich
der Form, und der Kenner wird an den Merkmalen der Schalen mit
Sicherheit auf die Beschaffenheit der unmittelbaren Umgebung schliessen
können. Die Schalen werden durch die Ausscheidungen des Mantels
gebildet, und zwar wird die Oberhaut nur vom Saume desselben, die Kalk-
und Perlmutterschichten aber, welche dieselben widerstandsfähig machen,
von den übrigen Teilen desselben ausgeschieden werden. Die Thätigkeit
des Mantels, beziehungsweise die Fähigkeit Kalkteile auszuscheiden,
erlischt erst mit dem Tode des Tieres. Die Dickschaligkeit der Gehäuse
ist deshalb als Merkmal des Alters zu betrachten. Besonders ist die
Schale der Wassermollusken Veränderungen ausgesetzt, und zwar weit
mehr als jene der Landmollusken, welche Thatsache ihren Grund in den
Eigentümlichkeiten des Mediums, in dem sie leben, nämlich des Wassers,
findet. Die chemische Zusammensetzung des Wassers gestattet weit
grössere Verschiedenheiten, als jene der Luft, und ebenso ist die
Zusammensetzung des Schlammes, die Bewachsung der Gewässer u. s. w.
weit veränderlicher und steht zu den Wassermollusken in engerem
Verhältnis, als die Bodenbeschaffenheit und der Pflanzenwuchs zu den
Landconchylien. Es muss deshalb den Wassermollusken ein viel grösserer
Spielraum der Variation eingeräumt werden, als den Landschnecken. Die
Schaffung einer Menge neuer Arten von Wasserschnecken und Muscheln,
wie sie zurzeit, vorzugsweise von französischen Autoren, beliebt
wird, ist deshalb unbedingt zu verwerfen. Wer die Wassermollusken
längere Zeit im Freien beobachtet, wird sehr bald zur Überzeugung
kommen, dass +fast jeder einzelne Fundort+ derselben eigenartige, mehr
oder weniger ausgeprägte Abweichungen vom Typus der bezüglichen Art
erzeugt, und dass es geradezu zu den allergrössten Seltenheiten gehört,
zwei ziemlich übereinstimmende Formen von verschiedenen Fundorten
zu konstatieren. Ja, sogar derselbe Fundort erzeugt bei geänderten
Verhältnissen andere Varietäten, und oft genug finden sich verschiedene
Formen ein und derselben Art an sich berührenden Stellen desselben
Gewässers, wenn die Beschaffenheit des Grundes, die Strömung des
Wassers, die Bewachsung u. s. w. sich ändert. So kommen in den grossen
Seen der Voralpen Schnecken und Muscheln mit ausgeprägtem Seecharakter
und solche, welche nicht oder kaum von jenen zu unterscheiden sind,
die in Sümpfen leben, neben einander vor, und zwar jenachdem die
bezüglichen Wohnplätze bei seichtem Wasser und mangelnder Bewachsung
der vollen Wirkung des Wellenschlages ausgesetzt sind, oder die Ufer in
sumpfige Stellen übergehen.

Manche Arten ziehen fliessendes, andere stehendes Wasser vor; nur
wenige Spezies jedoch bewohnen ausschliesslich das eine oder das
andere, obwohl hie und da auch einmal eine Art sich an ihr nicht
zusagenden Stellen halten kann. _Velletia lacustris_ ist eine nur in
stehenden, sumpfigen Gewässern sich aufhaltende Spezies; dennoch habe
ich sie in einem kleinen Bächlein bei Jettingen im Mindelthal (Bayern)
mit _Ancylus fluviatilis_ zusammen an Steinen sitzend gefunden.
Allerdings war dieses Bächlein aus kleinen sumpfigen Pfützen, welche
durch kurze Strecken raschfliessenden Wassers mit steinigem Grunde
verbunden war, zusammengesetzt.

[Illustration: Fig. 21.

_Limnaea stagnalis_ Typ.]

[Illustration: Fig. 22.

_Limnaea stagnalis v. producta_ Colb.]

[Illustration: Fig. 23.

_Limnaea stagnalis v. borealis_ Brgt.]

[Illustration: Fig. 24.

_Limnaea stagnalis v. turgida_ Mke.]

Die Veränderlichkeit der Schalen ist bei den Wassermollusken eine sehr
beträchtliche. Als Beispiel für dieselbe möge _Limnaea stagnalis_
(Fig. 21) herausgegriffen werden. Diese Art findet sich als _var.
subulata_ West. in sehr schlanker Form, mit langem, spitzem Gewinde
und wenig erweitertem letzten Umgange; als _var. producta_ Colb.
(Fig. 22) mit ähnlichem Gewinde, aber sehr aufgeblasener letzter
Mündung. Beide Varietäten finden sich in wenig mit Wasserpflanzen
durchwachsenen Altwassern oder Weihern mit nicht sumpfigem Boden. In
stark mit Wasserpflanzen besetzten stehenden Wassern, welche mehr mit
faulenden Pflanzenstoffen gemischten Schlamm am Grunde haben, bilden
sich Formen mit kürzerem Gewinde und aufgeblasenem letzten Umgange:
_var. turgida_ Mke. (Fig. 24), _roseolabiata_ Wolf, und ist bei dieser
Varietät die Spindel meist rosenrot gefärbt. Ähnlich gestaltet ist
_var. borealis_ Brgt. (Fig. 23), nur nehmen die Umgänge rascher an
Breite zu und ist deshalb das Gewinde weniger spitz ausgezogen. Gehäuse
mit sehr verkürztem Gewinde und starker Schale (_var. lacustris_,
Fig. 26 S. 140) finden sich an den Ufern der grossen Seen, wo die
Tiere, dem Wellenschlage ausgesetzt, sich an den Steinen oder am
Boden festklammern müssen, und wo ihnen in der Nahrung sehr viel Kalk
geboten wird. Zwischen diesen Varietäten finden sich Zwischenformen
aller Art, so dass sich fast eine fortlaufende Reihe allmählicher
Übergänge zwischen den extremsten Formen herstellen lässt. Gerät _L.
stagnalis_ bei Hochwasser in des Pflanzenwuchses entbehrende Lachen
am Ufer grosser Flüsse, so bilden sich sogenannte „Hungerformen“;
die Tiere verkümmern, wachsen langsam und nehmen deshalb die Umgänge
gleichförmiger zu; als solche Hungerformen mögen _var. arenaria_ Colb.
(Fig. 25) und _var. aquarii_ Colb. gelten.

[Illustration: Fig. 25.

_Limn. stagnalis v. arenaria_ Colb.]

[Illustration: Fig. 26.

_Limn. stagnalis v. lacustris_ Stud.]

[Illustration: Fig. 27.

_Limn. tumida_ Held.]

Ähnlich wie _L. stagnalis_ verhalten sich die übrigen Arten des Genus;
ja es haben sich aus _Limnaea auricularia_ G. im Laufe der Jahre in den
Seen sogar eigenartige festschalige Arten (_Limn. tumida_ Held [Fig.
27] und _Limn. rosea_ Gall.) ausgebildet, welche für ihre Wohnorte
charakteristisch geworden sind, und welche durch die Unregelmässigkeit
ihrer Formen sozusagen die Eigentümlichkeiten ihrer Wohnorte
dokumentieren. _Limnaea peregra_, welche sich auch in fliessenden
Wassern findet, ist die formenreichste aller Arten ihres Genus, weil
sie eben in beiden Gattungen unserer Gewässer vorkommt.

Die Planorbis-Arten mit ihrer flachen, tellerförmigen Schale, die
sehr leicht Verwerfungen der Windungsebene ausgesetzt sind, finden
sich nahezu ausschliesslich in mit Wasserpflanzen durchwachsenen
stehenden Wassern, wo sie an den Stengeln und Blättern der Pflanzen
herumkriechen. Die verhältnismässig grosse platte Schale, in welcher
ein kleines Tier steckt, bietet den Fluten eine zu grosse Fläche dar,
die denselben zu leicht zum Opfer fallen und an Orte transportiert
werden würde, wo sie nicht die ihrer Organisation entsprechenden
Verhältnisse findet. Deshalb fehlen in den grossen Alpenseen alle
Arten mit Ausnahme von _Plan. albus_, welche nur vier, höchstens fünf
Umgänge erreicht. Wie hart übrigens der Kampf ums Dasein sich für diese
Art gestaltet, beweist die Verwerfung der Umgänge, welche bei ihr in
den Seen zur Regel wird (_Plan. deformis_ Hartm.).

Aber auch an anderen Arten des Genus finden sich zuweilen Verwerfungen
der Schalenfläche in grosser Zahl. Ich habe einmal _Plan. contortus_ L.
in einer ausgetrockneten Pfütze fast durchaus mit verkrüppelter Schale
gesammelt. Die Tiere hatten sich beim Verschwinden des Wassers in den
Boden eingewühlt und sich hier so lange lebend erhalten, bis sich
die Pfütze wieder mit Wasser füllte, und die Tiere wieder aus ihren
Schlupfwinkeln hervorkriechen konnten. Beim Verkriechen in den Schlamm
wurden die noch weichen, in der Bildung begriffenen Ansätze der Umgänge
beschädigt und aus ihrer normalen Lage gedrängt und dadurch wurde die
Fläche des Gehäuses uneben und die Gewinde verschoben sich.

[Illustration: Fig. 28.

_Planorbis marginatus_ Drap.]

[Illustration: Fig. 29.

_Planorbis marginatus_ (abnorme Gehäuse).]

Der interessanteste Fall von massenhaften Gehäuseverkrüppelungen
der sonderbarsten Art wurde von Prof. +Piré+ in Magné (Belgien)
beobachtet. Hier fand sich in einem kleinen Teiche massenhaft _Plan.
marginatus_ Drap. (Fig. 28) vor. Die ganze Oberfläche des Teiches war
aber mit Wasserlinsen bedeckt, die einen dichten Filz bildeten. Die
Tiere mussten sich durch denselben durchwinden, um an die Oberfläche
zu kommen und um dort Luft zu atmen. Beim Durchwinden durch den
Linsenfilz wurden aber die weichen, neugebildeten Umgänge abgestreift
und aus der normalen Windungsebene gedrängt, und es bildeten sich
nicht nur kegelförmige Gehäuse, sondern auch solche, bei welchen die
Umgänge nach ganz verschiedenen Richtungen gedrängt wurden, und welche
die sonderbarsten unregelmässigsten Formen annahmen (Fig. 29). In
Linsenfilzen, welche in einem Kübel mitgenommen wurden, fanden sich am
anderen Morgen alle normal gewundenen Exemplare tot am Boden des Kübels
liegend, während die skalariden und abnorm gestalteten munter an der
Oberfläche des Wassers herumkrochen.

Da die Arten des Genus _Planorbis_ bezüglich ihrer Wohnorte auf
einen engeren Kreis beschränkt sind, ist die Formveränderlichkeit
der einzelnen Arten auch bei weitem keine so grosse, als bei den
Limnaea-Arten, nur _Plan. corneus_ macht in dieser Beziehung eine
Ausnahme.

Ganz besonders für flutendes Wasser gebaut sind: Die Ancylus-Arten, die
durch den breiten Fuss, mit dem sie sich an Steine u. s. w. anklammern
können, und die mützenförmige Schale den Wellen am leichtesten
Widerstand leisten können; ferner die Neritina-Spezies, die mit weiter
Mündung und dem wenig hervortretenden Gewinde von der Natur zum
Aufenthalt im flutenden Wasser besonders ausgestattet wurden. -- Die
Färbung und Zeichnung der Oberfläche der Neritina-Arten wechselt sehr
mannigfaltig nach der Beschaffenheit des Wassers; doch liegen noch
keine genaueren Beobachtungen in dieser Richtung vor.

Die grösste Anpassungsfähigkeit besitzen die Muscheln der Familie
der Najaden. Jeder Fundort derselben hat bezüglich der chemischen
Zusammensetzung des Wassers, des Schlammes und des Bodens, in dem
die Muscheln stecken, der physikalischen Verhältnisse des Wassers
u. s. w. eine unbeschränkte Zahl von Eigentümlichkeiten, welche die
Schalenbildung beeinflussen und an derselben ihren Ausdruck finden.
Selbst an einander stossende Fundorte erzeugen ganz verschiedene
Formen, jenachdem der Boden steinig oder schlammig, jenachdem
der Schlamm ein erdiger oder humusreicher ist. Werden, wie es in
grösseren Flüssen häufig vorkommt, durch Hochfluten Muscheln aus
Altwassern oder Abschnitten mit stehendem Wasser in das Flussbett
versetzt, so entstehen notwendigerweise Mischformen. Leider werden
diese Verhältnisse viel zu wenig beachtet; gewöhnlich werden nur neue
Varietäten beschrieben, ohne dass man den Umständen nachforscht,
welche dieselben veranlasst haben. In den Beiträgen zur Molluskenfauna
der bayrischen Seen (Corresp.-Blatt zoolog.-mineral. Ver. Regensburg
1873–75) habe ich den Versuch gemacht, die eigenartigen Formen der
Seemuscheln aus der Beschaffenheit ihrer Wohnorte zu erklären, aber ich
habe bisher wenig Nachfolger gefunden.

Im allgemeinen ziehen die Anodonta-Arten stehende Gewässer vor. Nur
in diesen finden sie ihre volle Entwickelung (als _var. cygnea_
L.). -- In fliessenden Wassern findet sich meist nur die kleine,
gewissermassen verkümmerte Varietät _var. anatina_ L., welche
durch schmale Jahresansätze, dunkle Färbung der Oberhaut u. s. w.
charakterisiert ist. Die grösste Form, _var. cygnea_ L., findet sich
in Weihern mit erdig-schlammigem Boden. Diese Varietät zeichnet sich
durch rundlich-eiförmige Gestalt, durch die feste Schale, die lebhaft
gefärbte Epidermis und reines glänzendes Perlmutter aus; sie erreicht
bis 190 _mm_ Länge. _Anodonta rostrata_ Kok. ist die Varietät, welche
sich in Altwassern mit tiefem Humusschlamm am Grunde bildet. Die
Muscheln haben eine verlängerte Gestalt mit breitem abgestutzten
Hinterteile, eine meist dunkle Färbung der Epidermis und mehr oder
weniger fettfleckiges Perlmutter. Bei zunehmender Versumpfung der
Altwasser werden die Muscheln dünnschaliger, die Wirbel werden kariös,
von Insekten angebohrt, das Perlmutter wird noch schmutziger, die Tiere
verlieren die Fähigkeit sich fortzupflanzen, und sterben deshalb bald
an dem betreffenden Wohnorte völlig aus. Ich suche den Grund dieser
Erscheinung in der Überhandnahme der Humussäure im Bodenschlamm. Auch
mit zunehmendem Alter verändern die Anodonten ihre Umrissform. Die
jungen Muscheln haben in der Regel mehr eine rundliche Gestalt und
scharf hervortretendes Schild und Schildchen. Später wird dieselbe
länglicher, die vortretenden Ecken verschwinden und es bilden sich die
Varietäten: _cellensis_, _rostrata_, _ponderosa_ und _anatina_. Nur
in Flüssen erhält sich zuweilen die rundlich-eiförmige Gestalt _var.
piscinalis_ Nils. länger, wenn auch hier die Ecken des Schildes und
Schildchens mehr zurücktreten.

Die bisher aufgeführten Varietäten haben eine sehr ausgedehnte
Verbreitung, so dass man sie fast mehr als Standorts-Formen, denn
als Varietäten betrachten könnte, da sie sich in mehr oder weniger
übereinstimmender Weise überall entwickeln, wo sie die ihre Form
bedingenden Verhältnisse finden. Die grossen Alpen- und Voralpenseen
der bayrischen Hochebene und der Schweiz erzeugen dagegen, ihren
eigentümlichen physikalischen Verhältnissen u. s. w. entsprechend,
eigenartige Formen, von denen sogar fast jeder See eine oder mehrere
ihm eigentümliche Varietäten enthält. Die Seevarietäten erreichen
meist nur eine geringe Grösse, haben hellgefärbte Epidermis, starke
Schale, reines Perlmutter und ist meistens das Vorderteil durch dicke
Ablagerungen der Perlmutterschicht ausgezeichnet. Dieselben bilden
sich aber gewöhnlich nur an solchen Stellen der Ufer, die bei seichtem
Wasser und mangelnder Bewachsung der vollen Wirkung des Wogenschlages
ausgesetzt sind. Hier kann sich keine tiefere Schlammschicht, die den
Muscheln Schutz gewährt, anhäufen und werden deshalb dieselben oft
genug von den Wellen mit lebendem Tiere aufs Trockene geworfen, wo sie
verschmachten und Vögeln zur Beute fallen. Ich möchte als Beispiel
einer solchen Seemuschel hier nur _An. callosa_ aus dem Chiemsee
erwähnen, da die Aufzählung aller mir aus den verschiedenen Seen
bekannt gewordenen zu weit führen würde.

[Illustration: Fig. 30.

_Unio pictorum._]

Auch die Arten des Genus _Unio_ nehmen in den Seen besondere Formen
an. Ich habe beobachtet, dass die Muscheln von _Unio pictorum_
(Fig. 30) und _batavus_, wenn sie im tieferen Wasser in einer hohen
Schlammschicht sich aufhalten, ein sehr verlängertes Hinterteil
erhalten, weil sich dieselben im festen Boden festklammern, dabei aber
mit dem Hinterteile aus dem Schlamme hervorzuragen suchen, um die
Atemröhre freizuhalten. Das Hinterteil wird dadurch bei fortwährendem
Strecken des Tieres verlängert, und krümmt sich dabei oft mehr oder
weniger nach abwärts, so dass die Muschel eine etwas hakenförmige
Gestalt annimmt, wie es bei _Unio arca_ Held aus dem Chiemsee und
_Unio platyrhynchus_ Rossm. (Fig. 31) aus dem Wörthsee der Fall ist.
Merkwürdigerweise kommt in den bayrischen, Schweizer und wahrscheinlich
auch in den oberösterreichischen Seen nur _Unio pictorum_ vor, während
_Unio batavus_ in denselben fehlt, obwohl diese letztere Art in den
zufliessenden Bächen reichlich vorhanden ist. In den Schweizer Juraseen
findet sich _Unio tumidus_, die in allen im Alpengebiete liegenden
grossen Wasserbecken nicht vorkommt. _Unio batavus_ dagegen ist auf die
Kärntner- und Juraseen beschränkt.

[Illustration: Fig. 31.

_Unio platyrhynchus_ Rossm.]


Die Mollusken der Tiefenfauna.

Den Untersuchungen Dr. +Forels+[LXVII], welcher die Tiefenfauna der
grossen Schweizer Seen untersucht hat, verdanken wir die Kenntnis,
dass auch die Klasse der Mollusken zu derselben ihr Kontingent stellt,
und dass sich auch in den grössten Tiefen derselben noch einzelne
Arten von Schnecken und Muscheln aufhalten. Unter den ersteren sind
sogar Lungenatmer des Genus _Limnaea_, welche im seichten Wasser bei
heiterem, warmem Wetter die Gewohnheit haben, an die Oberfläche
des Wassers aufzusteigen, was aus einer Tiefe von 2–300 _m_ zur
Unmöglichkeit wird.

  [LXVII] Matériaux pour servir à l’étude de la Faune profonde du lac
          Léman. Lausanne 1874.

Dr. +Forel+ teilt die Fauna der Seen in drei Abteilungen:

  1. +Die Uferfauna+; sie umfasst die Tiere, welche sich an der
     Oberfläche des Wassers und in einer Tiefe bis zu 5 _m_ aufhalten.

  2. +Die pelagische Fauna+, welche jene Tiere umfasst, die entfernt
     von den Ufern oder untergetaucht im Wasser leben.

  3. +Die Tiefenfauna+, welche den Seeboden von 25–30 _m_ an abwärts
     bewohnt.

Die Uferfauna enthält Arten aller Genera unserer heimischen
Süsswasserconchylien, welche unter Umständen eigenartige Varietäten
bilden, die wir in vorhergehenden Abschnitten schon erwähnt haben.
Die pelagische Fauna entbehrt der Mollusken. Die Tiefenfauna dagegen
besitzt noch einige Arten der Genera _Limnaea_, _Vivipara_, _Valvata_
und _Pisidium_, die ich sämtlich, soweit sie mir bis jetzt bekannt
wurden, in meiner „Molluskenfauna von Österreich-Ungarn und der
Schweiz“ S. 768–791 beschrieben habe.

Die eigentümlichen Verhältnisse am Seeboden, geringe Temperatur
des Wassers (wenig um 4° _C._ schwankend), der grosse Druck der
Wassersäule, die sehr spärliche Nahrung, welche ihnen der Schlamm des
Seebodens bietet, geben die Veranlassung, dass die in so grossen Tiefen
lebenden Conchylien nur kleine, verkümmerte, unscheinbare Arten sind,
die sich naturgemäss von den Arten der Uferfauna abgezweigt haben
müssen. Diese Tiefseemollusken führen ein kümmerliches Dasein. Da die
Temperatur des Wassers das ganze Jahr über eine sehr gleichförmige ist
und der Wechsel der Jahreszeiten das geringe Wachstum der Schalen nicht
unterbricht, fehlen die Marken der Jahresabsätze; die Epidermis ist
sehr dünn und stösst sich, trotz der fast völligen Ruhe des Wassers,
leicht ab; die Muscheln bleiben dünnschalig und leichtzerbrechlich.
Eine Art _Pisidium fragillimum_ Cless. aus dem Silvaplaner See besitzt
eine so dünne Schale, dass jede Berührung an derselben einen Eindruck
zurücklässt. Jeder der bisher untersuchten Seen beherbergt wenigstens
eine eigentümliche Art des Genus _Pisidium_. Limnäen wurden nur im
Genfersee beobachtet; _Vivipara_ (eine Art) findet sich im Gardasee;
Valvata-Arten (drei) gehören nur der Tiefseefauna des Genfer- und des
Gardasees an.


Höhlen-Mollusken.

In den Kalkgebirgen, vorzugsweise in den Juraformationen, finden
sich ausgedehnte Höhlen, in denen Bäche und im Karstgebiete sogar
Flüsschen auf weite Strecken unterirdisch dahinfliessen. Es ist
selbstverständlich sehr schwierig, diese unterirdischen Wasserläufe
auf ihre Fauna zu untersuchen; gewöhnlich sind die in denselben
lebenden Mollusken nur in leeren Gehäusen im Geniste oberirdischer
Bäche und Flüsse zu bekommen. Nur in seltenen Fällen ist es geglückt,
lebende Tiere zu erbeuten, welche sämtlich einem für die Höhlenfauna
eigentümlichen Genus _Vitrella_ Cless. (Fig. 32), _Bythiospeum_ Brgt.,
angehören. Die Untersuchungen derselben durch +Wiedersheim+[LXIII] und
+Rougemont+[LXIX] haben ergeben, dass diese Höhlen-Mollusken blind
sind, ebenso wie die Tiere anderer Tierklassen, welche die gleichen
Aufenthaltsorte bewohnen. Die Tiere, welche seit vielen Generationen
nur im Dunkeln leben, haben die Augen nicht mehr nötig. +Rougemont+ hat
lebende Tiere der _Vitrella_ (_Rougemonti_ Cless.) aus dem Brunnen des
Anatomiegebäudes in München heraufgepumpt, welche gleichfalls augenlos
waren.

  [LXVIII] Beiträge zur Kenntnis der württ. Höhlenfauna.

  [LXIX] Etudes des faunes des eaux privées de lumière.

[Illustration: Fig. 32.

_Vitrella pellucida._]

Die unterirdischen Wasserläufe werden fast ausschliesslich von
Vitrella-Arten bewohnt, von denen jeder derselben eine ihm
eigentümliche Art zu besitzen scheint. Ausser diesen kleinen,
zierlichen, am meisten an das Genus _Hydrobia_ erinnernden
Deckelschnecken fand sich in der Uracher Höhle (schwäbische Alp in
Württemberg) eine Ancylus-Art, _Ancylus fluviatilis_, und in Krainer
Höhlen einige Valvata-Spezies. Diese Arten sind kleine, verkümmerte
Formen mit dünner, farbloser Schale und geben dieselben somit wieder
ein merkwürdiges Beispiel von der Anpassungsfähigkeit der Mollusken.


Die Perlenmuschel.

Die kalkarmen Bäche unserer Urgebirgsformationen beherbergen eine
grosse und sehr dickschalige Muschel, _Margaritana margaritifera_ (Fig.
33), welche einen sehr wertvollen Schmuck, nämlich die Perlen, liefert.
Die Muscheln stecken oft in sehr grosser Anzahl in sandigen Stellen so
völlig im Sande eingesenkt, dass nur an den flottierenden Cirren der
Atemöffnung sich das Vorhandensein der Muscheln erkennen lässt.

[Illustration: Fig. 33.

_Margaritana margaritifera._]

Die Perlenmuscheln haben in ausgewachsenem Zustande eine nierenförmige
Gestalt und erreichen eine Länge von 120 _mm_. Sie haben eine dunkle,
fast schwarze Oberhaut, sind in der Regel um die Wirbel stark
zerfressen und ihr Perlmutter ist gewöhnlich durch schmutzig-gelbe
Fettflecken verunziert.

Die Erzeugung von Perlen vollzieht sich in dem Raume zwischen Mantel
und Schale und muss die Perle hier frei beweglich bleiben, so dass
sie ständig in rollender Bewegung erhalten wird. Eine Perle bildet
sich nur dann, wenn ein kleiner fremder Körper, ein Sandkörnchen,
ein Stückchen eines abgestorbenen Schmarotzertieres u. s. w. an die
erwähnte Stelle gerät. Der Druck, welchen dieser fremde Körper auf die
äussere Mantelfläche ausübt, veranlasst eine stärkere Ausscheidung
des Perlmutterstoffes, welcher sich in Schichten um denselben legt
und allmählich den fremden Körper umhüllt. Die Entstehung der Perlen
ist also gewissermassen eine zufällige, und deshalb kommt nach
Beobachtungen aus den bayrischen Perlenbächen auf etwa 95–100 Muscheln
nur eine Perle. Aber nicht einmal alle Perlen sind brauchbar und
wertvoll, sondern nur jene, welche weisse Farbe und schönen Glanz
haben. Man unterscheidet drei Klassen brauchbarer Perlen und zwar 1.
Klasse: ganz helle, weisse Perlen von schönstem Glanze; 2. Klasse:
weisse Perlen von minder vollkommenem Glanze; 3. Klasse: sogenannte
Sandperlen, welche noch so viel Glanz und weisse Farbe besitzen, um
verwertet werden zu können. Eine gute Perle ersten Ranges kommt nach
+v. Hessling+[LXX] auf 2701, eine Perle mittlerer Qualität auf 2215
und eine schlechter Qualität auf 103 Muscheln. Ausser diesen weissen
Perlen finden sich aber auch, und in grösserer Häufigkeit als diese,
solche von brauner und von schwarzer Farbe. Zusammengesetzte Perlen von
Stäbchenform sind sogar häufig zur Hälfte braun, zur anderen Hälfte
schwarz gefärbt. Die dunklen Perlen werden als „unreif“ bezeichnet,
obwohl diese Benennung durchaus nicht zutreffend ist, weil auch grosse
Perlen die dunkle Farbe behalten. Die Ursache dieser Erscheinung ist
jedenfalls in der Nahrung der Tiere zu suchen, welche ja auch das
fettfleckige, unreine Perlmutter der Schalen erzeugt. Die aus der
Urgebirgsformation kommenden Gewässer haben in der Regel eine dunkle
Färbung, welche durch eine starke Beimischung von Humussäure erzeugt
wird, und dieses die Bildung wertvoller Perlen sehr beeinträchtigende
Verhältnis wird sich wohl nicht beseitigen lassen.

  [LXX] +Theod. v. Hessling+: „Die Perlmuscheln und ihre Perlen“.
        Leipzig 1859. Ich bin im ganzen den Ausführungen dieses Autors
        gefolgt.

Versuche, um auf künstlichem Wege Perlen zu erzeugen, beziehungsweise
durch Einschieben kleiner Kügelchen u. s. w. zwischen Mantel und
Schale das Tier zur Perlenbildung zu veranlassen, haben keine günstigen
Resultate ergeben.

Die Ernte der Perlenbäche gilt in Deutschland durchaus als
Staats-Regal; sie wird aber gewöhnlich an Private verpachtet, welche
das Fischen und die Behandlung der Muscheln ohne jede Kenntnis der
Eigentümlichkeiten derselben betreiben und dadurch den Bestand an
Perltieren arg schädigen.



Die deutschen Süsswasserfische

und ihre Lebensverhältnisse.

Von Dr. =A. Seligo= in Heiligenbrunn bei Danzig.


Herrscher im Wasser ist der Fisch. Es giebt kaum irgend einen
Wasserorganismus, der ihm nicht direkt oder indirekt Nutzen bieten
muss. Das Wasser ist auch ausschliesslich das Element, in welchem die
Fische dauernd zu leben vermögen. Zwar können nicht wenige Fische
ausserhalb des Wassers eine mehr oder minder kurze Zeit am Leben
bleiben, -- es giebt, besonders in den Tropen, sogar Fischarten, welche
freiwillig an das Land gehen[LXXI], -- aber auch in diesen Fällen kann
das Luftmeer nur vorübergehend mit dem Wasser vertauscht werden, und
die Fische müssten zu Grunde gehen, wenn man ihnen die zeitweilige
Rückkehr in das Wasser verwehrte.

  [LXXI] z. B. die Labyrinthfische und _Salarias scandens_ Ehrenberg.

Ist das Vorhandensein des +Wassers+ die erste Lebensbedingung des
Fisches, so ist in zweiter Linie die Beschaffenheit des Wassers in
Betracht zu ziehen. In dieser Beziehung sind namentlich die mittlere
Wärme des Wassers, sein Luftgehalt und sein Gehalt an anderen gelösten
Stoffen für die Arten der Fische als Lebensbedingungen massgebend.

Das natürliche Wasser kommt auf der Erdoberfläche nirgends in
chemischer Reinheit vor. Der grösste Teil des irdischen Wassers, das
Meerwasser, enthält bekanntlich etwa 3.5% an Kochsalz und zahlreichen
anderen Salzen in Lösung. Da die meisten Fischarten des Meeres im
süssen Wasser bald sterben, anderseits die Süsswasserfische im
Meerwasser meist nicht lange aushalten, so scheidet die Stärke des
Salzgehaltes im Wasser, dessen die Fischarten bedürfen, diese in
Süsswasserfische und Meerfische.

Eine Anzahl von Fischarten ist allerdings im stande, von Zeit zu
Zeit den Aufenthalt in der einen Wasserart mit dem in der andern zu
vertauschen. Diese als Wanderfische bezeichneten Arten folgen bei dem
Wechsel ihres Lebenselementes dem mächtigen Fortpflanzungstriebe.

Das süsse Wasser enthält in der Regel noch 0.004 bis 0.02% +Salze+,
meist Kalksalze, in Lösung. Bringt man die Fische in ganz salzfreies
destilliertes (wenn auch lufthaltiges) Wasser, so tritt der Tod
in wenigen Stunden ein, indem die Gewebe der vom Wasser direkt
bespülten Organe, namentlich der Kiemen, quellen und funktionsunfähig
werden[7]. Eine geringe Menge im Wasser gelöster Salze ist
also für das Leben auch der +Süsswasserfische+ nötig, welche den
ausschliesslichen Gegenstand dieser Schilderung bilden werden.

Der unbeschränkten +Ausbreitung+ der Süsswasserfische stehen im
allgemeinen die Grenzen der von ihnen bewohnten Gewässer, nämlich das
feste Land und das Meer, entgegen. Das letztere wird nicht nur von den
eigentlichen Wanderfischen, sondern auch von einigen anderen Arten,
welche gegen den Salzgehalt minder empfindlich sind, gelegentlich
passiert[LXXII] und dient daher ausnahmsweise zur Verbreitung solcher
Arten[8]. Auch das Land, welches die Flusssysteme trennt, ist
keine absolute Schranke für die Fische. Die Übertragung der Fischeier
durch Wasservögel und Landtiere, Überschwemmungen niedriger Teile der
Wasserscheiden, unter Umständen auch dauernde geologische Veränderungen
der letzteren ermöglichen die Verbreitung der Fischarten aus einem
Flusssystem in ein benachbartes. Hierzu kommen die allmählichen
Veränderungen, welchen die Konturen des Festlandes im Laufe der
geologischen Perioden unterworfen sind und welche die weitläufige
Trennung von ursprünglich eng verbundenen Landmassen bewirken, während
sie anderseits Länder, die von einander entfernt gelegen haben, durch
Landbrücken mit einander verbinden können. Dies sind die Umstände,
welche die Verbreitung der Fischarten des süssen Wassers herbeizuführen
pflegen.

  [LXXII] Es kommt auch vor, dass einzelne Seefische, welche den
          Aufenthalt im Süsswasser vertragen, sich gelegentlich in die
          Ströme verirren und in diesen weit aufwärts schwimmen, z. B.
          die Flunder, die Lamprete. Indessen sind diese Fische nicht
          zur Süsswasserfauna zu rechnen, vielmehr als Meerfische zu
          betrachten.

Das Gebiet, mit dessen Süsswasserfischen wir uns hier zu beschäftigen
haben[9], möge so begrenzt sein, dass es die Flusssysteme, welche +vom
Rhein bis zur Memel+ an den Südküsten der Nord- und Ostsee münden,
sowie das +Donaugebiet+[10] umfasst. Ausserhalb des so umschriebenen
Gebietes liegt von deutschen Ländern nur der zum Etschgebiet gehörige
Teil von Tirol[11]. Das so umgrenzte deutsche Fischgebiet gehört
bezüglich seiner Fischarten dem europäisch-nordasiatischen Gebiete an,
liegt also nach +Sclaters+[12] zoogeographischer Einteilung in der
paläarktischen Region. Unter den Fischarten des Gebietes sind daher am
stärksten vertreten die Familien der in dieser Region so verbreiteten
Cypriniden und Salmoniden.

Der Ursprung dieser Familien ist ein fast entgegengesetzter zu
nennen. Die +Cypriniden+ bilden etwa ein Dritteil aller bekannten
Süsswasserfische der Gegenwart. +Günther+[13] nimmt an, dass
sie ihren Ursprung in der Alpenregion genommen haben, welche die
gemässigten und tropischen Teile Asiens scheidet. Von hier breiteten
sie sich nach Norden und Süden, nach Osten und Westen aus. Australien
nebst Celebes und die übrigen ozeanischen Inseln, sowie Südamerika
wurden von ihnen nicht erreicht. In der Gegend unseres Gebietes fanden
sie sich schon in der Tertiärzeit vor. Die +Salmoniden+ dagegen
scheinen ihren Ursprung im kalten Norden genommen und während der
Eiszeit sich in einzelnen Vertretern weit nach Süden verbreitet zu
haben. Die meisten Arten finden sich auch jetzt in den nördlichen
Teilen unserer Hemisphäre und auch die Arten unseres Gebietes
beschränken sich fast durchgehends auf kühle Gegenden der Gewässer.

Nicht gering an Zahl sind in unserem Gebiet auch die Vertreter der
Familie der +Perciden+. Diese Familie ist weit verbreitet im Süsswasser
und in den Meerküstengegenden aller Regionen. Ihre Reste findet man in
den Ablagerungen seit der Tertiärzeit.

Die Zahl der im Gebiet vertretenen Familien der Fische beträgt
vierzehn, aus ihnen gehören hierher vierzig Gattungen mit siebzig bis
achtzig Arten. Die überwiegende Zahl gehört, wie überall im Süsswasser
zu den +Knochenfischen+.

Aus der Familie der +Perciden+ kommen vor die Gattungen der Barsche,
Zander, Streber und Kaulbarsche. Der +Flussbarsch+ (_Perca fluviatilis_
L.)[LXXIII] ist nicht nur durch das ganze Gebiet verbreitet, sondern
findet sich durch ganz Europa, Nordasien und Nordamerika. Er ist
bei uns einer der gemeinsten Fische, und fehlt kaum in irgend einem
Tümpel. Der +Zander+ oder +Schill+ (_Lucioperca sandra_ C.) ist ein
östlicher Fisch, welcher sich von Osteuropa aus nach Westen verbreitet
zu haben scheint. Er findet sich ursprünglich nicht im Rheingebiet
und im Gebiet der Weser. Obwohl er in den Seen, in denen er vorkommt,
vortrefflich wächst und daher durchaus nicht als ausschliesslicher
Flussfisch bezeichnet werden kann, so findet man ihn doch in
zahlreichen von den von ihm bewohnten Hauptströmen weit abgelegenen
Seen desselben Flussgebietes nicht, was darauf schliessen lässt, dass
seine Ausbreitung spät nach dem Ende der Eiszeit, wenn auch während
des Bestehens der Verbindung zwischen Elbe, Oder und Weichsel erfolgt
ist. Eine nahe verwandte Art ist _L. volgensis_ Pall., die sich in der
Donau und ihren grossen ungarischen Nebenflüssen, sowie in den übrigen
Flüssen des pontisch-kaspischen Gebietes findet. Ganz auf die Donau,
bezw. auf das pontische Gebiet beschränken sich die Arten der +Streber+
(_Aspro zingel_ C. und _A. streber_ Syb.), welche gelegentlich auch in
den Zuflüssen der obern Donau gefunden werden. Von den Kaulbarschen
ist der gemeine +Kaulbarsch+ (_Acerina cernua_ L.) durch das Gebiet,
durch ganz Mitteleuropa und Sibirien verbreitet. Auch er fehlt bei uns
kaum in irgend einem Gewässer. Der ihm verwandte +Schrätzer+ (_Acerina
schrätzer_ L.) dagegen findet sich ausschliesslich in den Zuflüssen des
Schwarzen Meeres, also auch im Donaugebiet.

  [LXXIII] Da für die vorliegende Abhandlung nur ein im Verhältnis
           zu dem weiten Umfange des Themas geringer Raum zur Verfügung
           gestellt werden konnte, so musste auf die Beschreibung
           der einzelnen Fischarten sowie auf Abbildungen verzichtet
           werden. Man findet mehr oder weniger ausführliche
           Beschreibungen in den im Litteraturverzeichnis angeführten
           Werken von Heckel und Kner, von Siebold, Benecke u. a.;
           neuerdings sind mehrere Werke[14] erschienen, welche
           eine zum Bestimmen der Fischarten bequeme Übersicht der
           Hauptmerkmale bieten, sowie Auszüge aus dem Beneckeschen
           Werke[15], welche die meisten deutschen Fische in guten
           Abbildungen geben.

Während die Perciden ziemlich gleichmässig im Salzwasser und in den
süssen Gewässern verbreitet sind, gehört die Familie der +Cottiden+
fast ausschliesslich dem Meere an. Ein Vertreter dieser Familie, der
+Kaulkopf+ (_Cottus gobio_ L.), lebt auch in den süssen Gewässern
der paläarktischen Region, während er im Meere nur in der salzarmen
Ostsee östlich von Gotland vorkommt. Wenig verschieden von ihm ist
der _C. poecilopus_ Heck.[16], welcher sich in den Gewässern der
Karpathen aufhält, sonst nur noch aus den Pyrenäen bekannt ist.
Gleichfalls aus den Küstengegenden des Meeres stammt die Familie
der +Stichlinge+ (Gasterosteiden), welche meist Bewohner des
Seewassers wie des Süsswassers sind. Wir haben in unseren süssen
Gewässern zwei Stichlingsarten, von denen die kleinere (_Gasterosteus
pungitius_) vornehmlich in den süssen Gewässern der Küstengegenden
vorkommt, die grössere (_G. aculeatus_) auch die mehr im Binnenlande
belegenen Gewässerteile bewohnt, ohne dass beide Arten indessen sich
ausschliessen. Man unterscheidet bei beiden Arten je zwei Varietäten,
von denen die eine (_trachurus_) an den Seiten des Schwanzes ebenso wie
an den Körperseiten Knochenplatten trägt und längere Stacheln besitzt,
während die zweite (_leiurus_) kleinere Stacheln und einen unbewehrten
Schwanz hat. Beide Stichlingsarten sind durch das ganze Gebiet mit
Ausnahme der Donau und ihrer Zuflüsse verbreitet. Über unser Gebiet
hinaus findet sich der kleine Stichling an allen Küsten der Nordmeere,
der grosse Stichling durch ganz Europa mit Ausnahme des pontischen
Gebietes, sowie in Algier und in Nordamerika[17].

Zu einer echten Seefischfamilie, den +Dorschen+ (Gadoiden), gehört
ferner ein anderer unserer verbreitetsten Fische, die +Aalquappe+ oder
+Rutte+ (_Lota vulgaris_ C.), welche sowohl in Flüssen und Bächen,
als auch in tieferen Seen der paläarktischen Region sich überall
verbreitet findet. Als einzigen Vertreter einer überaus zahlreichen
Familie des Süsswassers, der +Siluriden+, besitzen wir den +Wels+ oder
+Schaiden+ (_Siluris glanis_ L.), der durch Osteuropa bis zum Rhein und
in Nordasien verbreitet ist. Die Siluriden bilden nach +Günther+ ein
Vierteil aller bekannten Süsswasserfische. Ihre Heimat ist anscheinend
in Ostindien zu suchen; von dort haben sie sich durch die süssen
Gewässer fast aller Gegenden, besonders aber in den Tropen, verbreitet.

Von +Cypriniden+[18] besitzt unsere Fauna, abgesehen von lokalen
Varietäten und Bastardformen, etwa dreissig Arten. Man hat die
zahlreichen Arten der Cypriniden zu Gruppen zusammengestellt. Zu der
Gruppe der Cypriniden gehören der Karpfen, die Karausche, die Barben
und die Gründlinge.

Der +Karpfen+ (_Cyprinus carpio_ L.) stammt anscheinend aus
Südosteuropa, wo er im Gebiete des Pontus und des Caspisees bis weit
nach Mittelasien hinein wild lebt. In Europa, neuerdings auch in
Nordamerika ist er durch die Fischzucht jetzt weit verbreitet. Die
Teichwirtschaft, welche in Böhmen sich besonders stark entwickelt hat,
hat mehrere Varietäten erzeugt. Zu diesen gehört der Lederkarpfen,
welcher keine Schuppen trägt, der Spiegelkarpfen (_C. rex cyprinorum_),
welcher an jeder Körperseite nur eine Reihe sehr grosser Schuppen
trägt, der blaue Karpfen, der Goldkarpfen (_Carpe d’or_), dessen
rötlicher Schimmer nach +Carbonnier+ von der Lachsfarbe seines
Fleisches herrührt, der galizische Karpfen u. a. Die +Karausche+
(_Carassius vulgaris_ Nils.) ist über das ganze Gebiet wie überhaupt
in der paläarktischen Region verbreitet. Sie bewohnt stehende und
langsam fliessende Gewässer mit weichem Grunde. Als Giebel bezeichnet
man im Gegensatz zu der hochrückigen sog. Seekarausche die schlankeren
Formen, welche sich in kleinen Gewässern entwickeln. Eine nahe
verwandte Karauschenart, vielleicht nur eine Abart unserer gewöhnlichen
Karausche, ist der aus Japan und China stammende +Goldfisch+
(_Carassius auratus_), der in zahlreichen Varietäten (Teleskopfisch,
Schleierfisch) jetzt auch in Europa gezogen wird[19].

Zu den artenreichsten Gattungen der Süsswasserfische gehören die
+Barben+, von denen man etwa 200 meist tropische Arten kennt. In
unserem Gebiet ist allverbreitet nur die auf Mitteleuropa beschränkte
Flussbarbe (_Barbus fluviatilis_ Ag.), die Seen und Flüsse bewohnt.
Eine andere Art (_Barbus Petenyi_ Heck.) ist in den Karpathenflüssen,
auch in der Weichsel gefunden worden. Neuerdings glaubt man sie auch in
der Lohe, einem Oderzufluss, aufgefunden zu haben[20]. Der +Gründling+
(_Gobio fluviatilis_ C.) ist über ganz Europa verbreitet, wo er in
fliessenden und stehenden Gewässern vorkommt. Eine verwandte Art,
_Gobio uranoscopus_ Ag., bewohnt die Nebenflüsse der Donau, sowie
einzelne Gewässer der obern Weichsel.

Aus der Gruppe der _Rhodeina_ kommt bei uns ein typischer Vertreter,
der +Bitterling+ (_Rhodeus amarus_ Bl.), vor, der über ganz Europa
verbreitet ist.

In reicherer Zahl finden sich in Deutschland die _Abramidina_, zu
denen die Bressenarten, der Blei, Rapen, Uklei, die Ziege und das
Moderlieschen gehören. Der +Bressen+ oder +Brachsen+ (_Abramis
brama_ L.) findet sich in ganz Mitteleuropa, mit Ausnahme der Alpen.
Ebenso verbreitet ist die +Zärthe+ (_A. vimba_ L.), doch scheint
sie vom Rheingebiet ausgeschlossen zu sein. Einen viel engeren
Verbreitungsbezirk haben der +Seerüssling+ (_A. melanops_ H.) und der
+Pleinzen+ (_A. sapa_), welche auf das pontische Gebiet beschränkt
sind. Die +Zope+ (_A. ballerus_) findet sich in den Unterläufen der
Ströme und in den grossen Seen im Gebiet allenthalben. Sehr gemein in
Seen und Flüssen ist der +Blei+ oder +Güster+ (_Blicca Björkna_ L.),
der in Mittel- und Nordeuropa vorkommt. Seltener, aber in den grösseren
Gewässern des Ostens ebenfalls überall verbreitet, ist die +Ziege+ oder
der +Sichling+ (_Pelecus cultratus_ L.); westlich von der Oder scheint
dieser Fisch zu fehlen. Dagegen ist der +Uklei+ oder die +Laube+
(_Alburnus lucidus_ Heck.) über ganz Mitteleuropa bis nach Frankreich
verbreitet. Nicht weniger verbreitet, aber selten und vielfach
übersehen ist der +Schneider+ (_A. bipunctatus_ Bl.). Dagegen ist die
nahe verwandte +Mairenke+ (_A. mento_ Ag.) auf das pontische Gebiet
beschränkt. Der +Rapen+ oder +Schied+ (_Aspius rapax_ Ag.) und das
+Moderlieschen+, +Mutterlosken+ oder +Motken+ (_Leucaspius delineatus_
Sieb.) sind dagegen im Gebiete überall zu finden.

Die grosse Gruppe der _Leuciscina_ enthält ebenfalls mehrere Arten
des Gebietes, die Plötzen, Rotaugen, Döbeln, Orfen, Schleien, Nasen,
Elritzen und Strömer. Die +Plötze+ (_Leuciscus rutilus_ L.) ist im
ganzen Gebiet wie in ganz Mittel- und Nordeuropa verbreitet und einer
der gemeinsten Fische. Dagegen ist der +Frauennerfling+ (_L. virgo_
Heck.) auf die Donau beschränkt, während der +Frauenfisch+ (_L.
Meidingeri_ Heck.) zu jenen Bewohnern der tiefen Alpenseen gehört,
welche nur zur Zeit der Laichablage gefangen werden können, sonst
aber ihr Leben in unzugänglichen Tiefen verbringen. Eine ähnliche
Verbreitung wie die Plötze hat das mit ihr oft verwechselte +Rotauge+
oder die +Rotfeder+ (_Scardinius erythrophthalmus_ L.). Auch die
+Orfe+ (_Idus melanotus_ Heck.) ist über das ganze Gebiet verbreitet.
Eine schöne Varietät derselben ist die Goldorfe (_var. miniatus_).
Der +Döbel+ oder +Aitel+ (_Squalius cephalus_ L.) und der +Häsling+
oder +Hasel+ (_S. leuciscus_ L.), sowie die +Elritze+ oder +Pfrille+
(_Phoxinus laevis_ Ag.) sind ebenfalls im Gebiete, namentlich in
fliessenden Gewässern, überall zu finden.

Sehr sporadisch trifft man dagegen den +Strömer+ (_Telestes Agassizii_
Val.) an, der ausser im Rhein und in den Zuflüssen der Donau neuerdings
auch in einem kleinen Oderzufluss am Zobten aufgefunden ist[21]. Die
+Nase+ (_Chondrostoma nasus_ L.) ist ein osteuropäischer Fisch, welcher
in den Flussgebieten der Nordsee mit Ausnahme der Elbe (wie der Zander)
fehlt. Eine andere Nasenart, _C. Genei_ Bon., welche im allgemeinen
auf Südeuropa beschränkt ist, wird von +Siebold+ auf Grund eines
gelegentlichen Vorkommens zur Fauna des Rheins gerechnet.

Die +Schleie+ (_Tinca vulgaris_ C.) ist ein in ganz Europa verbreiteter
Fisch weichgründiger Gewässer.

Zweifelhaft ist es, ob man zu den Cypriniden auch die kleine Gruppe der
Acanthopsiden oder +Schmerlen+ zu rechnen hat, die sich namentlich
durch ihre knöcherne Schwimmblasenhülle und durch den Bau ihrer
Unterschlundknochen von den ihnen sonst nahestehenden Cypriniden
unterscheiden. Aus unserer Fauna gehören hierher die Steinbeisser,
Schlammpeitzker und Schmerlen. Der +Steinbeisser+ (_Cobitis taenia_ L.)
findet sich durch ganz Europa, die +Schmerle+ (_C. barbatula_ L.) auch
in Asien, der +Schlammpeitzker+ (_C. fossilis_ L.) endlich in Asien und
dem östlichen Europa mit Einschluss unseres Gebietes.

Eine ganz isolierte Stellung nimmt die kleine Familie der Umbriden ein,
welche nur aus zwei Süsswasserarten besteht, von denen die eine im
mittleren Nordamerika, die andere, der +Hundsfisch+ (_Umbra Crameri_
Müll.), in einigen Nebengewässern der unteren Donau (Neusiedler See,
Plattensee u. a.) und anscheinend auch in anderen Teilen des Pontischen
Gebietes sich vorfindet.

Die Familie der +Salmoniden+[22] ist bei uns durch fünf Gattungen
vertreten, deren Arten grossenteils zur Varietätenbildung neigen,
sodass eine Übereinstimmung unter den Fischkundigen über die Abgrenzung
der Arten in mehreren Fällen noch nicht erzielt ist. Die meisten
Arten sind als Sport- und Speisefische hochgeschätzt und werden als
Edelfische bezeichnet. Die Gattungen, welche hierher gehören, sind:
die Maränen oder Renken, die Aesche, der Stint, die Saiblinge und die
Forellen und Lachse.

Es ist schon erwähnt, dass die Salmoniden sich anscheinend von
Norden her verbreitet haben, dass sie noch jetzt im Norden die
stärkste Artentwickelung besitzen und in unserem Gebiet meist kühle
Wohnplätze aufsuchen. Solche finden die Bewohner der Seen in den sehr
tiefen Seen der Alpen und in einigen norddeutschen Seen, in Tiefen,
in welchen beständig eine Temperatur von nur 2–6° _C._ herrscht.
Grösstenteils Bewohner solcher Seen sind die Maränen oder Coregonen.
+Nüsslin+[23] hat die Arten derselben nach der Form der Schnauze
und der Bezahnung der Kiemenbögen geschieden; nach diesem System hat
man zu unterscheiden: den +Nordseeschnepel+ (_Coregonus oxyrhynchus_
L.), einen Wanderfisch, der die Nordsee bewohnt und ihre Ströme zur
Laichzeit aufsucht, die +kleine Maräne+ (_C. albula_ L.), die in
den tieferen Seen der baltischen Seenplatte von Holstein bis nach
Russland hinein, sowie in den skandinavischen Seen lebt, den +Kilch+
oder +Kropffelchen+ (_C. hiemalis_ Jur.) aus der Tiefe des Bodensees
und des Ammersees, den +Ostseeschnepel+ (_C. lavaretus_ L.), der
die Ostsee bewohnt und in den Buchten und Haffen derselben laicht,
die +Madümaräne+ (_C. maraena_ Bl.) aus dem Madüsee in Pommern,
die +Bodenrenke+ (_C. fera_ Jur.) aus den tiefen schweizerischen,
oberösterreichischen und bayrischen Seen, die +Pulsseemaräne+ (_C.
generosus_ Peters)[24] aus dem Pulssee in der brandenburgischen
Neumark[25] (Ostseeschnepel, Madümaräne, Bodenrenke und Edelmaräne
werden von Anderen für Varietäten einer Art gehalten)[26], ferner
den +Blaufelchen+ (_C. Wartmanni_ Bl.) aus den tieferen nordalpinen
Seen, die +Traunseemaräne+ (_C. Steindachneri_ Nüssl.), +Pfäffikoner
Maräne+ (_C. Sulzeri_ Nüssl.) aus dem Traunsee bezw. Pfäffikoner See,
und den +Gangfisch+ (_C. macrophthalmus_ Nüssl.) aus dem Bodensee (die
drei letztgenannten Arten werden von anderer Seite für Varietäten des
Blaufelchen gehalten).

Die +Aesche+ (_Thymallus vulgaris_ Nils.) ist ein anderer Salmonide,
der kleine, raschfliessende Flüsse im ganzen Gebiete bewohnt und über
dasselbe hinaus durch Europa verbreitet ist; verwandte Formen finden
sich in Nordasien und Nordamerika. Der +Stint+ (_Osmerus eperlanus_ L.)
findet sich an den Küsten des nördlichen Teiles des Atlantischen Ozeans
und in dessen Zuflüssen, in denen er laicht. Im Rhein ist er nicht
beobachtet worden. In einigen norddeutschen Seen kommt er ebenfalls
vor, ohne zum Meere zu wandern.

Die naheverwandten Gattungen der Saiblinge, Lachse und Forellen hat
man nach +Siebolds+ Vorgange nach der Bezahnung des in der Gaumendecke
liegenden Pflugscharbeins unterschieden. Das Pflugscharbein der
Saiblinge (_Salmo_) hat eine bezahnte Platte, aber einen unbezahnten
Stiel; das der Lachse (_Trutta_) hat einen bezahnten Stiel bei
unbezahnter Platte, während bei den Forellen (_Trutta_) sowohl Stiel
wie Platte bezahnt sind. Der +Saibling+ (_Salmo salvelinus_ L.) bewohnt
die tiefen Gebirgsseen Mittel- und Nordeuropas. Der ebenfalls zu den
Saiblingen gerechnete +Huchen+ (_S. hucho_ L.) kommt ausschliesslich
im Donaugebiete vor. Der +Lachs+ (_Trutta salar_ L.) bewohnt den
nordatlantischen Ozean, mit Ausschluss des Schwarzen Meeres und des
Mittelmeeres, und steigt in die Flüsse, welche sich in die von ihm
bewohnten Meere ergiessen, zum Laichen auf. Die Forellen unterscheidet
man als +Bachforelle+ (_T. fario_ L.), +Seeforelle+ (_T. lacustris_
L.) und +Meerforelle+ (_T. trutta_ L.). Die beiden letzteren Arten
sind ursprünglich wohl Abarten der Bachforelle[26], aber durch
verschiedene Lebensweise und körperliche Abweichungen von ihr
unterschieden. Während die Bachforelle in raschfliessenden Bächen im
ganzen Gebiete lebt, bewohnt die Seeforelle die tiefen Gebirgsseen,
die Meerforelle die Nord- und Ostsee; alle drei Arten laichen aber
ausschliesslich in Bächen, in welche die See- und die Meerforelle
zu diesem Zweck aufsteigen. Die Meerforelle hat also eine ähnliche
Lebensweise wie der Lachs, mit dem sie deshalb oft verwechselt wird.

Die Familie der +Hechte+ (Esociden) ist bei uns durch den allbekannten,
in allen süssen Gewässern Europas, Nordasiens und Nordamerikas lebenden
_Esox lucius_ L. vertreten.

Aus der Familie der +Heringe+ (Clupeiden) sind zwei Wanderfische zu
unserer Fauna zu rechnen, der +Maifisch+ (_Alosa vulgaris_ C.) und
die +Finte+ (_Alosa finta_ C.). Ersterer bewohnt die Küstengegenden
im nördlichen Atlantischen Ozean, die letztere verbreitet sich noch
mehr südlich und östlich bis zum Nil. Beide besuchen zum Laichen die
Süsswasserströme. Die Weichsel wird indessen nur von der Finte besucht.
Zur Familie der +Muräniden+ gehört unser +Aal+ (_Anguilla vulgaris_
Flem.), der in allen Flüssen lebt, die in den Nordatlantischen Ozean
gehen, mit Einschluss des Mittelmeergebietes, mit Ausschluss aber der
Pontischen Flüsse.

Wenden wir uns nun von den Knochenfischen zu den +Ganoiden+, so finden
wir die Familie und Gattung der +Acipenserinen+[27] in mehreren
Arten vertreten. Der +Stör+ (_Acipenser sturio_ L.) ist ein Wanderfisch
und bewohnt den Nordatlantischen Ozean mit Ausschluss des Mittelmeeres
und seiner Nebenmeere, also auch des Schwarzen Meeres. Das letztere
wird dagegen von mehreren verwandten Arten bewohnt. Es sind dies der
+Glattdick+ (_A. glaber_ Heck.), der +Scherg+ (_A. stellatus_ Pall.),
der +Dick+ (_A. schypa_ Güldenst.), der +Waxdick+ (_A. Güldenstädtii_
Brandt) und der +Hausen+ (_A. huso_ L.). Alle diese Störe wandern
zur Laichzeit in die Flüsse, die letztgenannten in die Donau und die
anderen Ströme des Pontusgebietes, der Stör in die europäischen und
amerikanischen Flüsse seines Wohngebietes, um hier zu laichen. Mehr
Standfisch ist der +Sterlet+ (_A. ruthenus_ L.), welcher die Pontischen
Flüsse, ausserdem aber auch die in das Eismeer mündende Düna bewohnt
und das Meer in der Regel nicht aufsucht.

Aus der Ordnung der +Cyclostomen+ endlich, deren von den übrigen
Fischen völlig abweichender Bau Anlass gegeben hat, diese Tiere
von der Klasse der Fische ganz auszuschliessen, gehören zu unseren
Süsswasserfischen zwei Vertreter der Familie der Petromyzontiden, das
+Flussneunauge+ (_P. fluviatilis_ L.), ein Wanderfisch, der zum Zweck
der Laichablage aus dem Meere in die Süsswasserströme wandert, wo
seine Larve mehrere Jahre lang aufwächst, und das +Bachneunauge+ (_P.
Planeri_ Bl.), welches sein ganzes Leben in Bächen und kleinen Flüssen
zubringt. Beide Arten sind durch die ganze arktische Region verbreitet.

Überblickt man die jetzige Ausbreitung unserer Fischarten, so lassen
sich zwei Hauptrichtungen der Verbreitung erkennen, eine aus Nordwesten
bezw. Nord und West kommende, und eine aus Südost bezw. Süd und
Ost kommende. Der ersteren ausschliesslich gehören die Fische des
nordatlantischen Küstengebietes an: die Stichlinge, Stint, Lachs,
Nordseeschnepel, Meerforelle, Maifisch, Finte, Aal und Stör. Alle
diese Fische sind von dem Gebiet des Schwarzen Meeres (Donaugebiet)
ausgeschlossen, während demselben ausschliesslich angehören:
Wolgazander, die Streber, Schrätzer, Seerüssling, Pleinzen, Mairenke,
Frauennerfling, Hundsfisch, Huchen, Glattdick, Dick, Scherg, Waxdick
und Hausen. Eine kleine Reihe von anderen Fischen weist auf allmähliche
Verbreitung von Ost nach West hin: der Wels, der seine Westgrenze
im Rhein hat, die Zärthe, die westlich der Weser sich nicht findet,
der Zander und die Nase, deren Verbreitung nach Westen mit der Elbe
abschliesst, endlich die Ziege, welche nicht über die Oder hinaus nach
Westen geht. Noch andere Fische finden sich im Gebiet stellenweise,
so aus dem Süden eingewandert der _Barbus Petenyi_, der _Gobius
uranoscopus_, der Strömer, das _Chondrostoma Genei_, aus dem Osten der
Sterlet, ferner an gewisse Örtlichkeiten gebunden der karpathische
Kaulkopf, der Ostseeschnepel, endlich die auf die tiefen Seen
beschränkten Arten: der Frauenfisch, die kleine Maräne, die übrigen
Felchen- und Renkenarten, der Seesaibling und die Seeforelle.

Die übrigen Fische sind dem ganzen Gebiete gemeinsam. Eine kleine
Zahl von ihnen ist über die ganze arktische Region (Nordasien, Europa
und Nordamerika) verbreitet: Barsch, Aalquappe, Hecht, Fluss- und
Bachneunauge. Einige finden sich allgemein im Norden der alten Welt:
Kaulbarsch, Kaulkopf, Karausche und Bachforelle. Die übrigen gehören
dem europäischen Gebiete nördlich von den Alpen an und sind teilweise
bis Asien hinein verbreitet, nämlich die meisten Cypriniden, die
Acanthopsiden sowie die Aesche.

Haben wir uns in dem bisherigen über die in unserm Gebiet vorkommenden
Arten und ihre Verbreitung orientiert, so wenden wir uns nun zur
Betrachtung der Lebensverhältnisse derselben, welche wir am besten an
der Hand ihres Körperbaues[28] und ihrer Organe kennen lernen.

Die äussere Körperdecke, die +Haut+, ist wie bei den höheren
Wirbeltieren eine doppelte, indem sie aus der Oberhaut oder Epidermis
und der Lederhaut oder dem Corium zusammengesetzt ist. Die Oberhaut
besteht aus einer mehrschichtigen Lage von Zellen, deren äusserste
Schichten zerfallen und in Gemeinschaft mit dem Schleim einzelner
grosser Drüsenzellen die Oberfläche der Haut schlüpfrig machen. Die
unter der Oberhaut liegende Lederhaut besteht aus Bindegewebsfasern
und ist meist sehr zähe (Aal). In taschenförmigen Vertiefungen dieser
Haut liegen die +Schuppen+[29], Hornplättchen, welche sich meist
dachziegelartig decken und einen dichten Schutzpanzer bilden (Perciden,
Cypriniden, Salmoniden, Clupeiden, Hecht). Bei dem Hundsfisch ist
auch der Kopf mit Ausnahme der Schnauze mit Schuppen bedeckt, während
derselbe bei den übrigen Fischen frei von Schuppen ist. Bei manchen
Fischen sind die Schuppen so fein und die Oberhaut so dick, dass
die Schuppen nicht ohne Weiteres erkannt werden können (Aal, bei dem
sie in Zickzacklinien liegen, Aalquappe, Schleihe, Schmerlen). Die
Stichlinge tragen an Stelle der Schuppen an den Seiten schmale dünne
Knochenschienen, welche zusammenhängende Seitenpanzer bilden. Der
Körper der Störe ist mit starken, mit scharfen Höckern versehenen
Hautknochen als wirksamem Schutz besetzt. Ganz ohne Hautbewehrung sind
von unseren Fischen die Kaulköpfe, der Wels und die Neunaugen.

+Der Silberglanz+, welchen die meisten Fische zeigen, wird dadurch
hervorgerufen, dass die Oberfläche der Lederhaut (bezw. die Innenseite
der Schuppen) mit einer Lage von mikroskopisch kleinen, krystallartig
geformten Plättchen bedeckt ist, welche neben Kalk auch Guanin[30]
enthalten[LXXIV]. Letzterer Stoff findet sich auch in der glanzlosen Haut
der Neunaugen[31]. Bei manchen Fischen bringen die Glanzkörperchen,
namentlich zur Laichzeit, schöne Interferenzfarben hervor (Stichling,
Bitterling u. a.). Sie werden in der Farbenwirkung unterstützt durch
die +Farbzellen+ (Chromatophoren)[32], welche in der Lederhaut
liegen. Die meisten Farbzellen sind mit schwarzem Farbstoff, viele
auch mit rotem oder gelbem Farbstoff gefüllt. Die letzteren,
Zooerythrin und Zoofulvin, kommen nach +Krukenberg+[33] auch bei
den Vögeln vor, fehlen aber eigentümlicherweise ganz bei allen anderen
Wirbeltierklassen. Die Farbzellen der Fischhaut haben in hohem Grade
die Fähigkeit, sich bald fast punktförmig zusammenzuziehen, wodurch
sie fast unsichtbar werden, bald sich wieder zu sternförmigen, weit
ausgebreiteten Körpern auszudehnen und damit ihre Farbe zur Wirkung
zu bringen. Auf diese Weise kann die Farbe der Fische sich der ihrer
Umgebung anpassen und dadurch den Fisch vor Verfolgern schützen oder
die Wachsamkeit seiner Beute täuschen. Dieser Farbwechsel ist von
der eigenen Lichtempfindung des Fisches abhängig; geblendete Fische
zeigen nach +Pouchet+[34] diese Farbanpassung nicht. Bei manchen
Fischarten, namentlich Cypriniden (Karausche, Schleihe, Orfe, Barbe,
Plötze), finden sich Varietäten, denen die schwarzen Farbzellen
ganz oder stellenweise fehlen, während die roten und gelben stark
entwickelt sind. Diese Varietäten werden oft als Zierfische in
Parkteichen gezogen. In seltenen Fällen sind auch die roten Farbstoffe
nicht entwickelt (Albinismus), oder die Silberglanzkörperchen fehlen
(Alampia). Normal fehlen die Glanzkörper beim Stint.

  [LXXIV] Der Schuppenglanz mancher Cypriniden wird im grossen rein
          gewonnen zur Herstellung der Farbe künstlicher Perlen.

Seine Stütze erhält der Fischkörper durch die ihn der Länge nach
durchziehende +Wirbelsäule+. Bei den Knochenfischen besteht dieselbe
aus durchbohrten bikonkaven cylindrischen Knochenstücken, den Wirbeln,
deren Innenräume durch die elastische Chorda ausgefüllt sind. Nach
oben und unten setzen sich an jeden Wirbelkörper paarweise knöcherne
Fortsätze an, die Rücken- und Bauchstrahlen. Die Rückenstrahlen jedes
Wirbelkörpers bilden einen Kanal, indem sie an ihren oberen Enden mit
einander verschmelzen. In dem so gebildeten Kanal an der Oberseite
der Wirbelsäule liegt das Rückenmark. Die Bauchstrahlen verschmelzen
nur im Schwanzteil des Fischkörpers mit einander zu einem Kanal, der
die grossen Blutgefässe des Schwanzes[LXXV] aufnimmt. Im Vorderteil
des Körpers bilden sie als Rippen die Stützen der Seitenwände der
Leibeshöhle.

  [LXXV] Diese Blutgefässe sticht man beim Schlachten grosser Fische
         an, die man durch Verblutung töten will.

Die +Körperform+ der Fische ist entweder eine seitlich mehr oder
minder zusammengedrückte, oder mehr spindelförmig bis walzig.
Erstere Form zeigen am stärksten ausgeprägt der Bressen und die
Seekarausche, letztere der Aal und die Neunaugen, sowie die Aalquappe,
der Schlammpeitzker, der Wels, der Kaulkopf, lauter Fische, die
vorzugsweise am Grunde der Gewässer leben und sich gelegentlich auf
demselben schlängelnd bewegen. Die hauptsächliche +Bewegungsart+
unserer Fische ist aber das Schwimmen im freien Wasser, und hierzu ist
der Fischkörper nicht nur selbst in geeigneter Weise geformt, sondern
auch mit besonderen Anhängen versehen, den +Flossen+. Die Flossen sind
gebildet durch Häute, welche durch eingelagerte bewegliche knöcherne
Spangen ausgespannt werden können, etwa wie ein Schirm oder ein mit
Zeug bezogener Fächer. Man unterscheidet paarige Flossen, welche an
den Seiten des Körpers stehen, und unpaare Flossen, welche in der
Mittellinie des Rückens und des Schwanzes stehen.

Die paarigen Flossen sind meist zu zwei Paaren vorhanden, welche man
nach ihrer gewöhnlichen Stellung als Brustflossen und Bauchflossen
unterscheidet; sie entsprechen den Gliedmassen der höheren Wirbeltiere.
Sie sind an Knochen befestigt, welche bei den Brustflossen mit
dem Kopf, bei den Bauchflossen unter einander verbunden sind. Sie
fehlen ganz den Neunaugen, während der Aal nur Brustflossen, keine
Bauchflossen hat. Die unpaaren Flossen unterscheidet man je nach
ihrer Lage als Rückenflossen, Schwanzflossen und Afterflossen.
Rückenflosse und Afterflosse sind dadurch am Fischkörper befestigt,
dass jeder Strahl der Flosse scharnierartig verbunden ist mit einer
Knochenschiene von kreuzförmigem Querschnitt, welche im Körper des
Fisches liegt und sich je an einen Rückenstrahl bezw. Bauchstrahl der
Wirbelsäule anlehnt. Rückenflossen sind in Zweizahl vorhanden bei den
Perciden, Aalquappe, Kaulkopf und den Neunaugen. Bei den Stichlingen
sind die ersten Strahlen, ebenso wie die Bauchflossen, zu einzeln
stehenden, teilweise zackigen Stacheln umgewandelt, welche als Waffen
dienen. Bei den Salmoniden findet sich hinter der Rückenflosse eine
kleine sogenannte Fettflosse, welche diese Familie von allen anderen
einheimischen Fischen leicht unterscheiden lässt. Diese Fettflosse wird
als ein Überbleibsel aus dem Larvenstadium des Fisches betrachtet;
sie hat keine festen knöchernen Strahlen, wie die übrigen Flossen,
sondern an deren Stelle nur weiche hornige Fäden, wie alle Flossen der
Neunaugen, der Haie und Rochen und der eben ausgeschlüpften Jungen der
Knochenfische. Die Afterflosse fehlt nur den Neunaugen. Sie beginnt
stets kurz hinter der Afteröffnung. Die Schwanzflosse liegt bei den
meisten Fischen mit dem grössten Teil unterhalb der Wirbelsäule. Die
trotzdem vorhandene Symmetrie des Schwanzes wird dadurch ermöglicht,
dass die letzten Wirbelkörper zu einem Stiel verschmolzen und so nach
oben gebogen sind, dass die Unterseite der Wirbelsäule und die an sie
sich ansetzenden Schwanzflossenstrahlen nach hinten gerichtet sind.

Sehen wir uns nun nach den +Muskeln+ um, welche die Bewegungen
des Fisches bewirken, so finden wir zunächst zu beiden Seiten der
Wirbelsäule starke Fleischmassen, welche leicht einen eigentümlichen
Bau erkennen lassen. An jeden Wirbelkörper setzen sich beiderseits
Muskelplatten an, welche hohlkegelförmig gewölbt sind, so dass ein
Querschnitt durch den Fischkörper mehrere hinter einander liegende
Muskelplatten ringförmig blosslegt. Die vier an einer Stelle der
Wirbelsäule sich ansetzenden Muskelplatten bilden einen Muskelabschnitt
(_Myokamma_). Die Muskelabschnitte sind unter sich durch dünne
Bindegewebshäute (Ligamente) getrennt[LXXVI], die einzelnen Muskelbündel
liegen in den Muskelabschnitten in der Längsrichtung des Fisches, ihre
Enden setzen sich daher nicht an Knochen, wie die meisten Muskeln
der höheren Wirbeltiere, sondern an Ligamente an (interligamentale
Muskulatur). Die Muskelplatten bilden zusammen zwei grosse
Seitenmuskeln, welche den grössten Teil des Fischkörpers einnehmen
und die Bewegungen des Schwanzes bewirken. Neben den Seitenmuskeln
treten die Muskeln des später zu betrachtenden Kopfes und die der
Flossen an Umfang sehr zurück. Die Muskulatur der unpaaren Flossen
besteht aus zahlreichen kleinen Muskelzügen, welche einerseits an die
inneren Halteknochen der Flossen, anderseits an die Flossenstrahlen
sich ansetzen (interosteale Muskulatur) und die letzteren aufrichten,
niederziehen und seitwärtsbiegen können. Bei den paarigen Flossen wird
die Ausbreitung und die fächelnde Bewegung, welche dieselben ausführen,
durch stärkere Muskelbündel bewirkt, welche ebenfalls an den inneren
Gerüstknochen dieser Flossen befestigt sind. Wie kommt nun mittels
der Flossen und ihrer Muskeln die +Ortsbewegung+ zu stande[35]? Die
Flossen, die paarigen sowohl wie die unpaaren, sind für sich allein
nicht im stande, den Fisch schwimmend zu erhalten, wie durch Versuche
festgestellt ist. Die paarigen Flossen halten den Fisch, wenn er im
freien Wasser schwimmend steht, im Gleichgewicht, auch wirken sie mit
bei Wendungen und bei der Rückwärtsbewegung sowie beim plötzlichen
Aufhalten. Die unpaaren Flossen können durch leichte wellenförmige
Bewegungen eine langsame Vorwärtsbewegung des Fisches bewirken. Das
rasche Schwimmen der Fische dagegen wird durch Ruderschläge des
Hinterleibes bewirkt, dessen Fläche, um den Widerstand des leicht
ausweichenden Wassers zu erhöhen, durch Aufrichten der unpaaren
Flossen vergrössert werden kann, wobei die Schwanzflosse hauptsächlich
als Steuer dient. An diesen Bewegungen, welche durch abwechselnde
Kontraktionen der beiden Seitenmuskeln vor sich gehen, nimmt der
hintere Teil des Körpers teil, welcher durch eine durch die Vorderenden
der Rückenflosse und der Afterflosse gelegte Ebene abgegrenzt wird.
Der Körperteil vor dieser Ebene enthält die +Leibeshöhle+ mit ihren
Organen der Blutzirkulation, der Verdauung und der Fortpflanzung. Ein
+Zwerchfell+ trennt die kleine +Brusthöhle+, welche das Herz enthält,
von der geräumigen Bauchhöhle.

  [LXXVI] Beim Erwärmen des toten Fischkörpers lösen sich diese Häute
          unter Leimbildung auf, sodass die einzelnen Muskelplatten
          sich von einander trennen und leicht schollenartig
          auseinanderfallen. In den Ligamenten liegen namentlich bei
          den Perciden und Cypriniden feine, spitze Stützknochen,
          Fleischgräten, welche sich als Knochen beim Kochen nicht
          auflösen.

Das +Herz+[36] liegt, vom Herzbeutel umschlossen, dicht hinter dem
Kopfe. Es besteht aus der muskulösen Herzkammer und der dünnwandigen
Vorkammer, die durch ein Klappenventil getrennt sind. Der Vorkammer
schliesst sich der _Sinus venosus_ an, der das Venenblut aufnimmt
und der Vorkammer zuführt. Aus der Herzkammer entspringt, mit einer
Anschwellung (_Bulbus aortae_) beginnend, die Kiemenarterie, welche
das venöse Blut aus dem Herzen in die Kiemen führt. Aus den Kiemen
sauerstoffreich zurückkehrend sammelt sich das Blut in der grossen
Körperarterie (_Aorta descendens_), aus welcher es sich in die Organe
des Körpers verteilt. Das hier gebrauchte Blut wird zur Ausscheidung
der nicht gasförmigen Stoffwechselprodukte durch die Leber und die
Niere geführt. Das Produkt der Leber[37], die +Galle+, sammelt sich
in der Gallenblase und gelangt aus dieser in den Darm. Das Produkt
der Nieren, der +Harn+, wird durch die Harnkanälchen in die beiden
Harnleiter und sodann in der Regel zunächst in eine Erweiterung des
gemeinsamen Endteils derselben, die Harnblase, geführt, von wo er
durch einen Ausführungsgang hinter dem After nach aussen gelangt. Bei
den Fischen liegen die +Nieren+ an der Decke der Bauchhöhle als zwei
dicht an der Wirbelsäule durch die ganze Länge der Bauchhöhle sich
erstreckende, grossenteils mit einander verschmolzene, dunkelrote,
sehr weiche Organe. Sie dienen bei den Fischen nicht allein zur
Harnabsonderung, sondern sie sind daneben, wie auch wahrscheinlich die
zwischen den Eingeweiden liegende +Milz+[38], die Vermehrungsstätten
der roten Blutkörperchen[39].

Die Organe der Ernährung und ihre Hilfsorgane liegen teils in der
Mundhöhle, teils in der Bauchhöhle. Die +Mundhöhle+ nimmt den unteren
Teil des Kopfes ein, während in dem oberen, in einer Kapsel aus Knorpel
(Neunauge, Stör) oder Knochen (bei den meisten Knochenfischen), das
Gehirn eingebettet ist. Die Knochen, welche den vorderen Teil des
Bodens des Hirnschädels bilden, sind das Dach der Mundhöhle, deren
Seitenwände und Boden teils aus den Kiemenbögen und den ihnen homologen
Knochenbögen, den Unterschlundknochen und dem Zungenbein, teils aus
den Kieferknochen, und aus ihren häutigen und muskulösen Verbindungen
bestehen. Die Öffnungen zwischen den Kiemenbögen führen in die
Kiemenhöhlen, welche nach aussen durch die mehr oder minder beweglichen
Kiemendeckel geschlossen sind.

Alle Knochen der Mundhöhle sind mit einander beweglich verbunden,
sodass die Mundhöhle bedeutender Erweiterung fähig ist. Je nach der
Nahrung des Fisches sind die Gestalt der Mundöffnung und die Bezahnung
der Mundknochen verschieden. Die Perciden, Kaulköpfe, Aalquappe, Wels,
auch manche Cypriniden, wie Rapen, Döbel, Orfe, ferner die Aesche, der
Stint, die Salmo- und Trutta-Arten, Hecht und Aal haben ein breites,
weit aufsperrbares Maul und, mit Ausnahme der Cypriniden, auf mehr
oder minder zahlreichen Knochen desselben teils nur feine Zähnchen,
die in grosser Zahl mehr oder minder dicht beisammen stehen (Sammet-,
Bürsten-, Hechelzähne, z. B. beim Aal, Barsch, Wels), teils zwischen
diesen noch grössere Fangzähne (Zander, Hecht, Lachs, Forelle)[40].
Diese Fische sowie die Stichlinge nähren sich ausschliesslich, wie
Lachs, Hecht, Wels und Zander, oder teilweise von Fischen, welche
sie, auch wenn sie über die Mundhöhle hinausragen, mittels der Zähne
festhalten können. Die meisten Cypriniden, Maränen und Clupeiden haben
dagegen eine kleine rundliche oder mehr hohe als breite Mundöffnung,
welche am Ende einer rüsselartig vorstreckbaren, häutigen Röhre liegt,
die oben von den halbringförmigen Zwischen- und Oberkieferknochen,
unten von dem Unterkiefer gestützt wird. Mittels dieses Saugrüssels
schlürfen diese Fische ihre aus kleinen niederen Tieren bestehende
Nahrung ein, nach welcher sie teils im freien Wasser, teils an den
festen Gegenständen in demselben, den Pflanzen, Steinen, dem Holzwerk,
oder auf dem Grunde suchen. Sie finden hier kleine Crustaceen aus den
Ordnungen der Cladoceren, der Ostracoden, der Copepoden, ferner die das
Wasser bewohnenden Larven vieler Insekten, namentlich der Mücken und
Eintagsfliegen, auch Würmer, Rädertiere, kleine Weichtiere, nehmen wohl
auch die schleimigen Massen der Kieselalgen und den für sie allerdings
unverdaulichen Mulm zerfallener Pflanzenteile, Sand und Schlamm
ein, verschonen auch nicht, wie hier gleich erwähnt sein mag, Eier
und Brut von Fischen, selbst nicht die eigene Nachkommenschaft. Man
unterscheidet die letztgenannte Gruppe von Fischen als Kleintierfresser
oder Friedfische von den ersterwähnten Raubfischen[41].

Während die Kiemenspalten der breitmäuligen Fische ziemlich weit
und nur mit weitläufig gestellten Zähnen versehen sind, sind die
Kiemenspalten der engmäuligen Fische eng, meist kurz, die Kiemenbogen
sind an der Innenseite mit je zwei Reihen dicht gestellter Stäbchen
besetzt, welche in einander greifend einen reusenartigen Verschluss
bilden, durch den wohl das in die Mundhöhle aufgenommene Wasser, nicht
aber die feinkörnige Nahrung in die Kiemenhöhle entweichen kann. Am
Gaumen vieler Cypriniden findet sich ein muskulöser Wulst, welcher
Sinnesorgane (Schmeckbecherchen) enthält. Jede Berührung dieses Organs
bringt eine Anschwellung der berührten Stelle hervor. Es scheint auch
durch seine Kontraktionen beim Aufsaugen der Nahrung mitzuwirken.

Am hinteren Abschluss der Mundhöhle haben die Cypriniden, welche
sonst ganz zahnlos sind, auf den Unterschlundknochen stumpfe aber
starke Zähne, deren bei den einzelnen Arten verschiedene Form ein
vorzügliches Mittel zur Abgrenzung und Erkennung der Arten ist. Diesen
Zähnen gegenüber steht am Gaumen eine harte Knorpelplatte. Zwischen
den Zähnen und der Gaumenplatte wird die Nahrung zerdrückt. Die Zähne
werden bei den Cypriniden nach +v. Siebold+ jährlich in der Laichzeit
abgestossen und erneuert.

Abweichend von dem Maul der übrigen Fische ist das der Neunaugen
gebaut. Es ist eine am vorderen Körperende gelegene Saugscheibe, welche
mit mehreren zahntragenden Hornplatten ausgestattet ist. Es dient dem
Fisch vornehmlich dazu, sich an feste Gegenstände oder an seine Beute
anzusaugen. Die letztere wird dann mittels der Zähne angebohrt und
ausgesaugt.

Das durch die Kiemenspalten abfliessende Wasser gelangt in die
+Kiemenhöhlen+, in welchen sich die Kiemenbögen befinden. Die
Kiemenbögen bestehen aus gebogenen rinnenförmigen Knochenplatten mit
nach unten gekehrten Rinnen. In diesen Rinnen laufen die Blutgefässe,
welche das Blut aus dem Herzen in die Kiemen leiten, und andere, die
das Blut aus den Kiemen dem Körper zuführen. In den Kiemenblättchen,
welche an jedem Bogen in zwei Reihen dicht gedrängt stehen, tritt
das kohlensäurehaltige Blut mit dem sauerstoffhaltigen Wasser in
Gasaustausch, das Blut tritt sauerstoffreich in den Körper zurück,
während das verbrauchte Atemwasser unter dem Kiemendeckel durch die
Kiemenöffnung abfliesst und durch neues aus der Mundhöhle ersetzt
wird. In der Regel sind vier Paar Reihen von Kiemenblättchen auf jeder
Seite des Kopfes vorhanden. An der Innenseite des Kiemendeckels sitzt
häufig noch eine sogenannte Nebenkieme (z. B. beim Stör), welche aber
funktionslos ist. Die Acanthopsiden (Schlammpeitzker, Steinbeisser
und Schmerle) können im Notfalle auch durch den Darm die Atmung
vollziehen, indem sie Luft einschnappen und durch den Darm treten
lassen, wobei sie einen quietschenden Ton erzeugen. Die anderen Fische
atmen dagegen hauptsächlich durch die Kiemen. Manche Fische, welche
einen sehr fest schliessenden Kiemendeckel haben, wie der Aal und
viele Cypriniden, können stundenlang, selbst tagelang ausserhalb des
Wassers zubringen, ohne zu ersticken, indem die Wassermenge, welche
in den nach aussen fest geschlossenen Kiemenhöhlen zurückgehalten
ist, genügt, um die Aufnahme der durch den Mund eingeschnappten Luft
durch die Kiemen zu vermitteln. Andere Fische, namentlich die mit sehr
weiten Kiemenspalten und kurzen Kiemendeckeln versehenen Salmoniden,
sterben aus dem Wasser genommen sehr bald ab. Bei den Neunaugen weichen
auch die Kiemen von denen der anderen Fische ab. Sie sind nicht an
Kiemenbögen befestigt, sondern bestehen jederseits in sieben Säckchen,
welche durch ein festes Knorpelgerüst gestützt werden, und im Innern
mit zahlreichen Kiemenfalten, welche die Stelle der Kiemenblättchen
vertreten, bekleidet sind. Das Atemwasser wird aus der Mundhöhle durch
einen besonderen Längskanal, welcher mit entsprechenden Seitenöffnungen
versehen ist, zugeführt, und fliesst aus jedem Kiemensäckchen
durch eine besondere Öffnung nach aussen ab. Die sieben äusseren
Kiemenöffnungen samt dem Auge und dem einfachen Nasenloch sollen dem
Fisch seinen Namen „Neunauge“ gegeben haben.

Ausser den Kiemen atmen die Fische auch durch die Haut, wie +A. von
Humboldt+ und +Provençal+[42] durch Versuche nachwiesen. Kohlensäure
wirkt nach diesen Forschern tödlich auf die Fische, während Stickstoff
und Wasserstoff, wie bei den höheren Wirbeltieren, indifferent sind.
In luftlosem (ausgekochtem) Wasser starben die eingesetzten Fische
nach 1¾ bis 4 Stunden. Nach den genannten Untersuchungen berechnete
+Treviranus+, dass die Schleihe, deren Sauerstoffbedürfnis für gering
zu halten ist, für je 100 Gran Körpergewicht in 100 Minuten 0.01 _cbcm_
Kohlensäure erzeugt, während Säugetiere das fünfzigfache an Kohlensäure
produzieren.

Das verschiedene +Sauerstoffbedürfnis+ ist anscheinend, neben dem
Wärmebedürfnis, eine der Hauptursachen der Verteilung der Fischarten
auf die einzelnen Gegenden eines und desselben Flussgebietes. Der
Sauerstoffgehalt einer Wassermenge ist teils von der Temperatur, teils
von der Menge der Stoffe bezw. der Organismen abhängig, welche den
Sauerstoff zu absorbieren vermögen.

Die Temperatur übt einen wesentlichen Einfluss auf die Fähigkeit des
Wassers, Luft aufzunehmen, aus. Eine Wassermenge, welche bei 5° _C._
100 Raumteile Sauerstoff aufnimmt, kann davon bei 20° nur etwa 79.2
Teile in Lösung halten. Man stelle sich vor, der Sauerstoffgehalt der
von den Landtieren eingeatmeten Luft nehme an einer Örtlichkeit um etwa
⅕ ab, und man wird es natürlich finden, dass die Lebewelt an dieser
Örtlichkeit eine abweichende ist.

Viel bedeutender noch kann die Verminderung des Sauerstoffs durch
die Einwirkung oxydierbarer Substanzen werden. Untersuchungen des
Themsewassers in der Umgegend von London haben ergeben, dass das Wasser
dieses Flusses, welches etwa 5 Meilen oberhalb London bei Kingston 7.4
_cbcm_ Sauerstoff im Liter enthält, dicht bei London davon nur 1.5
_cbcm_, nach dem Durchgange durch die Riesenstadt, bei Woolwich, sogar
nur 0.25 _cbcm_, also nur eine Spur Sauerstoff, den 30. Teil von seinem
Gehalte in der minder verunreinigten Flussgegend, enthält[43].

Bei so enormer Verminderung des Gehaltes an Atemluft kann es nicht
in Verwunderung setzen, wenn die mit leicht oxydierbaren organischen
Substanzen gefüllten Abwässer grosser Städte und industriereicher
Gegenden den Bestrebungen zur Vermehrung und Veredelung des
Fischbestandes ein kaum zu überwindendes Hindernis entgegensetzen[44].

Nicht so jäh und verderblich, wie die Abfuhrstoffe der Städte
und Fabriken, aber sicher auch von erheblicher Wirkung auf den
Sauerstoffgehalt des Wassers sind die Reste abgestorbener Lebewesen,
der organische Mulm, welcher durch die Regen- und Schneewässer aus
dem Niederschlagsgebiet des Flusssystems dem Wasser desselben auf
seinem Laufe zum Meer in immer steigender Menge zugeführt wird. Auch
das Gefälle und die Bodenbeschaffenheit des Flussbettes sind von
Einfluss: Ein über Kiesbänke und Steine rauschender Bach bietet seinem
Wasser mehr Gelegenheit zur Sauerstoffaufnahme, als ein träges, tiefes
Gewässer, in dem noch dazu der hineingeschwemmte Mulm sich ablagert.
Die Wirkung des Sauerstoffmangels im Wasser ist für die Fische eine
doppelte: Nicht nur mangelt den Organismen, Tieren wie Pflanzen, die
notwendige Lebensluft, sondern es nimmt auch die Bildung schädlicher
Stoffe, besonders des betäubenden Sumpfgases, zu.

Unter diesen Verhältnissen ist es verständlich, dass
sauerstoffbedürftige Fische sauerstoffarme Gewässer vermeiden.
Anderseits bedürfen manche Fische einer gewissen Wärme des Wassers
(z. B. der Karpfen), damit ihre Lebensfunktionen, Ernährung und
Fortpflanzung, zur Thätigkeit angeregt werden. Solche Fische sind von
dauernd kühlen Gewässern ausgeschlossen.

Man hat gefunden, dass viele Arten der Fische gemeinsame
Lebensbedürfnisse haben, so dass sie in Flussstrecken, welche eine
gewisse Beschaffenheit haben, leben können. +A. Fritsch+[45] hat zuerst
die Flussregionen Böhmens, welche charakteristische Fischgesellschaften
enthalten, unterschieden und nach ihren Hauptfischen benannt. +M.
von dem Borne+[9] hat diese Methode für die deutschen Gewässer
durchgeführt, und sie ist jetzt allgemein angenommen. Man unterscheidet:

  1. die Forellenregion, mit Bachforelle, Elritze, den Kaulköpfen,
     Schmerle, Döbel,

  2. die Aeschenregion, mit Aesche, _Barbus Petenyi_, Gründling,
     Bachneunauge[46] (im obern Teile dieser Region liegen die
     Laichstellen der Lachse),

  3. die Barbenregion, mit Barbe, Huchen, Nase, Rapen, Zärthe,
     Schneider, Häsling, Karpfen, Quappe, Bitterling, Mairenke,
     Streber, Strömer, Motken,

  4. die Bressenregion (Bleiregion), mit Bressen, Blei, Wels, Orfe,
     Rotauge, Schleihe, Karausche, Aal.

Manche Fische finden sich in allen Regionen, wie Hecht, Barsch, Plötze,
Stichling. Auf eine einzige der angeführten Regionen beschränkt ist
kein Fisch, vielmehr werden die benachbarten Regionen auch häufig
aufgesucht.

Etwas abweichend von den fliessenden Gewässern verhalten sich die
Seen, deren Lebensverhältnisse wesentlich von ihrer Tiefe abhängen.
Man unterscheidet hier flache Bressenseen, Seen von mehr als 20 _m_
Tiefe, in welchen sich die kleine norddeutsche Maräne aufhält, und Seen
von über 50 _m_ Tiefe, in welchen, je nach ihrer Tiefe, verschiedene
Maränenarten, der Seesaibling und die Seeforelle leben.

Bei der Wichtigkeit des Atmungsprozesses spielt die Funktionsfähigkeit
der Kiemen eine grosse Rolle. Sobald ihre Oberfläche durch Trockenheit
abstirbt oder sobald sie sich mit einem dichten Belag von Fremdkörpern
bedeckt, sind die Fische einem raschen Erstickungstode ausgesetzt: die
Ursache, weshalb Trübungen des Wassers von den Fischen gemieden werden
und ihnen, wenn sie dauernd, z. B. durch Fabrikwässer, verursacht
werden, den Tod bringen können.

Während das in die Mundhöhle aufgenommene Wasser durch die
Kiemenspalten abfliesst, gelangt die Nahrung durch den trichterförmigen
Schlund in den eigentlichen +Darmtractus+[47]. Der Darm der Fische
ist mehr oder minder gewunden und bei den Cypriniden ein Schlauch von
fast überall gleicher Weite. Bei den übrigen Fischen ist eine mehr
oder minder ausgeprägte magenartige Erweiterung vorhanden. Immer ist
der Magendarm durch eine ringförmige Einschnürung, die Pförtnerklappe,
vom Mitteldarm getrennt. Die mit einem Magen versehenen Fische, mit
Ausnahme des Welses, des Hechtes und des Hundsfisches, haben auf der
Grenze zwischen Magen und Mitteldarm Blindschläuche, wenige bei den
Perciden, den Kaulköpfen und Stichlingen, viele bei den Salmoniden und
der Aalquappe. Der Enddarm ist im Vergleich mit dem Mitteldarm weit.
Der Darm der Neunaugen ist gerade und ohne Anhänge, der des Störs trägt
an der Innenwand eine spiralig verlaufende Hautleiste (Spiralklappe).
Von den dem Darm anhängenden Drüsen ist die Leber schon erwähnt. Die
zweite bei den Wirbeltieren sonst vorkommende Verdauungsdrüse, das
Pankreas, fehlt den meisten unserer Fische; es ist bis jetzt nur
nachgewiesen bei Schmerle, Stichling, Hecht, Barsch, Aal und Forelle,
meist stark zerstreut zwischen den Eingeweiden[48].

Die verdauende Flüssigkeit der Fische wird daher, da auch
Speicheldrüsen fehlen und die Galle nur bei der Aufnahme der Fette
durch den Körper mitwirkt, meist ausschliesslich vom Darm geliefert.
Dafür vermag aber auch nicht nur der Magendarm, wie bei den höheren
Wirbeltieren, sondern jeder Abschnitt, selbst die kurze Speiseröhre
der mit Magen versehenen Fische, Pepsin abzusondern, den Stoff,
welcher in Verbindung mit der bei den Fischen reichlich vorhandenen
Säure die Eiweissstoffe für die Aufnahme in den Körper geeignet
macht (peptonisiert[49]). Von dem Pepsin der höheren Wirbeltiere
unterscheidet sich das Pepsin wenigstens der Forelle und des Hechtes
dadurch, dass es selbst bei 0° noch verdauend wirkt[50]. Die Auflösung
der Nahrung beginnt schon in der Speiseröhre und braucht erst im
Enddarm mit dem Auswerfen der unverdauten Nahrungsteile aufzuhören. Am
kräftigsten ist die Verdauung bei den Fischfressern, minder intensiv
bei den Kleintierfressern. Die Absonderung der Nahrungsflüssigkeit
erfolgt wahrscheinlich von allen Zellen der Darmschleimhaut, die je
nach ihrem Reifestadium ein verschiedenes Aussehen haben können[51].

Von grosser Wichtigkeit, namentlich für die Fütterung der Teichfische,
ist, dass die Fische rohe Stärke, das Hauptprodukt der meisten
Pflanzen, fast gar nicht zu verdauen vermögen, während gequollene
(gekochte) Stärke verdaut wird[52]. Diese Thatsache bietet die
Erklärung zu der erst neuerdings gehörig gewürdigten Erscheinung, dass
die Fische sich fast gar nicht von Pflanzenstoffen, sondern meist von
Tieren nähren, so dass in der Regel die von den Pflanzen erzeugte
Nahrung erst in den Körper eines niedern Tieres aufgenommen sein muss,
bevor sie zur Ernährung der Fische dienen kann. Eine nur scheinbare
Ausnahme hiervon bilden die Kieselalgen (Diatomeen), welche man oft
in Menge in dem Fischdarm findet. Diese in grosser Menge im Wasser
auftretenden mikroskopischen Pflänzchen, welche eine Hauptnahrung
vieler niederer Wassertiere bilden, erzeugen nicht, wie die meisten
anderen Pflanzen, Stärke, sondern an deren Stelle Öl, das als Fett den
Verdauungssäften der Fische zugänglich ist. Ähnlich verhält sich die
Algengattung _Vaucheria_, die also den Fischen ebenfalls direkt Nahrung
liefern könnte.

Als Grund für das Fehlen der stärkeartigen Stoffe in der Fischnahrung
hat man angeführt, dass die Fische ebenso wie die Amphibien es nicht
nötig haben, ihren Körper mit diesen wärmeerzeugenden Kohlehydraten
gewissermassen zu heizen, da ihr Körper seine Wärme von dem ihn
umgebenden Wasser erhält. Immerhin bewirkt auch bei den Fischen
die Respiration eine Erwärmung des Körpers über die Temperatur des
Wassers. Dieselbe beträgt nach +Broussonet+ bei kleinen Fischen ½ bis
⅔°, beim Aal ¾°, beim Karpfen 1°. +Despretz+ fand bei 10.83° _C._
Wassertemperatur die Körperwärme von zwei Karpfen zu 11.69°, von zwei
Schleihen zu 11.54° _C._

Änderungen in der Wasserwärme haben auch den grössten Einfluss auf
die Lebensfunktionen der Fische, namentlich auf die Ernährung und
Fortpflanzung. Während die meisten unserer Fische bei steigender Wärme
laichen (Sommerlaicher: die Perciden, Kaulköpfe, Stichlinge, Wels,
Cypriniden, Acanthopsiden, Hecht, Clupeiden, Störe und Neunaugen),
legen andere ihre Eier bei sinkender Wärme ab (Winterlaicher: Aalquappe
und die Salmoniden ausser Stint, Huchen und Aesche). Manche Arten
bedürfen einer bestimmten Mindestwärme, um laichreif zu werden,
namentlich die Karpfen, welche nicht in Wasser unter 19° _C._ laichen.
Auch das +Nahrungsbedürfnis+ ist abhängig von der Wasserwärme. In
kaltem Wasser können die Fische wochenlang, ja manche Arten monatelang
ohne Nahrung bestehen. Viele Cypriniden nehmen im Winter auch im Freien
keine Nahrung zu sich; der Karpfen z. B. frisst nur, wenn das Wasser
mindestens 9° _C._ Wärme hat, dabei verliert er während der Zeit, in
welcher er nicht frisst, nur etwa 3–5 % seines Körpergewichtes. Bei der
Bachforelle und anderen Raubfischen nimmt zwar die Fresslust im Winter
ab, hört aber nicht völlig auf. Die Forelle lässt auch im Sommer in der
Ernährung nach, wenn die Wassertemperatur über 25° _C._ steigt.

Bei höher steigender Wärme sterben die Fische. Der Karpfen verträgt
eine Höchsttemperatur von 32–35° _C._, der Barsch eine Temperatur von
28° _C._[43]. Rasche Abkühlung vertragen viele Fische ebenfalls
nicht, allmähliches Sinken der Temperatur dagegen hat keinen
schädlichen Einfluss auf unsere Fische, welche in eiskaltem Wasser
lebend bleiben, ja, soweit sie geringe Ansprüche an Luftversorgung
machen (Schleihe, Karausche), auch einfrieren können, wenn nur die
Eiskälte nicht über die Eigenwärme des Fisches siegt und wenn durch
die letztere eine Wasserschicht um den Fisch flüssig erhalten bleibt
(+Johannes Müller+).

Bei direkter Einwirkung des Frostes auf den Fischkörper erstarren die
Fische zunächst, können aber, wenn die Frostwirkung nicht stundenlang
dauert, zuweilen wieder belebt werden. Beim Durchfrieren des
Fischkörpers sterben die Fische dagegen natürlich ab[44].

Die Menge der von den Fischen aufzunehmenden Nahrung richtet sich
während der Hauptfresszeit in erster Linie nach der Menge der
vorhandenen geeigneten Nahrungsmittel.

Die Fische können mit geringen Mengen von Nahrung erhalten werden,
haben dann aber ein entsprechend geringes Wachstum und zeigen oft auch
in ihrer Körperform Abweichungen von dem normalen Aussehen ihrer Art
(so ist die als Giebel bekannte Abart der Karausche eine Hungerform,
-- den Fischzüchtern ist es längst bekannt, dass Fische mit kurzem
Kopf rascher gewachsen und deshalb geeigneter zur Zucht sind, als
Fische mit gestrecktem Kopf). Anderseits können sie sehr grosse Mengen
von Nahrung aufnehmen und dementsprechend wachsen. Man weiss aus
guten Beobachtungen, dass ein Karpfen am Ende des ersten Jahres bei
ungünstiger Nahrung nur wenige Gramm, bei günstiger Nahrung gegen 1
Kilo wiegen kann, und dass das Gewicht der Hechte im ersten Herbst
ihres Lebens zwischen 100 Gramm und mehreren Pfund schwanken kann.

Bei der +Fütterung+ verbraucht die Forelle zur Zunahme um einen
Gewichtsteil fünf bis acht Gewichtsteile Futterfleisch, während der
Karpfen schon aus drei bis vier Gewichtsteilen in gleichem Masse
eiweisshaltigen Futters einen Gewichtsteil Körperzunahme gewinnt.
Man benützt bei der Fütterung der Fische hauptsächlich eiweissreiche
Futterarten, wie Fleischmehl, Leguminosensamen, Malztreber u. a.

Eine Anzahl von Fischarten erreicht in der Regel nur eine bestimmte
geringe Grösse; man kann diese Fische als Zwergfische bezeichnen.
Dahin gehören Kaulbarsch, Kaulkopf, Stichling, Gründling, Bitterling,
Uklei, Moderlieschen, Elritze, kleine Maräne, Stint, die Neunaugen.
Die meisten anderen Fische wachsen entsprechend ihrer Ernährung sehr
ungleichmässig. So erreicht die Bachforelle in den nahrungsarmen
Gebirgsbächen selten ein Gewicht von einem Pfund, während sie in
Teichen, Flüssen und Seen (z. B. im Weitsee bei Berent in Westpreussen)
es zu einem Gewicht von 12 Kilo bringen kann. Karpfen und Hechte hat
man bis 25 Kilo schwer, Welse noch bedeutend grösser gefangen. In engen
Gefässen bleibt das Wachstum der Fische beschränkt, wie die konstante
Grösse der in engen Gläsern gehaltenen Goldfische zeigt.

Über dem Darm und seinen Anhängen und Drüsen liegt die +Schwimmblase+,
ursprünglich eine Ausstülpung des Darmes, bald mit dem Anfangsteil
desselben durch einen im Alter oft geschlossenen Kanal verbunden
(_Physostomi_: Siluriden, Cypriniden, Salmoniden, Hecht, Hundsfisch,
Clupeiden, Aal, Stör), bald ohne Ausführungsgang (Perciden, Stichlinge,
Aalquappe). Die Schwimmblase fehlt dem Kaulkopf und den Neunaugen.
Sie ist ein häutiger Sack, prall gefüllt mit einer Gasmischung aus
Stickstoff und Sauerstoff in wechselnden Mengen und etwas Kohlensäure.
Diese Gase gelangen nicht etwa durch den zuweilen vorhandenen
Ausführungsgang in die Schwimmblase, sondern sie werden von der
Innenfläche derselben, wo sich oft Anhäufungen feiner Adern, sogenannte
Wundernetze, finden, ausgeschieden. Man hält die Schwimmblase deshalb
für sein Homologon der Lunge der höheren Wirbeltiere; dem ist jedoch
widersprochen worden, weil sie oberhalb, nicht unterhalb des Darmkanals
wie die Lunge, liegt[53]. Auch die Funktion der Schwimmblase wird
verschieden gedeutet. Vielfach hält man sie für einen hydrostatischen
Apparat, der den Körper im Gleichgewicht erhält und zugleich geeignet
ist, durch Kontraktionen das Steigen und Sinken des Fisches zu
regeln. Indessen glaubt +Charbonnel-Salle+ nachgewiesen zu haben,
dass die Druckschwankungen der Schwimmblase keinen Einfluss auf das
spezifische Gewicht des Fisches und auf sein Auf- und Niedertauchen
ausüben[LXXV]. Ursprünglich war sie vielleicht ein Sauerstoffreservoir
(nach +Biot+[54] hat man bei Tiefenfischen bis 87% Sauerstoff in der
Schwimmblasenluft gefunden). Sie steht mit dem Hörorgan in Verbindung
und wird wohl auch andere Druckwirkungen als die Schallwellen zur
Empfindung bringen helfen.

  [LXXV] Platzt einem Fisch die Schwimmblase und verbreitet sich die
         nicht mehr unter Druck stehende Luft derselben in der
         Leibeshöhle, so kann der aufgeblähte Fisch nicht mehr die
         Oberfläche verlassen und schwimmt auf dem Rücken. Diese
         Erfahrung spricht gegen +Charbonnel-Salles+ Ansicht.

Neben den Organen des Darmtractus liegen in der Bauchhöhle die
+Fortpflanzungsorgane+ der Fische, deren Produkte bei den männlichen
Fischen als Milch, bei den weiblichen als Rogen bezeichnet werden.
Danach heissen die Männchen auch Milchner, die Weibchen Rogner.
Unsere Fische sind sämtlich getrennten Geschlechtes; nur bei
einzelnen Individuen ist, wie in allen Tierklassen, gelegentlich
Hermaphroditismus nachgewiesen.

Die Männchen sind bei den Fischen oft kleiner[55] und häufig seltener
als die Weibchen. Unter den Steinbeissern hat man sogar nur 10%
Männchen gefunden[56].

Das Geschlecht ist bei manchen Fischen, besonders zur Laichzeit,
auch äusserlich durch die Beschaffenheit der Geschlechtsteile oder
durch sekundäre Geschlechtsmerkmale erkennbar. Die weiblichen Fische
zeigen in der Laichzeit einen durch die reifen Eier gewölbten Bauch,
während die Männchen schlank bleiben. Die Geschlechtsöffnung, welche
hinter dem After liegt, befindet sich beim Weibchen oft an der Spitze
einer kegelförmigen Erhöhung, die in der Laichzeit gerötet ist
und beim Bitterling zu einer 3–4 _cm_ langen Legeröhre auswächst.
Unsere einheimischen Süsswasserfische sind sämtlich ovipar, d. h.
die Weibchen legen Eier ab; die Eier werden erst nach dem Austreten
befruchtet. Da eine innere Befruchtung der Eier anscheinend nie
erfolgt, so fehlen den Männchen besondere Organe für die innere
Begattung, ihre Geschlechtsöffnung liegt meist in der Tiefe einer
flachen Rinne. Sekundäre Geschlechtscharaktere finden sich namentlich
als lebhafte Färbung bei den Männchen vieler Fischarten, meist nur in
der Brunstzeit. So glänzen namentlich die Männchen der Stichlinge und
der Bitterlinge während der Laichzeit in bunten Farben. Bei anderen
Fischen werden die immer vorhandenen Farben des Körpers und der Flossen
lebhafter. Bei den meisten Cypriniden tritt an den Männchen in der
Laichzeit an den Seiten und teilweise auch am Kopfe auf jeder Schuppe
ein weisses hartes Höckerchen auf, das aus Oberhautzellen besteht
und nach der Laichzeit wieder verschwindet. Bei den Coregonen finden
sich ähnliche Hautwarzen zur Laichzeit bei beiden Geschlechtern als
Brunstmerkmale. Beim männlichen Schleih ist der zweite Strahl der
Bauchflossen stark verbreitert, verdickt und gekrümmt, gleichzeitig
ist das Stützskelett dieser Flossen etwas verstärkt. Eine ähnliche
Abweichung findet sich bei den männlichen Steinbeissern am zweiten
Strahl der Brustflossen.

Die Geschlechtsreife der weiblichen Fische tritt in der Regel im
dritten Jahre ein, seltener später oder schon im zweiten Jahre. Die
Männchen werden oft schon im zweiten Jahre laichreif. Manche Individuen
(bei den Cypriniden, Lachsen, Forellen, Stören, Aalen) bleiben ganz
unfruchtbar. Da diese Exemplare besonders fett und wohlschmeckend sind,
so hat man die Fische auch, und zwar mit dem gewünschten Zuchterfolge,
kastriert.

Die +Neunaugen+ machen nach ihrem Ausschlüpfen aus dem Ei noch eine
lange dauernde Metamorphose durch[46]. Die Larven, Querder (früher
für eine besondere Art, _Ammocoetes branchialis_, gehalten) sind blind
und leben im Grunde der Bäche. Gegen den Herbst des vierten oder
fünften Jahres beginnt die Verwandlung in die Form der erwachsenen
Neunaugen, nach deren Ausbildung die Flussneunaugen, etwa 20 _cm_ lang,
in die See hinabwandern, von wo sie nach mehreren Jahren laichreif
zurückkehren, während die Bachneunaugen ihre Laichreife in ihren
Heimatsbächen erreichen können. Die Neunaugen laichen nur einmal in
ihrem Leben, nach dem Laichen sterben sie ab.

Bei den Stören und den meisten Knochenfischen sind die Eierstöcke
und Hoden[46] paarig vorhanden, bei den Perciden und Acanthopsiden
einfach. Die Hoden besitzen besondere Ausführungsgänge, welche sich
vereinigen und gemeinsam mit den Harnleitern hinter dem After münden.
Auch die +Eierstöcke+ besitzen meist Ausführungsgänge, welche nach
ihrer Vereinigung zwischen dem After und der dahinter liegenden
Harnöffnung nach aussen münden. Diese mit Ausführungsgängen versehenen
Eierstöcke sind im übrigen geschlossene Säcke, in deren Falten die
Eier sich entwickeln. Die Salmoniden, Acanthopsiden und der Aal haben
dagegen Eierstöcke, welche nur gefaltete Platten darstellen, aus denen
die Eier nach ihrer Reife in die Bauchhöhle fallen. Aus dieser treten
sie durch eine besondere Öffnung, welche die gewöhnliche Lage hat, ins
Freie. Bei den Salmoniden finden sich beiderseits vom After offene
oder nur durch Rudimente angedeutete sogenannte Abdominalporen, durch
welche die Bauchhöhle nach aussen mündet. +Huxley+[57] hält diese
Poren, ebenso wie ähnlich gelegene Spalten in der Leibeswand beim Stör,
für rudimentäre Eileiter, während +Weber+[58] sie für rudimentäre
Segmentalgänge erklärt (also den Mündungen der Segmentalorgane der
Anneliden entsprechend). Anderer Art als diese Mündungen der Bauchhöhle
sind die Öffnungen, welche beim Wels hinter den Brustflossen sich
finden und nicht in die Bauchhöhle, sondern in Taschen, die in der Haut
liegen, münden. Auch über die Bedeutung dieser Öffnungen weiss man
nichts Gewisses.

Die +Samenfäden+ der Fische bestehen aus einem meist rundlichen
Köpfchen, welches den Kern enthält, und einer fädlichen Geissel
von etwa 0.05 _mm_ Länge. Die Eier der einheimischen Fische sind
fast kugelig und mit mehreren Hautschichten umschlossen, welche von
zahlreichen Poren durchsetzt sind. An einer Stelle findet sich eine
etwas vertieft gelegene Verdünnung der Eihäute, die Mikropyle, durch
welche in der Regel der Samenfaden in das Ei tritt. Die Eier der
Salmoniden-Arten sind verhältnismässig gross, das Lachsei hat 5–7 _mm_
Durchmesser. Die übrigen Fischeier haben nur 1–3 _mm_ Durchmesser.

Die Ablage und +Befruchtung+ der Eier findet an dem Orte statt,
wo die Eier die ihnen zusagenden Entwickelungsbedingungen finden.
Die meisten Eier werden klebend, sobald sie in das Wasser kommen,
indem die äusserste Schicht der äusseren Eihaut, der _Zona radiata_,
entweder gleichmässig aufquillt oder beim Quellen in Zotten oder Fäden
zerreisst[59]. Auf diese Weise kleben die Eier an den Gegenständen
fest, auf die sie fallen, namentlich Pflanzen, Steine, Baumwurzeln,
Kies, je nach der Örtlichkeit, die die Fische zum Laichen aufsuchen.
Die Hechte, die am frühsten im Jahr laichen, legen ihren Laich auf
dem Grase überschwemmter Wiesen ab, die Cypriniden, die sich auf den
Laichplätzen in Scharen zusammenfinden, meist auf Wasserpflanzen,
andere auf Kiesbänken im strömenden Wasser oder am Abhang des
Ufergrundes der Seen. Die Coregonen lassen ihre Eier entweder in
die Wassertiefe sinken oder sie streuen sie an die auf Mergelboden
wachsenden Armleuchtergewächse, auf Ceratophyllum oder ähnliche starre
Wasserpflanzen. Häufig tritt bei manchen Arten nach dem Laichen eine
starke Sterblichkeit ein, z. B. bei den Maifischen.

Besondere Eigentümlichkeiten in ihren Laichverhältnissen zeigen
einige Fischarten, welche teils im Meer, teils im Süsswasser leben.
Dahin gehört namentlich der Aal[60]. Die Eierstöcke dieses Fisches
wurden zuerst von +Mondini+[61] entdeckt, später von +Rathke+[47]
von Neuem aufgefunden. Es sind zwei weisse, gekräuselte Bänder, die
sogenannten Manchettenorgane, welche zu beiden Seiten der Schwimmblase
von vorn bis hinten sich erstrecken. Betrachtet man ein Stückchen
dieser Bänder unter dem Mikroskop (bei 50–100facher Vergrösserung), so
sieht man ausser vielen ungleich grossen Fettzellen die durchsichtigen
runden Eier, jedes mit einem „Keimbläschen“ (dem Kern) im Innern.
Diese Eier sind zu mehreren Millionen in einem weiblichen Aal
enthalten, werden aber im Süsswasser nicht grösser als etwa ¼–⅓ _mm_
im Durchmesser. Da man männliche Individuen unter den Aalen lange
Zeit nicht fand, so hielt man die Aale für Zwitter. Man glaubte auch
die Hoden in Fettwulsten neben dem Ovar gefunden zu haben. Erst
+Syrski+[62] fand 1874, dass beim Aal die Geschlechter getrennt sind,
indem er in den männlichen Aalen die Hoden (Lappenorgane) nachwies. Man
weiss nun, dass die Aale in den süssen Gewässern meist Weibchen sind,
dass dieselben im fünften oder sechsten Lebensjahre in die See wandern,
dass sie im Brackwasser die Männchen finden und dass die ausgewachsenen
Individuen beider Geschlechter sodann in der Tiefe des Meeres
verschwinden, ohne wiederzukehren. Darüber hinaus ist unsere Kenntnis
von der Fortpflanzung der Aale noch nicht gekommen. Ein Versuch,
erwachsene Aale in grossen Fischkästen in der Ostsee laichreif werden
zu lassen, führte auch zu keinem Resultat[63]. Man nimmt daher
an, dass die Aale in der Tiefe des Meeres[LXXVI] (die der Ostsee in der
Nordsee) ähnlich den übrigen Fischen den Laich ablegen und befruchten,
und zwar im Winter, und dass sie dann absterben. Im Frühjahr kommen im
März oder April die jungen Aale in ungeheuren Massen als fingerlange,
schlanke, durchsichtige Tierchen an die Küsten, und ziehen an diesen
entlang in die Ströme und bis in deren kleinste Nebenwässer. Sie
wandern immer gegen die Strömung und nur nachts, besonders bei warmem
Wetter; am Tage halten sie sich an ruhigen Stellen, zwischen Kies,
unter Steinen, im Kraut auf. Sie wachsen während ihrer Wanderung.
Kommen sie an Mühlenwehre oder andere Stauwerke, so suchen sie
an schadhaften Stellen, an denen ein wenig Wasser herabrieselt,
aufzusteigen. Ihre klebrige Oberhaut und ihr gelenkiger, dünner Körper
begünstigt diese Kletterversuche, so dass ein Teil von ihnen in der
Regel die nicht zu hohen und nicht ganz festgeschlossenen Stauwerke zu
überwinden vermag. Erst die kalte Jahreszeit scheint ihren Wanderungen
ein Ziel zu setzen, doch hat man noch bei ein- und zweijährigen Aalen
Wanderungen gegen das strömende Wasser beobachtet.

  [LXXVI] +Fritsch+ nimmt an, dass die Laichstellen in der Gegend von
          Süsswasserquellen liegen, aus welchem Grunde, ist leider
          nicht gesagt[64].]

Ein anderer interessanter Wanderfisch ist der Lachs. Im allgemeinen
bewohnt er das Meer und steigt aus diesem in das Süsswasser auf,
um hier laichreif zu werden. Ausnahmsweise hat man gefunden, dass
Lachse auch im Meere laichreif geworden sind[65]. Anderseits haben
+Fritsch+[66] und +Metzger+[67] beobachtet, dass Lachsmilchner,
ohne das Süsswasser verlassen zu haben, schon im zweiten Herbst ihres
Lebens laichreif geworden sind und die Eier der in ihre Wohnbäche
aufgestiegenen Lachsrogner befruchtet haben. Doch sind beide Fälle
vermutlich nur Ausnahmen. Die Zeit des Eintritts in die Stromsysteme
ist sehr verschieden. In das kurische Haff (Memel) geht der Lachs im
Mai, in die in der Nähe der Weichsel in die Danziger Bucht mündende
Rheda steigt er am stärksten im Juli auf, während er in die Weichsel
selbst fast ausschliesslich im Herbst eintritt. In der untern Oder
findet sich der Lachs im August und September. Im Rhein[68]
unterscheidet man nach der Zeit ihres Auftretens und nach ihrem
Körperzustande den St. Jakobsalm, der in Holland um Jakobi (25. Juli)
in den Rhein tritt und etwa 1½ _k_ schwer und 40–50 _cm_ lang ist,
und den Wintersalm, der viel grösser und schwerer ist und um Mitte
September in Holland erscheint.

Die Geschlechtsorgane sind beim Eintritt in das Süsswasser noch wenig
entwickelt, der Eidurchmesser etwa 0.5 _mm_ gross, das Gewicht der
Geschlechtsorgane beträgt kaum 0.5 % des Körpergewichts, während
dieselben im reifen Zustande fast ein Viertel des Körpergewichtes
ausmachen. Im Süsswasser entwickeln sie sich allmählich und zwar
ausschliesslich auf Kosten der Rumpfmuskulatur, welche nicht nur
verhältnismässig ärmer an Fett und Eiweissstoffen wird, sondern auch
an absolutem Gewicht stark abnimmt, weil der Lachs im Süsswasser keine
Nahrung aufnimmt[69], sondern ganz auf Kosten seiner im Meere gut
genährten Organe sein Leben fristet. Das Fleisch der im Süsswasser sich
so entwickelnden Fische wird daher immer schlechter und verliert seine
rote Farbe. Gleichzeitig treten sekundäre Geschlechtscharaktere auf.
Die Haut verdickt sich namentlich am Kopfe und Rücken schwartenartig
und wird dunkler, die Männchen bekommen rote Flecken an den Seiten,
namentlich auf den Kiemendeckeln, an der Spitze ihres Unterkiefers
entwickelt sich ein knorpeliger Haken, der bei grösseren Tieren so
stark wird, dass er das Schliessen des Maules hindert. Endlich, bei den
im Herbst ins Süsswasser gelangten Fischen, meist erst im Herbst des
folgenden Jahres, tritt die völlige Laichreife ein. Die Fische suchen
nun, wie +Fritsch+[70] schildert, die seichten Stellen der Bäche auf,
am liebsten oberhalb stärkerer Strömungen, dort wo das Wasser sich zu
brechen anfängt. Hier wirft das Weibchen durch Schwanzbewegungen die
Kiesel des Bachgrundes zur Seite und stellt dadurch eine seichte Grube
her, die Laichgrube. Nach einiger Zeit stellen sich bei der Laichgrube
täglich morgens und abends das Weibchen und ein oder mehrere Männchen
ein. Sie liegen oft still in den Laichgruben, so dicht neben einander,
dass man Männchen und Weibchen mit dem (gabelförmigen) Fischspeer
zugleich spiessen kann. Beim Laichgeschäft streicht das Weibchen, indem
es den Bauch auf dem Grunde der Grube reibt, die Eier ab; das Männchen
steht etwa 1 _m_ stromaufwärts und lässt die Milch in das Wasser, die
Milch strömt zu den Eiern und bewirkt die Befruchtung. So setzen sie es
mehrere Wochen lang fort, wenn sie nicht gestört werden.

Nach dem Laichen, in Böhmen beim Fallen des ersten Schnees,
verschwindet der Laichlachs. Er ist dann ganz abgemagert, mit schlaffem
Körper, und völlig kraftlos und wird, wenn er nicht abstirbt, von
der Strömung abwärts zum Meere getragen. Nach +Miescher+ kommt der
männliche Lachs in der Regel zwei- bis dreimal in mehrjährigen
Zwischenräumen, der weibliche ein- bis zweimal zur Laiche in den Rhein.
Unter den kleinen Jakobsalmen sind wenige Weibchen zu finden; man
schliesst daraus, dass die Weibchen oft erst später reif werden, als
die Männchen.

Die aus den Eiern schlüpfenden Lachse werden als Salmlinge bezeichnet.
Sie halten sich in der Regel nur bis zum nächsten Hochwasser in dem
Bach, in dem sie geboren sind, auf, und gehen mit dem Hochwasser als
etwa handlange Fische in das Meer hinab. So lange sie in den Bächen
bleiben, leben sie hier ähnlich wie die verwandten Salmoarten, sind
aber nicht so lichtscheu, wie die Forellen, sondern stehen gern im
fliessenden Wasser gegen die Strömung gerichtet.

Die Forellen haben ähnliche Laichverhältnisse wie die Lachse. Die
Meerforellen und Seeforellen wandern zur Laichzeit stromaufwärts,
letztere gegebenen Falles auch stromabwärts, um in geeigneten Bächen
auf Kies- oder Sandgrund zu laichen.

Alle einheimischen Salmoniden mit Ausnahme des Stint, des Huchen und
der Aesche, laichen im Herbst oder Winter, und die Jungen schlüpfen
erst im Beginn des Frühjahres aus den Eiern. Diese bleiben also
monatelang unausgebrütet, ohne jeden Schutz, der Vernichtung durch
zahlreiche tierische Feinde, durch Wasserschimmel, durch die Abwässer
der Fabriken ausgesetzt.

Um diese als Delikatesse gesuchten Edelfische nun vor der Ausrottung
zu bewahren, hat man sich in grossem Massstabe und mit viel Erfolg
eines Hilfsmittels bedient, welches ihnen den Kampf ums Dasein mit den
übrigen Wassertieren erheblich erleichtert, der sogenannten künstlichen
Fischzucht[71], durch welche nicht nur die Vermehrung der Salmoniden
in den deutschen Seen, Flüssen und Meeren, sondern auch die vieler
anderer Fische in stehenden und fliessenden Gewässern, sowie die
Übertragung von Fischarten in neue, von ihnen nicht bewohnte Gewässer
in zahlreichen Fällen erzielt ist.

Unter „künstlicher Fischzucht“ versteht man zunächst die Befruchtung
und Erbrütung von Fischeiern unter Zuthun des Menschen. Ein Detmolder
Landwirt, +Jakobi+, erfand diese Methode in der Mitte des vorigen
Jahrhunderts, doch wurde sie wegen der mühsamen Bedienung des im
Bache stehenden Brutkastens selten angewendet. In Norwegen, Russland,
namentlich aber in Frankreich wurden später ähnliche Verfahren
entdeckt. Professor +Coste+ in Paris interessierte sich dafür, und
auf seine Veranlassung wurde 1852 von der französischen Regierung die
Brutanstalt in Hüningen bei St. Ludwig im Elsass gegründet, welche
1871 vom Deutschen Reiche übernommen wurde. Von Deutschen ist zuerst
in München ein Bruthaus für künstliche Fischerbrütung angelegt.
Inzwischen ist die Methode besonders in Amerika, in neuerer Zeit auch
in Deutschland weitergebildet und sehr vervollkommnet worden[72], und
jetzt zählen die Anstalten für künstliche Fischzucht in Deutschland
nach hunderten.

Zur künstlichen Befruchtung werden die Eier des reifen Weibchens,
welche lose im Ovar, bezw. in der Bauchhöhle liegen, durch gelindes
Streichen herausgedrückt und in einer Schale aufgefangen, eine kleine
Menge Samen, welcher in gleicher Weise aus den Hoden eines Männchens
herausgestrichen ist, wird auf die Eier gebracht und durch vorsichtiges
Umrühren zwischen die Eier verteilt, Wasser hinzugegossen und dann
die Schale mit ihrem Inhalt für kurze Zeit sich selbst überlassen.
Die Samenfäden fangen ihre Schwärm- und Bohrbewegungen an, sobald sie
mit dem Wasser in Berührung kommen. Die Eier vieler Fische schwellen
durch Wasseraufnahme auf und saugen dabei gewissermassen die Samenfäden
in sich ein. Auf diese Weise werden alle reifen Eier, die sich in der
Schale befinden, befruchtet (während bei der Laichablage in der freien
Natur eine grosse Menge der abgesetzten Eier unbefruchtet bleibt) und
sind dann entwicklungsfähig. Sie können jetzt sofort in die freien
Gewässer gebracht und dort an geeigneten Stellen, d. h. an solchen,
an welchen die Fische ihrer Art laichen würden, ausgesetzt werden.
Allein der Fischlaich ist im Freien unzähligen Gefahren ausgesetzt.
Fast alle Wassertiere, welche ihn bewältigen können, stellen ihm
nach, ungünstige Witterung tötet ihn, Wellenschlag wirft ihn auf das
Land. Deshalb ist es besser, ihn so lange als möglich unter Obhut zu
behalten, ihn künstlich zu erbrüten. Man bringt ihn in Brutapparate.
Die +Brutapparate+ sind fast durchgehends so eingerichtet, dass in
ihnen die Eier von fliessendem, klarem, reinem, aber sauerstoffreichem
und gleichmässig kühlem Wasser bespült werden. In +Jakobis+ Brutkiste
lagen sie auf Kies, die Kiste hatte auf den Schmalseiten Gitter und war
so in einen Bach gestellt, dass das Wasser durch die Gitter über die
Eier floss. +Coste+ legte die Eier auf einen Glasrost, der in einem
Gefäss stand. Solche Gefässe stellte er staffelförmig über einander, so
dass das Wasser, das in das höchststehende geleitet war, aus diesem in
das nächst tiefere floss etc. Später wandte man Siebe aus Metall oder
Thon an. Die Amerikaner scheinen zuerst Drahtgeflechte zur Aufnahme
der Eier angewandt zu haben. Dies ist jetzt die übliche Unterlage.
Man lässt das Wasser entweder seitlich an den Eiern vorbeifliessen,
oder man richtet die Apparate so ein, dass das Wasser von unten her
durch die Unterlage und dann durch die Eierschichten strömt, wodurch
das Wasser am besten ausgenutzt wird. In anderen Apparaten werden
die Eier nicht ruhend, sondern schwebend ausgebrütet, indem in das
kelchförmige oder cylinderförmige Brutgefäss ein kräftiger Wasserstrahl
von unten her eingeleitet wird, welcher die Eier in die Höhe trägt;
nach oben hin verteilt sich der Wasserstrom und verliert an Kraft, die
Eier geraten in das ruhigere Wasser an den Gefässwänden, sinken hier
durch ihre Eigenschwere hinab und werden von dem Wasserstrom unten
sofort in erneutem Spiel in die Höhe getrieben[73]. Diese Apparate
sind besonders für kleinere Eier, wie die der Hechte und Coregonen,
geeignet. Sie haben unter anderem den besondern Vorteil, dass die
abgestorbenen Eier, welche etwas leichter werden als die lebenden,
sich von den letzteren absondern und bei etwas verstärktem Strome von
selbst mit dem durchgeleiteten Wasser abschwimmen können. Man nennt sie
deshalb Selbstausleser.

Eine dritte Methode ist die Erbrütung in Eisschränken, in welchen
die Eier nur von dem tropfenweise herabrinnenden Schmelzwasser des
über ihnen angebrachten Eises feucht und kühl gehalten werden. Diese
Eisbrutschränke dienen auch zum Transport von Eiern, welche wochenlang
unterwegs sein müssen. Man hat in ihnen die Eier fremder Fischarten
über die Ozeane in neue Gebiete, selbst über den Äquator hinaus,
eingeführt, z. B. den Lachs der nördlichen Hemisphäre in australische
Gewässer.

Leider ist die Methode der künstlichen Befruchtung und Erbrütung nur
bei einer beschränkten Zahl von Fischarten praktisch anwendbar. Der
erste Mangel, den diese Methode hat, liegt in der Notwendigkeit,
dass die Laichfische in dem gerade zur Befruchtung geeigneten
Laichreifestadium zur Hand sein müssen. Einige Fische können dieses
Stadium in der Gefangenschaft erreichen. Viele andere aber werden,
auch kurz vor der Laichreife eingefangen, in engen Behältern nicht
laichreif. Bei anderen Fischarten (Karpfen, Bressen, Stör und den
meisten anderen Sommerlaichern) quillt, wie oben erwähnt, die Eihaut
bei der Berührung mit Wasser zu einer klebrigen Substanz auf; diese
Eier ballen sich zu zähen Klumpen zusammen, wenn sie abgestrichen sind,
so dass die Zuführung von Wasser und Sauerstoff zu den im Innern des
Klumpens gelegenen Eiern und dadurch ihre Erbrütung unmöglich gemacht
wird. Man kann diese Eier indessen unmittelbar nach der Befruchtung
auf Wacholder, Moos oder Wasserkräuter vorsichtig in dünner Schicht
verteilen und sie in flachen Körben in stillem, warmem Wasser ausbrüten
lassen; die Jungen schlüpfen dann nach einigen Tagen aus und gelangen
durch die Korböffnungen in das Gewässer, in dem der Korb steht, worin
sie, wenn das Gewässer fischleer ist, so lange aufwachsen, als sie
Nahrung finden.

Die Eier der meisten Salmoniden sind sehr geeignet zur künstlichen
Erbrütung. Forellen und Lachse werden in Behältern reif, und ihre Eier
sowie die der Coregonen und Aeschen kleben nur wenig. Gerade diese
Salmoniden bedürfen aber auch des besondern Schutzes in hohem Masse.
Ihre Laichzeit fällt, bis auf die der Aesche, in den Herbst und den
Winter, die Entwickelungsdauer der Eier ist eine sehr lange, und die
Eier sind gross und oft lebhaft gefärbt. Dabei ist die Zahl der Eier,
welche die Salmoniden produzieren, nicht so bedeutend, wie die vieler
im Sommer laichender Fische. Deshalb ist es nötig, den Laich dieser
Edelfische so gut als möglich zu schützen und ihn künstlich befruchtet
in Bruthäusern ausschlüpfen zu lassen.

Wie auf die meisten anderen Lebensverhältnisse der Fische, so ist
auch auf die Länge der Entwickelungszeit der Eier die Wasserwärme
von grösstem Einfluss. Je kälter das erbrütende Wasser ist, um
so längere Zeit muss es auf die Eier einwirken, bevor dieselben
ausschlüpfen[LXXVII]. Die Eier vieler Sommerlaicher vertragen dabei nur
schlecht die Kühle und sterben im Freien oft ab, wenn das Wasser auf
die Dauer kalt bleibt. Die Eier der Salmoniden dagegen vertragen
kaltes Wasser sehr gut, am kräftigsten entwickeln sich die Fische
aus Eiern, die in eiskaltem Wasser gebrütet sind. Man unterscheidet
während der Brütung der Salmoniden-Eier zwei Hauptperioden. Die erste
reicht von der Befruchtung bis zum Sichtbarwerden der schwarzen
Augenpupillen des Embryo, und dauert für Lachse und Forellen bei einer
Durchschnittstemperatur des Wassers von 5° _C._ etwa 3½ Monate; die
zweite umfasst die Zeit bis zum Ausschlüpfen, sie dauert bei Lachs und
Forelle etwa 2 Monate bei der angeführten Wassertemperatur[74].
Die Eier der Coregonen haben eine kürzere Entwickelungsdauer. In
der zweiten Entwickelungsperiode sind alle Salmoniden-Eier ziemlich
widerstandsfähig; sie können dann, kühlgehalten, auf weiche Unterlage
gebettet und mit dieser fest verpackt, weithin versandt werden und
wochenlange, im Eisschranke sogar monatelange Reisen überdauern. Nach
dem Ausschlüpfen schwärmen die jungen Coregonen wie die Brut der
meisten anderen Fische sogleich frei umher, obwohl die Brustflossen
noch gar nicht und die Bauchflossen erst als Stummel entwickelt
sind. Die Brut der Forellen und Lachse dagegen ist mit einem grossen
Dottersäckchen beschwert, das ihr am Bauche hängt und bei den
Schwimmbewegungen anfangs hinderlich ist, weshalb diese Tierchen in
den ersten Wochen, ohne sich viel zu bewegen, am Boden der Brutgefässe
liegen. Erst wenn der Dottervorrat eingesogen ist, haben auch sie freie
Beweglichkeit erlangt. Dann ist es Zeit, sie in die freien Gewässer zu
bringen.

  [LXXVII] Man muss aus den Resultaten der Untersuchungen von +Barfurth+
           (Jahresbericht des Rheinischen Fischereivereins 1888)
           allerdings schliessen, dass die Entwickelungsdauer der
           Salmoniden nicht genau in dem Verhältnis verkürzt wird,
           in welchem man die Wassertemperatur erhöht, dass vielmehr
           die Eier in wärmerem Wasser mehr Wärme verbrauchen als in
           kälterem Wasser.]

Die Erfolge, welche bis jetzt durch die künstliche Fischzucht erzielt
sind, sind recht erhebliche. Zunächst ist mit ihrer Hilfe der Bestand
an Lachsen nachweisbar vermehrt worden. Der +Lachs+ hat seines hohen
Preises wegen und weil er verhältnismässig sicher zu fangen ist, grosse
Bedeutung für die Fischerei, und zwar sowohl für die Binnenfischerei
als auch für die Meeresfischerei (wenigstens in der Ostsee). Seit 1879
hat sich nach der holländischen Verkaufsstatistik[75] der Ertrag des
Lachsfanges in den Rheinmündungen etwa verdoppelt, und diese günstige
Änderung wird mit Recht auf die Aussetzung zahlreicher Brutmengen in
die Nebenbäche des Rheins zurückgeführt. Ebenso ist der Lachsbestand
in der Ems und der Weser, in denen er sehr zurückgegangen war, allem
Anschein nach wieder durch Bruteinsetzungen gehoben worden. In der
Elbe ist der Lachsbestand besonders durch künstliche Lachszucht in
Böhmen vermehrt worden. Im Odergebiet liegen die Laichplätze der
Lachse in einigen Nebenflüsschen der Netze, der Drage und der Küddow,
wahrscheinlich, weil den Lachsen der Zutritt zu den Quellgebieten
der Oder in Schlesien durch die grossen Wehre bei Breslau seit
langen Zeiten abgeschnitten ist, und an diesen Wehren leider noch
keine Fischwege angebracht sind. In der Weichselmündung hat sich der
Lachsfang infolge der Brutaussetzung in Galizien und Westpreussen
ebenfalls deutlich vermehrt.

Ein dem Lachs nach Körperform, Grösse und Lebensweise sehr ähnlicher
Fisch ist die +Meerforelle+. Auch mit ihr sind durch künstliche
Fischzucht, namentlich in den holsteinischen Auen, vorzügliche
Resultate erzielt worden.

Die stärkste Vermehrung durch künstliche Fischzucht dürfte der
+Bachforelle+ zu teil werden, von der alljährlich mehrere Millionen
künstlich erbrüteter Jungfische zur Besetzung von Zuchtbächen und
Teichen benutzt werden, um als 2–3jährige Fische zum Verbrauch
ausgefischt zu werden.

Wie oben auseinandergesetzt ist, gelingt es nicht bei allen Fischen,
den Laich zur künstlichen Erbrütung zu verwenden. Wo dies unbequem
oder unmöglich ist, ist man für die geschützte Vermehrung der Fische
darauf angewiesen, die Fische das Laichgeschäft auf natürliche Weise
in ablassbaren Bassins, Teichen oder ähnlichen Behältern, deren Inhalt
man in seiner Gewalt hat, vollziehen zu lassen und die gewonnene
Fischbrut in geeignetem Alter wie die durch künstliche Erbrütung
gewonnene zu verwenden. Die +Teichzucht+ gehört deshalb auch zur
künstlichen Fischzucht, und um so mehr, als die künstlich erbrüteten
Fische zweckmässigerweise zuerst einen Sommer über in einem Teich oder
einem ablassbaren Graben gezogen und erst, wenn sie hier zu kräftigen
Fischchen herangewachsen sind, in die freien Gewässer übertragen werden.

Besonders häufig wird der +Karpfen+ in Teichen gezogen[76]. Am
geeignetsten für die Karpfenzucht sind flache Teiche. Da aber die
Karpfen in diesen im Winter unter dem Eise leicht ersticken, so
nimmt man sie im Herbst aus solchen Teichen in der Regel heraus und
bringt sie in kleine, tiefe, durchströmte Teiche (Winterheller).
Da eine gleiche Zahl Karpfen je nach ihrem Alter und ihrer Grösse
mehr oder minder grosse Teichflächen beansprucht, so setzt man die
einzelnen Jahrgänge in besondere Teiche zusammen, deren Grösse ihrem
Nahrungsbedürfnis entspricht. Die für das Ablaichen und die erste
Entwickelung der Brut bestimmten Teiche heissen Streichteiche. Aus
ihnen überträgt man die Jungen in die sogenannten Streckteiche, wo
sie 1–2 Jahre aufwachsen, bis sie zur Erreichung der Grösse, in der
sie verkauft werden (meist 1–1¼ Kilo schwer), in die sogenannten
Abwachsteiche kommen, in denen man ihnen meist kleine Raubfische
(Hechte, Zander, Forellen) beigiebt, damit die etwa von frühreifen
Karpfen erzeugte Brut sogleich beseitigt wird und nicht den zum
Auswachsen bestimmten Karpfen das Futter schmälert. Man nimmt an,
dass die Fische um so wohlschmeckender sind, je rascher sie gewachsen
sind. Aus diesem Grunde und weil ein rasches Wachstum, ein möglichst
gründliches Ausnützen des vorhandenen Futters für den Züchter offenbar
von Vorteil ist, bemüht man sich, möglichst schnellwüchsige Karpfen zur
Zucht zu nehmen. Man erreicht dies einerseits dadurch, dass man nur
die am besten gewachsenen unter den zur Laichreife gelangten Karpfen
in die Streichteiche nimmt, anderseits, indem man die Karpfenbrut
schon im ersten Sommer ihres Lebens durch reichliche Nahrung und
Schutz vor Feinden zu kräftigen Tieren erzieht. Ein Verfahren, um
dies zu erreichen, ist von dem schlesischen Fischzüchter +Dubisch+
erfunden. Man nimmt danach die Karpfenbrut schon acht Tage nach
ihrem Ausschlüpfen mit Gazenetzen aus dem Teich und bringt sie in
andere Teiche, so dass etwa 25000 auf den Hektar Teichfläche kommen.
Schon nach vier Wochen fängt man sie abermals heraus und überträgt
sie in andere Teiche, so dass nur 1000 Stück im Hektar enthalten
sind. Im zweiten Frühjahr bringt man sie in eine dritte Klasse von
Streckteichen, in welchen nur 500 im Hektar sich befinden. Endlich im
dritten Frühjahr bringt man sie in Abwachsteiche und setzt in diesen
auf den Hektar 200 Karpfen. Man erzielt auf diese Weise pro Hektar
Teichfläche etwa 120 Karpfen von etwas über 1 Kilo Schwere, was einem
jährlichen Ertrag von etwa 162 Mark aus jedem Hektar entspricht.

Mit Hilfe der künstlichen Erbrütung von Eiern und der durch das
Dubisch-Verfahren vervollkommneten Teichwirtschaft hat man auch eine
Anzahl ausländischer Fischarten in Deutschland eingeführt, die man
zwar noch nicht gut als der deutschen Fauna angehörig betrachten kann,
die aber teilweise doch einmal eine Rolle in unserer Tierwelt werden
spielen können.

Man sollte bezüglich der Einführung neuer Fischarten sein Augenmerk
zunächst auf die Gegend wenden, von wo die meisten unserer
einheimischen Fischarten herstammen, nach Osteuropa und Nordasien,
da die Fische dieser Gegenden sich ohne Zweifel in ähnlichen
Lebensverhältnissen befinden, wie unsere einheimischen. Man hat aus
dieser Gegend den Sterlett in die norddeutschen Ströme einzuführen
versucht; leider sind die Fische bezw. Eier auf dem Transport meist zu
Grunde gegangen, wahrscheinlich nur infolge von Zufälligkeiten.

Am leichtesten gelingt der Transport der sich langsam entwickelnden
Eier der Salmoniden. Man hat in dieser Form nicht nur europäische
Lachse und Forellen nach Tasmanien und Neuseeland[77], Forellen und
Maränen[78] nach Amerika gebracht, sondern auch eine ganze Anzahl
von Salmoniden Amerikas in Deutschland eingeführt[79]. Von diesen
sind der Bachsaibling (_Salmo fontinalis_ Gemminger) aus den Bächen
Nordamerikas und die Regenbogenforelle (_Salmo irideus_, Livingston
Stone) aus dem Höhenlande Kaliforniens weit verbreitet und, der
erstere in rasch fliessenden Bächen, die selbst der Forelle zu
reissend sind, die letztere auch in Teichen, vortrefflich gediehen.
Auch einige amerikanische Sommerlaicher sind durch die Bemühungen
des Fischzüchters +M. von dem Borne+ in Deutschland verbreitet. Es
sind dies der Schwarzbarsch (_Grystes nigricans_ Günther) und der
Forellenbarsch (_Grystes salmoides_ Gü.), zwei Fische der Barben- und
Bleiregion, denen ein vorzüglich feines Fleisch zugeschrieben wird und
die bezüglich ihrer Lebensbedingungen, wenigstens was die Reinheit
des Wassers betrifft, anspruchsloser als die feineren einheimischen
Tafelfische sind[80], -- ferner, erst neuerdings eingeführt, der
Steinbarsch, _Centrarchus aeneus_ C., aus dem Mississippi[81], und der
Zwergwels, _Amiurus catus_ Jord. u. Gilb., aus den flacheren Gewässern
dieses Gebietes[82].

Auch innerhalb unseres Gebietes haben mehrere Fischarten mit Hilfe der
Fischzucht oder der aus derselben gezogenen Erfahrungen eine weitere
Verbreitung erhalten, als ihnen von Natur zukommt. Dahin gehört der
Karpfen, der seit alter Zeit in ganz Deutschland gezüchtet wird, und
der Zander, welcher in die Gebiete des Rheins, der Ems und der Weser,
sowie in zahlreiche norddeutsche Seen, in denen er bisher fehlte,
künstlich eingeführt ist.

Vorzügliche Resultate sind mit der Verbreitung der +Aalbrut+ erreicht
worden, die in den Mündungen des Po und der Flüsse der französischen
Ozeanküste in Menge gefangen wird. Direktor +Haack+ bringt jährlich
grosse Massen davon nach Hüningen, von wo die jungen Tiere in feuchtes
Kraut verpackt bequem mit der Post versendet werden. Zahlreiche
Gewässer, welche die Aalbrut auf ihrer Wanderung nicht aufsuchen kann,
sind auf diese Weise mit Aalen bevölkert worden. Auch ist ein gross
angelegter Versuch gemacht worden, das Donaugebiet, das wie alle
Flussgebiete des Schwarzen Meeres den Aal bisher nicht besass, mit
diesem Fisch zu besetzen. Zahlreiche junge Aale sind in dem oberen
Donaugebiet ausgesetzt worden und die Tiere wuchsen dort gut auf. Der
grösste Teil der eingesetzten Brut bestand indessen aus Weibchen. Um
die Fortpflanzung zu sichern, wurde daher eine grosse Zahl erwachsener
Aalmännchen aus der Nordsee in das Schwarze Meer gebracht. Man hofft
dadurch den Fortbestand der Aale im Gebiete des Schwarzen Meeres
gesichert zu haben.

Auf die Entwickelung der Fische im Ei kann hier des Raummangels wegen
nicht eingegangen werden[83].

Einige Fische behüten ihre Eier und Jungen eifrig vor den
Nachstellungen der Feinde, so der Zander, der Schwarzbarsch, der
Stichling, der die Eier in ein Nest aus Pflanzen legt, das mit aus
den Harnkanälen stammenden Schleimfäden[84] befestigt ist, der
Kaulkopf, der ebenfalls ein Nest im Bachgrunde bereitet, und zwar sind
es meist die Männchen, welche Wache halten und selbst die Weibchen den
abgelegten Eiern nicht nahekommen lassen. Der weibliche Bitterling
legt seine Eier mit Hilfe seiner langen Legeröhre in die Kiemenräume
der Teichmuscheln (Unioniden), wo sie bis zum Ausschlüpfen geschützt
bleiben (während anderseits die Teichmuscheln bekanntlich ihre
Larvenzeit als Hautparasiten der Fische und anderer Wasserwirbeltiere
zubringen).

Werden die Fische an der Laichablage verhindert, so werden die
Geschlechtsprodukte resorbiert, oft unter Krankheitserscheinungen[85].

Wenige Worte seien noch dem Nervensystem und den Sinnesorganen der
Fische gewidmet.

Das +Gehirn+[86] liegt in der Schädelkapsel unter einer dicken
Fetthülle, es ist im Verhältnis zur Körpermasse und zu den übrigen
Teilen des Nervensystems klein. Auffallend ist, dass für das Grosshirn,
an welches bei den höheren Wirbeltieren Bewusstsein und Wille gebunden
erscheinen, bei dem Fisch noch gar keine bestimmte Funktion hat
nachgewiesen werden können[87]. Döbeln, deren Grosshirn herausgenommen
war, zeigten in keiner Weise eine Abweichung ihrer Lebensthätigkeiten.

Das +Auge+[88] wird von der Körperhaut überzogen, welche an
dieser Stelle völlig durchsichtig ist. Die darunter liegende Hornhaut
(_Cornea_) ist sehr flach, die Linse dagegen fast kugelrund. Die Fische
gelten deshalb für kurzsichtig; für den Hecht ist eine Sehweite von
etwa 65 _cm_ nachgewiesen worden[89]. Die Regenbogenhaut (_Iris_)
ist metallglänzend infolge der Einlagerung von Glanzkörperchen, wie
sie auch sonst den Glanz der Fische verursachen. Übrigens ist die
Regenbogenhaut nicht kontraktil, wie bei den höheren Wirbeltieren.
Eigentümliche Bildungen des Fischauges sind die sogenannte _Glandula
chorioidea_, ein in der Nähe des Eintritts des Sehnervs liegender,
an Blutgefässcapillaren reicher Körper, und eine zweite Falte der
Gefässhaut (_Chorioidea_) des Auges, welche die Nervenhaut (_Retina_)
des Auges durchsetzt und an der Linse mit einer Verdickung, der
_Campanula Halleri_, endet.

Das +Hörorgan+ der Fische[90] liegt seitlich vom Gehirn im Grunde
des Schädels in der Nähe des Hinterendes desselben, oft in einer
besonderen Ausbuchtung des Schädels. Ein äusseres Ohr kommt bei den
Fischen nicht vor. Das Hörorgan besteht aus mehreren häutigen Teilen,
nämlich dem Säckchen (_Sacculus_), das eine Ausstülpung zeigt, die der
Schnecke der höheren Wirbeltiere entspricht und einen oder mehrere
Gehörsteine (Otolithen) von zahnschmelzartiger Substanz enthält,
und dem _Utriculus_ oder _Alveus communis_, an welchem sich bei den
Neunaugen zwei, bei den übrigen Fischen drei „halbzirkelförmige Kanäle“
befinden, die zuweilen in Erweiterungen ebenfalls Otolithen enthalten.
Im _Sacculus_ endigen die Nervenfasern des Hörnervs in Sinneszellen,
welche am äusseren Ende je eine kleine starre Borste tragen. Ähnliche
in Haare ausgehende Sinneszellen finden sich auch in den sogenannten
+Seitenorganen+. An den Seiten der Fische, mit Ausnahme der Neunaugen,
findet sich nämlich eine Reihe von Poren, welche die Schuppen
durchsetzen und die „Seitenlinie“ bilden. Sie führen in Kanäle, welche
unter der Haut liegen. In diesen Kanälen[91] liegen im Grunde von
Vertiefungen kleine Erhebungen, welche aus ebensolchen Sinneszellen
bestehen, wie sie sich in dem Cortischen Organ des Hörapparates
finden. Man nimmt daher an, dass diese Organe, welche keinem der
Sinne der höheren Wirbeltiere entsprechen, eine ähnliche Funktion
haben wie das Hörorgan, indem die Seitenorgane zwar nicht die kurzen,
rasch verlaufenden Schallwellen, aber andere Druckwirkungen, wie die
Bewegungen anderer Körper im Wasser, empfinden sollen.

Schon bei Erwähnung der Schwimmblase ist hervorgehoben worden, dass
diese mit Luft prall gefüllte Blase bei den meisten unserer Fische
mit dem Gehörorgan in Verbindung steht. Diese Verbindung wird bei den
Perciden und Clupeiden dadurch hergestellt, dass Verlängerungen der
Schwimmblase dicht an den _Utriculus_ herantreten, bei den Cypriniden
und dem Wels durch eine Reihe von kleinen Knochen, deren Reihe
einerseits die Schwimmblase, anderseits einen Verbindungskanal der
_Vestibula_ beider Seiten berührt. Auf diese Weise dient gewissermassen
der ganze Mittelkörper, soweit in ihm die Schwimmblase liegt, als
eine Art äusseren Ohrs. Die Prallheit und Elastizität, welche die
Schwimmblase dem Fischkörper giebt, mag auch zur Folge haben, dass die
Druckwahrnehmungen der Seitenorgane deutlicher empfunden werden.

Die einander verwandten Empfindungen des Geschmacks und des Geruches
werden bei den meisten Fischen anscheinend nur durch ein Sinnesorgan,
das der Nase der höheren Wirbeltiere entspricht, wahrgenommen. Indessen
kann man, wie +J. Müller+ hervorgehoben hat, deshalb den Geruch der
Fische mit dem Geschmack derselben nicht identifizieren, wiewohl die
Geruchsstoffe im Wasser gelöst sind, denn auch bei den Luftwirbeltieren
muss sich der Geruchsstoff erst im Wasser der Nasenschleimhaut lösen,
um empfunden zu werden. Besondere Geschmacksorgane hat +F. E. Schulze+
in der Mundhöhle einiger Cypriniden entdeckt, wie schon bei der
Beschreibung dieses Körperteils erwähnt ist. Das Geruchsorgan[92] kommt
allen Fischen zu, es ist bei den Neunaugen einfach, bei den anderen
Fischen doppelt vorhanden. Es liegt jederseits zwischen den Augen
und dem Mund in einem längeren oder kürzeren Hautkanal, welcher am
Vorderende oft in eine häutige Röhre verlängert ist, die geschlossen
und geöffnet werden kann, sodass es im Belieben des Fisches liegt,
während des Schwimmens einen Wasserstrom durch das Organ gehen zu
lassen und mittels desselben zu prüfen, oder dasselbe ruhen zu lassen.
Das Geruchsorgan selbst ist eine regelmässig gefaltete Schleimhaut, in
welcher die Sinneszellen liegen[93].

Das Tastgefühl scheint mehr oder minder um den Mund konzentriert zu
sein, wo sich bei vielen Fischen längere oder kürzere „Barteln“,
Tastfäden, befinden, wie bei Aalquappe, Wels, Karpfen, Barbe,
Gründling, Schleihe, den Acanthopsiden und Stören.

Die Sinnesorgane, die in vielen Punkten von denen der Landwirbeltiere
verschieden sind und in ihrer Funktionsweise dem Wasserleben
entsprechen, leiten den Fisch zu den Stätten im Wasser, deren er
jeweilen bedarf. In der Hauptnährzeit, im Sommer, verteilen sich die
Süsswasserfische fast stets weit in den Gewässern, jeden zugänglichen
Winkel nach der ihnen geeigneten Nahrung durchsuchend. In zwei
Zeitperioden sind die Fische dagegen wählerisch in ihrem Aufenthalt:
zur Laichzeit und zur Zeit des herabgeminderten Nahrungstriebes, im
Winter. Zur Laichzeit suchen sie die für die Entwickelung der Eier
und der ausgeschlüpften jungen Brut geeignetsten Wassergegenden auf,
Kiesberge, Pflanzenrasen, Röhricht, schwimmendes Pflanzengewirr,
überströmte Kiesbänke u. s. w. Im Winter ziehen sie sich an
geschützte Stellen, meist in die Tiefe des Wassers, zurück. Einige
Arten scheinen sich in den weichen Grund einzuwühlen, besonders in
flacheren Gewässern, welche bis in die Nähe des Grundes gefrieren.
Andere Arten suchen reinen, schlammfreien Grund, Sandflächen, auf
(Bressen, Karpfen), oder sie halten sich an der Oberfläche des offenen
Wassers und stehen auch unter dem Eise hoch über dem Grunde (Uklei).
Nicht nur die Friedfische, auch die Raubfische, namentlich die
jüngeren Generationen, suchen geeignete Stellen zur Überwinterung auf
(Barsch, Wels).[94] Da nun die besonderen Bedürfnisse der Art in weiten
Wasserstrecken oft nur an wenigen Stellen erfüllt sind, so sammeln
sich an diesen Stellen die Fische einer Art in grossen Scharen. Die
Laichzeit und die Zeit der Winterruhe sind daher für die praktische
Fischerei von Bedeutung, da man die Fische dann verhältnismässig
leicht in Menge mit Netzen umstellen und fangen kann. Die Erhaltung
der Fischart erfordert es allerdings, dass die laichenden Fische weder
gefangen, noch auch nur gestört werden, und dass man den Massenfang
auf den Winter beschränkt, eine Forderung, welcher der Fischer, im
Gegensatze zum Fischzüchter, nicht immer gern nachkommt.

Ohne Zweifel ist es der wissenschaftlichen Fischkunde vorbehalten,
unterstützt von einer gründlichen Kenntnis der Natur der Gewässer und
aller ihrer Bewohner, die nur scheinbar entgegengesetzten Bestrebungen
der Fischzüchter und der Fischfänger zu vereinigen und unter Förderung
rationeller Fangmethoden sowohl wie der Fischzucht die Grundsätze
einerseits einer zweckmässigen Fischereigesetzgebung, anderseits der
praktischen Verwertung der Gewässer durch Fischzucht völlig sicher
und unangreifbar zu ermitteln. Bis jetzt liegen Theorie und Praxis
der Fischerei noch sehr im Argen; die Fangmethoden sowohl wie die
Gesetzesvorschriften „schleppen von Geschlecht sich zu Geschlechte“,
während andere Zweige der Wasserverwertung, namentlich die der
Landwirtschaft und der Industrie, mächtig vorwärtsgeschritten sind und
der Fischerei kaum das Dasein gönnen.


Litteratur.

[7] =Ringer= in: Journ. of Physiology, Bd. 5 S. 98.

[8] =K. Moebius= und =F. Heincke=, Die Fische der Ostsee.
1883.

[9] =E. Th. E. von Siebold=, Die Süsswasserfische von
Mitteleuropa. 1863.

=Marcus Eliezer Bloch=, Oekonomische Naturgeschichte der Fische
Deutschlands. 1782–84.

=Berthold Benecke=, Fische, Fischerei und Fischzucht in den Provinzen
Ost- und Westpreussens. 1880.

=Cuvier= et =Valenciennes=, Histoire naturelle des poissons. 22 Bde.
1828–1848.

=A. Günther=, Catalogue of fishes of the British Museum. 8 Bde.
1859–1870.

=Agassiz=, Histoire naturelle des poissons d’eau douce de l’Europe
centrale. 1842.

=Wittmack=, Beiträge zur Fischereistatistik des Deutschen Reiches
u. s. w. 1875.

=Max von dem Borne=, Die Fischereiverhältnisse des Deutschen Reiches
u. s. w. 1882.

[10] =Heckel= und =Kner=, Die Süsswasserfische der
Oesterreichischen Monarchie. 1858.

[11] =C. Heller=, Die Fische Tirols und Vorarlbergs. 1871.

[12] =Sclater=, Über den gegenwärtigen Stand unserer Kenntnis
der geographischen Zoologie. 1857.

[13] =A. Günther=, Handbuch der Ichthyologie, übersetzt von
G. v. Hayek. 1886.

[14] =G. Henschel=, Praktische Anleitung zur Bestimmung
unserer Süsswasserfische. 1890.

=E. Schulze=, Fauna piscium Germaniae. 1890.

[15] =Benecke=, Die westpreussischen Fische. 5 Tafeln. 1887.

Gemeinfassliche Belehrung über die Süsswasserfische des Elbgebietes.
Schriften des Sächsischen Fischereivereins Nr. 1. 1884.

[16] =Nowicki=, Fauna und Verbreitung der Fische in
den Gewässern Galiziens. Mitteilungen des Österreichischen
Fischereivereins, 2. Jahrg., S. 149.

[17] =F. Heincke=, Untersuchungen über Stichlinge. Ofversigt
af K. V. Akad. Förhandling. Jahrg. 46, Nr. 6. 1889. S. 399.

[18] =Heckel=, Abbildungen und Beschreibungen der Fische
Syriens nebst einer neuen Klassifikation und Charakteristik sämtlicher
Gattungen der Cyprinen. Stuttgart 1843.

[19] =Dürigen=, Fremdländische Zierfische. 1886.

[20] =Knauthe=, Über Barbus Petenyi Heck. in Schlesien.
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[80] =von dem Borne=, Der Schwarzbarsch und der Forellenbarsch in
Deutschland. 1888.

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[83] =Kupffer=, Die Befruchtung des Forelleneies. Allg.
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=K. E. von Baer=, Über die Entwickelungsgeschichte der Fische. 1835.

=His=, Untersuchungen über das Ei und die Eientwickelung bei
Knochenfischen. 1873.

=Michal Girdwoyn=, Pathologie des poissons. Traité des maladies, des
monstrosités et des anomalies des oeufs et des embryons. Paris 1880.
Text und einige Figuren auch in der Deutschen Fischereizeitung, 1881,
S. 413 u. f., 1882, S. 2 u. f.

S. auch Nr. 53.

[84] =Moebius= in: Arch. f. mikroskop. Anat., Bd. 25, S. 554.

[85] =Barfurth=, Biologische Untersuchungen über die Bachforelle. Arch.
f. mikroskop. Anatomie, Bd. 27.

[86] =Rabl-Rückhard=, Das Gehirn der Knochenfische und seine
Anhangsgebilde. Arch. f. Anat. und Physiol., Anatom. Abt. 1883.

=L. Stieda=, Über die Deutung der einzelnen Teile des Fischgehirns.
Zeitschr. f. wissensch. Zoologie, Bd. 23.

[87] =Steiner=, Die Funktionen des Zentralnervensystems und ihre
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[88] =Berger=, Beiträge zur Anatomie des Sehorgans der Knochenfische.
Morphol. Jahrb., Jahrg. 8, Bd. 1.

[89] =Hirschberg= i. Arch. f. Anatomie und Physiologie, Physiol. Abt.,
1882, S. 493.

[90] =G. Retzius=, Das Gehörorgan der Wirbeltiere.

[91] =Leydig=, Über die Schleimkanäle der Knochenfische. Müllers Arch.
für Anatomie und Physiologie, 1860.

=Leydig=, Über das Organ eines sechsten Sinnes. 1868.

=F. E. Schulze=, Über die Sinnesorgane der Seitenlinie bei den Fischen
und Amphibien. In: Arch. f. mikroskop. Anatomie, Bd. 6, 1870.

[92] =Dogiel=, Bau des Geruchsorgans bei Fischen und Amphibien. 1886.

[93] Bulletin of Unit. Stat. Fisherie Commission, Bd. 5, S. 142.

[94] =Knauthe=, Erfahrungen über das Verhalten von Amphibien und
Fischen gegenüber Kälte. Zool. Anzeiger, 1891, S. 1 u. f.



Die Parasiten unserer Süsswasserfische.

Von Prof. Dr. =Fr. Zschokke= in Basel.


Es ist eine gewöhnlich kaum beachtete Thatsache, dass der Körper des
Fisches den Angriffen verschiedenartigster Schmarotzer ausgesetzt
ist. Eine stattliche Zahl von durch Bau und Gestalt weit von einander
abweichenden Parasiten sucht und findet am und im Fisch bleibende
oder vorübergehende Wohnung und Nahrung. Es sind Geschöpfe, die den
verschiedensten Stämmen des Tierreichs angehören, Protozoen, Mollusken,
Krebse, Plattwürmer, Rundwürmer, Blutegel. Nur ein gemeinschaftliches
Band verbindet sie, ein biologisches, dieselbe Lebensweise, das
Schmarotzertum; nach Abstammung, Struktur, Entwickelungsgeschichte
gehen sie weit aus einander. Allerdings hat die Angewöhnung an dieselbe
Lebensweise, an den Parasitismus, die ihm unterworfenen Geschöpfe in
derselben Richtung modifiziert, und so zwischen ursprünglich einander
fernstehenden Tieren Ähnlichkeiten im Bau und im Lebensgang in
sekundärer Weise geschaffen.

Die den Fisch heimsuchenden Schmarotzer sind übrigens recht
unscheinbare Wesen. Zu ihrer niedrigen Lebensweise passt es ja am
besten, wenn sie weder durch besondere Grösse, noch Form und Farbe
die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Der Laie macht wohl gelegentlich
die Beobachtung, dass ein Lachs mit gierigen Blutegeln überdeckt ist,
oder sieht, wie sich der Leibeshöhle eines frisch geöffneten Karpfens
ein breiter, hässlicher Riemenwurm entwindet; der eine oder andere
Fisch wird wohl auch mit Recht oder Unrecht beschuldigt, dem Menschen
gegenüber die Rolle eines Zwischenträgers schmarotzender Würmer zu
spielen. Weiter geht die Kenntnis der Fischparasiten kaum. Das mit dem
verächtlichen Namen Schmarotzer belegte Geschöpf fesselt nicht durch
sein Äusseres und stösst geradezu ab durch seine Lebensweise.

Und doch wäre der Fischparasit eingehenden Studiums so sehr würdig.
Schon vom rein praktischen, medizinischen Standpunkt aus verdienen
die ungebetenen Gäste der Fische unsere volle Aufmerksamkeit. Hat
uns doch die neuere Forschung gelehrt, dass einer der verbreitetsten
Bandwürmer, der durchaus nicht unbedenkliche _Bothriocephalus latus_,
gerade durch die gesuchtesten Tafelfische des süssen Wassers auf
den Menschen übertragen wird. Für andere Würmer liegt die Vermutung
nahe, dass sie auf ähnlichem Wege, eingekapselt in Zwischenwirte
aus der Klasse der Fische, in unsern Körper eingeschmuggelt werden.
Die Notwendigkeit unsere Feinde zu kennen, um uns ihrer entledigen,
sie von uns fernhalten zu können, weist uns also schon gebieterisch
darauf hin, Bau und Eigenschaften der Fischparasiten zu ergründen und
ihrem oft so verwickelten Lebensgang zu folgen. Ausgerüstet mit den
nötigen Kenntnissen dürfte es uns wohl auch gelingen, Fischepidemien
parasitärer Herkunft einzudämmen, die unter den Bewohnern unserer
Gewässer, jenem nicht gering anzuschlagenden Teil des nationalen
Gutes, zahlreiche Opfer fordern. Ausser rein praktischen Erwägungen
medizinischer und nationalökonomischer Art müssen uns aber auch
wissenschaftliche Gesichtspunkte und Ziele beim Studium der
Fischparasiten leiten. Die Frage, welchen Einfluss übt die parasitische
Lebensweise auf ursprünglich freilebende Geschöpfe aus, wie werden
im Laufe ungezählter parasitischer Generationen Bau und individuelle
Geschichte des früher nicht schmarotzenden Tieres verändert, tritt uns
vor allen anderen schwerwiegend entgegen. Der Parasitismus führt ja
zu einer vollkommenen Umgestaltung und Neuschöpfung in Anatomie und
Entwickelungsgeschichte. Und um diese Neuschöpfung ihrer Entstehung
nach würdigen zu können, bietet uns gerade die Parasitenfauna der
Fische Gelegenheit und Material. Manche Schmarotzer beziehen den Fisch
nur temporär, um Nahrung aufzunehmen, sonst führen sie eine freie
Lebensweise. Andere bewohnen ihn wohl stationär, begnügen sich aber
damit, als Ektoparasiten die Oberfläche des Wirtes zu bewohnen und
dort ihren Unterhalt zu suchen, ohne jemals innere Organe zu besetzen.
Wieder andere werden Entoparasiten, siedeln sich aber in offenen mehr
oder weniger leicht zugänglichen Teilen, den Kiemen, dem Darmkanal,
an. Zahlreiche endlich liegen eingekapselt in allseitig geschlossenen
Organen, den Muskeln, den Augen, der Schwimmblase.

Grad und Dauer des Schmarotzertums sind bei den Fischparasiten höchst
verschieden. Manche schmarotzen während des ganzen Lebens, bei
anderen sind freie Stadien in mehr oder weniger reichem Masse in die
Lebensgeschichte eingestreut. Vom nur gelegentlich parasitierenden
Blutegel, von der jungen Muschel, die sich nur kurze Zeit vom Fisch
herumtragen lässt, bis zum Bandwurm im Darmkanal des Hechtes oder des
Lachses und dem Spulwurm aus dem Barsch, typischen, entoparasitischen
Gestalten, stossen wir auf mancherlei Zwischenstufen. Und gerade in
diesen verschiedenen Stadien, mit ihrem durch den Parasitismus mehr
oder weniger veränderten Bau und der ebenfalls verschieden stark
beeinflussten Lebensgeschichte, sehen wir noch Punkte, Stationen,
die von der Natur auf dem Wege berührt worden sind, als sie aus dem
ursprünglich freien Geschöpf den Parasiten schuf. Wir können den Weg
verfolgen, der vom freien Vorfahr zum parasitierenden Enkel führt. So
kann es uns klar werden, welch tiefen Einfluss die Angewöhnung an eine
so spezielle und niedrige Lebensweise, wie sie der Parasitismus nun
einmal ist, auf tierische Organisation und tierisches Leben ausübt.
Mit dem zunehmenden Schmarotzertum treten anatomische Vereinfachungen
und Umbildungen allmählich ein; Organsysteme werden rudimentär
und verschwinden zuletzt. Die Entwickelungsgeschichte weist oft
Komplikationen auf und schlägt Umwege ein, die ihre Erklärung einzig in
der Angewöhnung an die neue Lebensweise und in der Erfüllung der von
dieser gestellten Bedingungen finden. Das Studium der Parasiten führt
so den Forscher ein in die interessantesten und weitgehendsten Fragen
der Biologie. Die Fischschmarotzer aber, in ihrer bunten Formenfülle
und mit ihrer mannigfaltigen Lebens- und Entwickelungsgeschichte bieten
zur Behandlung dieser Probleme ein reiches Material.

Noch manche andere Frage wird sich auf diesem Gebiete stellen und
teilweise wenigstens beantworten lassen. Wie beeinflussen sich
gegenseitig Wirt und Gast? Wie passt sich der Parasit den ihm vom
Träger gebotenen Bedingungen an und welche Eigenschaften werden
infolge dieser Anpassung erworben? Wie findet sich auf der andern
Seite der Fisch mit den ihn bewohnenden Würmern ab; erwirbt nicht auch
er gewisse Eigenschaften, um die Eindringlinge abzuhalten, oder die
einmal Eingedrungenen bis zu einem gewissen Grad unschädlich zu machen?
Welche Veränderungen erleidet der Fischkörper unter dem Drucke der
Parasiteninvasion?

Interessant wird es auch sein, die bis jetzt kaum berührte Frage in
Fluss zu bringen, welchen Einfluss die Lebensweise, speziell die
Ernährungsweise des Fisches auf die Zusammensetzung der ihn bewohnenden
Parasitenfauna ausübt. Pflanzenfresser werden andere Formen von
Schmarotzern beherbergen als Fleischfresser, Schlammbewohner andere als
frei pelagisch schwimmende Geschöpfe. Der Fisch des schnellfliessenden
Stroms, des Sees, des Teiches wird von einander verschiedene Elemente
in seiner Parasitenfauna aufweisen. Besonders eigentümlich werden sich
diese Verhältnisse gestalten bei den Wanderfischen, die bald das süsse
Wasser, bald die salzige See aufsuchen und in beiden Medien eine oft
recht verschiedene Lebensweise befolgen.

Eine mehr oder minder starke Vermischung von Meer- oder
Süsswasserparasiten wird sich in diesem Falle wohl nachweisen
lassen. Reine Meerformen werden weit hinauf in die Flüsse getragen,
Süsswasserschmarotzer dagegen dem Meer zugeführt. Wieder wird uns die
verschiedene Mischung der beiden Parasitenelemente im Wanderfisch, das
Überwiegen des einen oder anderen, Rückschlüsse auf die Lebensweise
des Wirtes gestatten. Die Parasitenfauna wird so bis zu einem gewissen
Grade zum Spiegelbild der Gewohnheiten ihres Trägers.

Von diesen Erwägungen geleitet ist eine erste kleine Arbeit über die
Parasitenfauna des Rheinlachses erschienen, deren Resultate geeignet
sind, die vorangehenden theoretischen Betrachtungen zu stützen. Sie
mögen deshalb hier in kurzen Zügen skizziert werden.

Der Rheinsalm, so bewiesen es +His+ und +Miescher+, und so wussten es
auch schon längst die Lachsfischer, nimmt vom Aufsteigen aus dem Meer
bis er verlaicht hat, niemals Nahrung zu sich. Als Folge dieses Fastens
im Süsswasser durfte wohl erwartet werden, dass die Parasitenfauna
von _Trutta salar_ typisch marinen Anstrich zeige. Mit dem Ausschluss
der Nahrungsaufnahme ist für jedes Geschöpf ja gleichzeitig die
Hauptinfektionsquelle mit parasitischen Würmern verstopft.

Von 45 untersuchten Lachsen aus dem Rhein waren 42 mit Würmern
besetzt, nur drei erwiesen sich als vollkommen parasitenfrei. Elf
Arten Schmarotzer konnten bestimmt werden; mehrere fanden sich nur in
einem der geprüften Fische, andere öfters, der Spulwurm _Agamonema
capsularia_ Dies. sogar in 35 Wirten. Parasitenarm waren in den 45
Lachsen die offenen Organe. Im Darmkanal fand sich kein einziger
Schmarotzer unterhalb der Appendices pyloricae. Die meisten Parasiten
waren in verschiedenen Organen eingekapselt, seltener lagen sie wohl
geborgen in den Falten des Schlundes und in den Pylor-Anhängen. Es
erinnert dies an das Verhalten gefangener Meerfische, die im Aquarium
verhältnismässig rasch ihre Darmschmarotzer verlieren. Man hat ja
auch geradezu behauptet, viele Wanderfische ziehen ins Süsswasser,
um sich ihrer Parasiten zu entledigen. Die Schmarotzerfauna der 45
Rheinlachse hatte einen fast reinen marinen Charakter. Die Hauptmasse
der gefundenen Würmer gehörte nach Arten und Individuen äusserst
typischen Meerformen an. Auch die von mir noch nicht nachgewiesenen
Lachsparasiten sind wesentlich Gäste von Meerfischen. Ein einziger der
gefundenen Schmarotzer gehört neben den Wanderfischen ausschliesslich
dem süssen Wasser an. So spiegelt die Zusammensetzung der
Parasitenfauna die eigentümliche Gewohnheit des Rheinlachses wider, im
Süsswasser keine Nahrung aufzunehmen. Sie unterscheidet sich scharf von
der Schmarotzerwelt anderer Wanderfische, deren Nahrungsbedürfnis im
Fluss nicht aufhört.

Über diese Verhältnisse mag die folgende Zusammenstellung näheren
Aufschluss geben.


Verbreitung der parasitischen Würmer der Wanderfische:

  =============================++=============+=========+==========+
                               || Zahl der    | Davon   |          |
                               || ihn bewohn. | typisch | Nur in   |
       +Name des Fisches+:     || Spezies     | für den | Wanderf. |
                               || parasit.    | betref- | vorkom-  |
                               || Würmer:     | fenden  | mend:    |
                               ||             | Fisch:  |          |
  =============================++=============+=========+==========+
  1. _Trutta salar_            ||             |    7    |     7    |
       Lachs                   ||     20      |    7    |     7    |
  2. _Trutta trutta_,          ||             |    1    |     1    |
       Lachsforelle            ||     15      |    1    |     1    |
  3. _Osmerus eperlanus_,      ||             |   10    |    11    |
       Stint                   ||     17      |   10    |    11    |
  4. _Coregonus oxyrhynchus_,  ||             |    0    |     1    |
       Schnäpel                ||      6      |    0    |     1    |
  5. _Alausa vulgaris_,        ||             |    3    |     4    |
       Maifisch                ||      7      |    3    |     4    |
  6. _Alausa finta_,           ||             |    1    |     2    |
       Finte                   ||      4      |    1    |     2    |
  7. _Anguilla vulgaris_,      ||             |   10    |    10    |
       Aal                     ||     25      |   10    |    10    |
  8. _Petromyzon fluviatilis_, ||             |    2    |     2    |
       Neunauge                ||      4      |    2    |     2    |

  =============================++=====================================
                               ||             Ausser in
                               ||           Wanderfischen:
       +Name des Fisches+:     ++----------+-------------+------------
                               || auch in  | auch in     | in mar. u.
                               || marinen  | Süsswasser- | Süsswasser-
                               || Fischen: | fisch.:     | fisch.:
  =============================++==========+=============+============
  1. _Trutta salar_            ||    7     |      1      |     5
       Lachs                   ||    7     |      1      |     5
  2. _Trutta trutta_,          ||    1     |      8      |     5
       Lachsforelle            ||    1     |      8      |     5
  3. _Osmerus eperlanus_,      ||    1     |      4      |     1
       Stint                   ||    1     |      4      |     1
  4. _Coregonus oxyrhynchus_,  ||    0     |      4      |     1
       Schnäpel                ||    0     |      4      |     1
  5. _Alausa vulgaris_,        ||    1     |      0      |     2
       Maifisch                ||    1     |      0      |     2
  6. _Alausa finta_,           ||    0     |      0      |     2
       Finte                   ||    0     |      0      |     2
  7. _Anguilla vulgaris_,      ||    5     |      5      |     5
       Aal                     ||    5     |      5      |     5
  8. _Petromyzon fluviatilis_, ||    0     |      1      |     1
       Neunauge                ||    0     |      1      |     1

Besonders typisch für die Würmerwelt des Rheinlachses ist das Auftreten
der sogenannten Tetrarhynchen, eigentümlicher, mit vier starken,
hakentragenden Rüsseln bewehrter Bandwurmlarven, die sich häufig in den
verschiedensten Knochenfischen des Meeres einnisten, um mit ihnen in
den Verdauungstractus der Haifische zu gelangen und dort zu erwachsenen
Bandwürmern, Rhynchobothrien, auszuwachsen.

Eine in weit vorgeschrittener Vorbereitung sich befindende zweite
Arbeit über die Lachsparasiten, der hier nicht vorgegriffen werden
kann, wird, auf reiches Material gestützt, den marinen Charakter
der den grossen Wanderfisch bewohnenden Würmer noch viel greller
hervortreten lassen. Sie wird auch Ermittelungen über nordische und
schottische Lachse enthalten, die im Süsswasser dem Fasten nicht so
strenge zu huldigen scheinen wie ihr Vetter vom Rhein und bei denen
infolgedessen die parasitologischen Verhältnisse sich wesentlich anders
gestalten.

Den relativ grossen Parasitenreichtum verdanken die Fische
verschiedenen Umständen: zunächst wohl ihrer Eigenschaft als
Wasserbewohner. Neben zahlreichen entoparasitisch die inneren Organe
aufsuchenden Schmarotzern kann auch mancher Ektoparasit an der
Aussenfläche des Wassertiers sich ansiedeln, der nur im feuchten
Element sein Leben zu fristen vermag. So wird denn die Oberfläche
des Fisches, die Haut, sowie die verhältnismässig freiliegenden, von
einem fortwährenden Wasserstrom bespülten Kiemen von manchem Wurm als
geeigneter Standort gewählt.

Auch die so mannigfache Ernährungsweise wird den Fischen manchen
Schmarotzer verschaffen. Mit der Nahrung dringt ja der grosse Haufe
ungebetener Gäste in den tierischen Körper ein. Die Parasitenfauna
einer Tiergruppe, die Pflanzen- und Fleischfresser umschliesst, wird
den verschiedenen Nahrungsstoffen gemäss ebenfalls mannigfaltig
ausfallen.

Mit dem Atmungswasser können ferner Jugendstadien von Schmarotzern in
das Innere des Fisches gelangen. Der Invasion ist somit eine neue,
bei anderen Geschöpfen geschlossene Pforte geöffnet. Manche Parasiten
werden auch aktiv eindringen, an wenig geschützten Körperstellen
mittels spezieller Apparate sich einbohren.

Die äusseren Lebensbedingungen, unter denen der Fisch steht, seine
Beziehungen zu anderen Lebewesen sind endlich sehr mannigfaltiger
Natur. Mit der grösseren Vielseitigkeit dieser Beziehungen steigert
sich im allgemeinen auch die Möglichkeit und Gelegenheit einer
Infektion. Von zahlreichen anderen Tieren verfolgt und verzehrt
wird sich der Fisch als Zwischenträger von Parasiten wohl eignen.
In ihm stellen sich zahlreiche Jugendstadien von parasitierenden
Würmern ein, die mit dem Fisch sicher in den Darmkanal eines weitern
Wirtes übertragen werden sollen, um dort zum geschlechtsreifen Tier
heranzuwachsen. So gelangen die Larven des breiten Bandwurms mit
dem Fleisch von Fischen in den Verdauungstractus des Menschen. Aber
auch als Hauptwirt von Parasiten ist der Fisch berufen eine grosse
Rolle zu spielen; mit den zahllosen kleinen Geschöpfen, die ihm zur
Nahrung dienen, können auf leichte Weise eingekapselte Larven in ihn
eingeschmuggelt werden. Die Fische erscheinen durch ihre Beziehungen
zu anderen Geschöpfen besonders geeignet, bald als Zwischenträger von
jungen Würmern, bald als definitive Wirte der geschlechtsreifen Form zu
figurieren.

So vereinigen sich manche Umstände, um den Fischkörper zu einer
richtigen Parasitenherberge zu machen. Einer Invasion ist Thür und Thor
geöffnet. Die Oberfläche des Wirtes und die nach aussen offenen Organe
werden vorzugsweise von geschlechtsreifen Schmarotzern, geschlossene
Körperteile von jungen Stadien bewohnt. Kein Organ bleibt aber
gelegentlich verschont. Zwölf Fischarten des Genfersees beherbergten 37
verschiedene Parasiten, die sich folgendermassen im Körper einquartiert
hatten:

     Bewohntes Organ:     Zahl der Arten:

  Ösophag und Magen              2
  Darm                          15
  Rectum                         2
  Pylor-Anhänge                  2
  Leber                          6
  Milz                           1
  Schwimmblase                   1
  Harnblase                      1
  Auge                           1
  Muskulatur                     2
  Kiemen                         2
  Leibeshöhle                    1
  Peritonäum und Darmwand        8.

Die Zahl der bis jetzt bekannten Parasiten der Süsswasserfische aus
dem Kreise der Würmer ist schon eine sehr beträchtliche, sie dürfte
kaum unter 250 zurückbleiben; sie steigt jährlich an und nichts lässt
voraussetzen, dass die diesbezüglichen Listen so bald als vollständig
geschlossen betrachtet werden können. Dem momentanen Stand unserer
Kenntnisse über die Vertretung von schmarotzenden Würmern im Körper der
verbreitetsten Fische des süssen Wassers dürfte etwa folgende Tabelle
entsprechen:

  ===========++=========================================================
             ||     Zahl der bei ihm vorkommenden Parasitenarten:
  +Name der  ++-----------+-----------+-----------+------------+--------
   Fische+:  || _Saug-_   | _Band-_   | _Faden-_  | _Kratzer._ |+Total.+
             || _würmer._ | _würmer._ | _würmer._ |            |
  ===========++-----------+-----------+-----------+------------+--------
  Barsch     ||     12    |      8    |      3    |      4     |   27
  Kaulbarsch ||      8    |      2    |      5    |      3     |   18
  Zander     ||      7    |      1    |      2    |      3     |   13
  Groppe     ||      3    |      2    |      0    |      2     |    7
  Stichling  ||      4    |      4    |      6    |      3     |   17
  Aalraupe   ||           |           |           |            |
    (Quappe) ||      6    |      9    |      6    |      4     |   25
  Wels       ||      2    |      2    |      6    |      3     |   13
  Karpfen    ||      8    |      1    |      2    |      4     |   15
  Gründling  ||      3    |      2    |      3    |      5     |   10
  Barbe      ||      7    |      3    |      1    |      5     |   16
  Aitel      ||      7    |      2    |      4    |      2     |   15
  Rotauge    ||      8    |      3    |      5    |      3     |   19
  Hasel      ||      7    |      2    |      3    |      4     |   16
  Elritze    ||      5    |      1    |      4    |      3     |   13
  Schleihe   ||      2    |      5    |      3    |      4     |   14
  Laube      ||      3    |      4    |      3    |      3     |   13
  Schmerle   ||      3    |      2    |      6    |      2     |   13
  Schlamm-   ||           |           |           |            |
    peitzger ||      3    |      0    |      3    |      0     |    6
  Saibling   ||      4    |      9    |      1    |      1     |   15
  Lachs      ||      6    |     15    |      7    |      2     |   30
  Forelle    ||      4    |      2    |      4    |      7     |   17
  Stint      ||      6    |      4    |      9    |      2     |   21
  Schnäpel   ||      4    |      2    |      3    |      1     |   10
  Felchen    ||      4    |      7    |      1    |      1     |   13
  Aesche     ||      7    |      2    |      5    |      2     |   16
  Hecht      ||     10    |      6    |      7    |      3     |   26
  Maifisch   ||      4    |      1    |      4    |      3     |   12
  Aal        ||     14    |      3    |     12    |      8     |   37
  Neunauge   ||      5    |      1    |      3    |      0     |    9

Die vorangehenden Zahlen bedürfen kaum eines weiteren Kommentars. Sie
sind wiederum geeignet, die Abhängigkeit der Parasitenfauna von der
Lebensweise des Wirtes mit Beispielen zu belegen. Am reichsten an
Schmarotzern sind die grossen Räuber und die omnivoren Fische, denen
sich jeden Augenblick eine Infektionsgelegenheit bietet. In ihrem Darm
wohnt eine reiche Fauna von geschlechtsreifen Band- und Saugwürmern,
die in die Nahrung eingekapselt leicht in den definitiven Wirt gelangt
sind.

Bei den Karpfen, die mehr an pflanzliche Kost gewöhnt sind oder
höchstens kleine Tiere verzehren, sinkt die Zahl der Parasiten
bedeutend. Die Band- und Saugwürmer spielen hier eine untergeordnete
Rolle, während die Kratzer, deren Jugendstadium in kleinen Krustaceen
eingeschlossen liegt, mehr in den Vordergrund treten. Am reichsten
und buntesten gestaltet sich die Parasitenfauna des Aals, dessen
mannigfaltige Lebens- und Ernährungsweise ihn auch vielfacher
Infektionsgefahr aussetzen wird. Fleisch- und Pflanzenfresser unter
den Fischen beherbergen eine ziemlich verschiedene Schmarotzerwelt;
die letzteren dienen oft als Zwischenwirte für die Parasiten der
ersteren. In Fischen mit gemischter Ernährungsweise mengen sich
auch die Bestandteile der beiden Faunen. Wahrscheinlich wird in ein
und derselben Fischart in den verschiedenen Monaten des Jahres eine
Veränderung der Parasitenwelt nach Auswahl der sie bildenden Arten und
nach Zahl der Individuen sich nachweisen lassen. Die Beobachtungen über
diese Schwankungen sind noch äusserst lückenhaft und lassen uns nicht
einmal vorläufige Schlüsse ziehen. Immerhin glaubte ich im Reichtum der
Schmarotzerfauna der grossen Räuber, Hecht, Quappe, Forelle, Saibling,
während des ganzen Jahres keine wesentliche Veränderung zu bemerken.
In den Karpfen dagegen vermehren sich die Parasiten nach Arten und
Individuen im ersten Frühjahr, nachdem der Fisch seine Winterruhe mit
einem aktiven Leben vertauscht hat. Der Barsch ist besonders im März
bis Mai reichlich infiziert. Weitere Studien über die Saisonverteilung
der parasitierenden Würmer wären sehr erwünscht, auf ein reiches und
sorgfältig beobachtetes Material sich stützend würden sie sicher zu
interessanten biologisch-faunistischen Resultaten führen.

Dass ein Fisch Parasitenträger ist, scheint fast als der normale
Zustand zu betrachten zu sein. Von 382 nach dieser Richtung geprüften
Bewohnern des Genfersees war kaum ein Drittel parasitenfrei. +Lönnberg+
öffnete in Schweden 870 Fische des süssen und salzigen Wassers; 564
trugen Parasiten, 306 waren nicht infiziert. Cestoden beherbergten
128 Individuen, Trematoden 96, Kratzer 294, Nematoden 205. Oftmals
bewohnen die Schmarotzer ihren Wirt in gewaltiger Individuenfülle.
Ihre Gegenwart kann so für das infizierte Tier kaum gleichgültig sein,
schon aus dem naheliegenden Grunde nicht, weil die Parasiten eine Menge
Nahrungsstoffe verzehren, die in des fischlichen Organismus hätten
aufgenommen werden sollen. Die Pylor-Anhänge von Forelle, Saibling,
Hecht, Aesche sind meist vollgepfropft von unzählbaren Exemplaren
eines Bandwurms (_Bothriocephalus infundibuliformis_ Rud.). In einem
Hecht von fünf bis sechs Kilo fand ich mehr als dreihundert Exemplare
dieses Schmarotzers, von 28 bis 35 _cm_ Länge; ungezählte hunderte
von jungen Würmern waren über die Schleimhaut des ganzen Darmes
zerstreut. Grosse Massen desselben Cestoden bevölkern in der Regel
auch den pylorischen Darmteil des Lachses, wie ja die Pylor-Anhänge
überhaupt der Lieblingsstandort vieler Fischparasiten sind. Die Würmer
finden dort neben sehr reichlicher Nahrung sichere Wohnung. Auch
ein anderer grosser Bandwurm (bis 50 _cm_ lang), der _Triaenophorus
nodulosus_ Rud., stellt sich oft in 80 bis 100 Exemplaren im Hecht ein.
Ein Saugwurm, _Distoma nodulosum_ Zeder, bewohnt in grösster Menge
den Darm des Barsches; ein anderes _Distoma_, _D. folium_ Olfers,
füllt oft buchstäblich die ganze Harnblase der Groppe an, so dass
dieses Organ prall aufgetrieben erscheint; die Kapseln eines larvären
Saugwurms, des _Tetracotyle Percae_, durchsetzen fast regelmässig in
grösster Menge die Wandungen der Schwimmblase der Barsche. Die beiden
Kratzer _Echinorhynchus proteus_ Westrumb. und _E. angustatus_ Rud.
bewohnen das Eingeweide ihrer zahlreichen Wirte oft in hunderten von
Individuen. Von den Spulwürmern tritt in bedeutender Zahl auf der
Kappenwurm, _Cucullanus elegans_ Zeder, ein für den Barsch äusserst
charakteristischer Parasit; im Hecht findet sich oft zahlreich
die _Ascaris acus_ Bloch, in der Leibeshöhle der verschiedensten
Fische spiralig eingerollt, und allen Organen angeheftet, die noch
geschlechtslose _Agamonema capsularia_ Dies.

Diese wenigen Beispiele mögen das massenhafte Auftreten einer
Parasitenspezies im Fischkörper illustrieren. Es sei nur noch darauf
hingewiesen, dass auch die Larve des breiten Bandwurms des Menschen in
ein und demselben Wirt sich massenhaft einstellt. So schälte ich aus
Leber, Milz, Nieren, Wandungen des Darmkanals einer Seeforelle über 200
Finnen des _Bothriocephalus latus_. Es erklärt sich dadurch leicht die
gelegentliche Masseninfektion des Menschen mit dem breiten Bandwurm.
+Roux+ trieb einer einzigen Person über 90 Exemplare gleichzeitig ab.

Die verschiedensten Arten parasitischer Würmer können übrigens
nebeneinander in ein und demselben Wirt leben. Dass ein Fisch
gleichzeitig fünf bis acht Schmarotzerformen beherbergt ist keine
Seltenheit. Im Lachs ist oft der pylorische Darmabschnitt mit
Bandwürmern angefüllt, während zahlreiche Individuen des für diesen
Fisch typischen _Distoma varicum_ im Schlund neben verschiedenen
Spulwürmern leben und die Darmwandungen reichlich gespickt sind mit
Larven von Tetrarhynchen, Bothriocephalen und aufgerollten Agamonemen.
Barsch, Hecht, Aalraupe, Saibling geben oft wahre Parasitenherbergen
ab, in denen gleichzeitig acht bis zehn Arten Schmarotzer, meist in
grosser Individuenzahl, als ungern gesehene Gäste die verschiedensten
Organe bewohnen. Die zahlreichen Parasiten dürften das Leben des
Fisches in seiner kühlen Wasserheimat kaum so angenehm und wohlig
gestalten, wie man es sich etwa vorstellt.

Ist schon der Süsswasserfisch von sehr zahlreichen Würmern heimgesucht,
so trifft das noch in bedeutend höherem Masse für seine marinen
Verwandten zu, die in weit grösseren Verhältnissen leben und unter dem
Einflusse viel mannigfaltigerer äusserer Lebensbedingungen stehen. Die
Parasitenfauna der Meerfische ist mindestens ebenso reich an Individuen
und sehr viel mannigfaltiger an äusserst verschiedenartigen Formen,
als die der Süsswasserbewohner. Wenige Angaben mögen wenigstens einen
kurzen Vergleich der bezüglichen Verhältnisse gestatten. +Lönnberg+
suchte Parasiten in 342 Meerfischen; 241 davon waren infiziert, 101
parasitenfrei. 78 trugen Bandwürmer, 39 Saugwürmer, 28 Kratzer, 114
Spulwürmer. In Neapel waren von 257 Fischen nur 74 parasitenlos.
Von 72 Arten erwiesen sich 53 als infiziert, bei 34 waren sämtliche
untersuchte Exemplare mit Würmern besetzt. Es wurden in den 257
Fischen 77 Parasitenarten -- 38 Bandwürmer, 16 Saugwürmer, 3 Kratzer
und 20 Spulwürmer -- gefunden, während 382 Fische des Genfersees
nur 35 Schmarotzer aus dem Kreise der Würmer (11 Bandwürmer, 11
Saugwürmer, 3 Kratzer, 10 Spulwürmer) beherbergten. Auch im Meere
ist die Parasitenfauna der grossen Räuber, Haie und Rochen, viel
reicher und aus anderen Elementen zusammengesetzt, als die der
kleineren Knochenfische. Nur sechs Parasitenarten waren Selachiern und
Teleosteern gemeinsam, erstere waren ausserdem von 34, letztere von 36
Schmarotzern heimgesucht.

Es wurden auf ihre Parasiten geprüft:

                    Zahl der        Zahl der          Zahl der
                     Arten:       Individuen:      Parasitenarten:

  +Selachier:+        20              96                 40
  +Teleosteer:+       34             160                 42
  +Ganoiden:+          1               1                  1

Die Hauptmasse der Parasiten von Rochen und Haien setzt sich aus
geschlechtsreifen Bandwürmern und teilweise aus Saugwürmern zusammen,
während die Teleosteer vorzüglich Spulwürmer, Kratzer, Saugwürmer und
larväre Bandwürmer beherbergen.

Nach diesen allgemeinen und einleitenden Auseinandersetzungen sollen
eine Anzahl der häufigsten und praktisch wie wissenschaftlich
wichtigsten Schmarotzer unserer Süsswasserfische spezieller besprochen
werden. Bau und besonders Entwickelungsgeschichte vieler, ja der
meisten Formen ist uns noch unbekannt. Doch werden wir in dem, was
durch die Arbeit der Forscher durchsichtig und zugänglich gemacht
worden ist, manche spezielle Illustration zu den vorangehenden
allgemeinen Betrachtungen über die Parasiten der Fische des Süsswassers
finden.

Die an und in unseren Süsswasserfischen schmarotzenden Krustaceen
und die Muschellarven (Glochidien), welche die Oberfläche der Fische
während einer gewissen Zeit parasitisch bewohnen, haben an anderer
Stelle dieses Werkes bereits Berücksichtigung gefunden. Hier wäre es
somit nur die Aufgabe, der Fischgäste aus dem Kreise der Würmer zu
gedenken. Sie rekrutieren sich aus sehr verschiedenen Abteilungen
des Wurmreiches. Vertreten sind unter diesen Schmarotzern die
Blutegel (_Hirudinei_), die Spulwürmer (_Nematodes_), die Kratzer
(_Acanthocephali_) und zwei Gruppen der Plattwürmer, die Saugwürmer
(_Trematodes_) und die Bandwürmer (_Cestodes_).

Kleine Blutegel schmarotzen häufig und oft in ziemlich bedeutender Zahl
auf der Oberfläche karpfenartiger Fische, Karpfen, Schleihen, Barben;
sie sind aber auch im Schlunde der Hechte und an der Körperbedeckung
des Rheinlachses angetroffen worden. Bei letzterem Wirt scheinen sie
Exemplare zu bevorzugen, die infolge langer Wanderschaft wundgeriebene
Stellen an Bauch und Flanken aufweisen. Die Würmer gehören zur Gattung
_Piscicola_, aus der Gruppe der Rüsselegel. Ausser einer vorderen,
kleineren und hinteren, doppelt so grossen Haftscheibe besitzen sie
in der Mundhöhle einen kräftigen, vorstreckbaren Rüssel. Acht Augen
sind paarweise auf dem vorderen Saugnapfe verteilt. Der gestreckte,
cylindrische Körper verschmälert sich nach vorn nur schwach. Die Farbe
ist gelblich oder aschgrau mit feinen braunen Punkten, und einzelnen
Reihen hellerer elliptischer Flecke. Nach anatomischen Unterschieden
des Magendarms und der Geschlechtsorgane wurden zwei Arten, _Piscicola
geometra_ L., und _P. respirans_ Troschel, unterschieden. Der
Parasitismus der Fischegel darf nur als ein temporärer bezeichnet
werden. Es werden die Würmer nach +Leydig+ häufig frei schwimmend,
oder zu mehreren an der Unterfläche der Steine dicht zusammensitzend
angetroffen. Ist dem Nahrungsbedürfnis durch Aufnahme von Fischblut
für einmal wieder Genüge gethan, so verlässt die _Piscicola_ den Wirt,
sich so in der Lebensweise scharf von dem Krebsegel (_Branchiobdella_)
unterscheidend, der sein ganzes Leben auf dem Flusskrebs schmarotzend
zubringt. Die kleinen, gelbroten, längsgestreiften Eier der Piscicolen
sollen auf der Aussenfläche der Fische befestigt werden.

Die weite Gruppe der Nematoden oder Fadenwürmer, zum grössten Teil aus
Parasiten verschiedensten Grades zusammengesetzt, liefert auch für die
Süsswasserfische ein stattliches Kontingent von Schmarotzern. Es sind
alles cylindrische, gestreckte, von einer derben Cuticula umhüllte
Würmer, mit endständigem Mund und etwas vor dem Hinterende liegendem
After. Der meist wohl entwickelte Darmkanal zerfällt in der Regel in
drei bis vier mehr oder weniger differente Abschnitte; die Geschlechter
sind beinahe immer getrennt.

[Illustration: Fig. 34.

_Cucullanus elegans_ aus dem Barsch.]

Es ist fast unmöglich, den Darmkanal eines Flussbarsches zu öffnen,
ohne in den Pylor-Anhängen in oft sehr beträchtlicher Zahl kleine
Rundwürmer (♀ 12–18 _mm_ lang, ♂ 5–8 _mm_) anzutreffen, die durch
ihre gelbe oder selbst grell rote Farbe sich von den sonst farblosen
Parasiten auffallend unterscheiden. Die lebhaft beweglichen Tiere sind
auch in anderen Fischen -- Hecht, Forelle, Quappe, Felchen, Zander,
Kaulbarsch -- zu Hause. Was sie ganz besonders auszeichnet, ist die
starke, kappenförmige, hornige Mundkapsel, der sie auch ihren Namen,
Kappenwürmer (_Cucullanus elegans_ Zed.) (Fig. 34) verdanken. Der
merkwürdige, eine weite Mundhöhle umschliessende Apparat besteht im
wesentlichen aus einer längsgestreiften Kapsel. Sie steht jederseits
in Beziehung mit zwei kleineren, nach hinten gerichteten Hornstäben.
Am Vorderrand ist die Kapsel durch vier dreieckige Ansatzstücke
verstärkt. Nach hinten wird der ganze Apparat durch einen Chitinring
abgeschlossen. Männchen und Weibchen weichen in äusserer Erscheinung
und innerem Bau nicht unbeträchtlich von einander ab, eine bei
Nematoden gewöhnliche Erscheinung.

[Illustration: Fig. 35.

Larve von _Cucullanus elegans_ aus _Cyclops_.]

Die Entwickelungsvorgänge im befruchteten Ei der Kappenwürmer sind
von +Bütschli+ zum Gegenstand einer Untersuchung gemacht worden.
+Leuckart+ verfolgte das weitere Schicksal der Embryonen, die schon
im Muttertier die zarten Eihüllen verlassen und oft zu tausenden die
Geschlechtswege anfüllen. Trächtige Weibchen fand ich während des
ganzen Jahres. Die Jungen sind etwa 0.4 _mm_ lang, äusserst beweglich;
ihr Darm ist noch einfach, ohne weitere Einteilung, der komplizierte
Mundbecher fehlt oder ist nur durch einen Chitinzahn vertreten; das
Hinterende läuft in einen langen, spitzen, lebhaft schlagenden Schwanz
aus (Fig. 35). In diesem Zustande durch eine starke Cuticula genügend
geschützt, leben die Tierchen während Wochen im Wasser. Früher oder
später wird ein Zwischenwirt bezogen, in der Regel ein kleiner Krebs,
aus der Gruppe der Cyclopiden, seltener Insektenlarven. Die jungen
Parasiten werden durch die Mundöffnung aufgenommen, oft in grosser
Zahl. +Leuckart+ zählte in einem _Cyclops_ nicht weniger als 34
Eindringlinge. Im Zwischenwirt durchbrechen sie mit ihrem Bohrzahn
die Darmwand und gelangen so in die Leibeshöhle, wo sie nach wenigen
Tagen eine Häutung eingehen, die ihren Bau wesentlich verändert. Der
Bohrzahn, der ja seinen Zweck erfüllt hat, ist verschwunden, der
Schwanz ist kürzer geworden; der Ösophag zeigt eine erste Andeutung
der zukünftigen Gliederung in Muskel- und in Drüsenmagen. In der
Folge entwickelt sich allmählich der chitinöse Mundbecher zu seiner
typischen Gestalt. Eine neue Häutung tritt ein; das Nervensystem und
der Hautmuskelschlauch erscheinen in der definitiven Form, während die
Geschlechtsorgane noch wenig entwickelt sind und das Hinterleibsende
dem des erwachsenen Tieres noch unähnlich aussieht. Auch Grösse und
Skulptur des Mundbechers weichen noch von den bezüglichen Verhältnissen
beim erwachsenen Tier ab. Im Sommer braucht der Entwickelungsgang des
_Cucullanus_ bis zu diesem Punkte nur wenige Tage, im Winter dagegen
mehrere Wochen. Damit ist aber auch die Grenze der im Zwischenwirt
möglichen Ausbildung erreicht. Jetzt müssen die Kappenwürmer
eingeschlossen in die Cyclopiden auf den definitiven Wirt, den Barsch,
übertragen werden. Mit der Nahrung nimmt der Fisch gleichzeitig die
jungen Schmarotzer auf. Im Magen des Hauptwirtes freigeworden, beziehen
die Kappenwürmer die Pylor-Anhänge, wachsen dort rasch heran, um nach
einer weiteren Häutung bald die Geschlechtsreife zu erreichen. Schon
zehn bis vierzehn Tage nach der Infektion findet im Darm des Barsches
die Begattung der Würmer statt.

Einen ähnlichen den Stempel des Parasitismus tragenden
Entwickelungsgang mit Übertragung des jungen Schmarotzers auf einen
Zwischenwirt, in dem längere Zeit ein latentes Leben geführt werden
kann, bis wiederum mit der Nahrung der Parasit in den definitiven Wirt
eingeschmuggelt wird, durchläuft ein bekannter Fadenwurm des Hechts,
die _Ascaris acus_ Bloch.

[Illustration: Fig. 36.

Larve von _Ascaris acus_ (_Trichina cyprinorum_) aus den Weissfischen.]

Schon seit längerer Zeit sind aus vielen karpfenähnlichen Fischen
kleine Nematoden bekannt, die wenig umfangreiche (bis 1 _mm_ lange)
Kapseln der Mesenterien und des Lebergewebes bewohnen. Im Genfersee
sind die betreffenden, höchstens 2 _mm_ langen Würmer speziell in
der Laube (_Alburnus lucidus_) häufig. Verwandte Arten sind von +v.
Linstow+ in der Quappe und Aesche eingekapselt gefunden worden. Die
schlanken Tierchen zeichnen sich durch einen weiten Mund mit kräftigem
Bohrzahn und einen drüsigen, vom Pharynx sich abzweigenden Blindsack
aus. Sie sind geschlechtslos. +Diesing+ legt ihnen in seinem Hauptwerk
„Systema Helminthum“ fälschlich den Namen _Trichina cyprinorum_ bei
(Fig. 36). Offenbar sind sie vom Darm her in Leber und Mesenterien der
Weissfische eingewandert. Im Zwischenwirt können sie wohl längere Zeit
ein latentes Leben führen, eine für die Erhaltung der parasitischen
Spezies wichtige Eigenschaft. Die Dauer der Möglichkeit einer
erfolgreichen Übertragung auf den Hauptwirt wird so verlängert und der
Verbreitung des Schmarotzers dadurch kräftiger Vorschub geleistet.
Während seines Aufenthalts im Zwischenträger gehen mit dem jungen
Wurm keine weiteren Veränderungen vor sich; er wächst bis zu einem
gewissen Grade, ohne eine Metamorphose durchzumachen, ein Verhalten,
das von dem des _Cucullanus_ bedeutend abweicht. Mit den Weissfischen,
der Lieblingsnahrung des Hechtes, gelangen die Nematoden in den Magen
dieses grossen Räubers des Süsswassers. +Leuckart+ fand sie dort wieder
eingekapselt in den Wandungen des Verdauungstractus, dann aber auch
frei in den verschiedensten Grössen und Entwickelungsstadien Magen
und Darm des Wirtes bevölkernd. Von der _Trichina cyprinorum_ bis zur
ausgewachsenen, geschlechtsreifen _Ascaris acus_ liessen sich alle
wünschbaren Übergangsformen nachweisen. Der Bohrzahn geht verloren; die
drei für _Ascaris_ charakteristischen Lippen erscheinen am Umfange der
Mundöffnung; die Geschlechtsorgane wachsen schlauchförmig aus. Dagegen
bleibt im erwachsenen Tier jener eigentümliche Blindsack des Ösophagus
bestehen, der schon die junge Larve in den Weissfischen auszeichnet und
so junge und alte Form leicht auf einander zurückführen lässt.

_Ascaris acus_ Bloch ist kein seltener Gast im Darm und auch in der
Leibeshöhle von Hecht, Quappe und Forelle. In jüngeren Stadien, frisch
aus den Weissfischen stammend, lebt sie zunächst eingekapselt in den
Wandungen des Verdauungstractus ihrer Wirte, wie dies +Leuckart+
beobachtete. Nachdem sie eine bestimmte Grösse erreicht hat, bricht sie
nach dem Darm oder der Leibeshöhle durch. Länge des ♀ bis 40 _mm_, des
♂ bis 30 _mm_. Die Mundlippen sind stark entwickelt, Cuticula deutlich
quer gestreift. Wie bei fast allen Parasiten werden Eier in grösster
Menge gebildet. An diesen Ascariden des Hechts hat +Bunge+ durch eine
Reihe interessanter Experimente nachzuweisen verstanden, dass sie vier
bis sechs mal 24 Stunden in vollkommen sauerstofffreien Medien leben
können.

Eingekapselte, geschlechtslose Nematoden sind in den verschiedensten
Organen von Fischen des süssen und salzigen Wassers eine ganz
gewöhnliche Erscheinung. Über ihre Zugehörigkeit zu erwachsenen Formen
aber sind wir bis jetzt in den wenigsten Fällen genügend aufgeklärt.
Äusserst verbreitet und oft in ungeheuerer Zahl auftretend ist in sehr
vielen Fischarten die _Agamonema capsularia_ Dies., die wahrscheinlich
mit der unter ähnlichen Umständen vorkommenden _Ascaris capsularia_
Rud. und der _Filaria piscium_ Rud. zusammenfallen dürfte. Es
liegen die Würmer spiralig aufgerollt und von einer leichten Kapsel
umschlossen an und in den verschiedensten Organen: Leber, Nieren, Milz,
Geschlechtsorganen, im Peritonäum, auf der Aussenfläche des gesamten
Verdauungstractus, besonders zwischen den _Appendices pyloricae_. Aus
ihrer Kapsel befreit, schwimmen die glänzenden, äusserst beweglichen,
schlanken Würmer sehr lebhaft im Wasser. Es gelang mir in zahlreichen
Versuchen Exemplare aus dem Lachs Monate lang in kleinen Wassermengen
am Leben zu erhalten, nie aber nach vollkommener Austrocknung dieselben
durch Anfeuchtung wieder zu beleben. Länge bis 20 _mm_, Tegument
glatt, keine Seitenmembranen, Vorderende etwas verschmälert, drei
kleine rudimentäre Lippen. Der Ösophag trägt auch hier wieder ein
kleines seitliches Caecum. Keine Geschlechtsorgane. Früher wurden diese
„Filarien“ fälschlich zum Entwickelungscyklus gewisser die marinen
Fische bewohnender Cestoden (Tetrarhynchen) gezogen! Wahrscheinlich
erreicht _Agamonema capsularia_ die Geschlechtsreife in grossen
Raubfischen. Wenigstens fand ich im Magen eines Haifisches freie
Agamonemen neben halbverdauten Resten eines Meeraals, ein Fisch, der
mit larvären Würmern oft besetzt ist. Neben den Cysten der Agamonemen
liegen in manchen Organen vieler Süsswasserfische noch Kapseln anderer
Nematoden. Kapsel und Insasse aber unterscheiden sich durch Lage, Form,
Bau leicht von den soeben beschriebenen Bildungen. Sie gehören wohl
verschiedenen geschlechtsreifen Arten von Fadenwürmern an, doch ist ihr
Zusammenhang mit erwachsenen Formen nur sehr wenig klargestellt.

An die Klasse der Nematoden schliesst man gewöhnlich die Gruppe der
Kratzer, Acanthocephalen oder, wie sie nach ihrer einzigen Gattung
genannt wird, der Echinorhynchen an. Es sind dies ohne Ausnahme
typische Darmschmarotzer. Ihr Bau verrät sofort den Parasitismus durch
den mit kräftigen Haken bewaffneten, in eine Scheide zurückziehbaren
Rüssel, der als starker Haftapparat dient, und durch die völlige
Abwesenheit des Verdauungssystems. Die Nahrungssäfte werden aus dem
Wirt osmotisch durch die ganze Körperoberfläche aufgenommen. Im
gestreckten, oder eiförmigen Körper liegen, von einem aus Quer- und
Längsfasern zusammengesetzten Muskelschlauch umschlossen, hauptsächlich
die kompliziert gebauten Geschlechtsorgane. Die Geschlechter sind
getrennt, die Fruchtbarkeit erfährt auch hier eine für den Parasiten
so wünschenswerte starke Steigerung. Im Grunde der Rüsselscheide
entwickelt sich das Nervensystem in Gestalt eines Ganglions mit
davon ausstrahlenden Nerven; in die Leibeshöhle ragen noch zwei
eigentümliche, schlauchartige Bildungen, die Lemnisken, denen man die
Funktion von Exkretionsorganen zuschreibt. Die Lebensgeschichte der
Echinorhynchen ist durch das Schmarotzertum stark beeinflusst.

Kratzer im Darme von Süsswasserfischen sind eine recht häufige
Erscheinung. Besonders verbreitet in allen Fischen aus der Familie
der Karpfen, aber auch in Barsch, Quappe, Hecht, Aal, Stör, Forelle,
Aesche, Groppe, Saibling, Kaulbarsch findet sich der _Echinorhynchus
proteus_ Westrumb. Oft ist der Enddarm des Wirtes von den rötlichen
oder gelblichen Schmarotzern prall angefüllt. Die Länge der Tiere
beträgt bis 30 _mm_; vom Januar bis Juni nahm sie bei den Exemplaren
aus dem Genfersee stetig zu. Äusserlich zeichnet sich die Art
durch einen langen, schmalen, unbewehrten Hals aus, der an der
Übergangsstelle zum Rüssel eine durchaus charakteristische, kugelige,
als Bulla bezeichnete Bildung trägt. Der Rüssel selbst ist nach
+Hamanns+ neuester, schöner Arbeit mit 23 bis 25 Querreihen von Haken
bewaffnet, die drei verschiedenen Formen angehören. Eine verwandte,
von +Hamann+ zuerst genau festgestellte Art, der _E. Linstowi_,
besitzt nur zehn Hakenreihen mit zweierlei Formen der Haftgebilde.
Gesamtzahl der Haken für _E. proteus_ 230–250, für _E. Linstowi_ 60.
Die Grösse der Exemplare von _E. proteus_ richtet sich nach der Grösse
des bewohnten Fisches, ein Verhältnis, das für Wirt und Gast bei
parasitischen Geschöpfen überhaupt oft gültig ist. In der Jugend sind
die Echinorhynchen noch kaum angeheftet; ältere Individuen versenken
Rüssel und Hals tief in die Schleimhaut des Fisches.

Die reifen, bereits embryonenhaltigen Eier fallen, nachdem das
Ovarium geplatzt ist, in die Leibeshöhle; sie werden von einem
eigentümlichen, sich fortwährend öffnenden und schliessenden Teil
des Geschlechtsapparats, der Uterusglocke, aufgeschluckt und von da
durch die Leitungsapparate an die Aussenwelt abgegeben. Von einzelnen
Kratzern werden so Millionen sehr kleiner Eier in der freien Natur
zerstreut. Ihre Entwickelungsfähigkeit bleibt lange Zeit eine
ungestörte. Die Embryonen sind in drei starke Hüllen von verschiedener
Natur eingeschlossen. Ihre Gestalt ist die eines schlanken Kegels
mit abgerundeten Enden; das breitere, ventral scheibenartig
abgeflachte Vorderende trägt einen aus zehn bis zwölf stilettförmigen
Borsten zusammengesetzten Stachelapparat, der durch eine spezielle
Muskulatur bewegt werden kann. +Leuckart+ hat schon vor längerer Zeit
nachgewiesen, dass die Eier unseres _E. proteus_ in den Darm des weit
verbreiteten, gewöhnlichen Flohkrebses (_Gammarus pulex_) gelangen
müssen. Die Eihülle und endlich auch die Darmwand des Zwischenwirtes
wird von den Embryonen mit Hilfe ihres Stachelapparates durchbrochen;
in der Leibeshöhle des Krebses läuft die weitere Entwickelung ab. Noch
drei Wochen bleiben die Bewegungen im Zwischenwirt recht lebhafte;
nach und nach werden sie langsamer, um endlich ganz aufzuhören. Der
embryonale Hakenkranz ist inzwischen verloren gegangen; die Tiere
liegen wie Puppen von Insekten, von ihrer äusseren, derben Haut wie von
einer Kapsel umgeben und mit eingezogenem Rüssel in der Leibeshöhle des
_Gammarus_. Die weitere Entwickelung des scheinbar ruhenden Körpers
ist eine höchst komplizierte. Aus einer zentralen Körnermasse der
Larve, dem sogenannten Embryonalkern, geht die Hauptmasse der Organe,
Nervensystem, Rüsselscheide, Geschlechtsapparate, hervor, während die
Körperwandung mit den Lemnisken, dem eigentümlichen, sie durchziehenden
Lakunensystem und dem Muskelschlauch den peripherischen Teilen des
Embryos den Ursprung verdankt.

Eingeschlossen in den Zwischenwirt müssen die jungen Echinorhynchen
in den Verdauungstractus der ihnen als Hauptwirte zusagenden Fische
gelangen. Dort werden sie frei, fixieren sich, ihre volle Grösse wird
erreicht und nach definitiver Ausbildung der Geschlechtsorgane wird die
Begattung vollzogen.

+Hamann+ hat indessen die Beobachtung gemacht, dass die
Lebensgeschichte noch kompliziertere Bahnen einschlagen kann. In
manchen Fischen, Stichling, Barbe, Groppe, Gründling, besonders
massenhaft aber in der Elritze (_Phoxinus laevis_) fand der Göttinger
Zoologe der Oberfläche der Leber angeheftet regelmässig kugelige bis
eiförmige Gebilde von etwa 2 _mm_ Durchmesser. Sie bestehen aus einer
von der Leber aus gebildeten Kapsel, die die orangefarbene Larve einer
Echinorhynchus-Art umschliesst. Diese jungen Tiere aus der Leibeshöhle
der kleinen Fischarten entsprechen in jeder Beziehung den Jugendstadien
von _Echinorhynchus proteus_ aus dem Flohkrebs. Sie müssen unbedingt
als zum Entwickelungsgang des besprochenen Kratzers gehörend betrachtet
werden. Es gelang +Hamann+ sogar, aus den in Fischen gefundenen
Larven in der Forelle den typischen _Echinorhynchus proteus_ gross
zu ziehen. Also kann ein Fisch, z. B. die Elritze, so gut wie der
Flohkrebs zum Zwischenwirt eines Kratzers werden, der selbst wieder
Raubfische bewohnt. Die genannten kleinen Fische können übrigens
gleichzeitig Haupt- und Zwischenwirt des _Echinorhynchus proteus_
sein. Sie beherbergen ihn als geschlechtsreifen Wurm massenhaft im
Darmkanal, gleichzeitig findet er sich ganz konstant, oft in der Zahl
von zwanzig Exemplaren, als geschlechtslose Larve der Leber und den
Mesenterien angeheftet. So sucht ja auch die Trichine den Menschen in
zwei verschiedenen Entwickelungsstadien heim, als geschlechtsreifer
Darmbewohner und als in den Muskeln ruhende, unreife Larve. +Hamann+
nimmt an, dass die Elritzen u. s. w. gelegentlich Flohkrebse
verschlucken, in deren Darm frisch aufgenommene, noch nicht geöffnete
Eier von _E. proteus_ liegen. Die Embryonen gelangen nun im Fischdarm
zum Ausschlüpfen, sie durchbohren die Wandungen des Verdauungstractus
und benützen den Fisch an Stelle des von ihm verschlungenen Krebses als
Zwischenwirt. Ein Raubfisch wie die Forelle ist also einer doppelten
Infektionsgefahr ausgesetzt, sie kann den _Echinorhynchus_ vom Fisch
oder vom Krebs beziehen. Für die Verbreitung des Parasiten aber wird
die geschilderte Vermehrung der Zahl von Zwischenwirten von Bedeutung
und Vorteil sein.

[Illustration: Fig. 37.

_Echinorhynchus angustatus._]

Kaum weniger verbreitet als der _Echinorhynchus proteus_ ist ein
anderer Kratzer zahlreicher Süsswasserfische, der _E. angustatus_ Rud.
Als seine gewöhnlichsten Wirte dürfen wohl Barsch, Hecht, Quappe,
Karpfen und Forelle bezeichnet werden. In gewissen Bächen, die den
Zwischenwirt des Wurmes, die Wasserassel (_Asellus aquaticus_), häufig
beherbergen, ist auch der Darm der Forellen regelmässig mit hunderten
der Schmarotzer angefüllt. Der gestreckte, spindelförmige oder
cylindrische Körper besitzt nur einen kurzen Hals. Der walzenförmige
Rüssel trägt 8–20 Hakenreihen, deren Elemente von zweierlei
verschiedener Form sind. Bei mittelgrossen Tieren mit 15 Reihen beträgt
die Hakenzahl 120 (Fig. 37).

Es kamen mir keine Exemplare von _E. angustatus_ aus Süsswasserfischen
zu Gesicht, deren Gesamtlänge 25 _mm_ überstieg. Die Lebensgeschichte
dieses Kratzers kopiert die für _E. proteus_ näher geschilderten
Vorgänge. Wie dort bedarf die Larve bis zu ihrer vollständigen
Ausbildung acht bis zehn Wochen Zeit. Die Eier des Parasiten werden
von der Wasserassel in grosser Menge aufgenommen. Im Gegensatz aber zu
den bereits geschilderten Verhältnissen gelangen die ausschlüpfenden
Embryonen von _E. angustatus_ schon in der Drüsenschicht des Darmes
ihres Zwischenträgers, die sich in beträchtlicher Dicke zwischen
Chitinwand und Muskelhaut legt, zur Ruhe. Hier liegen sie in grosser
Zahl bewegungslos. Die äussere Form der Larven verändert sich; innere,
komplizierte Umbildungen finden statt; die Körpergrösse nimmt zu.
Endlich fallen die jungen Schmarotzer infolge von in der Wandung
des Darmes eintretenden Veränderungen passiv in die Leibeshöhle des
Zwischenwirtes. Von der Blutflüssigkeit des Krebses umspült, und so
reichlich ernährt, wächst der Schmarotzer verhältnismässig rasch unter
allmählicher Gestaltveränderung. Es entsteht auf verwickeltem Wege der
junge _Echinorhynchus_, der mit der Assel auf den Hauptwirt (Fische)
übertragen werden muss, um dort seine Geschlechtsreife zu erlangen.

Für einen andern Kratzer, den _E. clavaeceps_ Zed., hat +Villot+ den
Zwischenwirt in der wasserbewohnenden Larve eines weit verbreiteten
und massenhaft auftretenden Netzflüglers, der _Sialis lutaria_ L.,
entdeckt. Der junge Wurm liegt eingekapselt im Fettkörper des Insekts;
er sieht in Form und Bau dem erwachsenen _Echinorhynchus_ sehr
ähnlich, doch sind die Geschlechtsorgane noch unentwickelt. Zufällig
finden sich die Larven des _E. clavaeceps_ auch in einem Blutegel
(_Nephelis octoculata_) und in Wasserpulmonaten (Limnaeen); doch
scheint die Sialis-Larve der richtige Zwischenträger zu sein. Ihr
wird vom Hauptwirt des betreffenden Kratzers, der Schmerle (_Cobitis
barbatula_), eifrig nachgestellt. _E. clavaeceps_ ist übrigens auch
kein seltener Gast zahlreicher Karpfenarten.

Die formenreiche Gruppe der Trematoden oder Saugwürmer umschliesst
ausschliesslich parasitierende Wesen. Doch leben sie bald als
Entoparasiten in den inneren Organen ihres Wirtes, bald heften sie
sich ektoparasitisch auf seiner Oberfläche an. Es sind meist flache,
blattförmige, ungegliederte Würmer, die als Haftapparate Saugnäpfe
und oft daneben noch Hakengebilde besitzen. Eine Leibeshöhle fehlt;
der gegabelte, oft vielfach verzweigte Darmkanal endigt immer blind.
Über dem Schlunde liegt ein Doppelganglion, das mehrere Nervenstämme,
speziell zwei nach hinten ventral verlaufende, abgiebt. Röhriges, meist
durch einen unpaarigen hinteren Porus ausmündendes Exkretionssystem,
das mit zahlreichen Wimpertrichtern im Parenchym beginnt. Die
Trematoden sind fast ausschliesslich Zwitter mit sehr komplizierten
Geschlechtsapparaten. Ihre Lebensgeschichte ist oft äusserst
verwickelt. Sie setzt sich besonders bei den entoparasitischen Formen
für ein und dieselbe Art aus mehreren, auf verschiedene Weise aus
einander hervorgehenden Generationen zusammen (Generationswechsel).
Freie Stadien wechseln mit parasitischen; oft werden mehrere Wirte
durchlaufen.

Von den entoparasitischen Formen, die mit höchstens zwei Sauggruben,
nie mit Haken bewehrt sind, stellt besonders die artenreiche Gattung
_Distoma_ zahlreiche Schmarotzer für die Süsswasserfische. +Stossich+
kennt 170 Distomeen aus etwa zweihundert Fischarten; davon parasitieren
etwa vierzig Arten in Süsswasser- und Wanderfischen. Sie bewohnen
oft in sehr grosser Individuenzahl hauptsächlich die verschiedenen
Abschnitte des Verdauungstractus, vom Schlund bis zum Enddarm. Doch
fehlen sie auch nicht in anderen, nach aussen offenstehenden Organen,
wie z. B. in der Harnblase (_Distoma folium_ Olfers bei Groppe, Hecht,
Forelle, Aesche, Saibling). In Körpergestalt, Grösse und Bau weisen die
Distomeen der Süsswasserfische gar mancherlei Verschiedenheiten auf.
Als Extreme seien erwähnt das _D. tereticolle_ Rud. aus dem Schlund von
Hecht, Aalraupe, Forelle, Saibling etc. mit gestrecktem bis 50 _mm_
langem, halbcylindrischem Körper, und das schon angeführte _D. folium_
aus der Harnblase mancher Fische, dessen Leib eine flache Scheibe
von kaum 2 _mm_ Durchmesser bildet, von der ein Halsteil sich scharf
abhebt. In zahlreichen Fischen lebt das _D. appendiculatum_ Rud.,
ausgezeichnet durch einen in den Körper rückziehbaren Schwanzteil; im
Schlunde des Lachses stösst man oft auf das auch sonst verbreitete _D.
varicum_ Zeder mit drehrundem, geknicktem Körper, konkaver Rücken- und
konvexer Bauchfläche. In den Karpfen lebt das durch seinen kugeligen
Bauchsaugnapf ausgezeichnete _D. globiporum_ Rud.

[Illustration: Fig. 38.

Flimmerembryo von _Distoma laureatum_.]

Über die Lebensgeschichte der die Süsswasserfische bewohnenden
Distomeen ist uns fast nichts bekannt. Sie wird wohl wie diejenige
verwandter Formen durch mehrere provisorische Wirte führen und für
ein und dieselbe Art aus verschiedenen Generationen zusammengesetzt
sein. Parasitische und freie Zustände werden mit einander wechseln,
bis sich endlich ein junges geschlechtsloses _Distoma_ entwickelt hat,
das eingeschlossen in einen letzten Zwischenwirt, wie beim Leberegel
unserer Rinder und Schafe, in den Darm des Hauptwirtes gelangt. Die
Fruchtbarkeit der in Frage stehenden Saugwürmer ist eine gewaltige.
Bei dem abscheulichen Ausbeutungssystem, das den Parasitismus nun
einmal charakterisiert, können Stoffe zur Ausarbeitung der Eier in
Hülle und Fülle aufgenommen werden. So wird der weitern Verbreitung
der schmarotzenden Spezies starker Vorschub geleistet. Die mit einem
kleinen Schalendeckel versehenen Eier werden mit dem Kot des Wirtes an
die Aussenwelt abgegeben. Vom _Distoma laureatum_ Zed. der Salmoniden
berichtet uns +v. Willemoes-Suhm+, dass den ins Wasser gelegten
Eiern nach Verlauf von 34 Tagen ein grosser, bewimperter Embryo mit
schwarzem Augenfleck entschlüpfte (Fig. 38). Bei _Distoma globiporum_
ist nach demselben Gewährsmann der länglich-runde Embryo ebenfalls
stark bewimpert. Er besitzt Seitengefässe und trägt an einem Ende ein
saugnapfartiges Gebilde, aus dessen Mitte sich ein konischer Zapfen
erhebt. Der Embryo von _D. folium_ ist herzförmig mit rudimentärem
Mundnapf, Seitengefässen und Flimmerüberzug. Auch die erste Jugendform
von _D. nodulosum_ aus dem Magen von Hecht, Zander, Barsch etc. zeigt
ähnlichen Bau. In seinem schwarzen Pigmentfleck ist deutlich eine
rundliche Linse erkennbar. Der Embryo von _D. tereticolle_ besitzt
im Exkretionsapparat deutliche Flimmerläppchen. Über die weiteren
Schicksale all dieser bewimperten, freischwimmenden Jugendstadien der
Süsswasserdistomeen wissen wir leider fast gar nichts. Speziell ist
es uns sehr oft unbekannt, in welchen Zwischenwirt eingeschlossen sie
endlich in den Darmkanal des definitiven Wirtes übertragen werden. In
manchen Fällen mag der letzte Zwischenwirt dem Kreis der Mollusken
angehören. So lebt die noch geschlechtslose Larve von _D. globiporum_
Rud. in dünnwandigen Cysten weitverbreiteter Wasserschnecken (_Limnaea
stagnalis_, _Planorbis marginatus_, _Succinea putris_ etc.). Es können
übrigens auch die Süsswasserfische die Rolle von Zwischenträgern von
Trematoden gegenüber anderen Geschöpfen -- Raubfischen, Wasservögeln --
spielen.

In der grossen Mehrzahl der Individuen des Flussbarsches ist
die Wandung der Schwimmblase durchsäet mit kleinen, kugeligen,
starkwandigen, opalescierenden Cysten. Sie umschliessen larväre
Trematoden mit gut entwickeltem Mundnapf, an dessen Seite zwei
bohnenförmige Organe -- Drüsenausmündungsstellen -- liegen. Auch ein
hinterer Bauchnapf lässt sich nachweisen. Der Leib ist reichlich mit
Kalkkörperchen durchsetzt; er umschliesst einen kurzen gegabelten
Darm. Es sind diese Larven mit dem Namen _Tetracotyle_ belegt
worden. Ähnliche junge Saugwürmer siedeln sich nicht selten im Auge
verschiedener Fische, Barsch, Quappe, Zander, Karpfen, an, wo sie
als _Diplostomum_ beschrieben worden sind. Eine Kapsel fehlt ihnen.
+v. Nordmann+ fand in der Linse einer Quappe 290 solcher Würmer, im
Glaskörper 157.

Es ist in hohem Grade wahrscheinlich gemacht worden -- siehe ausser
+Leuckart+ die Arbeit von +Brandes+ --, dass diese Tetracotylen und
Diplostomen, die ausser Fischen auch Mollusken, Amphibien, Reptilien,
Vögel und Säugetiere infizieren, im Darme des Hauptwirtes -- Reptilien,
Säugetiere und besonders Vögel -- sich zu geschlechtsreifen Vertretern
der Familie der Holostomiden entwickeln. Der bewimperte Embryo dieser
Trematoden sucht einen passenden Zwischenwirt auf und reift in ihm
zur völlig ausgebildeten Holostomiden-Larve heran, die, mit dem
Zwischenträger in den Darm des definitiven Wirtes übergeführt, dort
zum geschlechtlichen Tier auswächst. Ein Generationswechsel wäre
in dieser Lebensgeschichte ausgeschlossen, dagegen wird immer ein
Zwischenwirt aufgesucht. Der Zwischenträger fällt nun bei den sofort zu
besprechenden ektoparasitischen Saugwürmern ebenfalls fort.

Die an der Aussenfläche von Wassertieren, speziell Fischen, lebenden
Polystomeen bedürfen zu ihrer Festsetzung weit kräftigerer Haftorgane
als die entoparasitischen Distomeen. Ist doch für sie die Gefahr,
vom Wirte abgestreift zu werden, eine immer drohende. So wird denn
bei ihnen nicht nur die Zahl der Saugnäpfe bedeutend vermehrt,
sondern es werden dieselben in ihrer Funktion oft noch durch
mannigfaltige Chitinhaken und Borsten unterstützt. Bei diesen mit der
freien Aussenwelt während des ganzen Lebens in Beziehung stehenden
Schmarotzern sind auch Sinnesorgane, besonders Augen, keine Seltenheit,
Bildungen, die bei den Entoparasiten unter den Trematoden höchstens
während der frei schwärmenden Jugendzeit auftreten. Die Polystomeen
bilden meistens nur wenige, aber grosse und oft mit verschiedenen
Anhängen versehene Eier aus. Die denselben entstammenden Embryonen
entwickeln sich am häufigsten ohne Generationswechsel und Wanderungen
zum definitiven Geschlechtstier. Die Eier werden oft mit ihren
Fortsätzen am Wirt befestigt, aus ihnen entspringt ein äusserlich und
innerlich schon hoch differenzierter Embryo. Das für ihn unnötige
Wimperkleid ist schwach, oder gar nicht entwickelt; dagegen besitzt
er schon einfache Haftorgane, die sich meistens später komplizieren.
Die Distomeen liefern ungemein zahlreiche, einfache Embryonen, von
denen wenigstens einige alle mannigfaltigen Wendungen des Geschicks
des entoparasitischen Entwickelungsganges glücklich überstehen werden;
die Polystomeen entlassen aus wenigen, aber dotterreichen Eiern einige
Junge, die im ganzen schon den Eltern ähnlich sind. Zuweilen werden
indessen auch weitergehende Metamorphosen durchlaufen.

In manchen Fällen bietet der Lebensgang der ektoparasitischen
Saugwürmer trotz der direkten Entwickelung Verhältnisse, die zum
eigentümlichsten gehören, was uns tierische Geschichte lehrt. Speziell
unter den Parasiten der Süsswasserfische stossen wir in dieser
Beziehung auf höchst seltsame Vorgänge.

+Zeller+ hat uns in seinen schönen Arbeiten sowohl mit Bau, als mit
Lebensgeschichte des _Diplozoon paradoxum_ Nordm., des fremdartigen
Doppeltieres, bekannt gemacht. Es ist ein Trematode, der häufig an den
Kiemen zahlreicher Süsswasserfische -- Elritze, Quappe, Groppe etc. --
schmarotzt. Im ausgewachsenen, geschlechtsreifen Zustand erscheint der
Körper des _Diplozoon_ als ein x- oder kreuzförmiges Gebilde, das,
wie wir sehen werden, durch die dauernde und enge Verwachsung von zwei
ursprünglich getrennten Wurmleibern entstanden ist. Die Hinterenden
besitzen zwei grosse, in vier Gruben geteilte Haftscheiben, zu denen
sich noch vier starke Klammerpaare gesellen (Fig. 39).

[Illustration: Fig. 39.

_Diplozoon paradoxum_ von den Kiemen der Elritze.]

[Illustration: Fig. 40.

Ei von _Diplozoon paradoxum_.]

[Illustration: Fig. 41.

Flimmerembryo von _Diplozoon paradoxum_.]

Beide das _Diplozoon_ zusammensetzenden Tiere sind gleich,
hermaphrodit, bringen Eier hervor und befruchten sich gegenseitig.
Mit dem Eintritt der kälteren Jahreszeit hört die Eierbildung
auf, die weiblichen Organe existieren dann nur andeutungsweise.
Bei steigender Temperatur (künstlich oder natürlich) beginnt die
Ausarbeitung der Eier sofort wieder, die Geschlechtsorgane entwickeln
sich und treten in Thätigkeit. Die Eibildung und Befruchtung kann
nun in allen Einzelheiten verfolgt werden. Das reife, hochgelb
gefärbte, gedeckelte Ei ist 0.28 bis 0.30 _mm_ lang; seine Schale
besitzt zunächst an einem Pol einen kurzen, schnabelartigen Fortsatz,
der allmählich zu einem langen, sich aufrollenden und erstarrenden
Faden auswächst (Fig. 40). Am siebenten bis achten Tag werden die
Eier aus dem erweiterten Ende des Ovidukts ausgestossen. In reinem
Wasser läuft die weitere Entwickelung rasch ab. Nach acht Tagen
umschliesst die Eischale einen deutlichen Embryonalkörper, der
sich zuerst schwach, dann immer kräftiger bewegt. Am fünfzehnten
Tag etwa wird der Deckel des Eies abgeworfen, der Embryo schwimmt
leicht im Wasser. In diesem Zustand ist das junge Tier, was sich
schon durch die Eischale erkennen liess, mit zwei dorsal liegenden
Augen und einem Wimperbesatz ausgestattet. Die Augen sind Schälchen
eines bräunlichen Pigments, die ein helles, kugeliges, linsenartiges
Körperchen umschliessen. Das ganze Körperparenchym ist reichlich mit
glänzenden, formveränderlichen Kügelchen durchsetzt. Am Vorderende
liegt der Mund mit zwei eigentümlichen seitlichen Saugnäpfen, das
Hinterende trägt zwei Klammern und zwei kleine Angeln. Im Innern
des Körpers erscheint der stark muskulöse, in einen einfachen Darm
führende Schlundkopf (Fig. 41). Die Bewegungen dieser jungen Tierchen
sind äusserst mannigfaltig und ausgiebig. Bietet sich indessen im
Verlauf von sechs Stunden keine Gelegenheit zur Fixierung auf den
Kiemen eines Fisches, so gehen die Diplozoon-Embryonen zu Grunde. Hat
die Festsetzung aber stattgefunden, so verwandelt sich der Embryo zu
einem Geschöpf, das als kiemenbewohnender Parasit schon von +Dujardin+
unter dem Namen _Diporpa_ beschrieben worden ist. Der unnötig gewordene
Schwimmapparat, der Wimperbesatz, geht verloren; die Augen, die
gleichfalls keinen Dienst mehr zu leisten haben, zerfallen, der Darm
füllt sich mit dem Wirt entzogenen Stoffen. Im Juli und August findet
man die Kiemen der Elritzen oft mit hunderten von Diporpen besetzt.
Es sind diese Wesen von lanzettförmiger, abgeplatteter Körpergestalt;
ihre Bauchfläche trägt etwas unterhalb der Mitte einen kleinen
Saugnapf, am Rücken liegt, noch etwas kleiner als der Bauchnapf,
ein zapfenförmig hervortretendes Gebilde. Das Kopfende des Tieres
verlängert sich rüsselartig, an ihm liegt zentral ein quergestellter
Mund; seitlich öffnen sich zwei Saugnäpfe in die Mundhöhle. Der Darm
beginnt seitliche Ausstülpungen zu treiben. In jeder Körperhälfte liegt
ein Hauptstamm des Exkretionssystems. Am Hinterende ist schon das erste
Haken- und Klammerpaar befestigt. In diesem Zustand auf den Kiemen
schmarotzend und allmählich an Grösse zunehmend, können die Diporpen
Wochen und Monate lang leben. Nie aber wird das isolierte Einzeltier
geschlechtsreif, es muss der Geschlechtsreife die enge, definitive
Verwachsung zweier Diporpen zum _Diplozoon_ vorausgehen, wie dies
schon +v. Siebold+ richtig erkannte. Die Vereinigung findet immer so
statt, dass jedes der beiden sich konjugierenden Individuen mit seinem
Bauchnapf den Rückenzapfen des Gefährten umfasst. Die notwendige Folge
dieser Verbindungsweise wird eine Kreuzung der beiden Exemplare und so
die Annahme der typischen Diplozoongestalt sein. Eine Trennung findet
nicht mehr statt, die Tierkörper verwachsen an den Berührungsstellen
innig; aus +zwei+ ursprünglich getrennten Individuen, hervorgegangen
aus zwei verschiedenen Eiern, ist +ein+ Geschlechtstier entstanden.
Das _Diplozoon_ wächst nun noch weiter; die vorderen Saugnäpfe gehen
verloren, am Hinterende legen sich ein zweites, drittes und viertes
Klammerpaar und entsprechende Sauggruben an, die übrigens oft schon
in älteren Diporpen teilweise vorgebildet sind. Endlich erscheinen in
beiden ursprünglichen Tieren die Geschlechtsorgane.

Eine ziemlich umfangreiche Gruppe von Kiemenparasiten der Fische
sind die Gyrodactyliden, charakterisiert durch ihre grosse terminale
Schwanzscheibe und den kräftigen Hakenapparat. Im süssen Wasser sind
diese sehr kleinen Schmarotzer in vielen Arten hauptsächlich auf
verschiedenen Cypriniden, sowie Barsch, Kaulbarsch, Zander zu Hause.
Die Gattung _Gyrodactylus_ besitzt zwei Kopflappen, acht bewegliche
Pharynxstacheln, zwei starke Haken inmitten der Schwanzscheibe und
zahlreiche kleine Häkchen am Umfange derselben.

Kaum minder gut mit Haftapparaten ausgestattet ist die verwandte Form
_Dactylogyrus_. Sie trägt vier Kopflappen, zahlreiche kleine Randhaken,
neben zwei grösseren Klammern auf der Scheibe. Oft stellt sich noch
eine zweite, zentrale Haftplatte ein.

Die merkwürdige Geschichte von _Gyrodactylus elegans_ Nordm. hat uns
+G. Wagener+ geschildert. Das junge Tier macht im Innern der Mutter
seine vollständige Metamorphose durch und wird lebend, nach Gestalt
und Bau dem Muttertier durchaus ähnlich geboren, während z. B. die
verwandte Gattung _Dactylogyrus_ Eier zur Welt bringt. Bevor aber der
junge _Gyrodactylus_ frei wird, umschliesst er selbst bereits wieder
einen Sprössling, so dass drei Generationen in einander eingeschachtelt
liegen. Das Muttertier umfasst die auf geschlechtlichem Wege erzeugte,
aber noch nicht geschlechtsreife Tochter; diese birgt einen Keimling,
der wie angenommen wird einer übrig gebliebenen Furchungskugel des
Eies, aus dem das Tochtertier hervorging, seinen Ursprung verdankt.
Tochter- und Enkelindividuum wären somit gleichzeitig aus der Masse
gleichgestalteter und gleichaltriger Embryonalzellen des ursprünglichen
Eies hervorgegangen.

Unter dem Namen _Sphyranura Osleri_ haben +Ramsay Wright+ und
+Macallum+ jüngst einen interessanten ektoparasitischen Trematoden
von der Haut des grossen Salamanders _Necturus lateralis_ Raf. aus
den Seen Nordamerikas beschrieben. Die fragliche Form schiebt sich
anatomisch und embryologisch zwischen _Polystomum_ und _Gyrodactylus_
ein. Ein weiterer Kiemenbewohner der Süsswasserfische ist die Gattung
_Tetraonchus_.

Wie die Saugwürmer gehören auch die Bandwürmer (Cestoden) der grossen
Abteilung der Plattwürmer an. Es fehlt sogar nicht an Formen, die
morphologisch und embryologisch als Übergangsstufen sich zwischen die
beiden parasitierenden Gruppen der Plathelminthen einschieben und
es so unmöglich machen, Trematoden und Cestoden durch eine scharfe
Grenzlinie zu scheiden. Letztere haben sich offenbar aus ersteren
herausentwickelt, sind aus ihnen durch Anpassung an immer schärfer
ausgeprägtes Schmarotzertum entstanden. Von Ektoparasitismus ist hier
keine Rede mehr. Alle Bandwürmer bewohnen die inneren Organe ihrer
Wirte. Unter dem Drucke des intensiver werdenden Schmarotzertums sind
manche bei den Trematoden noch mehr oder weniger entwickelte Organe und
Organsysteme als unnötig vollkommen zurückgebildet worden. Sinnesorgane
und Verdauungssystem sind spurlos verschwunden. Das schwach entwickelte
Nervensystem besteht in der Regel aus zwei seitlichen Längsstämmen,
die im vorderen Körperende, dem sogenannten Kopf, durch einfache
oder mehrfache Kommissuren verbunden sind. Gut ausgebildet ist das
zweiseitig angelegte, röhrig gebaute Exkretionssystem, dessen feinste
Verzweigungen im Körperparenchym mit zahlreichen Flimmerläppchen
endigen. In der Regel ist der Bandwurmkörper mehr oder weniger deutlich
segmentiert, gegliedert. Sein vorderster, die Haftorgane in Gestalt
mannigfaltiger Haken und Saugnäpfe tragender Teil wird als Kopf oder
Scolex bezeichnet; auf ihn folgen nach hinten in weiten Grenzen
schwankender Zahl die Glieder, Ringe oder Proglottiden. Jede Proglottis
umschliesst männliche und weibliche Geschlechtsorgane. Oft sind die
Proglottiden, nachdem sie eine gewisse Entwickelung durchgemacht
haben, nur noch lose mit einander verbunden; sie lösen sich sogar
von der allgemeinen Kette ab, um selbständig als Einzelindividuen
weiter zu leben. Das hat zur Auffassung des Bandwurmkörpers als
einer aus einem Hafttier (Scolex) und zahlreichen Geschlechtstieren
(Proglottiden) zusammengesetzten Kolonie geführt. Doch giebt es auch
Bandwürmer ohne jeden kolonialen Charakter. Die Glieder sind fest und
dauernd verbunden, die äussere Segmentierung verwischt; die beiden
Geschlechtsapparate kommen in gewissen Fällen im Körper überhaupt
nur in der Einzahl vor. Zwischen Einzelindividualität und Stocknatur
des Cestodenleibs lässt sich keine Grenze ziehen. Die den Trematoden
am nächsten stehenden Formen zeigen von Segmentierung noch keine
Spur; die Gliederung tritt zuerst schüchtern, dann immer deutlicher
hervor und führt zuletzt sogar zur Selbständigkeit der einzelnen
Segmente. Für alle verschiedenen Stufen liefern gerade die bei den
Fischen schmarotzenden Formen treffliche Beispiele. Auch in der
vielfach verschlungenen Lebensgeschichte der Cestoden spiegelt sich
ihr parasitärer Charakter wieder. Wanderungen und Wirtswechsel sind
allgemein verbreitet; freie Lebensstadien spielen eine viel geringere
Rolle als bei den Trematoden. Sie sind in den Entwickelungsgang der
verschiedenen Bandwürmer in verschieden reichem Masse eingestreut.

Der Körper der Süsswasserfische bietet relativ zahlreichen und
mannigfaltigen Cestoden Herberge, sei es als Zwischenwirt, sei es als
Träger der definitiven Geschlechtsform. Die eigentlichen Taenien,
Cestoden, die für die höheren Wirbeltiere und speziell auch den
Menschen eine ganze Anzahl von Arten stellen, sind im Süsswasserfisch
nicht gerade häufig. Barsch, Kaulbarsch, im Genfersee auch Quappe,
Felchen, Hecht, Forelle, Saibling beherbergen in ihrem Darm oft in
grosser Zahl die _Taenia ocellata_ Rud., mit vier seitlich und einem
endständig am Scolex liegenden Saugnäpfen. _T. longicollis_ Rud. ist
für die Salmoniden charakteristisch. In den Pylor-Anhängen und dem
Dünndarm der befallenen Fische leben oft hunderte dieses Schmarotzers.
Länge bis 25 _cm_, fünf Saugnäpfe. In Stichling und Barsch ist die
mit vier kleinen, aber starken Saugnäpfen bewehrte _T. filicollis_
Rud. nicht selten, während die Cypriniden sowie Felchen und Quappe
nicht allzu häufig durch die _T. torulosa_ Batsch infiziert werden.
Bau und Entwickelung all dieser Fischtaenien sind uns fast völlig
unbekannt[LXXVIII].

  [LXXVIII] +O. v. Linstow+ hat uns jüngst über den Bau derselben
            einiges mitgeteilt; eine weitere Arbeit über Cestoden der
            Süsswasserfische wird von einem meiner Schüler vorbereitet.

Durch sein massenhaftes Auftreten in allen Salmoniden fällt der
_Bothriocephalus infundibuliformis_ Rud. auf. Er fehlt auch nicht
in Barsch und Hecht. Sein Scolex trägt -- wie dies für die Gattung
_Bothriocephalus_ charakteristisch ist -- zwei nur mässig starke
Sauggruben. Hunderte von Exemplaren des bis 40 _cm_ langen Wurmes sind
kräftig in den Pylor-Anhängen des Wirtes befestigt. Salm, Saibling
und Forelle scheinen am meisten unter der Überzahl der Schmarotzer
leiden zu müssen. In manchen Meerfischen und in der Quappe wird der _B.
infundibuliformis_ ersetzt durch die verwandte Form _B. rugosus_ Rud.
Seine Länge geht bis 38 _cm_; er ist ausgezeichnet durch randständige
Geschlechtsöffnungen, während dieselben sonst bei den meisten
Bothriocephaliden auf der Fläche der Glieder liegen.

An die Saugwürmer schliesst sich morphologisch und anatomisch eng ein
nicht seltener Darmschmarotzer der verschiedenen Karpfenarten, der
Nelkenwurm (_Caryophyllaeus mutabilis_ Rud.) an. Der Wurmkörper ist
vollkommen ungegliedert, sein oft wie eine Nelkenblüte gefalteter,
hakenloser Vorderrand dient als einziges Fixationswerkzeug. Männlicher
und weiblicher Apparat, jüngst von +Saint-Remy+ genauer beschrieben,
sehen denen der Trematoden ähnlich und bleiben wie dort in der
Einzahl. Kompliziert ist das Exkretionssystem mit seinen zahlreichen
geschlängelten Längskanälen und wohl ausgebildeten Wimpertrichtern.
Im Gegensatz zu den meisten Cestoden scheint die Entwickelung des
Nelkenwurms relativ einfach zu sein. Eine Metamorphose ersetzt den
Generationswechsel; dagegen ist die Wanderung durch den Zwischenwirt
beibehalten. Wahrscheinlich lebt der junge _Caryophyllaeus_ in dem
unter dem Namen _Tubifex rivulorum_ bekannt gewordenen Ringelwurm
und wird mit ihm in den Darm der Cypriniden übertragen, wo er die
Geschlechtsreife erreicht.

Schon etwas mehr dem Typus der Cestoden nähert sich der „Becherkopf“
(_Cyathocephalus truncatus_ Pallas), der sich mit seinem
eigentümlichen, becher- oder trichterförmigen Scolex sehr fest in den
Pylor-Anhängen von Hecht, Barsch, Felchen, Forelle, Quappe, Saibling
ansaugt. Der bis gegen 40 _mm_ lange Leib besteht aus wenigen, fest
verbundenen und undeutlich gegeneinander abgesetzten Proglottiden,
die flächenständig männlichen und weiblichen Porus, sowie die
Uterusöffnung tragen. Durch den Bau der Geschlechtsorgane scheint sich
der _Cyathocephalus_ der Gruppe der Bothriocephaliden anzuschliessen.
Leider ist seine Anatomie erst unvollkommen, seine Lebensgeschichte gar
nicht bekannt.

Traten uns in den bis jetzt geschilderten Fällen die Fische
ausschliesslich als Wirte des ausgewachsenen, geschlechtsreifen
Bandwurms entgegen, so sind doch auch genügend Beispiele bekannt,
wo der Fisch die Rolle des Zwischenträgers spielt und in seinen
Organen die Larven des Cestoden birgt. In einem gut beschriebenen
Entwickelungsgang wird Haupt- und Zwischenwirt der Gruppe der
Süsswasserfische entnommen. Es betrifft dies den _Triaenophorus
nodulosus_ Rud., der als Bandwurm von bedeutender Länge (bis ½ _m_)
den Darm des Hechtes oft in recht beträchtlicher Zahl bewohnt.
Seltener bezieht er im geschlechtsreifen Zustand Aesche, Forelle und
Barsch. In den Fischen des Genfersees gehört der _Triaenophorus_ zu
den gewöhnlichsten Erscheinungen. Sein undeutlich abgesetzter Kopf
trägt neben zwei schwachen Sauggruben zwei Paar starker Chitinhaken,
die durch ihre dreizackige Gestalt an die starke Bewaffnung mancher
Schmarotzer der Meerfische (Calliobothrien) erinnern. Äusserlich
ist der Bandwurmkörper trematodenhaft kaum merklich gegliedert;
innerlich dagegen ist die Segmentierung scharf ausgedrückt durch
die sich regelmässig in grosser Zahl folgenden, nach dem Typus der
Bothriocephalen gebauten Geschlechtsorgane. Im Jugendzustand soll
der _Triaenophorus_ eingekapselt in der Leber der Beutefische des
Hechtes, hauptsächlich der Cypriniden, liegen. Doch fand ich ihn
wenigstens für den Genfersee am häufigsten im Barsch, seltener im
Hecht, am seltensten und nur in schwachen, kleinen Exemplaren in
Forelle und Aesche. Bemerkenswert bleibt immerhin die Thatsache, dass
auch hier wieder alle angeführten Fischarten Haupt- und Zwischenträger
der nämlichen schmarotzenden Spezies werden können. Einmal traf ich
den jungen Parasiten auch im Lachs. Die Triaenophorus-Larven liegen
meistens eingebettet in erbsengrosse dickwandige Bindegewebecysten
der Leber ihres Wirtes. Seltener bewohnen sie Milz, Peritonäum und
Muskeln. In der Leber ist die Larvenzahl oft sehr bedeutend -- nach
eigener Erfahrung bis 36 --, so dass sich die Gegenwart von hunderten
von ausgewachsenen Würmern im Hechtdarm wohl erklärt. Haken und
Sauggruben sind im Jugendzustand schon wohl ausgebildet, zudem folgt
auf den Kopf ein sehr langer (bis 25 _cm_) Wurmkörper, der reich an
Kalkkörperchen ist und sich in der engen Cyste in den mannigfaltigsten
Knäueln und Windungen aufwickelt. Der bandförmige Anhang ist übrigens
bestimmt, nach der Übertragung auf den definitiven Wirt zum guten
Teil verloren zu gehen. Auf den Hauptträger übergeführt werden die
Triaenophorus-Larven wohl sehr bald geschlechtsreif. Ihre reifen Eier
gelangen in ungezählten Mengen mit dem Kot des Fisches ins Wasser.
Ihnen entschlüpfen schon nach sechs bis acht Tagen bewimperte, mit
sechs provisorischen Haken bewehrte Embryonen, die auf der Suche
nach einem Zwischenwirt munter umherschwimmen. Ob aber die oben
aufgezählten Fische schon vom Embryo bezogen werden, oder ob ihnen der
Parasit in vorgerückterer Entwickelung durch einen ersten, wirbellosen
Zwischenwirt übertragen wird, ist noch fraglich.

Die Leibeshöhle der karpfenartigen Fische beherbergt oft
langgestreckte, bandförmige, schwach segmentierte Schmarotzer, ohne
deutliche Haftapparate. Ihre Zahl in einem Wirt ist oft ziemlich
beträchtlich; ihre Länge kann sehr bedeutend werden -- kenne ich
doch aus einem Rötel ein Exemplar von 83 _cm_ Länge und 2 _cm_
Breite. Kein Wunder, dass unter dem Drucke des wachsenden Wurmes die
von ihm mannigfaltig umschlungenen Organe des Fisches verkümmern.
Meist tritt tödliche Peritonitis ein. Schwere Fischepidemien, die
viele Karpfenteiche entvölkerten, sind einzig auf die Gegenwart
dieser Riemenwürmer oder Liguliden zurückzuführen. Es ist also schon
praktisches Interesse, wenn wir die Lebensgeschichte der _Ligula
simplicissima_ Rud., die uns im ganzen und grossen von +Donnadieu+
geschildert worden ist, verfolgen. Wir wissen nun, dass die
Schmarotzer aus der Leibeshöhle der Karpfen nichts anderes sind denn
aussergewöhnlich grosse Larven von Bandwürmern. Sie wachsen schon
im Zwischenwirt, eben den Fischen, zu ungewöhnlicher Länge aus und
bilden auch schon die Geschlechtsorgane vor. Doch treten diese erst in
Funktion, wenn der kaltblütige Zwischenträger mit einem warmblütigen
Hauptwirt vertauscht wird. Dazu bietet sich am besten Gelegenheit,
nachdem die _Ligula_, durch die unter dem Drucke immer dünner werdenden
Bauchdecken des Fisches hindurchbrechend, ins Wasser gelangt, in
dem sie längere Zeit frei leben kann, ein für einen Parasiten nicht
gewöhnliches Verhältnis. +Forel+ hat freie Exemplare von _Ligula_ in
den grossen Tiefen des Genfersees gefischt. Jetzt muss der noch nicht
geschlechtsreife Wurm von einer Ente oder einem anderen Wasservogel
aufgenommen werden. Liguliden von mindestens 10 _cm_ Länge, ja sogar
Bruchstücke grösserer Exemplare werden im Entendarm schon nach Verlauf
von 24 Stunden vollkommen reif; kleinere Tiere werden ausgeworfen.
Die beiden Sauggruben treten deutlicher hervor; die Segmentierung des
Körpers prägt sich etwas schärfer aus; der Leib streckt sich; in den in
grosser Zahl sich regelmässig folgenden Geschlechtsapparaten beginnt
die Eibildung und Befruchtung. Durch spezielle in jeder Proglottis sich
wiederholende Uterusöffnungen werden die von einer harten, gedeckelten
Schale umschlossenen Eier in den Darm des Wirtes und von dort, gemäss
der echt parasitischen Fruchtbarkeit der _Ligula_, in ungeheueren
Mengen an die Aussenwelt abgegeben. Geschlechtsreife Liguliden
verweilen übrigens nur kurze Zeit im Darme ihres Trägers, schon nach
zwei bis drei Tagen sollen sie nach +Donnadieu+ ausgestossen oder
verdaut werden. Im Wasser dagegen können die ausgestossenen Würmer bis
zehn Tage lang weiterleben.

Die Eier in Wasser gebracht entlassen nach acht bis vierzehn Tagen
einen flimmernden, sechshakigen, lebhaft schwärmenden Embryo -- eine
Jugendform, die ja überhaupt bei Plattwürmern verbreitet ist, welche
wasserbewohnende Zwischenwirte aufzusuchen haben. Nach +Donnadieus+
Erfahrungen muss der Embryo von den Karpfen in den Darmkanal
aufgenommen werden. Er wird die Wandungen des Verdauungstractus
durchbrechen und, vielleicht nach vorübergehender Einkapselung in
der Leber, die Leibeshöhle des Fisches beziehen. Wenige Wochen nach
der Infektion mit flimmernden Embryonen beherbergt der Körperraum
der Karpfen schon typisch ausgebildete Liguliden, von 6–12 _mm_
Länge. Die Entwickelungsgeschichte der Riemenwürmer ist ausgezeichnet
durch zahlreich eingestreute freie Stadien und die weitgehende
Differenzierung der Larve schon im Zwischenwirt. Es bedarf das junge
Tier nur noch eines kurzen Aufenthaltes im warmen Darm des Hauptwirtes,
um reife Eier zu liefern. Eine Infektion der Karpfen wird natürlich am
besten durch Ausschluss der Hauptwirte -- der Wasservögel -- von den
Teichen verhindert.

In Bau und Lebensgeschichte schliesst an die _Ligula_ unmittelbar
der _Schistocephalus dimorphus_ Crepl. an. Er lebt als bandförmige,
bereits gegliederte Larve in der Leibeshöhle des Stichlings, als reifer
Bandwurm im Darm der Wasservögel. Es sei endlich noch erwähnt, dass
in der Gallenblase und zwischen den Darmzotten der Schleihen zwei
verschiedene Larven von Bandwürmern aufgefunden worden sind, die sich
durch manche Eigentümlichkeiten auszeichnenden Gyporhynchen. Nach
ihrem Übertritt in den Darm der Reiher entwickeln sie sich zur _Taenia
macropeos_ Wedl und _T. unilateralis_ Rud.

[Illustration: Fig. 42.

Ei von _Bothriocephalus latus_.]

Aus den Süsswasserfischen bezieht endlich auch der Mensch einen
häufigen Bewohner seines Darmkanals, den Grubenkopf (_Bothriocephalus
latus_ Brems.). Dieser längste aller in unserem Körper vorkommenden
Bandwürmer -- kann er doch bis 10 _m_ erreichen -- kommt besonders in
weiter Verbreitung in Länderstrichen vor, die reich an Süsswasserseen
sind. Es lässt sich das nach der Natur seiner Zwischenwirte ja zum
voraus erwarten. So treffen wir ihn häufig in der Westschweiz,
im Seengebiet Oberitaliens, in den weiten an das baltische Meer
grenzenden, zu Deutschland und Russland gehörenden Seebezirken, in
Polen, in gewissen Teilen Russlands, in Schweden, in Japan. Auch
am Ufer des Starnbergersees hat sich ein Infektionsherd gebildet.
Bis vor wenigen Jahren war die Herkunft des so häufigen und nicht
unbedenklichen Schmarotzers unbekannt; das Verdienst, den Schleier
über diesem Dunkel gelüftet zu haben, gehört in erster Linie Prof.
+M. Braun+. Doch bleiben auch heute noch weite Lücken in der
Kenntnis der Lebensgeschichte des _Bothriocephalus_ auszufüllen.
Aus der Uterusöffnung der einzelnen Bothriocephalenglieder treten
die gedeckelten, ovalen Eier, die auch bei diesem Wurm, dank der
parasitischen Lebensweise, und zu Gunsten der Verbreitung der
schmarotzenden Spezies, in Übermenge gebildet werden (Fig. 42). Im
Wasser zerstreut entwickelt sich in ihnen ein Embryo nach Vorgängen,
die jüngst von +Schauinsland+ verfolgt worden sind. Er verlässt die
Eischale je nach den äusseren Temperaturbedingungen und der Masse
des das Ei bespülenden Wassers früher oder später. Im Sommer findet
das Ausschlüpfen schon zwei bis vier Wochen nach der Eiablage statt;
unter ungünstigen Umständen (im Winter) können aber acht und mehr
Monate vergehen, bis der junge Embryo frei wird. Er ist ähnlich wie
das erste Jugendstadium von _Ligula_ und _Triaenophorus_, Würmer,
die übrigens auch im anatomischen Bau des erwachsenen Tieres dem
_Bothriocephalus_ nahekommen, mit sechs Haken bewaffnet und schwimmt
im Wasser mit Hilfe eines langen Wimperpelzes (Fig. 43 S. 250). Das
freie Leben der Embryonen kann bis eine Woche dauern, dann sinken die
Tierchen zu Boden und streifen gewöhnlich die Flimmerbekleidung ab, um
sich noch eine Zeit lang kriechend zu bewegen. Was nun mit den jungen
Bothriocephalen geschieht, ist uns völlig unbekannt. Hier öffnet sich
eine weite Lücke in unserem Wissen. Es hat in keiner Weise gelingen
wollen, die sechshakigen Embryonen direkt auf Fische zu übertragen;
ebensowenig ist es geglückt, niedere wirbellose Wasserbewohner mit den
Flimmerembryonen zu infizieren. So steht die Frage noch vollkommen
offen, ob die Süsswasserfische den ersten und einzigen Zwischenwirt
für den Grubenkopf abgeben, oder ob die Embryonen, etwa wie die ihnen
nach Bau und Lebensweise so ähnlichen frühesten freien Jugendstadien
der Trematoden, zunächst in einen wirbellosen Zwischenwirt eindringen
müssen, um dort weitere Veränderungen durchzumachen.

[Illustration: Fig. 43.

Flimmerembryo von _Bothriocephalus latus_.]

Wie dem auch sei, wir finden die jungen Bothriocephalen erst wieder
unter ganz veränderter Gestalt im Leibe mancher Süsswasserfische. Von
+Braun+ ist 1883 zunächst der Hecht als Zwischenträger des Grubenkopfes
erkannt worden, seitdem haben +Parona+ und +Grassi+ in Italien, +Ijima+
in Japan, ich in Genf und Basel die Bothriocephalus-Finnen in einer
ganzen Reihe von Fischen der Süsswasserseen entdeckt und meist mit
gutem Infektionserfolg auf den Menschen übertragen. Die Zwischenwirte
des breiten Bandwurms sind fast ausschliesslich Räuber, eine Thatsache,
die vielleicht darauf hindeutet, dass ihnen der junge Wurm bereits in
einen ersten Träger eingeschlossen übermittelt wird. Als Wirte der
Finnen von _B. latus_ kennen wir heute den Hecht, die Quappe, den
Barsch, die Forelle, die Aesche, den Saibling, die Seeforelle, sowie
die beiden japanischen Lachsarten _Onchorhynchus Huberi_ und _O.
Perryi_, eine Liste, die sich mit der Zeit noch bedeutend vergrössern
dürfte. Im Lachs sind Finnen von _B. latus_, entgegen der Annahme
von +Küchenmeister+, nicht gefunden worden. Auch die Flussfische sind
häufig mit dem Jugendstadium unseres Schmarotzers besetzt; wenigstens
fand ich die Finnen in Forellen und Hechten aus dem schnellfliessenden
Rhein und der reissenden Aare.

[Illustration: Fig. 44.

Larve von _Bothriocephalus latus_ aus verschiedenen Süsswasserfischen.]

Die Finnen sind gestreckt 8 bis 25 _mm_ lang, 1 bis 3 _mm_ breit,
von schwach abgeflachtem Körper. Vorn trägt das Tier einen konischen
Kopfaufsatz, der in zwei seichten Sauggruben schon die künftigen
Haftapparate des erwachsenen _Bothriocephalus_ aufweist. Oft ist
übrigens das Vorderende in den Körper eingestülpt. Der Leib ist solid,
ungegliedert, höchstens die Kutikula zeigt eine starke Querrunzelung.
Gegen hinten wird der Leib in völlig gestrecktem Zustand etwas
schmäler. Auffallend ist der grosse Reichtum von im Körper zerstreuten
Kalkkügelchen (Fig. 44). Die Finnen liegen, von dünnwandigen Kapseln
umschlossen, oft in bedeutender Zahl in den verschiedensten Organen des
Fisches. Speziell häufig treten sie auf in den Wandungen des Schlundes,
in der Leber, in Milz, Nieren, Geschlechtsorganen und endlich, für die
Übertragung wohl am wichtigsten, in der Rückenmuskulatur. Oft trifft
man sie auch frei wandernd in der Leibeshöhle. Die Zahl der Finnen in
einem Fisch kann recht bedeutend werden (50–100); auf das massenhafte
Vorkommen derselben in einer Seeforelle ist schon hingewiesen worden.
Im Wasser leben die Würmchen längere Zeit weiter. Solche Jugendstadien
in den menschlichen Verdauungstractus gebracht entwickeln sich zum
typischen breiten Bandwurm, zum _Bothriocephalus latus_. Es ist dies
besonders durch Experimente an Dorpater und Genfer Studenten bewiesen
worden. Das Wachstum des Kettenwurms im menschlichen Darm ist ein
ungemein rasches; es beträgt unter günstigen Umständen 6 bis 8 _cm_ im
Tag, so dass der Schmarotzer bald nach Metern gemessen und seine eng
verbundenen Proglottiden nach tausenden gezählt werden können. Nach
drei Wochen ungefähr, von der Infektion an gerechnet, werden wieder
reife Eier abgegeben.

Wir erwerben den breiten Bandwurm durch den Genuss ungenügend
zubereiteter Fische. In den Ostseeprovinzen spielt der Hecht vorzüglich
die traurige Rolle des Zwischenträgers; in Genf ist der Hauptsünder
die Quappe. Sie gelangt massenhaft auf den Markt, ihre Leber wird ganz
leicht gebacken als Leckerbissen verzehrt, gerade dieses Organ aber
beherbergt fast regelmässig Bothriocephalus-Finnen. Auch der Barsch
muss in dieser Hinsicht stark angeschuldigt werden.

Ausser den Larven von _B. latus_ wohnen in vielen Süsswasserfischen
noch die Finnen anderer Grubenkopfarten. Im Lachs speziell fand ich
gelegentlich fünf verschiedene Formen solcher jugendlicher Würmer, die
wohl mehreren Arten angehörten, von denen aber weder morphologisch noch
experimentell eine auf den breiten Bandwurm des Menschen bezogen werden
konnte. Die Art und Weise ihres Vorkommens im Fisch war analog den
für die Jugendstadien von _B. latus_ beschriebenen Verhältnissen. Die
Bothriocephaliden scheinen vorzugsweise Fische als Zwischenträger zu
benutzen.

So gewinnt die Annahme +Leuckarts+, dass ein anderer Grubenkopf, der
_Bothriocephalus cordatus_ Lt., der in Grönland häufig den Darm von
Hund, Seehund, Walross, zufällig den des Menschen bewohnt, durch Fische
in seine Wirte eingeschmuggelt werde, sehr an Gewicht.


Litteratur.

1) =G. Brandes=, Die Familie der Holostomiden. Zoolog. Jahrbücher. Abt.
f. Systematik, Geographie u. Biologie der Tiere. Bd. 5.

2) =M. Braun=, Zur Entwickelungsgeschichte des breiten Bandwurmes.
Würzburg 1883.

3) =O. Bütschli=, Zur Entwickelungsgeschichte des Cucullanus elegans.
Zeitschr. f. wiss. Zoologie. Bd. 26. 1876.

4) =G. Bunge=, Weitere Untersuchungen über die Atmung der Würmer.
Zeitschr. f. physiol. Chemie. Bd. 14. 1889.

5) =C. M. Diesing=, Systema Helminthum.

6) =Donnadieu=, Contributions à l’histoire de la Ligule. Journal de
l’anatomie et de la physiologie. 1877.

7) =F. Dujardin=, Histoire naturelle des Helminthes.

8) =O. Hamann=, Die Nemathelminthen. Erstes Heft: Die Acanthocephalen.
1891.

9) =F. Küchenmeister=, Die Finne des Bothriocephalus latus und ihre
Übertragung auf den Menschen.

10) =R. Leuckart=, Die Parasiten des Menschen und die von ihnen
herrührenden Krankheiten. 1. und 2. Auflage.

11) =O. v. Linstow=, Compendium der Helminthologie. Hannover 1878.

12) =O. v. Linstow=, Nachtrag dazu. Die Litteratur der Jahre 1878–1889.

13) =E. Lönnberg=, Helminthologische Beobachtungen von der Westküste
Norwegens. Erster Teil: Cestoden. Svenska Vet. Akad. Handlingar. Bd.
16. Afd IV.

14) =E. Lönnberg=, Bidrag till Kännedomen on i Sverige förekommande
cestoder. Ibid. Bd. 14, IV.

15) =F. Miescher-Rüsch=, Statistische und biologische Beiträge zur
Kenntnis vom Leben des Rheinlachses im Süsswasser. Ichthyologische
Mitteilungen aus der Schweiz zur internationalen Fischereiausstellung
zu Berlin 1880.

16) =A. Moquin-Tandon=, Monographie de la famille des Hirudinées avec
atlas. Paris 1846.

17) =E. Parona=, Intorno la genesi del Bothriocephalus latus (Brems.) e
la sua frequenza in Lombardia. Torino 1887.

18) =M. Stossich=, I Distomi dei pesci marini e d’acqua dolce. Trieste
1886.

19) =M. Stossich=, Appendice al mio lavoro i Distomi dei pesci marini e
d’acqua dolce. Trieste 1888.

20) =G. Saint-Remy=, Recherches sur la structure des organes génitaux
du Caryophyllaeus mutabilis. Revue biologique du Nord de la France. T.
2. 1889–90.

21) =A. Villot=, Echinorhynchus clavaeceps. Note sur son organisation
et son développement. Bulletin de la société des sciences naturelles du
Sud-Est.

22) =R. v. Willemoes-Suhm=, Helminthologische Notizen. II. Zeitschr. f.
wiss. Zool. Bd. 20. 1870.

23) =E. Zeller=, Untersuchungen über die Entwickelung des Diplozoon
paradoxum. Ibid. Bd. 22. 1872.

24) =E. Zeller=, Über den Geschlechtsapparat des Diplozoon paradoxum.
Ibid. Bd. 46. 1888.

25) =F. Zschokke=, Recherches sur l’organisation et la distribution
zoologique des vers parasites des poissons d’eau douce. Archives de
Biologie. 1884.

26) =F. Zschokke=, Helminthologische Bemerkungen. Mitteilungen a. d.
zool. Station zu Neapel. Bd. VII.

27) =F. Zschokke=, Der Bothriocephalus latus in Genf. Centralblatt f.
Bakteriol. u. Parasitkunde. Bd. 1. 1887.

28) =F. Zschokke=, Ein weiterer Zwischenwirt des Bothriocephalus latus.
Ibid. Bd. 4. 1888.

29) =F. Zschokke=, Über Bothriocephalenlarven in Trutta salar. Ibid.
Bd. 7. 1890.



Über die quantitative Bestimmung des Plankton

im Süsswasser.

Von Dr. =C. Apstein= in Kiel, Zoolog. Institut.


In seinem Werke[103][LXXIX] „Über die Bestimmung des Planktons oder
des im Meere treibenden Materials an Pflanzen und Tieren“ bezeichnet
+Hensen+ mit +Plankton+ „+Alles, was im Wasser treibt+“. Es sind also
darunter alle Organismen, sowohl Pflanzen wie Tiere, zu verstehen,
die +willenlos+ der Wellenbewegung und den Strömungen folgen. Der
Begriff ist enger gefasst als „Auftrieb oder pelagische Organismen“,
denn zu letzteren gehören beispielsweise die freischwimmenden Fische,
die aber nicht zum Plankton zu zählen sind, da sie vermöge ihrer
Grösse und Stärke nicht machtlos im Wasser treiben, dagegen bilden die
schwimmenden Fischeier und junge Fische einen Teil des Plankton. Ebenso
könnte es scheinen, als ob die Copepoden ausscheiden müssten, die
bekanntlich einer ziemlich energischen Bewegung fähig sind; doch ist
dieselbe zu wenig ausgiebig, um den bewegenden Agentien irgend einen
nennenswerten Widerstand entgegensetzen zu können.

  [LXXIX] Die Zahlen verweisen auf das Litteraturverzeichnis.

Schon im Jahre 1884 hat +Hensen+ in seiner Arbeit[102]: „Über das
Vorkommen und die Menge der Eier einiger Ostseefische, insbesondere
der Scholle, des Flunder und des Dorsch“ ein Problem in Angriff
genommen, an dessen Lösung niemand vor ihm gedacht hatte, nämlich die
+quantitative Bestimmung+ der im Meere treibenden Organismen.

Nur einmal ist, unabhängig von Hensen[LXXX], jedoch nach diesem,
dieselbe Art der Forschung versucht worden von +Asper+ und
+Henscher+[95] 1886, welche die Organismen aus einer bekannten
Wassermenge sammelten und dann die Zahl der Individuen bestimmten,
die sich in einem Tropfen Flüssigkeit, von denen fünfzehn auf 1 _ccm_
gingen, befanden. Dadurch erhielten sie einen ungefähren Überblick über
die Menge der pelagischen Tiere in dem untersuchten Süsswasserbecken.
Doch ist dieser Versuch nicht in eine Reihe zu stellen mit den
sorgfältigen Methoden der Hensenschen Forschungen. Hensen blieb nicht
bei den einfachen quantitativen Bestimmungen stehen, sondern zeigte
auch, warum diese von so hoher Wichtigkeit sind. In letzter Linie kam
es ihm darauf an, den Stoffwechsel des Meeres näher kennen zu lernen.
Bekanntlich vermögen nur die chlorophyllführenden Wesen, also Pflanzen
und Peridineen, von denen letztere noch von manchen zu den Flagellaten
gerechnet werden, aus anorganischen Stoffen organische Verbindungen
herzustellen; die Kraft, durch die diese Umbildung geschieht, liefert
das Sonnenlicht. Dieses dringt bis höchstens 400 _m_ in das Wasser ein
und soweit finden wir auch nur chlorophyllhaltige Organismen. Dieser
Fähigkeit wegen können wir auch die pflanzlichen Wesen mit Einschluss
der Peridineen +Nahrungsproduzenten+[96] nennen. Ihnen stehen die
+Nahrungskonsumenten+ gegenüber, welche die oben erwähnte Fähigkeit
nicht besitzen, also ganz von den Pflanzen abhängig sind; es sind,
um es kurz zu sagen, die Tiere. +Wo keine Pflanzen sind, können also
auch keine Tiere sein!+ Da, wie oben erwähnt, die Sonne die Kraft den
Pflanzen giebt, organische Verbindungen zu bereiten, so hätten wir ein
Mass für die Produktion des Wassers an belebter Substanz, wenn wir alle
unter einer bekannten Oberfläche -- als Einheit 1 _qm_ -- vorhandenen
Pflanzen bestimmen könnten. In dieser Richtung hat +Hensen+[LXXXI]
zur ersten Orientierung eine Anzahl analytischer Gewichtsbestimmungen
gemacht, denen wir folgende Daten entnehmen.

  [LXXX] +Hensen+ hat schon im Jahre 1885 mehrere Mitteilungen
         über sein Verfahren veröffentlicht, so in den
         Sitzungsberichten des physiologischen Vereins in Kiel,
         in den Mitteilungen des Vereins schleswig-holsteinischer
         Ärzte, im 8. Jahresbericht des Centralfischereivereins
         für Schleswig-Holstein, dann 1886 im Tagesberichte der
         Naturforscher-Versammlung in Berlin.

  [LXXXI] Planktonwerk S. 34. (Siehe Litteraturverzeichnis 103.)

Ein ganzer Fang (aus der Ostsee) vom Februar 1885, der reich an einer
Diatomeenart (_Rhizosolenia_) war, enthielt unter 1 _qm_ Oberfläche
1608.3 _ccm_ Plankton. Davon wurden 70 _ccm_ weiter verarbeitet.
Diese enthielten 0.18 _gr_ organische Substanz = 42.1% und 0.2575
_gr_ = 57.9% Asche. Der ganze Fang würde also 4.296 _gr_ organische
Substanz geliefert haben. Dies ist sehr wenig, aber da die Diatomeen
so zahlreich waren, so ist der beträchtliche Aschenanteil durch die
Kieselsäureskelette verständlich.

Zu ferneren Analysen wurden einzelne Bestandteile des Plankton
verwendet, so die Ceratien und Copepoden. Von ersteren fanden sich in
7.25 _ccm_ Fang 12.45 Millionen. Diese enthielten 0.389 _gr_ organische
Substanz = 96.05% und nur 0.016 _gr_ Asche = 3.94%.

Auf 1 Million Ceratien käme also 0.031245 _gr_ organische Substanz.

Von Copepoden wurde einmal _Rhinocalanus gigas_ zur Bestimmung benutzt.
4 _ccm_ davon = 321 Stück ergaben 0.0527 _gr_ = 99.4% organische
Substanz und nur 0.0003 _gr_ = 0.6% Asche.

Diese Zahlen benutzt +Hensen+ weiter, wobei hervorzuheben ist,
dass alle Angaben nur Minimalzahlen sind. +Hensen+ hat nun nach
Versuchen[LXXXII] -- denen er selbst nur einen vorläufigen Wert
beimisst -- berechnet, dass ein Copepod zu seiner Ernährung täglich
12 Ceratien, das ist pro Jahr 4370 Ceratien bedarf. Da nun auf 1 _qm_
Oberfläche (also einer Wassersäule, die 1 _qm_ zur Grundfläche und die
Tiefe des Wassers[LXXXIII] zur Höhe hat) ungefähr 1 Million Copepoden
lebt, so bedürfen diese zur Nahrung 4370 Millionen Ceratien, welche
4370 × 0.031245 = 133.35 _gr_ organische Substanz liefern.

  [LXXXII] ibid. S. 95.

  [LXXXIII] Hier in der Ostsee etwa 20 _m_.

Die Jahresproduktion an Diatomeen[LXXXIV] berechnet +Hensen+ auf 6570
_ccm_ pro Quadratmeter Oberfläche, diese enthalten 14.8 bis 17.7 _gr_
organische Substanz. Es würden also in Summa pro Jahr von Diatomeen
und Ceratien 133 + 17 _gr_ = 150 _gr_ organische Substanz pro
Quadratmeter Oberfläche erzeugt werden.

  [LXXXIV] ibid. S. 96.

Nach Berechnungen von +Rodewald+ erzeugt 1 _qm_ bebauten Landes
(in Form von Heu) 179 _gr_ organische Substanz. Es ist also die
Produktion des Plankton nur um 20% geringer als die der gleichen Fläche
Ackerlandes[LXXXV]. Da jedoch für die Berechnungen des Wassers nur
Minimalzahlen genommen sind, so wäre es möglich, dass in der That die
Produktion des Wassers gleich ist der des Landes. Hiermit ist also ein
Mass für die Ertragsfähigkeit des Wassers gewonnen und zugleich ein
Ausdruck für die belebende Wirkung des Sonnenlichtes.

  [LXXXV] Dasselbe erwähnt +Seligo+[107] in seinen „Hydrobiologischen
          Untersuchungen“. Er sagt: „Wie eine Wiese ist die
          Wasserfläche gleichmässig bewachsen. Allerdings liegen
          die Pflänzchen normal nicht dicht an einander, aber dafür
          beschränkt sich ihre Anwesenheit und ihr Gedeihen nicht auf
          die Wasseroberfläche, sondern die oberen Wasserschichten bis
          zu mehreren Metern Tiefe sind davon durchsetzt, sodass die
          Gesamtmenge der unter einem bestimmten Teil der Oberfläche
          wachsenden Pflänzchen ungefähr so viel Pflanzenmenge sein
          dürfte, wie auf einer gleichgrossen Fläche einer dünn
          bewachsenen Wiese sich findet“.

Die oben gewonnenen Zahlen lassen sich jedoch noch weiterhin benutzen,
z. B. für praktische Zwecke der Fischerei, wie +Heincke+[101] dargethan
hat. Jedoch würde es uns zu weit führen, auf alle diese interessanten
Berechnungen weiter einzugehen, wir müssen auf die Originalwerke
verweisen.

Ein Punkt ist jedoch noch von Wichtigkeit, der es klarlegen soll, dass
die Planktonmethode zu den vorhin dargelegten Schlüssen berechtigt.
Haben wir ein Recht, von der Beobachtung, die wir aus einem kleinen
Wasserquantum gewonnen haben, auf die Zusammensetzung des Plankton
eines ganzen Wasserbeckens zu schliessen? Da hat sich nun gezeigt bei
Untersuchungen in der Ostsee, dass die Verteilung des Plankton eine
+ziemlich+[LXXXVI] gleichmässige ist. Diese gleichmässige Verteilung
ist von +Hensen+ in seiner Arbeit[102]: „Über das Vorkommen und die
Menge der Eier einiger Ostseefische, insbesondere der Scholle, des
Flunder und des Dorsch“ so erklärt. Trifft ein Stoss, z. B. eine
Welle, ein schwimmendes Ei, so können zwei Fälle in Betracht kommen:
erstens, ist der Stoss senkrecht, so wird das Ei in der Richtung
des Stosses fortbewegt; zweitens, ist der Stoss unter einem Winkel
auf das Ei gelangt, so schiebt eine Komponente des Stosses das Ei
weiter, während die andere es dreht. So werden die Eier nach und nach
auseinandergetrieben, wenn sie auch an einer Stelle der Oberfläche sich
befanden, da ein Stoss nicht alle Eier in derselben Richtung trifft.
Was für die Eier gilt, ist auch für die anderen Organismen des Plankton
anzuwenden. So wird durch die Wellen, welche wie eine Schüttelbewegung
wirken, die Zerstreuung besorgt. Diese Thatsachen hat +Hensen+ auch
noch direkt durch Experimente (siehe die gleiche Arbeit) erhärtet,
indem er mehrere versilberte Glaskugeln, die so beschwert waren, dass
sie gerade noch schwammen, in das Wasser versenkte und nach einiger
Zeit wahrnahm, dass sie weit auseinandergetrieben waren.

  [LXXXVI] In einer neuen Arbeit +Hensens+[104]: „Einige Ergebnisse
           der Plankton-Expedition der Humboldt-Stiftung“ heisst
           es: „... Die Expedition ging von der rein theoretischen
           Ansicht aus, dass in dem Ozean das Plankton gleichmässig
           genug verteilt sein müsse, um aus wenigen Fängen über das
           Verhalten sehr grosser Meeresstrecken sicher unterrichtet zu
           werden, und diese Voraussetzung hat sich weit vollständiger
           bewahrheitet, als gehofft werden konnte“.

Nachdem wir gesehen haben, was für weitgehende Schlüsse +Hensen+
mit Hilfe seiner Planktonmethode, d. h. der Art und Weise der Gewinnung
und Verarbeitung eines Planktonfanges, zu ziehen imstande war, wollen
wir diese Methode[LXXXVII] näher ins Auge fassen.

  [LXXXVII] Diese Methode hat in neuester Zeit von +E. Häckel+ eine
            sehr absprechende Beurteilung erfahren; da jedoch schon von
            anderer Seite die Missverständnisse und Entstellungen der
            Häckelschen Schrift richtiggestellt sind, so gehe ich nicht
            weiter auf dieselbe ein, sondern verweise auf die Arbeiten
            Brandts[102] und Hensens.

Ich möchte daher den Leser bitten, mich auf einer Exkursion zu
begleiten und nachher den Arbeiten am Lande beizuwohnen. Wir besteigen
einen Dampfer und haben Zeit, ehe wir an Ort und Stelle anlangen, die
Ausrüstung zu der „Planktonfahrt“ in Augenschein zu nehmen.

Vor allem fällt uns das grosse +Vertikalnetz+[LXXXVIII] auf (Fig.
45 S. 262): An ihm können wir drei Teile unterscheiden, erstens das
eigentliche konische Netz (_A_), dann den ebenfalls konischen Aufsatz
(_B_) und drittens den Blecheimer (Fig. 48 S. 265).

  [LXXXVIII] Ich habe in folgendem die Masse des Netzes nach denen
             von der Plankton-Expedition auf dem Atlantischen
             Ozean verwendeten Apparaten wiedergegeben. Da, wo auf
             Süsswasserseen kein Dampfer zur Verfügung steht, müssten
             die Netze verkleinert werden, denn vom Boote aus ist es
             unmöglich, mit den fast 2 _m_ hohen Netzen zu fischen.

Das eigentliche Netz ist folgendermassen gebaut:

An einem starken Eisenringe (_S_), der 90 _cm_ Durchmesser hat, ist
innen eine 5 _cm_ grosse Falte von Barchent befestigt (_r_), deren
äusserer Teil eine grössere Anzahl Knopflöcher trägt. Von hier soll
nach dem untern Ringe (_K_) das weiterhin zu beschreibende Netzzeug
ausgespannt werden. Dieser untere Ring (_K_) trägt drei gabelartige
Vorsprünge, an welchen durch Überfallschrauben der Blecheimer befestigt
werden kann. Auf diesem Ringe ist ein zweiter Ring (_K₁_) durch
mehrere mit Ösen versehene Schrauben (_m_) befestigt.

[Illustration: Fig. 45.]

Das Gazenetz (_i_) trägt an seinem obern Rande einen Leinwandstreifen
(_l_), welcher mit Knöpfen versehen ist, die in die oben erwähnten
Knopflöcher der Barchentfalte hineinpassen[LXXXIX], unten ist das Netz an
einen Barchentring angenäht, welcher an dem Messingringe (_K_) durch
mehrere Schrauben (_n_) befestigt werden kann. Damit das feine Gazenetz
nicht allein den Druck der filtrierenden Wassermasse auszuhalten hat,
ist an seiner Aussenseite ein einfaches Fischernetz (_f_) ausgespannt,
das oben an dem Ringe _S_ mit Bindfaden angebunden ist und unten
zwischen die beiden Ringe _K_ und _K__{1} geklemmt wird. Die beiden
erwähnten Netze sind aber zu schwach, den an den Ringen _K_ und
_K__{1} hängenden Eimer zu tragen, es sind daher zwischen _S_ und den
Schraubenösen (_m_) einige starke Schnüre (_g_) ausgespannt.

  [LXXXIX] Es ist daher jederzeit möglich, das Netz herabzunehmen und
           auszuwaschen.

Bei der Wahl des +Netzzeuges+ handelt es sich einerseits darum, dass
die Löcher möglichst fein und gleichmässig sind, damit auch die
kleineren Organismen nicht hindurchgehen können, anderseits auch darum,
dass die Fäden des Gewebes nicht quellen und sich nicht verschieben
können. Diese Bedingungen werden allein durch die Müllergaze erfüllt,
die in mehreren Sorten in den Handel kommt, und sich durch die Grösse
der Löcher unterscheidet. Diese Gaze ist aus Seidenfäden verfertigt
und wird in Mühlen zur Trennung des Mehles nach der Korngrösse
benutzt. Dieses Gewebe (Müllergaze Nr. 20) ist von solcher Feinheit,
dass auf einen Quadratcentimeter Fläche 5926 Löcher kommen[XC], von
denen jedes eine Seitenlänge von 0.053 _mm_ hat. Mit diesem Netzzeug
werden fast alle Organismen gefangen, nur wenige Diatomeen, die mit
ihrer Längsachse auf ein Loch treffen, werden hindurchschlüpfen. Einen
grossen Vorzug besitzt dieses Gewebe noch durch seine grosse Glätte, es
bleiben einmal wenig Organismen daran hängen, dann auch fasert es nicht
aus, so dass der Fang nicht durch Fäden verunreinigt wird.

  [XC] Planktonwerk S. 4.

Ein aus diesem Seidengewebe gefertigtes Netz soll nun zwischen den
beiden Ringen so ausgespannt werden, dass es keine Falten schlägt. Es
ist dazu nötig, ein Muster zu entwerfen[XCI], nach dem das Netzzeug
zugeschnitten wird. Bei dem vorliegenden Netze beträgt der Radius
des obern Ringes _R_ = 45 _cm_, der des untern _r_ = 10 _cm_, die
Mantelhöhe des abgestumpften Kegels _i_ = 150 _cm_.

  [XCI] Die Berechnung weicht von der von Hensen im Planktonwerk S. 6
        angeführten ab, da statt der Sehnen der Winkel an der Spitze
        benutzt ist.

Vervollständige ich den abgestumpften Kegel (Fig. 46), so kann ich mit
Hilfe der Mantelhöhe des abgeschnittenen Stückes (_x_) den Winkel an
der Spitze (α) (Fig. 47) berechnen.

[Illustration: Fig. 46.]

Es ist _x_ : _x_ + _i_ = _r_ : _R_. Daraus folgt

  _x_ = _ri_/(_R_ − _r_).

Nach unserem Beispiel erhalten wir für _x_ = 42.9 _cm_.

Denken wir uns jetzt den Kegelmantel aufgerollt (Fig. 47), so ist

  _AB_ = _U_ = 2_R_π

und

  _CD_ = _u_ = 2_r_π.

[Illustration: Fig. 47.]

Es muss sich verhalten der Umfang des Kreises, den ich mit dem Radius
_x_ (= 2_x_π) schlagen kann, zu _u_, wie 360° : α.

Also

  2_x_π/(2_r_π) = 360°/α.

Daraus folgt

  _x_/_r_ = 360°/α.

In unserem Beispiel erhalten wir für α = 83.9°.

Ebenso wäre die Rechnung, wenn wir für _u_ : _U_ genommen hätten,
dann hätten wir statt _x_ aber _x_ + _i_ setzen müssen. Um nun nach
vorstehenden Zahlen ein Muster zu zeichnen, verfahren wir so, dass
wir uns den Winkel α = 83.9° konstruieren und von dem Scheitelpunkte
desselben mit den Radien _x_ = 42.9 _cm_ und (_x_ + _i_) = 192.9 _cm_
Kreisbogen schlagen, dann geben die Strecken dieser Bogen zwischen
den Schenkeln des Winkels den obern und untern Umfang des Netzzeuges
an. Nach diesem Muster wird dann das Gazenetz ausgeschnitten,
wobei berücksichtigt werden muss, dass bei _AC_ und _BD_ das Netz
aneinandergenäht wird, zu welchem Zweck eine Einschlagskante bleiben
muss. Die Nähte müssen natürlich nach aussen kommen und ausserdem darf
nur eine ganz feine Nadel verwendet werden, da jeder Nadelstich dem
feinen Netzzeug gegenüber ein grosses Loch darstellt.

[Illustration: Fig. 48.]

Der +Aufsatz+ des Netzes besteht aus einem 1 _cm_ dicken Eisenringe
(_a_) von 36 _cm_ Durchmesser, der mit dem obern Netzringe (_S_)
durch drei starke 60 _cm_ lange Eisenstangen (_d_) verbunden ist, die
oben in Haken (_c_) zur Befestigung des Taues auslaufen. Zwischen
den beiden Ringen, jedoch +unter+ den verbindenden Eisenstangen, ist
ein Barchentmantel[XCII] ausgespannt. Dieser Aufsatz ist von grosser
Wichtigkeit für die Brauchbarkeit des Netzes. Wird das Netz auf den
Grund des Wasserbeckens hinabgelassen, so würden, wenn dieser Netzteil
fehlen sollte, Schlamm und Organismen von dem +Boden+ in das Netz
geraten können. Bei dieser Einrichtung jedoch stösst höchstens der
Eisenring (_S_) auf den Schlamm auf, und dieser wird, wenn auch etwas
aufgewirbelt, doch nicht die obere Netzöffnung erreichen und den Fang
verunreinigen können. Ferner dient dieser Aufsatz auch als Reservoir,
wenn bei stürmischem Wetter der Fang aus dem Netz hinaufgespült wird.
Dann auch wird durch die Öffnung des Aufsatzes (= 1000 _qcm_) ein nur
geringer Wasserstrom in das Netz hineingelangen und durch die gegen
26mal so grosse Netzwand fast vollständig filtriert werden können.

  [XCII] Derselbe wird ebenfalls nach den obigen Formeln konstruiert.

Der +Eimer+ (Fig. 48) ist ein cylindrisches Blechgefäss (Eisenblech),
dessen Boden nach der Mitte zu abfällt und hier eine durch eine
Schraube verschliessbare Öffnung (_u_) trägt. Der obere Rand
des Gefässes ist erhaben (_n_) und trägt drei Überfallschrauben
(_m_), die in die oben erwähnten drei gabelartigen Fortsätze des
untern Netzringes (Fig. 45 _k_) hineinpassen. In der Mitte ist der
Blechcylinder noch von einem Reif (_q_) umgeben. Zwischen diesen beiden
Reifen (_q_ und _n_) ist die eine Seite der Eimerwand herausgenommen
und durch Müllergaze (_o_) verschlossen. Der ganze Eimer steht auf
sechs Füssen (_f_), die durch einen Ring (_r_) verbunden sind.

[Illustration: Fig. 49.]

Neben dem Vertikalnetz kommt hauptsächlich der +Filtrator+ (Fig. 49)
in Betracht. Dieser stellt einen Metallcylinder dar, dessen Wände
durch Müllergaze ersetzt sind mit Ausnahme von einigen Stützen (_s_),
die unten durch einen sehr flachen Reif (_K_) verbunden sind. Die
Müllergaze wird zwischen dem obern und untern Ringe (_R_ und _K_) und
den Stützen (_s_) folgendermassen ausgespannt. In dem obern Ringe (_R_)
befindet sich ein zweiter Ring (_R′_), der an den erstern angeschraubt
werden kann; zwischen beide wird die Gaze eingeklemmt, ebenso geschieht
dies bei dem untern Ringe (_K_), auf den ein zweiter Ring (_K′_)
passt, und schliesslich auch bei den Stützen (_s_), an welche von
innen die Gaze durch Metallplatten angedrückt wird. Indem man den
obern und untern Rand der Gaze zwischen den beiden Ringen einspannt,
die seitlichen Ränder aber zwischen einer Stütze und ihrer innern
Platte, hat man den Vorteil, dass an dem Netzzeuge des Filtrators kein
Nadelstich nötig ist.

Der Filtrator trägt an jeder Seite einen dreikantigen Vorsprung (_v_),
der dazu dient, den oben beschriebenen Apparat mit Hilfe eines Bügels
(_b_) und einer Überfallschraube (_a_) auf eine Glasplatte (_G_) fest
anzudrücken, so dass unter dem Ringe (_K′_) kein Wasser entweichen
kann, sondern dasselbe alles durch das Netzzeug filtrieren muss. Da
die beiden unteren Ringe (_K_ und _K′_) sehr flach sind, so wird nur
sehr wenig Wasser im Apparat zurückbleiben, welches man auch durch
vorsichtiges Neigen des Filtrators nach einer Seite zum Ablaufen
bringen kann.

Ferner sind wir mit einigen weithalsigen Stöpselgläsern versehen,
die mit Konservierungsflüssigkeit gefüllt sind, und von denen jedes
zur Aufnahme +eines+ Fanges bestimmt ist. Am bequemsten ist die
Anwendung der Pikrinschwefelsäure, die folgende Zusammensetzung hat:

  300 Raumteile Wasser,
  100     „     einer konzentrierten wässerigen Lösung von Pikrinsäure,
    2     „     von konzentrierter Schwefelsäure.

Der Fang kommt, wie weiter unten gezeigt werden soll, in diese Mischung
und kann in derselben bleiben, wenn die Bearbeitung sogleich vor sich
gehen soll. Muss der Fang jedoch einige Zeit stehen, so empfiehlt es
sich, nachdem die Organismen zu Boden gesunken sind, die überschüssige
Säure abzugiessen und durch Alkohol von 60% zu ersetzen, der mehrmals
gewechselt werden sollte. Jedoch muss das mit der grössten Vorsicht
geschehen, da noch zahlreiche Diatomeen in der Flüssigkeit suspendiert
sind und sich sehr langsam absetzen. Bleiben die Organismen zu lange
in der Säure, so werden die Kalksalze aus einigen ausgezogen und noch
anderweitige Veränderungen bewirkt, die Tiere werden schliesslich ganz
weich und sind für nachfolgende Bearbeitung wenig geeignet.

Ebenso wirksam ist eine konzentrierte Lösung von Sublimat; bei dieser
tritt nur der Übelstand ein, dass man sehr lange mit Wasser[XCIII]
auswaschen muss, um eine nachfolgende Ausscheidung nadelförmiger
Sublimatkrystalle zu verhindern; natürlich muss das Wasser später durch
Alkohol ersetzt werden.

  [XCIII] Statt dessen kann man Jodalkohol benutzen, den man so lange
          wechseln muss, bis die Färbung des Jods nicht mehr verloren
          geht.

Wie andere Fixierungsmittel sich bewähren, kann ich nicht angeben,
glaube aber, dass Osmiumsäure (event. Chromosmiumessigsäure) sehr gut
anwendbar ist. Der Fang wird in ein Glas, in dem etwas Wasser sich
befindet, gebracht und darauf einige Tropfen Osmiumsäure zugesetzt.
Nach einigen Minuten oder sobald alle Organismen getötet sind, wird das
Glas mit Wasser gefüllt, dann lässt man die Organismen sich absetzen,
decantiert und setzt schliesslich Alkohol zu.

Von kleineren Apparaten sind noch vorhanden ein Spatel, eine
Spritzflasche, eine Giesskanne und einige Papierzettelchen, die mit
Bemerkungen versehen und in die Fanggläser gelegt werden können.

Unterdessen sind wir an dem Punkte angelangt, an dem wir die
Untersuchung auszuführen gedenken. Das Schiff hält still und das
+Fischen+ kann beginnen. Das Tau, an dem das Vertikalnetz befestigt
ist, wird über eine Rolle, die an einem galgenartigen, eisernen
Gestelle angebracht ist, gelegt. Der freie Schenkel dieses sogenannten
„David“ ragt über die Schiffswand hinaus und erleichtert, da die
ganze Vorrichtung um ihre Achse drehbar ist, das Einholen des Netzes.
Das Netz, an dem der Eimer angeschraubt ist, wird in das Wasser
hinabgelassen, zuerst langsam, damit das Netzzeug angefeuchtet wird,
dann etwas schneller. Die Hand, die das Tau leitet, kann leicht den
Zug des sinkenden Netzes spüren und daher auch den Moment wahrnehmen,
in welchem der Netzring auf dem Boden aufstösst. Um letzteres jedoch
zu verhindern, ist es ratsam, vorher zu loten, dann kennt man die
Wassertiefe und auch die Bodenbeschaffenheit, da sich Grundproben
an dem unten mit Talg versehenen Lote eindrücken. Das Tau des
Vertikalnetzes trägt in Entfernungen von je 1 _m_ bunte Läppchen und
alle 10 _m_ anders gefärbte. Man kann also das Tau langsam ablaufen
lassen, da man die gelotete Tiefe ablesen kann und kein Aufstossen zu
befürchten braucht. Sobald das Netz in der Tiefe angelangt ist, wird
es mit mittlerer Geschwindigkeit von ½–¾ _m_ pro Sekunde senkrecht
aufgezogen. Die Geschwindigkeit hängt von der Filtrationsgrösse[XCIV]
des Netzzeuges ab. War z. B. das Netz 20 _m_ hinabgelassen, so können
wir, da die Netzöffnung 0.1 _qm_ beträgt, die Wassermenge, die durch
das Netz gegangen sein sollte, berechnen, sie ist 20×0.1 _qm_ = 2 _cbm_
gross. In Wahrheit ist jedoch etwas weniger Wasser filtriert worden,
nämlich nur 1.8 _cbm_, wie Versuche von +Hensen+ ergeben haben. 2 _cbm_
würden durch den Netzring gehen, wenn kein Netz daran hinge, so wird
aber durch den Widerstand des Netzzeuges jener Bruchteil (10%) über den
Netzring abfliessen. Sobald das Netz über dem Wasserspiegel angelangt
ist, wird dasselbe von aussen mit Wasser beworfen. Dadurch wird das
dem Netze anhaftende Material in den Eimer hinabgespült, durch dessen
filtrierende Fläche das überschüssige Wasser abläuft. Nun befinden sich
alle Organismen im Eimer und zwar in einer verhältnismässig kleinen
Wassermenge, die nun weiter zur Verarbeitung kommt.

  [XCIV] Planktonwerk S. 10.

Der Eimer wird vom Netze gelöst, die Schraube, die sich in der Röhre
am Boden des Eimers befindet, herausgedreht, so dass der Inhalt in
eine darunter gestellte Flasche gelangt. Aus der Flasche kann man dann
nach und nach die Masse in den Filtrator giessen. Diese Methode ist
sicherer, als wenn man den Fang direkt aus dem Eimer in den Filtrator
bringt, da bei schwankendem Schiffe leicht etwas vorbeilaufen kann.

Das Wasser sickert nun allmählich durch die Gazewände des Filtrators
durch, und zwar verschieden schnell, je nach der Beschaffenheit des
Fanges. Sind viel Diatomeen oder Nostocaceen (Limnochlide) vorhanden,
so hat der Fang ein schleimiges Aussehen und filtriert sehr langsam.
Sind dagegen Copepoden oder Peridineen am zahlreichsten, so läuft
das Wasser sehr schnell ab, da sich die Poren des Netzzeuges nicht
verstopfen. Nachdem auf diese Weise die Organismen ziemlich vollständig
vom Wasser befreit sind, wird die Glasplatte, denn auf dieser hat
sich jetzt der Fang niedergesetzt, unter dem Filtrator hervorgenommen
und mit Spatel und Spritzflasche werden die Tiere und Algen in die
Konservierungsflüssigkeit gebracht, in der sie bis zur Verarbeitung
bleiben oder, wie oben auseinandergesetzt ist, in Alkohol übertragen
werden. In jedes Glas wird ein Zettelchen gelegt, auf dem der Fundort,
das Datum, die Tiefe des Planktonzuges, die Konservierung, die
Temperatur des Wassers und allenfalls noch die Windrichtung angegeben
sind.

Die nun folgenden Arbeiten, die die +quantitative Bestimmung+ des
Fanges bezwecken, werden ausgeführt, nachdem wir zu Hause angelangt
sind. Zuerst wird das +Volumen+ des Fanges festgestellt. Zu dem
Zwecke wird der Inhalt eines einen Fang enthaltenden Glases in einen
Messcylinder entleert. Nach und nach sinken die Organismen zu Boden,
die grösseren schneller, die kleinen langsamer. Unter letzteren sind
namentlich die Diatomeen zu erwähnen, diese setzen sich, wenn sie
in grösseren Mengen vorkommen, so langsam ab, dass nach tagelangem
Stehen noch immer eine Volumenverringerung zu beobachten ist. Befinden
sich grosse Tiere im Fange, so muss bei diesen das Volumen besonders
bestimmt werden und dieses geschieht am besten und genauesten
durch „+Verdrängung+“, d. h. das Tier wird in einen Messcylinder
hineingebracht, in dem sich eine bekannte Menge Flüssigkeit (Wasser
-- oder Alkohol, wenn der Fang in Alkohol war --) befindet, dann
kann man durch das Steigen der Wasseroberfläche das Volumen des
Körpers bestimmen. Meist hat sich die Masse in 24 Stunden so weit
abgesetzt, dass das Volumen derselben abgelesen werden kann. Da die
Volumenbestimmung zum Vergleiche der einzelnen Fänge unter sich dienen
soll, so ist es zweckmässig, allen Fängen die gleiche Zeit zum Absetzen
zu lassen und zwar genügen dazu 24 Stunden.

Nachdem so das Volumen des Fanges festgestellt ist, wird zur +Zählung+
der Organismen geschritten. Es ist selbstverständlich, dass nicht
alle Individuen des Fanges gezählt werden können, das beweisen schon
folgende Zahlen, die ich Zählungen +Hensens+[XCV] entnehme: Hensen fand
im Oktober 1884 in 1 _cbm_ Ostseewasser (Kieler Bucht) 13 Millionen
_Ceratium tripos_, und im März 1885 ebenda 102 Millionen _Rhizosolenia
semispina_, und wenn wir gar lesen, dass im September sich im Stettiner
Haff in ½ _cbm_ Wasser 9983 Mill. Fäden von Limnochlide[XCVI] fanden,
dann ist es klar, dass diese Zahlen auf anderem Wege gewonnen sind, als
durch Zählung jedes einzelnen Individuums. Die sinnreich von +Hensen+
erdachte und angewendete Methode ist folgende:

  [XCV]  +Hensen+, Planktonwerk.

  [XCVI] Die letzte Zahl entnehme ich einem Zählungsprotokolle von
         Herrn Geheimrat +Hensen+, das er mir freundlich für diese
         Arbeit überliess und das am Ende des Kapitels sich abgedruckt
         findet. Die folgenden Zahlen sowie Betrachtungen beziehen sich
         auf dieses Protokoll. Siehe auch +Hensen+ [105].

Von dem Fange wird die überschüssige Pikrinschwefelsäure abgegossen
und dann Wasser so viel zugesetzt, bis sich die Masse gut
durcheinanderschütteln lässt. Befindet sich der Fang in Alkohol, so
muss der Alkohol durch Wasser erst ausgewaschen werden, was mehrere
Tage in Anspruch nimmt. Nehmen wir an, dass nach der Verdünnung das
Volumen 500 _ccm_ betrage, so ist es klar, dass sich in 1 _ccm_ die
verschiedenen Organismen nicht in der gleichen Zahl finden. Während
wir vielleicht eine _Leptodora_ finden, befinden sich in demselben
Volumen gegen 20 Millionen Limnochlide. Um letztere zählen zu können
nehmen wir von dieser ersten Verdünnung 1 _ccm_ ab und verdünnen ihn
auf 1000 _ccm_, dann haben wir in dieser zweiten Verdünnung in jedem
Kubikcentimeter nur 20000000/1000 = 20000 Fäden der Alge. Von dieser
Verdünnung können wir ⅒ _ccm_, der 2000 Fäden enthalten würde, bequem
zählen. In dieser Wassermasse würden wir aber keinen einzigen der
selteneren Organismen finden, daher dürfen wir, wenn wir diese zählen
wollen, die Verdünnung nicht so weit treiben, sondern vielleicht 1
_ccm_ der ersten Verdünnung nur auf 100 oder 10 _ccm_ verdünnen, für
die ganz seltenen werden wir aber die erste Verdünnung selbst zur
Zählung benutzen.

Da, wie wir gesehen haben, sich in 1 _ccm_ Flüssigkeit noch Millionen
von Organismen vorfinden können, so muss das Entnehmen einer
bestimmten Menge von Flüssigkeit durch ganz besondere Vorkehrungen
geschehen; denn das Abmessen in einem Messcylinder kann für diesen
Zweck nur ganz rohe Werte geben. Es sind daher von +Hensen+
besondere +Stempelpipetten+[XCVII] (Fig. 50) konstruiert worden,
die ganz Vorzügliches leisten. Solch ein Instrument besteht aus
einem kräftigen Glasrohr (_B_), das unten ganz eben abgeschliffen
ist. In diesem Rohr bewegt sich ein Stempel, der abwechselnd aus
Kork- (_h_) und Metallplatten (_i_) zusammengesetzt ist, die durch
zwei Schrauben fest an einander gedrückt werden. An diesen Stempel
ist ein massiver Metallcylinder (_m_) angeschraubt, der genau in
die Glasröhre hineinpasst. Von diesem Cylinder wird nun so viel
Metall ausgeschliffen, dass zwischen ihm und dem Glasrohr (_B_)
genau ein bestimmtes Volumen bleibt, z. B. 1 _ccm_. Dies wird
so bewerkstelligt, dass zuerst ein Teil aus dem Metallcylinder
herausgenommen wird. Dann wird die Pipette gewogen, hierauf wird
die Höhlung mit Quecksilber gefüllt und wieder gewogen. Da man nun
das Gewicht eines Kubikcentimeters Quecksilber kennt, so kann man
genau den Punkt treffen, wo die Höhlung im Stempel 1 _ccm_ fasst.
Es sind von diesen Stempelpipetten sechs verschiedene Grössen zum
Gebrauche nötig, nämlich zu 0.1; 0.2; 0.5; 1; 2.5; 5 _ccm._ Diese
Pipetten werden so angewendet, dass sie mit vorgestossenem Stempel
in ein durch einen durchbohrten Kork verschlossenes Glas mit starken
Wandungen (_A_), in dem die Flüssigkeit sich befindet, von der ein
Teil entnommen werden soll, hineingestellt werden (siehe Fig. 50). Die
Masse wird durch kräftiges Schütteln aufgerührt, und sobald sich die
Organismen möglichst gleichmässig verteilt haben, wird das Glasrohr _B_
niedergestossen; dann ist zwischen dem Glasrohr und dem Stempel _m_ ein
genau bekanntes Volumen Flüssigkeit eingeschlossen. Ehe man jedoch
diese Flüssigkeitsmenge entleert, ist es nötig, den unteren Rand des
Glasrohres mit Fett zu bestreichen, da sonst leicht ein Tropfen daran
hängen bleiben kann. Nach Entleerung des Volumens wird dann noch mit
einigen Tropfen Wasser nachgespült, so dass man sicher sein kann, dass
keine Organismen zurückgeblieben sind. Dieses abgemessene Volumen wird
dann zur Verdünnung benutzt resp. gezählt.

  [XCVII] +Hensen+, Planktonwerk S. 16.

[Illustration: Fig. 50.

(Nat. Grösse für ½ _ccm_.)]

Haben wir uns eine genügende Verdünnung hergestellt, dann kann die
+Zählung+ beginnen. Hierzu wird das +Zählmikroskop+[XCVIII] benutzt.
Dieses Mikroskop zeichnet sich durch seinen Objekttisch aus. Dieser ist
so gross, dass er Glasplatten von 11½ × 10 _cm_ fassen kann, und was
die Hauptsache ist, er ist durch zwei Schrauben sowohl von vorn nach
hinten, als seitwärts verschiebbar. Auf den rahmenförmigen Objekttisch
werden Glasplatten aufgelegt, die fein mit dem Diamanten liniiert sind
und zwar hat jede Platte ein bestimmtes Liniensystem. Wählt man die
passende Vergrösserung, so kann man im Gesichtsfelde zwei parallele
Linien laufen sehen, und wenn man an einer seitlichen Schraube dreht,
so bewegt sich die Glasplatte langsam weiter, wobei man immer den Raum
zwischen denselben Linien im Auge behalten kann. Ist man am Ende eines
Zwischenraumes angelangt, so wird mit Hilfe der anderen Schraube der
Objekttisch senkrecht zu der vorherigen Richtung um einen Zwischenraum
weiter gedreht und dann in diesem die Beobachtung weiter fortgesetzt.
So kann man allmählich die ganze Platte mit dem Mikroskop untersuchen
und ist sicher, dass kein Punkt übersehen ist.

  [XCVIII] +Hensen+, Planktonwerk S. 17 und Taf. I Fig. 2.

Bringen wir nun auf eine liniierte Glasplatte ein bestimmtes Mass einer
Verdünnung, so können wir die Zahl der einzelnen Organismen, die sich
in diesem Volumen befinden, bestimmen. Die Verdünnung wählt man am
besten so, dass man von der häufigsten Spezies nie mehr als 3000 und
nie weniger als 1000 auf der Platte hat. Würde es sich nur um +eine+
Spezies handeln, so wäre die Zählung leicht auszuführen. Man brauchte
nur die Platte allmählich zu durchsuchen und jedes Individuum, das in
das Gesichtsfeld kommt, zu zählen, dann wüsste man, wie viel Organismen
auf der Platte sind und könnte, da man die Verdünnung kennt, die
Summe der Organismen im ganzen Fange berechnen. Hätten wir z. B. eine
Verdünnung von 1 : 10 angewendet und 1 _ccm_ Verdünnung durchgezählt
und fanden 146 Coscinodiscen, dann wären im ganzen Fange (von 500
_ccm_) 146 × 10 × 500 = 730000 Coscinodiscen vorhanden.

Handelt es sich jedoch um mehrere Spezies, so kann man diese nicht
im Kopfe getrennt zählen. Doch auch hier hat +Hensen+ Rat geschafft.
Da in einem Fange 30–50 verschiedene Spezies von Tieren und Pflanzen
vorhanden sind, so werden an einem Setzerkasten, der ebenso viel
Fächer enthält, die Namen der vorhandenen Organismen angebracht, für
jede Spezies ein Fach. Untersucht man jetzt eine Platte, so werden die
mannigfaltigen Organismen nicht mehr gezählt, sondern sobald irgend
einer im Gesichtsfelde sich blicken lässt, wird für ihn ein Pfennig
(Spielmarke etc.) in sein betreffendes Fach gelegt. So kann man leicht
eine Platte, auf der sich 50 verschiedene Arten durcheinandergemengt
befinden, zählen. Auf den ersten Platten werden die Diatomeen, die
meist am zahlreichsten in einem Fange vorhanden sind, gezählt, andere
Organismen natürlich auch berücksichtigt. Zuerst wird ein stark
verdünnter Teil des Fanges genommen, da trotzdem genug Individuen
auf die Platte kommen. Die Vergrösserung muss anfangs sehr stark
sein, etwa 200, zum Zählen der Diatomeen und anderer Algen. Auf die
Platte kommt nur 0.1 _ccm_ Flüssigkeit, die mit der betreffenden
Stempelpipette abgemessen wird. Für die starke Vergrösserung bildet
diese geringe Wasserschicht aber immerhin noch ein Hindernis alle
Organismen zu sehen; hat man das Mikroskop auf die Oberfläche der
Platte eingestellt, so entgehen einem die Organismen, die an der
Oberfläche der Flüssigkeit sich befinden. Daher ist es vorteilhaft, die
Diatomeen trocken zu zählen. Es wird zu diesem Zwecke ein bestimmtes
Volumen Flüssigkeit auf eine Platte gebracht und diese dann der Wärme
eines heizbaren Objekttisches oder eines Ofens ausgesetzt, damit die
Flüssigkeit verdunstet; dann sind die Diatomeen auf der Platte in einer
Ebene ausgebreitet und können nicht so leicht übersehen werden. Da
die Mischungen und Verdünnungen nie ganz genau sein können, so wird
natürlich die Zählung jeder neuen Platte etwas abweichende Resultate
ergeben, es fragt sich daher, wie lange eine Spezies gezählt werden
muss; wann solch ein Grad von Genauigkeit erreicht ist, um von den
wenigen Zählungen auf die quantitative Zusammensetzung des ganzen
Fanges schliessen zu können. Im allgemeinen lässt sich sagen, dass
es bei den häufigsten Formen genügt, wenn man einen Bruchteil (z. B.
⅒) der Quadratwurzel sämtlicher Individuen zählt. Haben wir (siehe
Protokoll) auf der ersten Platte für _Melosira_ 27 Fäden gefunden und
wissen wir, dass die durchzählte Wassermasse der 5000000. Teil von dem
ganzen Fange ist, so würden wir nach dieser ersten Zählung schliessen,
dass 135000000 _Melosira_ im Fange sein werden, daraus nehmen wir ⅒
der Quadratwurzel = 1162. Haben wir also mindestens 1162 _Melosira_
gezählt, so können wir diese aus den Zählungen ausscheiden, d. h. wir
brauchen sie nicht mehr mitzuzählen.

Um die Genauigkeit zu finden, bis zu welcher die Zählung erfolgen muss,
führt +Hensen+[XCIX] noch folgende Erwägung an. Nachdem einige Zählungen
gemacht sind, zieht man aus diesen das Mittel. Denken wir nun, dass
noch eine Zählung hinzugekommen wäre und diese mit der am meisten
abweichenden übereinstimmen würde, und nähmen wir dann aus diesen das
Mittel, so genügen die Zählungen, wenn das Resultat sich nicht mehr als
um 5% ändert. Im Protokoll finden wir für _Melosira_ die Zahlen 382,
396, 396, Summe 1174, Mittel daraus 391. Käme noch eine Zählung hinzu
und zwar 382, so wäre die Summe 1556, Mittel daraus 389.

  [XCIX] Planktonwerk S. 21.

  Es verhält sich 391 : 100 = 389 : _x_,
                        _x_ = 99.4.

Das Resultat weicht also nur um 0.6% ab, die Zählung ist genau genug,
kann also unterbrochen werden; jedoch ist es stets besser, +mehr
Platten zu zählen, als zu wenig+.

Haben wir eine genügende Genauigkeit erreicht, so können wir die
Diatomeen beim Zählen überspringen und schwächere Verdünnung und
schwächere Vergrösserung zur Zählung benutzen. Für seltenere Formen
wird schliesslich die erste Verdünnung benutzt und von dieser 1 _ccm_,
zuletzt 2.5 durchzählt, was meist sehr schnell geht, da man nur mit
sehr schwachen Vergrösserungen zu arbeiten braucht und nur wenige Tiere
zu zählen hat.

Die einzelnen Zählungen werden notiert und zwar in Form eines
+Protokolles+. Ein solches Protokoll ist im Anhange beigegeben und
aus diesem die Einrichtung zu ersehen. Folgendes möge noch zur
Erläuterung desselben erwähnt sein. In der linken obern Ecke findet
sich Datum und Ort des Fanges, hier also: 13. September 1887, Stettiner
Haff. Über sämtliche Fänge wird ein Journal geführt, es bedeutet J.
No. 1 = Journal No. 1. Daselbst finden sich die näheren Daten, die
bei Erlangung des Fanges als wichtig notiert wurden, wie die Tiefe
des Fanges (hier 5 _m_), die Temperatur des Wassers und der Luft,
Windrichtung, Beschaffenheit des Fanges, ob locker, flockig, schnell
absetzend; letztere Aufzeichnungen sind wichtig, da sie, wie wir oben
gesehen haben, schon einen Einblick in die Zusammensetzung des Fanges
erlauben.

In dem Protokolle sehen wir einige Vertikalreihen, darauf
Horizontalreihen. Betrachten wir zuerst die Vertikalreihen. In der
ersten Kolumne mit der Überschrift „Art der Untersuchung“ steht überall
feucht, d. h. alle Platten, die durchzählt worden sind, enthielten die
Organismen in Wasser suspendiert. Den Gegensatz bilden die trockenen
Platten, die, wie oben erwähnt wurde, meist zum Zählen der Diatomeen
verwendet werden. In unserem Fange waren Diatomeen in verhältnismässig
geringer Anzahl vorhanden, _Melosira_, _Coscinodiscus_ und _Bacillaria_
zusammen etwa 100 Millionen, diesen standen von anderen Algen allein
Limnochlide mit 9653 Millionen gegenüber. Letztere würden beim Trocknen
bis zur Unkenntlichkeit geschrumpft sein und daher die Zählung
vereitelt haben, während die kieselschaligen Diatomeen nicht nur ihre
Form behalten, sondern auch leichter in trockenem Zustande zu bestimmen
sind.

In der zweiten Vertikalreihe sind die +Vergrösserungen+ angegeben,
bei denen die einzelnen Platten gezählt worden sind. Das stärkste
der angewendeten Objektive (Vergrösserung 200) hatte einen solchen
geringen Abstand von der Glasplatte oder von der Flüssigkeitsmenge (0.1
_ccm_), die sich auf der Platte befand, dass es nur der gleichmässigen
und leichten Verschiebung des Objekttisches zuzuschreiben ist, dass
das Objektiv nicht in das Wasser eintauchte. Dadurch ist einerseits
einer weiteren Erhöhung der Vergrösserung ein Ziel gesetzt, anderseits
würde die Zählung einer Platte mit noch stärkeren Objektiven viel
längere Zeit in Anspruch nehmen und die Augen übermässig anstrengen.
Beiläufig will ich noch erwähnen, dass die Zählung solch einer Platte
etwa drei Stunden dauert[C]. Nach und nach nahm die Vergrösserung,
bei der gezählt wurde, ab bis auf 22; mit letzterer wurden nur noch
_Leptodora_, Milben und ein nicht bestimmtes Rädertier gezählt. Die
anderen Organismen waren entweder schon zu zahlreich auf der Platte
und lagen infolgedessen zu dicht an einander, oder es war schon die
genügende Zahl gezählt, oder endlich reichte die Vergrösserung nicht
mehr aus, die kleineren Organismen genau und schnell zu erkennen.
Aus letzterem geht hervor, dass man nie ein schwächeres Linsensystem
anwenden darf, ehe nicht alle Organismen genügend gezählt sind, die mit
diesem System nicht mehr genau erkannt werden können.

  [C] Die genaue und bis in die Einzelheiten gehende Zählung eines
      Fanges nimmt etwa vierzehn Tage in Anspruch bei vierstündiger
      Arbeitszeit.

In der dritten Reihe ist die Grösse der +Verdünnung+ angegeben. Aus
dem oben Gesagten erklären sich die Angaben leicht. 1:1000 heisst
also, dass 1 _ccm_ der ersten Verdünnung mit 999 _ccm_ Wasser verdünnt
wurde, so dass das Gesamtvolumen 1000 _ccm_ = 1 Liter war. Man richtet
sich am besten solche Messflaschen ein, die 1000, 500, 200, 100,
80 _ccm_ halten, und benutzt dazu verschieden grosse Kochflaschen,
die eine abgemessene Flüssigkeitsmenge so aufnehmen können, dass
diese gerade noch in den Hals der Flasche hineinragt, dort bringt
man mit dem Diamant eine Marke an. Dann hat man für jede Verdünnung
sogleich eine Flasche bereit. Zu den letzten Zählungen ist die erste
Verdünnung genommen worden, es wurden aber auch nur die grössten Tiere
gezählt, so auf einer Platte, die 2.5 _ccm_ Flüssigkeit enthielt, nur
_Hyalodaphnia Kahlbergensis_, _Daphnia longispina_, _Sida crystallina_,
_Leptodora hyalina_, Milben und das oben erwähnte Rädertier. Es waren
im ganzen (in No. 27) 94 Individuen, so dass, trotz der grossen
Flüssigkeitsmenge, die Zählung nur ungefähr eine halbe Stunde in
Anspruch nahm.

Die nächste Spalte enthält die „+Nummern+“ der gezählten Platten.
Meist genügen 22–24 Platten; in unserem Fange waren aber die grossen
Formen selten, so dass, um einen einigermassen sicheren Einblick in
die Massenhaftigkeit ihres Vorkommens zu erhalten, mehrere Platten
allein für sie verarbeitet werden mussten (Platte 26–31). Die
fortlaufenden Nummern der Platten sehen wir wieder als Kopfzahlen bei
den Horizontalreihen, zu denen wir weiter unten übergehen werden.

Wir überspringen einige Spalten und sehen uns die letzte mit der
Überschrift „+Gebrauchtes Mass+“ an. Die Zahlen dieser Rubrik besagen,
eine wie grosse Wassermenge jedesmal zur Untersuchung benutzt worden
ist. Aus der ersten Zeile ersehen wir, dass 0.1 _ccm_ gezählt wurde
und zwar -- wie aus den daneben stehenden Reihen hervorgeht -- von
der Verdünnung 1:1000 bei einer Vergrösserung von 200 auf feuchter
Platte. Die Flüssigkeitsmengen werden mit den oben beschriebenen
Stempelpipetten abgemessen und auf die Platte übertragen. Es sind,
wie das Protokoll ausweist, alle dort erwähnten Grössen in Anwendung
gekommen, mit Ausnahme von 5 _ccm_, die nur zum Abmessen der Volumina
zwecks der Verdünnung gedient hat (siehe Platte 21–25, auch 10–20).

Kehren wir nun zu der alten Reihenfolge zurück, so treffen wir die
Spalte, die die +Wahren Masse+ enthält. Diese unterscheiden sich
insofern von dem „Gebrauchten Mass“, als sie nicht angeben, wie viel
Flüssigkeit auf jeder einzelnen Platte durchzählt wurde, sondern der
wievielte Teil diese Flüssigkeitsmenge von der ganzen betreffenden
Verdünnung ist. Wie wir diese Zahlen erhalten, ergiebt sich am
leichtesten an der Hand unseres Protokolls: Bei Platte 1 haben wir
1 _ccm_ der ersten Verdünnung auf 1000 _ccm_ (zweite Verdünnung)
gebracht; würde ich hiervon 1 _ccm_ abnehmen, so wäre dieser der 0.001.
Teil der ganzen zweiten Verdünnung oder des einen Kubikcentimeter der
ersten Verdünnung, den ich für die zweite benutzt habe. Zur Zählung ist
aber nur 0.1 _ccm_ verwendet, dieser ist dann nur der 0.0001. Teil der
ganzen zweiten Verdünnung, enthält also auch nur den 0.0001. Teil der
Organismen der ganzen zweiten Verdünnung resp. des 1 _ccm_ der ersten
Verdünnung, von dem die zweite Verdünnung hergestellt ist.

Bei Platte 10 haben wir die Verdünnung 10:100, also 0.1; davon 0.2
_ccm_ genommen, erhalten wir 0.02 als wahres Mass.

Bei No. 21 haben wir 30:100, also 0.3, ein Kubikcentimeter davon also
0.3 wahres Mass.

Dieses wahre Mass ist nun wichtig für die Berechnung des Koeffizienten.
In der Rubrik „+Berechnung+“ ist dieselbe ausgeführt. Bei der
Besprechung des wahren Masses sahen wir, wie wir z. B. bei Platte 1
fanden, dass die gezählten Organismen auf dieser Platte den 0.0001.
Teil der in 1 _ccm_ enthaltenen Wesen bilden. Beziehen wir aber
die gezählte Zahl auf das ganze Flüssigkeitsvolumen von 500 _ccm_
(erste Verdünnung), so haben wir nur 500/0.0001 gezählt, das ist der
5000000/1 = 5000000. Teil. Finden wir also auf der ersten Platte in 0.1
_ccm_ der Verdünnung 1:1000 2024 Limnochlide-Fäden, so wissen wir, dass
wir in dem ganzen Fange 2024 × 5000000 Limnochlide +ungefähr+ werden
finden müssen, was 10120 Millionen ergeben, eine Zahl, deren Fehler
durch weitere Zählungen eingeschränkt wird.

Haben wir eine Spezies während mehrerer Platten gezählt und sehen
wir, dass wir abbrechen können[CI], dann handelt es sich darum, den
+Koeffizienten für die Summe+ der gezählten Individuen zu finden.
Zu dem Zwecke addieren wir die wahren Masse aller der Platten, auf
denen diese Spezies beobachtet wurde, und verfahren wie oben für
eine Platte angegeben ist. Wir haben z. B. für Limnochlide fünf
Platten gezählt (1–5) und finden die Zahlen 2024, 1835, 2048, 1954,
1792, Summe 9653. Die Summe der wahren Masse für diese fünf Platten
ist 5 × 0.0001 = 0.0005, dann erhalten wir 500/0.0005 = 1000000 als
Koeffizienten der Summe. Die gezählten Individuen 9653 bilden also den
1000000sten Teil aller im Fang vorhandenen Limnochlide, das ergiebt
9653000000 Limnochlide. Habe ich _Spirogyra_ erst von der zwölften
Platte bis zur zwanzigsten gezählt, so summieren für diese Alge nur die
wahren Masse dieser Nummern, also Summe 12–20 = 0.51, und wir erhalten
den Koeffizienten 980.

  [CI] Siehe oben S. 275 u. 276.

Durch die letzteren Betrachtungen sind wir nun schon bei den
+Horizontalreihen+ angelangt.

In einer Spalte derselben stehen die Namen der Organismen, die sich in
dem gezählten Fange befanden. Rechts davon sind dann die Ergebnisse
der Zählung jeder einzelnen Platte angegeben und zwar in der Rubrik,
deren Kopfzahl der betreffenden Platte entspricht. Hört man auf,
einen Organismus mitzuzählen, so steht in der Rubrik der betreffenden
Platte ein Fragezeichen. Wird auf einer Platte von einer Spezies kein
Individuum gefunden, so steht natürlich eine Null. Ist dagegen eine
Spezies beobachtet, aber auf einigen Platten nicht mitgezählt, wie
z. B. bei _Spirogyra_ 1–11, so wird auch hier ein Fragezeichen gesetzt.

In den beiden letzten Spalten sind zuerst die +Summen der gezählten
Individuen+ jeder Spezies angegeben, dann die Platten, auf denen diese
Organismen gezählt wurden.

Um nun die Gesamtsumme der in dem Fang vorhandenen Tier- und
Pflanzenindividuen zu finden, brauchen wir nur die Summe der
+gezählten+ Organismen mit dem Koeffizienten, welcher der angewendeten
Plattenzahl entspricht, zu multiplizieren. So haben wir bei Limnochlide
9653 Fäden gezählt, und zwar auf Platte 1–5, der Koeffizient der
Platten 1–5 ist 1000000, also sind im ganzen Fange 9653000000
Limnochlide-Fäden vorhanden.

Diese Gesamtsumme „+Gezählte Masse+“ steht in einer Rubrik vor den
Namen, damit man mit diesen das Endresultat sogleich übersieht.

Vor der letzteren Rubrik finden wir eine solche mit der Überschrift
„+Ganze Masse+“. Wie wir oben gesehen haben, wird nicht die ganze
Wassersäule filtriert, die dem Querschnitte des Netzes und der Tiefe
des Wassers, bis zu der das Netz herabgelassen wurde, entspricht,
sondern ein kleiner Teil fliesst über den Netzrand ab. +Hensen+ hat
deshalb für jedes Netz den Filtrationskoeffizienten[CII] berechnet, der
besagt, mit welcher Zahl man Volumen oder Anzahl der Organismen eines
Fanges multiplizieren muss, um die wirklichen Werte zu finden, wenn die
ganze Flüssigkeitssäule filtriert worden wäre. In unserem Falle war der
Koeffizient 1.034. Von _Leptodora_ waren z. B. 371 Individuen im Fange.
In der Wassersäule von 0.1 _qm_ Querschnitt und 5 _m_ Höhe waren aber
371 × 1.034 = 384 Individuen vorhanden. In Folgendem habe ich aber die
Zahlen der gezählten Masse benutzt.

  [CII] Planktonwerk S. 10–13.

Nachdem wir in Vorhergehendem die Hensensche Methode der quantitativen
Untersuchung des Plankton kennen gelernt haben, erübrigt es noch, auf
die qualitative Zusammensetzung des Süsswasserplankton[CIII] einzugehen.
Jedoch muss ich noch ein paar Worte vorausschicken. Die Planktonmethode
ist bis jetzt fast nur auf das Meer angewendet worden, nur einmal ist
bei einer Fahrt in der östlichen Ostsee von +Hensen+ auch ein Fang
im Stettiner Haff[105], also im Süsswasser, gemacht worden. Die Fänge
wurden, wie wir oben gesehen haben, sofort konserviert, daher kommt es,
dass manche Organismen bei nachfolgender Zählung ganz unkenntlich sind,
da sie sich beim Töten zusammengezogen haben; dieses ist namentlich der
Fall bei Rädertieren[CIV]. Es ist daher nötig, dass an Ort und Stelle
auch lebendes Material untersucht wird, denn, wenn dieses bestimmt ist,
sind die Organismen leicht in konserviertem Zustande wiederzuerkennen.
Dieses ist nun bei einer grösseren Fahrt sehr schwer ausführbar, da
sich auf dem Schiff, namentlich bei bewegter See, schwer oder gar nicht
mikroskopieren lässt. Anders verhält sich die Sache, wenn das Institut,
in dem die Arbeiten ausgeführt werden sollen, direkt am Wasser liegt,
da kann quantitative und qualitative Bestimmung Hand in Hand gehen,
so ist das hier in Kiel, und auch in der unlängst von +Zacharias+
errichteten Süsswasserstation zu Plön der Fall. Es müssen daher in
den Protokollen vorläufige Namen für die unbestimmten[CV] Organismen
gesetzt werden und späterer Zeit überlassen bleiben, das Versäumte
bei Gelegenheit an Ort und Stelle nachzuholen. Folgendes ist ferner
auch noch von Bedeutung. Es genügt nicht, +einen+ Fang zu beliebiger
Zeit zu machen, sondern es müssen die Planktonfahrten in bestimmten
Zeitabschnitten (alle zwei oder vier Wochen)[CVI] unternommen werden,
dann erhält man erst einen Einblick in die wahre Zusammensetzung des
Plankton, das in fortwährendem Werden und Vergehen begriffen ist.
Dieses wäre eine sehr dankbare Arbeit für eine Süsswasserstation.

  [CIII] Von +Häckel+[100] S. 21 Limnoplankton genannt.

  [CIV] Ausgenommen von diesen sind nur die gepanzerten (_Loricata_),
        die trotzdem leicht zu erkennen sind.

  [CV] Leider war der Fang aus dem Stettiner Haff, da er als
       ausgebraucht betrachtet wurde, weggeschüttet, so dass
       auch nachträglich keine nähere Untersuchung vorgenommen
       werden konnte. Es empfiehlt sich daher, das Material stets
       aufzubewahren.

  [CVI] So werden die Untersuchungen in der Kieler Bucht von Prof.
        +Brandt+[97] seit September 1888 ausgeführt und noch
        fortgesetzt.

Nach dem Gesagten ist es klar, dass die folgenden Darlegungen wenig
positives bringen können, es kann nur gezeigt werden, in welcher Art
ein Fang oder eine fortlaufende Reihe solcher verwertet werden können.
Ich beabsichtige also nur ein +Beispiel zu der oben erläuterten
Methodik zu geben+.

Beginnen wir mit den +Algen+, der Urnahrung, so fallen uns die
Vertreter zweier Ordnungen durch ihr massenhaftes Auftreten auf,
es sind die Diatomeen und Schizophyceen. Weniger zahlreich sind
Protococcoideen, von denen _Pediastrum_, _Gleocystis_ und _Scenedesmus
quadricaudatus_ gefunden wurden, und Konjugaten, die durch
Spirogyrafäden vertreten sind.

Was die +Diatomeen+ anbelangt, so müsste man glauben, dass sie
wegen ihrer grossen Zahl, trotz des geringen Anteils an organischer
Substanz, eine wichtige Nahrung für die pelagischen Tiere bilden.
Jedoch werden sie, wie +Hensen+[CVII] beobachtet hat, von allen Tieren
verschmäht. Dagegen erwähnt +Seligo+[107] in seinen Hydrobiologischen
Untersuchungen, dass die Diatomeen die Hauptnahrung mehrerer
Tierarten[CVIII] bilden. Leider sagt er nicht, für welche. Ihre
Bedeutung ist also in anderer Richtung zu suchen. Alle Diatomeen haben
eine Vegetationsperiode, d. h. sie vermehren sich zu einer bestimmten
Zeit ganz enorm, um dann wieder allmählich oder fast plötzlich zu
verschwinden. Letzterer Umstand ist durch das Bilden von Dauersporen,
die bei vielen Meeresdiatomeen beobachtet sind, leicht erklärlich,
da die Spore alsbald zu Boden sinkt. Ob bei Süsswasserdiatomeen die
gleichen Verhältnisse vorkommen, kann ich nicht angeben. Die Sporen
enthalten eine sehr konzentrierte organische Nahrung, die den Tieren
der Tiefenregion wohl zu gute kommt.

  [CVII] Planktonwerk S. 99.

  [CVIII] Bei meinen Untersuchungen hiesiger Süsswasserseen habe ich
          den Darm von Hyalodaphnien und Bosminen dicht mit
          Melosirazellen angefüllt gefunden (1891).

Da jede Diatomee aus zwei Schalen besteht, so muss man jede
vollständige Diatomee als 2 zählen, jede allein liegende Schale als 1,
und dann die erhaltene Summe durch 2 dividieren, dann erhält man die
Zahl der Zellen. Bei _Melosira_ würde dieses Verfahren zu viel Zeit in
Anspruch nehmen, man zählt daher nur die Fäden und stellt bei einer
Zahl von Fäden die Zellenzahl fest. In unserem Fange fanden sich pro
1 _qm_[CIX] 984614400 Fäden, von denen 20 = 246 Zellen enthielten,
es wären also im ganzen 12110757120 Zellen vorhanden gewesen. Ohne
Berechnung der Zellen kann man _Melosira_ nicht mit anderen Diatomeen
vergleichen. Von _Melosira_ kamen zwei Arten vor, nämlich _M.
granulata_ und eine andere, nicht näher bestimmte. An 226 Fäden war
erstere mit 208, letztere mit 18 beteiligt. _Coscinodiscus_ fand sich
in 6440890 und _Bacillaria paradoxa_ in 7388640 Individuen. Letztere
Diatomee zeigt bei ihrer Zählung ziemlich abweichende Resultate, da
mehrere Zellen an einander liegen und so Platten bilden, andere sind
auseinandergefallen, so dass, wo einmal +eine+ _Bacillaria_ gefunden
wird, ein ander Mal +eine Platte+, die aus mehreren Individuen besteht,
sich vorfindet. In geringerer Anzahl war eine Surirella-Art vorhanden,
nämlich 477570 pro 1 _qm_. Gegen _Melosira_ tritt aber die Summe aller
übrigen Diatomeen weit zurück.

  [CIX] Wenn die Zahlen in folgendem auf 1 _qm_ Oberfläche berechnet
        sind, so bedeutet dies stets eine Wassersäule vom Querschnitt 1
        _qm_ und einer Tiefe von 5 _m_.

Die zweite Hauptgruppe der Algen bildeten die +Schizophyceen+. Einzelne
von diesen verursachen zu Zeiten die sogen. „Wasserblüte“. Sie sollen
den Fischen verderblich werden, jedoch ist die Ursache davon noch
unbekannt.

Vor allen trat _Limnochlide flosaquae_ Ktz. hervor, es wurden von
ihr unter 1 _qm_ Oberfläche 96530000000 Fäden gefunden, von denen
20 = 294 Zellen enthielten, so dass wir fast 1½ Billion Zellen
erhalten. Die filtrierte Wassermenge betrug fast 0.5 _cbm_ = 500
Millionen Kubikmillimeter, es fanden sich also in 1 _cmm_ Wasser 2838
Zellen = 142 Fäden. Ihre Bedeutung für den Stoffwechsel ist mir nicht
klar, es wäre aber möglich, dass die Sporen dieser Alge ebenfalls
(siehe Diatomeen) den Tieren der Tiefenregion zur Nahrung dienen
könnten.

Neben Limnochlide kamen noch mehrere Arten von Chroococcaceen vor.
Sie sind im Protokoll einfach mit _Coccus_ bezeichnet und mit einem
Beinamen versehen, der auf die Form der Kolonie oder der einzelnen
Individuen Bezug hat. Sie gehörten meist der Gattung _Polycistis_ an,
der sogenannte feinkörnige _Coccus_ war _P. ichthyoblabe_. Dagegen
ähnelte _Coccus_ 1 (viereckig) mehr einer _Merismopedia_.

Die in Pikrinsäure konservierten Algen lassen aber nicht ihre
natürliche Färbung erkennen und sind dann nicht mehr bestimmbar.
Zusammen fanden sich 109824460 Kolonien, die einzelnen Individuen sind
nicht zu zählen.

Zur Urnahrung müssen wir ferner, wie in der Einleitung erwähnt ist,
die Peridineen rechnen. Es waren im Fange drei Arten vorhanden,
_Ceratium tripos_, _C. fusus_ und _Peridinium divergens_. Diese drei
Peridineen sind echte Meeresbewohner und es muss daher ihr Vorkommen im
Süsswasser[CX] sehr auffallen. Ich vermutete daher zuerst, dass sie
von früheren Fängen aus der westlichen Ostsee am Netze hängen geblieben
waren, dieses war aber nicht der Fall, da, wie ich nachher erfuhr, ein
ganz neues Netz zum Fischen verwendet war. Es müssen also sich die
Peridineen dem Leben im Süsswasser angepasst haben. Der Salzgehalt im
Stettiner Haff war so gering, dass er mit den Instrumenten nicht mehr
gemessen werden konnte. Von den Peridineen, die bisher im Süsswasser
gefunden wurden, sind keine beobachtet.

  [CX] +Hensen+[105] führt auch an, dass _Ceratium tripos_ von
       +Pringsheim+ nahe bei Berlin gefunden ist, also im Süsswasser
       (S. 74).

Von den Protozoen finden wir im Plankton die +Tintinnen+. Dieses
sind die niedrigststehenden Tiere, die durch einen Mund geformte
Nahrung aufnehmen. Worin diese Nahrung besteht, ist nicht bekannt,
+Hensen+[CXI] vermutet darunter der geringen Grösse der Tintinnen
wegen noch kleinere Wesen, als bis jetzt nachgewiesen sind, und die
regelmässig durch das Netzzeug hindurchschlüpfen. Tintinnen sind
in zwei Arten im Fange vorhanden gewesen. _Tintinnus ventricosus_,
der auch im Meere zahlreich vorkommt, war sehr häufig, auf 1 _qm_
Oberfläche 1586040 Tiere, noch mehr war _T. borealis_ Hensen[CXII] zu
finden, eine neue Art, die eine Länge von nur 0.048 _mm_ hat, und an
_Chaetoceros_ und anderen Organismen festsass. Von ihm waren 2881960
Individuen unter 1 _qm_ Oberfläche.

  [CXI] +Hensen+, Planktonwerk S. 71.

  [CXII] +Hensen+[105] hier auch Beschreibung und Figur.

Von +Rädertieren+ wurden sechs Arten gefischt. Drei davon gehörten
zu der Gattung _Anuraea_, die anderen drei konnten nicht bestimmt
werden, da sie zu sehr kontrahiert waren, es befand sich darunter eine
sehr grosse durchsichtige Art[CXIII], von der nur 3180 unter 1 _qm_
Oberfläche lebten.

  [CXIII] _Synchaeta?_

Die beiden anderen unbestimmten Rotatorien waren sehr zahlreich zu
finden, das eine in der Zahl von 776240, das andere von 3203200 unter
derselben Oberfläche. Von _Anuraea_ fanden sich _A. aculeata_ Ehbg.
mit 203840, _quadridentata_ mit 722180 und _foliacea_ Ehbg. mit 58240
Individuen. Ausserdem 2567380 Rädertiereier.

Von Daphniden wurden sechs Arten gefunden. Drei von diesen sind
allgemein als pelagisch bekannt, nämlich _Leptodora hyalina_ Lilj.,
_Hyalodaphnia Kahlbergensis_ Schödler und _Chydorus sphaericus_ O.
Fr. M., während die drei übrigen bei den bisherigen Untersuchungen
von Süsswasserbecken meist als littorale Formen nachgewiesen wurden.
_Daphnia longispina_ Leyd. ist jedoch auch von +Zacharias+[109] in
den 6–8 _m_ tiefen Mansfelder Seen pelagisch gefunden, ebenso _Sida
crystallina_ von +Forel+[99] in Schweizer Seen. Da die Daphniden
vielen Süsswasserfischen zur Nahrung dienen, so ist ihre Bestimmung
von hohem praktischen Interesse, namentlich da sie sich in Bezug
auf ihren Gehalt an organischer Substanz ähnlich wie die Copepoden
verhalten dürften, für die wir oben 99.4% gefunden haben. Wenn wir in
unserem Fange unter einem Quadratmeter Oberfläche 1826100 Daphniden
finden, so können wir uns leicht ein Bild von ihrer Bedeutung für
die Fischzucht machen. Mit Hilfe der Planktonmethode würde sich ein
sehr klares Bild über den Entwickelungsgang dieser Tiere finden
lassen. Bei fortgesetzten Untersuchungen könnte man das Auftreten
der Daphniden im Frühjahr feststellen, sowie dessen Abhängigkeit von
der Wassertemperatur, ferner würde sich die rapide Zunahme gegen den
Sommer hin zeigen, wobei es von Wichtigkeit wäre, die Zahl der Eier
und Embryonen im Brutraume zu berücksichtigen, so dass sich für jede
Art eine Durchschnittszahl ergeben würde. Zugleich liesse sich das
Erscheinen der verschiedenen Arten in den einzelnen Monaten finden. Im
Spätsommer würden dann die Männchen hinzukommen und schliesslich würde
man die Cladoceren verschwinden sehen, nachdem man die Bildung der
Dauereier beobachtet hätte.

Es würden sich alle diese Verhältnisse zahlenmässig klarlegen lassen
und einen präzisen Ausdruck liefern für die bisherigen Ausdrücke, wie
„im Frühjahr nach Schmelzen des Schnees massenhaft auftretend“.

Die +Copepoden+, deren Bedeutung wir schon oben gesehen haben, bilden
einen anderen Hauptbestandteil des Plankton. Sie waren unter 1 _qm_
Oberfläche mit 697480 vertreten. Dazu kommen noch die Larvenformen mit
786520.

In dem Protokoll sind die einzelnen Arten nicht getrennt aufgeführt
worden. Es schien anfangs nicht möglich, während des Zählens die
verschiedenen Spezies auseinanderzuhalten, und mit Hilfe der bisherigen
Diagnosen ist dieses auch nicht auszuführen. Nachdem es sich aber
herausgestellt hat, dass in einem Fange selten mehr als sechs Arten
(bei Zählungen der Copepoden des Plankton im Kieler Hafen) vorhanden
sind, ist die getrennte Zählung versucht worden und hat sich auch
durchführen lassen, da jede Spezies irgend ein bestimmtes Merkmal
besitzt, an dem sie sofort erkannt werden kann. Man kann schliesslich
noch weiter gehen und auch die Geschlechter getrennt zählen. Neben
den ausgewachsenen Copepoden werden dann die Larven berücksichtigt.
Diese nach der Spezies zu zählen wird wohl fürs erste kaum geschehen
können, da die Entwickelungsreihen vom Ei bis zum erwachsenen Tier nur
erst für sehr wenig Formen festgestellt sind, bei genauem Studium und
einiger Ausdauer liesse sich dieses vielleicht auch ausführen. Ebenso
müssten die Eiersäckchen mit der durchschnittlichen Zahl der Eier
berücksichtigt werden.

Nach den erwähnten Untersuchungen von +Hensen+ nähren sich die
Meerescopepoden von Peridineen. Die des Süsswassers müssen aber
andere Nahrung zu sich nehmen, denn nach unserem Fange standen 697480
Copepoden, ohne Larven, nur 122090 Peridineen zur Verfügung, die nach
den Hensenschen Berechnungen nur 10000 Copepoden genügen würden. Nach
+Claus+[98] leben sie von pflanzlichem und tierischem Detritus,
+Vosseler+[108] hat dasselbe beobachtet, meint jedoch, dass noch
Infusorien sich beigesellen. Ob dieses aber auch die Nahrung der
pelagischen Copepoden ist, wäre noch experimentell festzustellen.

Von +Hydrachniden+ wurde _Nesaea elliptica_ Kram. in erwachsenen und
jugendlichen Formen gefunden. Ihre immerhin beträchtliche Zahl von
2400 pro 1 _qm_ ist bemerkenswert. Ob sie in dem Haushalt der Natur
irgend eine Rolle spielen, vermag ich nicht anzugeben. Eigentümlich ist
das pelagische Vorkommen, obgleich +Zacharias+[110] in norddeutschen
Seen die Milben nur littoral gefunden hat. Dagegen erwähnt auch
+Nordquist+[106] in seinem Aufsatz über die pelagische und Tiefseefauna
finnischer Seen pelagische Hydrachniden.

Von +Mollusken+ wurden nur Muschellarven zahlreich gefangen,
Schneckenlarven fehlten. Es fanden sich 40770 auf den Quadratmeter
Oberfläche. Nimmt man für eine Muschel 1 _qcm_ Bodenfläche an, so
würden das auf 1 _qm_ immer nur 10000 ausmachen, der Raum ist aber viel
zu gering bemessen. Von den Larven kann also im günstigsten Falle nur
¼ am Leben bleiben und diese müssten den Boden dann dicht überziehen.
Das ist aber nicht wahrscheinlich. Ob die Larven zu einer Spezies
gehören, ist bei der Zählung nicht berücksichtigt worden, die Art
selbst zu bestimmen ist bis jetzt auch nicht möglich, würde sich aber
bei speziellen Studien gewiss ausführen lassen. Es würde das ein Licht
auf die Zeit und die Dauer des Schwärmens der Larven werfen.

Es konnte in Vorhergehendem nur meine Aufgabe sein, dem Leser die
Methodik zur quantitativen Bestimmung des Plankton im Süsswasser zu
erklären; etwas Näheres über die Organismen des Plankton zu sagen, war
nach dem einen Süsswasserfange noch nicht möglich. Es wäre zu wünschen,
dass die Hensensche Methode auch in einem grösseren Landsee angewendet
würde, interessante und wichtige Ergebnisse würde sie liefern, wie das
schon der Fall bei ihrer Anwendung im Meere gewesen ist. Endlich möchte
ich nochmals auf die epochemachende Arbeit +Hensens+ hinweisen, die so
viel des interessanten bietet, worauf ich nur hinweisen konnte, oder
das ich wegen Raummangel ganz übergehen musste.

  J.-N. 1.    =Stettiner Haff,=

 ========+======+======+===+======+=======+==========+===========+=====+
 Art der |Vergr.| Verd.|No.|Wahres| Summe |Berechnung|Koeffizient|Gebr.|
 Unter-  |      |      |   | Mass |       |          |           |Mass |
 suchung |      |      |   |      |       |          |           |     |
 ========+======+======+===+======+=======+==========+===========+=====+
  feucht |  200 |1:1000| 1 |0.0001|       |   500    |  5000000  | 0.1 |
         |      |      |   |      |       |  0.0001  |           |     |
    „    |   „  |   „  | 2 |0.0001|       |          |           | 0.1 |
         |      |      |   |      |       |          |           |     |
    „    |   „  |   „  | 3 |0.0001|       |          |           | 0.1 |
         |      |      |   |      |       |          |           |     |
    „    |   „  |   „  | 4 |0.0001|       |          |           | 0.1 |
         |      |      |   |      |       |          |           |     |
    „    |   „  |   „  | 5 |0.0001|  1–5  |   500    |  1000000  | 0.1 |
         |      |      |   |      |0.0005 |  0.0005  |           |     |
    „    |   88 | 1:100| 6 |0.002 |       |          |           | 0.2 |
         |      |      |   |      |       |          |           |     |
    „    |   „  |   „  | 7 |0.002 |       |          |           | 0.2 |
         |      |      |   |      |       |          |           |     |
    „    |   „  |   „  | 8 |0.002 |  1–8  |   500    |    76923  | 0.2 |
         |      |      |   |      |0.0065 |  0.0065  |           |     |
    „    |   „  |   „  | 9 |0.002 |  1–9  |   500    |    58824  | 0.2 |
         |      |      |   |      |0.0085 |  0.0085  |           |     |
    „    |   „  |10:100|10 |0.02  |       |          |           | 0.2 |
         |      |      |   |      |       |          |           |     |
    „    |   „  |   „  |11 |0.02  |       |          |           | 0.2 |
         |      |      |   |      |       |          |           |     |
    „    |   „  |   „  |12 |0.02  |       |          |           | 0.2 |
         |      |      |   |      |       |          |           |     |
    „    |   „  |   „  |13 |0.02  |  1–13 |   500    |     5650  | 0.2 |
         |      |      |   |      |0.0885 |  0.0885  |           |     |
    „    |   „  |   „  |14 |0.02  |  6–14 |   500    |    4629.6 | 0.2 |
         |      |      |   |      |0.108  |  0.108   |           |     |
    „    |   „  |   „  |15 |0.05  |       |          |           | 0.5 |
         |      |      |   |      |       |          |           |     |
    „    |   „  |   „  |16 |0.05  |       |          |           | 0.5 |
         |      |      |   |      |       |          |           |     |
    „    |   „  |   „  |17 |0.05  |  1–17 |   500    |    1934.2 | 0.5 |
         |      |      |   |      |0.2585 |  0.2585  |           |     |
    „    |   66 |   „  |18 |0.1   |       |          |           | 1   |
         |      |      |   |      |       |          |           |     |
    „    |   „  |   „  |19 |0.1   |       |          |           | 1   |
         |      |      |   |      |       |          |           |     |
    „    |   „  |   „  |20 |0.1   |  1–20 |   500    |    895.25 | 1   |
         |      |      |   |      |0.5585 |  0.5585  |           |     |
         |      |      |   |      |       |          |           |     |
    „    |   „  |30:100|21 |0.3   |  1–21 |   500    |    582.4  | 1   |
         |      |      |   |      |0.8585 |  0.8585  |           |     |
         |      |      |   |      |       |          |           |     |
    „    |   44 |   „  |22 |0.75  |  1–22 |   500    |    310.8  | 2.5 |
         |      |      |   |      |1.6085 |  1.6085  |           |     |
         |      |      |   |      |       |          |           |     |
    „    |   „  |   „  |23 |0.75  |  1–23 |   500    |    212    | 2.5 |
         |      |      |   |      |2.3585 |  2.3585  |           |     |
         |      |      |   |      |       |          |           |     |
    „    |   „  |   „  |24 |0.75  |       |          |           | 2.5 |
         |      |      |   |      |       |          |           |     |
    „    |   „  |   „  |25 |0.75  |  1–25 |   500    |   129.5   | 2.5 |
         |      |      |   |      | 3.8585|  3.8585  |           |     |
    „    |   „  |unver-|   |      |       |          |           |     |
         |      |dünnt |26 |2.5   |       |          |           | 2.5 |
         |      |      |   |      |       |          |           |     |
    „    |   „  |   „  |27 |2.5   |       |          |           | 2.5 |
         |      |      |   |      |       |          |           |     |
    „    |   „  |   „  |28 |2.5   |  1–28 |   500    |    44.014 | 2.5 |
         |      |      |   |      |11.3585| 11.3585  |           |     |
         |      |      |   |      |       |          |           |     |
    „    |   22 |   „  |29 |2.5   |       |          |           | 2.5 |
         |      |      |   |      |       |          |           |     |
    „    |   „  |   „  |30 |2.5   |       |          |           | 2.5 |
         |      |      |   |      |       |          |           |     |
    „    |   „  |   „  |31 |2.5   |  1–31 |   500    |    26.51  | 2.5 |
         |      |      |   |      |18.8585| 18.8585  |           |     |

 ==========+==========+========================+====+====+====+===
    Ganze  | Gezählte |        Name            |  1 |  2 |  3 |  4
    Masse  |   Masse  |                        |    |    |    |
    Masse  |   Masse  |                        |    |    |    |
 ==========+==========+========================+====+====+====+===
 9983100000|9653000000| _Limnochlide_          |2024|1835|2048|195
  101828800|  98461440| _Melosira_             | 27 | 24 | 22 | 19
     438031|    421656| _Pediastrum_           |  1 |  0 |  0 |  0
     836060|    808496| _Coccus_ 1 (viereckig) |  1 |  0 |  0 |  0
    7642950|   7390200|    „  2 (rund)         |  0 |  0 |  1 |  2
     820060|    793022|    „  3 (gerundet)     |  0 |  0 |  0 |  0
    2059020|   1990728|    „  4 (feinkörnig)   |  ? |  ? |  ? |  ?
     666047|    644089| _Coscinodiscus_        |  0 |  0 |  0 |  0
     764054|    738864| _Bacillaria_           |  0 |  0 |  0 |  0
      49356|     47757| _Surirella_            |  0 |  0 |  0 |  0
       5294|      5242| _Spiral. Oscillarie_   |  0 |  0 |  0 |  0
     298011|    288196| _Tintinnus borealis_   |  0 |  0 |  0 |  0
     164012|   1586047|     „  _ventricosus_   |  0 |  0 |  0 |  0
      85135|     82354| _Spirogyra_            |  ? |  ? |  ? |  ?
      71732|     67649| _Coccus 5 (Gleocystis)_|  ? |  ? |  ? |  ?
      14001|     13539| _Scenodesmus_          |  0 |  0 |  0 |  0
       6000|      5803| _Goniaulax_            |  0 |  0 |  0 |  0
       6019|      5824| _Ceratium tripos_      |  0 |  0 |  0 |  0
        602|       582|    „  _fusus_          |  0 |  0 |  0 |  0
      21048|     20384| _Anuraea aculeata_     |  0 |  0 |  0 |  0
      74636|     72218|    „ _quadridentata_   |  0 |  0 |  0 |  0
       6019|      5824|    „ _foliacea_        |  0 |  0 |  0 |  0
      81257|     77624| Rädertier 1            |  0 |  0 |  0 |  0
     331895|    320320|    „  2                |  0 |  0 |  0 |  0
        329|       318|    „  3 (durchsicht.)  |  0 |  0 |  0 |  0
     281403|    256738|    „  Ei               |  ? |  ? |  ? |  ?
       7690|      7438| _Sida cryst._          |  0 |  0 |  0 |  0
       3094|      2993| _Daphnia longisp._     |  0 |  0 |  0 |  0
      10239|      9903| _Hyalod._ Kahlb.       |  0 |  0 |  0 |  0
      41117|     39757| _Bosmina rot._         |  0 |  0 |  0 |  0
     127165|    122148| _Chydorus sphaer._     |  0 |  0 |  0 |  0
        384|       371| _Leptodora_            |  0 |  0 |  0 |  0
      72133|     69748| Copepoden              |  0 |  0 |  0 |  0
      81382|     78652|     „  -Larven         |  0 |  0 |  0 |  0
        245|       240| Milben                 |  0 |  0 |  0 |  0
       4213|      4077| Muschellarven          |  0 |  0 |  0 |  0

=13. Sept. 1887.= 500 _ccm_ (1. Verdünnung).

    5 | 6 | 7 | 8 | 9 | 10| 11| 12| 13| 14| 15| 16| 17|
      |   |   |   |   |   |   |   |   |   |   |   |   |
  ====+===+===+===+===+===+===+===+===+===+===+===+===+
  1792| ? |   |   |   |   |   |   |   |   |   |   |   |
   19 |382|391|396| ? |   |   |   |   |   |   |   |   |
    0 | 3 | 0 | 1 | 2 | 10| 16| 12| 13| 11| 62| 50| 37|
    0 | 2 | 1 | 7 | 4 | 26| 22| 33| 28| 37| 67|107| 83|
    0 |30 |24 |30 |29 |304|321|268|299| ? |   |   |   |
    0 | 0 | 4 | 1 | 1 | 21| 28| 33| 47| 38| 64| 80| 93|
    ? |16 |13 |16 |12 | 62| 79| 80| 80| 72| ? |   |   |
    0 | 4 | 2 | 3 | 2 | 31| 14| 21| 35| 25| 46| 77| 73|
    0 | 8 |22 | 0 | 0 | 13| 41| 41| 36| 31| 53| 80| 57|
    0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 3 | 3 | 3 | 2 | 3 | 3 | 5 | 6 |
    0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 1 | 0 | 0 | 0 | 0 | 3 | 5 | 0 |
    0 | 0 | 4 | 2 | 2 | 5 | 11| 14| 11| 7 | 22| 39| 32|
    0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 8 | 8 | 4 | 5 | 10| 14| 17| 16|
    ? | ? | ? | ? | ? | ? | ? | 1 | 2 | 6 | 16| 10| 11|
    ? | ? | ? | ? | ? | ? | ? | 1 | 3 | 1 | 2 | 6 | 6 |
    0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 1 | 1 | 0 | 3 | 0 | 2 |
    0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 1 | 2 |
    0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 1 | 1 | 1 |
    0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 1 | 0 | 0 |
    0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 2 | 0 | 0 | 2 | 1 | 1 | 1 | 2 |
    0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 5 | 4 | 2 | 3 | 0 | 10| 12| 7 |
    0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 2 | 0 | 1 | 0 | 0 | 3 |
    0 | 0 | 0 | 1 | 0 | 4 | 5 | 2 | 2 | 4 | 6 | 8 | 7 |
    0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 14| 8 | 9 | 8 | 14| 30| 34| 33|
    0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 |
    ? | ? | ? | ? | ? | ? | ? | 11| 9 | 12| 20| 29| 26|
    0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 1 | 0 | 0 | 0 | 1 |
    0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 1 | 2 | 1 |
    0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 1 | 0 | 0 | 0 | 1 | 2 | 2 | 0 |
    0 | 0 | 1 | 1 | 0 | 3 | 1 | 3 | 0 | 1 | 5 | 5 | 5 |
    0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 6 | 5 | 6 | 2 | 4 | 11| 8 | 19|
    0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 |
    0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 4 | 2 | 2 | 7 | 6 | 3 | 7 | 3 |
    0 | 1 | 0 | 1 | 2 | 1 | 2 | 5 | 4 | 5 | 8 | 13| 7 |
    0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 |
    0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 1 | 0 | 0 | 1 | 1 | 0 | 1 |

   18| 19| 20| 21| 22| 23| 24| 25| 26| 27| 28| 29| 30|
     |   |   |   |   |   |   |   |   |   |   |   |   |
  ===+===+===+===+===+===+===+===+===+===+===+===+===+
     |   |   |   |   |   |   |   |   |   |   |   |   |
     |   |   |   |   |   |   |   |   |   |   |   |   |
   ? |   |   |   |   |   |   |   |   |   |   |   |   |
   ? |   |   |   |   |   |   |   |   |   |   |   |   |
     |   |   |   |   |   |   |   |   |   |   |   |   |
   ? |   |   |   |   |   |   |   |   |   |   |   |   |
     |   |   |   |   |   |   |   |   |   |   |   |   |
   ? |   |   |   |   |   |   |   |   |   |   |   |   |
   ? |   |   |   |   |   |   |   |   |   |   |   |   |
   6 | 11| 11| 26| ? |   |   |   |   |   |   |   |   |
   0 | 0 | 0 | 0 | ? |   |   |   |   |   |   |   |   |
   ? |   |   |   |   |   |   |   |   |   |   |   |   |
   ? |   |   |   |   |   |   |   |   |   |   |   |   |
   17| 11| 11| ? |   |   |   |   |   |   |   |   |   |
   14| 15| 21| ? |   |   |   |   |   |   |   |   |   |
   ? |   |   |   |   |   |   |   |   |   |   |   |   |
   ? |   |   |   |   |   |   |   |   |   |   |   |   |
   5 | 2 | 0 | 0 | ? |   |   |   |   |   |   |   |   |
   0 | 0 | 0 | 0 | ? |   |   |   |   |   |   |   |   |
   4 | 4 | 3 | 15| ? |   |   |   |   |   |   |   |   |
   15| 16| 17| 33| ? |   |   |   |   |   |   |   |   |
   1 | 1 | 1 | 1 | ? |   |   |   |   |   |   |   |   |
   22| 15| 12| 47| ? |   |   |   |   |   |   |   |   |
   62| 68| 63|207| ? |   |   |   |   |   |   |   |   |
   0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 3 | 3 | 3 | 3 |
   55| 54| 44|181| ? |   |   |   |   |   |   |   |   |
   1 | 3 | 3 | 4 |16 | 15| 15| 7 | 31| 34| 38| ? |   |
   2 | 0 | 1 | 4 | 6 | 6 | 4 | 6 | 14| 11| 10| ? |   |
   3 | 2 | 1 | 10| 14| 17| 19| 12| 46| 46| 49| ? |   |
   12| 4 | 10| 19| 54| 77| 52| 54| ? |   |   |   |   |
   18| 27| 24| 59|189|201| ? |   |   |   |   |   |   |
   0 | 0 | 0 | 0 | 1 | 0 | 2 | 0 | 3 | 1 | 2 | 3 | 1 |
   20| 11| 16| 36|110|102| ? |   |   |   |   |   |   |
   15| 25| 22| 48| 97|115| ? |   |   |   |   |   |   |
   0 | 0 | 0 | 0 | 3 | 0 | 0 | 0 | 1 | 0 | 1 | 4 | 0 |
   1 | 1 | 0 | 1 | ? |   |   |   |   |   |   |   |   |

   31| 32|Gezählte| Platte |    Anmerkung
     |   | Summe  |        |
  ===+===+========+========+================
     |   |  9653  |  1–5   |20 Fäd. = 294 Z.
     |   |  1280  |  1–8   |20  „   = 246 „
     |   |   218  |  1–17  |
     |   |   418  |  1–17  |
     |   |  1308  |  1–13  |
     |   |   410  |  1–17  |
     |   |   430  |  6–14  |     [CXIV]
     |   |   333  |  1–17  |
     |   |   382  |  1–17  |
     |   |    82  |  1–21  |
     |   |     9  |  1–21  | 3 Fäd. = 44 Z.
     |   |   149  |  1–17  |
     |   |    82  |  1–17  |
     |   |    84  | 12–20  |
     |   |    69  |  1–17  |
     |   |     7  |  1–17  |
     |   |     3  |  1–21  |
     |   |    10  |  1–21  |
     |   |     1  |  1–21  |
     |   |    35  |  1–21  |
     |   |   124  |  1–21  |
     |   |    10  |  1–21  |
     |   |   135  |  1–21  |
     |   |   550  |  1–21  |
   ? |   |    12  |  1–31  |     [CXV]
     |   |   441  |  1–21  |
     |   |   169  |  1–28  |
     |   |    68  |  1–28  |
     |   |   225  |  1–28  |
     |   |   307  |  1–25  |
     |   |   579  |  1–23  |
   1 | ? |    14  |  1–31  |
     |   |   329  |  1–23  |
     |   |   371  |  1–23  |
   0 | ? |     9  |  1–31  |
     |   |     7  |  1–21  |

+Anmerkung+: Der Fang, nach dem dieses Protokoll berechnet ist, wurde
mit einem Planktonnetze von 0.1 _qm_ Öffnung gemacht; es müssten also,
da die Tiefe des Netzzuges 5 _m_ betrug, 0.5 _cbm_ Wasser durch das
Netz filtriert sein; in Wahrheit aber nur 0.45 _cbm_ (siehe oben bei
Netze). Wollen wir die Anzahl der Organismen unter einem Quadratmeter
Oberfläche kennen, so müssen obige Zahlen mit 10 multipliziert werden,
da die Öffnung des Netzes, also die Grundfläche der Wassersäule 0.1
_qm_ beträgt.

  [CXIV] War _Polycystis ichthyoblabe_.

  [CXV] _Synchaeta_ ähnlich.


Litteratur.

[95] =Asper= und =Heuscher=, Neue Zusammensetzung der pelagischen
Organismen in: Zool. Anzeiger 1886, Bd. 9, S. 448.

[96] =Brandt=, Über die biologischen Untersuchungen der
Plankton-Expedition in: Verhandl. der Gesellschaft für Erdkunde zu
Berlin 1889, Heft 10.

[97] =Brandt=, Häckels Ansichten über die Plankton-Expedition in:
Schriften des Naturwissenschaftl. Vereins f. Schleswig-Holstein, Bd.
VIII, Heft 2. Kommissionsverlag von Homann in Kiel.

[98] =Claus=, Anatomie und Entwickelung der Copepoden in: Arch. f.
Naturgeschichte 1858, Bd. 1.

[99] =Forel=, Faunistische Studien in den Süsswasserseen der Schweiz.
Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie 1878, Bd. 30 Suppl.

[100] =Häckel=, Plankton-Studien. Vergleichende Untersuchungen über
die Bedeutung und Zusammensetzung der pelagischen Fauna und Flora. Jena
1890.

[101] =Heincke=, Die Untersuchungen von Hensen über die Produktion des
Meeres an belebter Substanz in: Mitteilungen der Sektion für Küsten-
und Hochseefischerei, No. 3–5, März bis Mai 1889.

[102] =Hensen=, Über das Vorkommen und die Menge der Eier einiger
Ostseefische, insbesondere der Scholle, des Flunder und des Dorsch
in: 4. Bericht der Kommission zur wissenschaftlichen Untersuchung der
deutschen Meere zu Kiel für 1877–81. Berlin 1884.

[103] =Hensen=, Über die Bestimmung des Planktons oder des im Meere
treibenden Materials an Pflanzen und Tieren in: 5. Bericht der
Kommission zur wissenschaftlichen Untersuchung der deutschen Meere zu
Kiel 1887, S. 1–106.

(Oben kurz als „Planktonwerk“ zitiert.)

[104] =Hensen=, Einige Ergebnisse der Plankton-Expedition der
Humboldt-Stiftung in: Sitzungsberichte der Königlich Preussischen
Akademie der Wissenschaften zu Berlin.

Sitzung d. physikal.-mathemat. Klasse vom 13. März 1890.

[105] =Hensen=, Das Plankton der östlichen Ostsee und des Stettiner
Haffs in: 6. Bericht der Kommission zur wissenschaftlichen Untersuchung
der deutschen Meere in Kiel 1890.

105a: =Hensen=, Die Plankton-Expedition und Häckels Darwinismus. Kiel,
Lipsius und Tischer 1891.

[106] =Nordquist=, Über die pelagische und Tiefsee-Fauna finnischer
Seen in: Zoolog. Anzeiger 1887, Bd. 10, S. 339 und 358.

[107] =Seligo=, Hydrobiologische Untersuchungen in: Schriften der
Naturforschenden Gesellschaft zu Danzig, N. F., Bd. VII, Heft 3. 1890.

[108] =Vosseler=, Die freilebenden Copepoden Württembergs. Stuttgart
1886.

[109] =Zacharias=, Fauna des süssen und salzigen Sees bei Halle a. d.
S. in: Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie 1888, Bd. 46.

[110] =Zacharias=, Zur Kenntnis der pelagischen und littoralen Fauna
norddeutscher Seen in: Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie 1887,
Bd. 45, S. 255.



Die Fauna des Süsswassers

in ihren Beziehungen zu der des Meeres.

Von Dr. =Otto Zacharias= in Plön (Holstein).


Unter den vielen bemerkenswerten Thatsachen, welche die in neuerer
Zeit mit so grossem Eifer betriebene Erforschung der Binnenseen zu
Tage gefördert hat, ist das unzweifelhafte Vorkommen mariner Tiere
im süssen Wasser eine der interessantesten. Besonders waren es
+italienische+ Seen, in denen man zuerst jene überraschende Entdeckung
machte. So beherbergt z. B. der weitab vom Meere gelegene Gardasee
drei Fischspezies, welche marinen Gattungen angehören: 1) einen
heringsartigen Fisch (_Alosa finta_), zu dessen nächsten Verwandten
die sog. „Maifische“ zählen; 2) eine Meergrundel (_Gobius_) und 3)
einen Schleimfisch (_Blennius vulgaris_). Ausserdem kommt in demselben
Wasserbecken ein Krebs (_Palaemonetes_) vor, von dem der bekannte
Berliner Zoologe +E. v. Martens+ sagt: „Er steht unserer Ostseegarneele
(_Palaemon squilla_) nahe, unterscheidet sich aber von ihr durch
geringere Grösse und durch die Gestalt des Schnabels“. Auch in den
Kraterseen von Albano und Nemi kommt dieser kleine Krebs zugleich mit
der schon erwähnten _Blennius_-Art vor.

Unter den +schweizerischen+ Seen ist es der von Genf (Lac Léman),
welcher in den Muschelkrebschen _Acanthopus resistans_ (= _Cytheridea
lacustris_ Sars) und _Acanthopus elongatus_ (= _Limnicythere relicta_
Lillj.) zwei Tierformen enthält, die der marinen Gruppe der Cytheriden
sehr nahe verwandt sind und deren Anwesenheit im Süsswasser uns daher
überrascht.

Die +skandinavisch-finnischen+ Seebecken besitzen ebenfalls in ihrer
Fauna eine Anzahl von Krustern (_Mysis relicta_, _Pontoporeia affinis_,
_Idotea entomon_ u. s. w.), welche Vertreter von im Meere lebenden
Gattungen sind.

Ganz ähnliche Thatsachen liegen für die grossen +kanadischen+ Seen
in Nordamerika vor. Wir begegnen dort den nämlichen Krebsen wie in
Skandinavien und ausserdem noch zwei Fischen (_Triglops_-Arten),
welche weit mehr die Charaktere von Meeres- als diejenigen von
Süsswasserfischen besitzen.

Diese Befunde, welche sich aus anderen Seengebieten leicht vermehren
liessen, haben in der Folge dazu geführt, die Theorie der sogenannten
„Reliktenseen“ aufzustellen. Darunter versteht man solche Seen,
welche für die Reste einer ehemaligen Meeresbedeckung angesprochen
werden. Man fühlte sich befugt, diesen Ursprung hauptsächlich
denjenigen Wasserbecken beizumessen, in denen man die oben angeführten
Krustaceen und Fische (bezw. andere zu marinen Gattungen gehörige
Tiere) vorgefunden hatte. Ausser Stande oder nicht daran gewöhnt, das
Vorhandensein solcher Fremdlinge auf eine andere Weise zu erklären, als
dadurch, dass dieselben Überbleibsel (Relikte) einer vormaligen, an
Ort und Stelle heimisch gewesenen Meeresfauna seien, zog man hieraus
den weiteren Schluss, dass in einer nicht sehr weit zurückliegenden
Periode der Erdgeschichte eine mehrmalige Andersverteilung von Land und
Wasser stattgefunden haben müsse, wobei Einsenkungen der Festländer mit
Meerwasser angefüllt oder Fjorde direkt vom Meere abgesperrt worden
wären, so dass in den so entstandenen Seebecken gewisse marine Spezies
zurückblieben, und dem durch Regengüsse sich immer mehr aussüssenden
Wasser allmählich angepasst wurden.

Diese Ansicht war sehr lange Zeit in Geltung, und zum Teil ist sie
es auch noch heute. Aber bei näherer Prüfung dieses „faunistischen
Arguments“ für den marinen Ursprung einer Anzahl von Binnenseen
zeigt es sich, dass dasselbe weder vor der geologischen noch vor der
zoologischen Kritik Stand hält.

In letzterer Hinsicht hat es sich nämlich herausgestellt, dass es
eine grosse Anzahl von Tieren giebt, welche ebenso gut im süssen wie
im Brack- oder Salzwasser leben können. Zunächst ist hierbei an die
allbekannten +Wanderfische+ (Lachs, Aal, Scholle u. s. w.) zu erinnern,
die sich gleich gut im Meere wie in den Flussläufen aufzuhalten
vermögen. Dann bieten aber auch die +Mollusken+ bemerkenswerte
Beispiele dafür dar, dass manche Arten einen recht erheblichen Wechsel
des Salzgehalts im Wasser vertragen können. So lebt eine kleine
Meerschnecke (_Hydrobia ulvae_) in dem beinahe ganz süssen Wasser der
inneren Ostsee; sie ist aber ebenso zahlreich in der Nordsee zu finden.
_Neritina fluviatilis_, eine Bewohnerin grosser Flüsse und Binnenseen,
wurde 1887 von Prof. +M. Braun+ auch in der Wismarer Bucht angetroffen.
Noch anpassungsfähiger ist aber die weitverbreitete Wandermuschel
(_Dreyssena polymorpha_). Ursprünglich nur in Südosteuropa, namentlich
im kaspischen Meere vorkommend, ist sie durch den Verkehr in den
Schiffahrtskanälen seit 1825 von einem Flusssystem zum anderen (über
Ostpreussen) nach Norddeutschland eingewandert, und hat sich von da
flussaufwärts verbreitet, so dass sie nunmehr in der Saale bei Halle,
im Neckar bei Heilbronn und im Rhein bei Basel angetroffen wird. Diese
Verschleppung geschieht sehr leicht, weil sich die Muschel mittels
ihrer Byssusfäden (vergl. diesen Band S. 126 u. 130) an Flosse und
Lastkähne anheftet und auf solche Art als blinder Passagier weite
und bequeme Reisen machen kann. Sie vermag im Brackwasser ebenso gut
auszudauern wie in rein süssen Gewässern.

Was die +Krebstiere+ anlangt, so sind dieselben der Mehrzahl nach
allerdings streng in Süss- und Salzwasserbewohner geschieden, aber
es giebt unter letzteren auch Formen, wie z. B. _Mysis vulgaris_,
die in fast vollkommen süssem Wasser zu existieren vermögen. Auf der
Westerplatte bei Danzig fand ich diese eigentlich dem Meere angehörige
Art in einem nur Spuren von Salz enthaltenden Tümpel.

Parasitische Kruster, welche auf Aalen, Lachsen und Stören schmarotzen,
sind gegen den Wechsel von Meer- und Flusswasser ganz unempfindlich.
Von den spaltfüssigen Krebsen (vergl. Band I dieses Werkes S. 349) soll
_Diaptomus castor_, der in kleinen Lachen und Teichen des Binnenlandes
lebt, auch an der Ostseeküste vorkommen.

Von den +Hohltieren+ (Cölenteraten) vermag der See-Keulenträger
(_Cordylophora lacustris_) ebenso gut im Brackwasser wie im
gewöhnlichen Flusswasser sein Leben zu fristen. Unser kleiner
Süsswasserpolyp (_Hydra_) stirbt dagegen sehr bald, auch wenn er nur in
ganz schwaches Salzwasser gebracht wird.

+Medusen+ als Süsswasserbewohner waren bis in die neueste Zeit herein
gänzlich unbekannt. Da entdeckte Dr. +J. Kennel+ in vollkommen
ausgesüssten Strandseen auf der Insel Trinidad (1882) eine winzige
Spezies dieser echten Meerestiere. Mit Recht hebt anlässlich dieses
wichtigen Fundes der genannte Forscher hervor, dass dem Vorkommen einer
Qualle im Süsswasser gegenüber nicht einzusehen sei, weshalb irgend
einem anderen Meeresbewohner die Möglichkeit eines Wechsels seines
Lebenselements, bezw. der Übergang aus dem Salzwasser in das Süsswasser
verschlossen sein sollte.

Die +plötzliche+ Versetzung von Meerestieren in gewöhnliches Brunnen-
oder Flusswasser erweist sich nach den bisherigen Erfahrungen für die
meisten als todbringend. Nicht so aber -- wie die Experimente des
Franzosen +Beudant+ zeigen -- eine allmählich vorgenommene Verdünnung
des Meerwassers mit gewöhnlichem Wasser. Auf die letztere Weise gelang
es, zahlreiche Arten von marinen Weichtieren an fast vollständig
ausgesüsstes Seewasser zu gewöhnen. Allerdings wird die Beweiskraft
dieser Versuche dadurch geschmälert, dass bei denselben die Frage
unberücksichtigt geblieben ist, ob die betreffenden Mollusken, welche
für sich selbst den Aussüssungsprozess gut überstanden, nun auch fähig
gewesen wären, sich in dem neuen Medium fortzupflanzen. Von der Auster
wissen wir z. B., dass dieselbe in erwachsenen Individuen, ohne Schaden
zu erleiden, einen Aufenthalt im süssen Wasser verträgt. Aber trotzdem
wollen keine Austernbänke in der salzarmen Ostsee fortkommen, woraus
zu schliessen sein dürfte, dass es die junge Brut ist, die einen
stärkeren Salzgehalt zu ihrem Gedeihen nötig hat, als er in jenem
grossen Binnenmeere zu finden ist.

Dem gegenüber kann nun freilich der Umstand angeführt werden, dass wir
auf Grund geologischer Erwägungen die heutigen Süsswassermollusken von
marinen Voreltern herleiten müssen, welche nach dem Auftauchen der
Kontinente aus dem Urmeere in die Flussläufe einwanderten und hier sich
veränderten Lebensbedingungen anbequemten. Eine andere Entstehungsweise
für die gegenwärtigen Bewohner unserer süssen Gewässer vermögen wir
überhaupt nicht anzunehmen, und eben darum müssen auch die Mollusken
unserer binnenländischen Wasserwelt als die Nachkommen von Schnecken
und Muscheln des Meeres betrachtet werden.

Ein Beispiel dafür, wie dies einstmals vor sich gegangen sein mag,
haben wir an den Verhältnissen, welche der Ortoire-Fluss im Süden
der Insel Trinidad noch heute darbietet. Hier wird, nach +Kennels+
Beobachtungen[111], die Einwanderung von Meerestieren durch die
Thatsache begünstigt, dass die schwache Strömung täglich zwei Mal durch
die Flutwelle zum Stehen gebracht wird, und dass dann der Übergang
aus dem Meerwasser in das brackische und süsse ein ausserordentlich
allmählicher ist. In bedeutender Höhe des Flusslaufes (12 engl.
Meilen von dessen Mündung entfernt) und weit oberhalb der Grenze des
Brackwassers fand +Kennel+ förmliche Anhäufungen von Tieren, denen
man sonst nur im Meere begegnet; so namentlich mächtige Bänke von
einer Miesmuschelart, frei schwimmende marine Borstenwürmer, und
einige Spezies von Seekrebsen -- also eine unleugbare Meeresfauna im
süssen Wasser. Es besteht natürlich nicht der Schatten eines Zweifels
darüber, dass alle jene Tiere zuerst mit der Flut in den Ortoire-Fluss
hineingeraten sind, und sich hier -- weil sie den allmählichen Wechsel
im Salzgehalt auszuhalten vermochten -- dauernd angesiedelt haben. In
ganz analoger Weise haben wir uns auch die erstmalige Einwanderung
von Meeresbewohnern in das süsse Wasser der Flüsse und der damit in
Verbindung stehenden Seen geschehen zu denken.

Prof. +Milnes Marshall+ hat unlängst[CXVI] geltend gemacht, dass viele
das Meer bewohnende wirbellose Tiere schon deshalb unfähig wären in das
Süsswasser einzuwandern, weil sie das Ei als sehr kleine, bewimperte
Larven verlassen, welche ganz ausser Stande seien, gegen irgend welche
Strömung anzukämpfen. Es könnten daher -- nach seiner Ansicht -- nur
solche Formen, welche sich von dem freischwimmenden Larvenzustand
emanzipiert haben und welche das Ei in ansehnlicher Grösse und Stärke
verlassen, dem Leben im Süsswasser angepasst werden. Diese Erklärung
mag im allgemeinen wohl das Richtige treffen; indessen zeigt uns die
neuerdings von +E. Korschelt+[120] zum Gegenstande einer speziellen
Untersuchung gemachte Entwickelung von _Dreyssena polymorpha_, dass
diese ursprünglich marine Muschel das freischwimmende Larvenstadium
(_Trochophora_) beibehalten hat. Dieser Nachweis ist von hohem
Interesse. Die Larven sind sehr klein und sie machen beim ersten
Anblick den Eindruck von Infusorien. Wenn sich das Mundsegel (_Velum_)
in stark wimpernder Bewegung befindet, könnte man sie auch für kleine
Rädertiere halten. Die Schwärmzeit dieser winzigen Wesen beläuft sich
auf etwa acht Tage. +Korschelt+ konstatierte, dass sie im Tegeler See
bei Berlin ungefähr Ende Juni erscheinen und die oberen Wasserschichten
in Menge bevölkern. Im Grossen Plöner See waren sie nach meiner eigenen
Wahrnehmung in diesem Sommer (1891) während der Zeit vom 5. bis 10.
Juli ebenfalls massenhaft vorhanden, und zwar durchweg im freien Wasser
des ganzen, mächtigen Sees bis zu 2 _m_ Tiefe. Prof. +F. Blochmann+ hat
auch im Warnowflusse (bei Rostock) Dreyssena-Larven angetroffen, und
hiermit wird eine Erklärung für die schnelle Verbreitung dieser Muschel
gegeben. Denn offenbar können jene winzigen Wimperlarven innerhalb
der achttägigen Schwärmzeit ausserordentlich weit von der Strömung
fortgetragen werden. Das erstaunlich üppige Gedeihen der _Dreyssena_ in
manchen Gewässern zeigt übrigens, dass sich die zarten Larven derselben
in unseren Flüssen und Binnenseen sehr wohl befinden müssen.

  [CXVI] „Über Rekapitulation in der Embryologie.“ Rede zur Eröffnung
         der biologischen Sektion in der British Association
         (Jahresversammlung) zu Leeds. 1890.

Handelt es sich um die Erklärung des Vorhandenseins von Tieren marinen
Charakters in solchen Seebecken, die heutzutage nicht mehr mit einem
Flusssystem zusammenhängen, sondern eine völlig isolierte Lage haben
(wie z. B. zahlreiche schwedische und finnische Seen), so hat man sich
vor Augen zu halten, dass die hydrographischen Verhältnisse Nord- und
Mitteleuropas am Schlusse der Eiszeit ganz andere waren, als sie jetzt
sind.

Die Flussläufe weiter Länderstrecken sind gegenwärtig nur schwächliche
Abbilder früher ungleich wasserreicherer und breiterer Stromrinnen.
Hindernisse, welche sich heute in Gestalt von Wasserfällen und
Stromschnellen der Tiereinwanderung entgegenstellen, waren ehedem
überhaupt nicht oder doch nur in geringerem Massstabe vorhanden.
Zwischen jetzt getrennten Flusssystemen bestanden Verbindungskanäle;
seeartige Erweiterungen der Flüsse existierten in weit grösserer
Anzahl als unter den heutigen erdgeschichtlichen Verhältnissen und
bildeten Etappen für die Wanderung der im Süsswasser sich ansiedelnden
Meeresfauna. In den breit ausgewaschenen Thälern des baltischen
Landrückens erkennen wir noch deutlich die alten Verbindungen der jetzt
getrennten, ehemals aber zu einem gewaltigen Urstromsystem vereinigten
ostdeutschen Flüsse, durch welche die Gewässer der Weichsel, der Oder
und der Elbe vereinigt zur Nordsee abflossen.

Es ist ein Verdienst des Greifswalder Professors der Erdkunde +Rud.
Credner+, diese Momente zuerst nachdrücklich betont und zum Gegenstande
einer umfangreichen Monographie gemacht zu haben[112], aus welcher der
Zoolog die Mahnung schöpfen kann, dass er auf blosse Tierfunde hin
nicht berechtigt ist, irgend einen See für den Rest einer vorzeitlichen
Meeresbedeckung anzusehen. Nur wenn aus den +geologischen+
Verhältnissen zugleich mit hervorgeht, dass wir es wirklich mit einem
abgesperrten Fjord oder einer einstmaligen Meeresbucht zu thun haben,
liegt Sicherheit dafür vor, dass wir in der anwesenden marinen Fauna
keine späteren Einwanderer, sondern wirklich von der Meeresflut selbst
hierher getragene und nach dem Rückzuge des Wassers in loco verbliebene
Lebewesen vor uns haben. Ein See, der die vollgültige geologische
Legitimation für seinen marinen Ursprung aufzuweisen vermag, ist dann
ein echter Reliktensee im Gegensatz zu den vielen anderen ebenso
bezeichneten Wasseransammlungen, die zu einer marinen Tierwelt nur
dadurch gekommen sind, dass an das salzfreie Element bereits gewöhnte
Meerbewohner aktiv oder passiv in sie einwanderten.

Mit dem Ausdruck „passive Wanderung“ benennt man die verschiedenen
Arten von Verschleppung kleinerer Tiere, welche durch grössere
Organismen, die dabei als Transporteure thätig sind, bewirkt wird. So
wird z. B. ein asselartiges Krebstier (_Idotea entomon_), welches als
ein Hauptrepräsentant der Reliktenfauna zahlreicher skandinavischer
Seen aufgeführt wird, durch Störe, an die es sich anheftet, in den
Flüssen Sibiriens weite Strecken stromaufwärts gebracht. In ähnlicher
Weise sind auch Sturmwinde und wandernde Sumpfvögel wirksam, insofern
sie kleinere Tiere des Meeres oder deren Eier und Jugendformen (mittels
Transports durch die Luft) dem Süsswasser oder zunächst salzärmeren und
der Aussüssung unterworfenen Gewässern zuführen.

Ich war in hohem Grade verwundert, als ich bei einer im Sommer 1884
vorgenommenen Durchforschung der bekannten Hochseen des Riesengebirges
in jedem dieser beiden isoliert gelegenen Wasserbecken eine
_Monotus_-Art antraf. Hierunter sind Strudelwürmer zu verstehen,
die einer im Meere lebenden Gattung angehören. Überraschender Weise
ist dieser Riesengebirgs-_Monotus_ nahe verwandt mit einer im Sunde
zahlreich vorkömmlichen Spezies, welche in der Litteratur unter dem
Namen _Monocelis spinosa_ Jensen aufgeführt wird. Später entdeckte
man die nämliche Spezies, für die ich die Bezeichnung _Monotus
lacustris_ in Vorschlag gebracht habe, auch im Peipus (Russland) und in
mehreren schweizerischen Seen[113]. Charakteristisch für die Biologie
dieses Tierchens ist der Umstand, dass sein Vorkommen auf grosse
und kühltemperierte Wasserbecken beschränkt erscheint. In kleineren
Teichen oder Tümpeln, die sich leicht erwärmen, ist es bis jetzt nicht
aufgefunden worden.

Diese Vorliebe des Süsswasser-_Monotus_ für kalte Seen, und die bereits
hervorgehobene Eigentümlichkeit, dass derselbe mit einer marinen
Spezies des Nordens in nächster Verwandtschaftsbeziehung steht, lassen
die Hypothese nicht ungerechtfertigt erscheinen, dass wir es in dem
eigentümlichen, kälteliebenden Tiere mit einem überlebenden Bewohner
jener zahlreichen Schmelzwasserseen zu thun haben, die sich am Ausgange
der Eiszeit bildeten, und die sowohl unter sich als auch mit dem
nördlichen Meere durch natürliche Zwischenkanäle in Verbindung standen.
In ein derartig zusammenhängendes System von grösseren und kleineren
Wasseransammlungen konnte eine anpassungsfähige Turbellarienform des
Meeres leicht einwandern und eine grosse Verbreitung erlangen. Sie
vermochte aber andernteils, wenn die einzelnen Seen aus Mangel an
Wasserzufuhr verdunsteten, nur an solchen Örtlichkeiten auszudauern,
welche annähernd die nämlichen Lebensbedingungen darboten, wie die von
den Schmelzwässern der nordischen Eisströme gebildeten Gletscherseen.
Auf solche Art erklärt sich auch die merkwürdige sporadische
Verbreitung des _Monotus lacustris_ am ungezwungensten, und es ist
damit gleichzeitig motiviert, dass ich dieses Tier in einer früheren
Publikation als eine fremdartige Erscheinung in unserer Süsswasserfauna
bezeichnet habe. Natürlich halte ich diese Erklärung zunächst für
hypothetisch, aber sie ist, im Anschluss an die oben mitgeteilten
anderweitigen Thatsachen, für den Augenblick entschieden annehmbar[114].

Ein namhafter italienischer Naturforscher, Prof. +Pietro Pavesi+
in Pavia, tritt mit grossem Eifer auch für den marinen Ursprung
der sogenannten „pelagischen“ Fauna unserer Landseen ein, insofern
er die beiden Hauptvertreter dieser vorwiegend aus kleinen Krebsen
bestehenden Tierschwärme (_Leptodora_ und _Bythotrephes_) für
Meeresformen erklärt, welche die Gewohnheit, im Süsswasser zu
leben, angenommen haben. Da sich für _Bythotrephes_ (Fig. 76 des
ersten Bandes) in einem kleinen ozeanischen Krebse (_Podon_) ein in
morphologischer Beziehung verwandtes Geschöpf nachweisen lässt, und
da _Leptodora_ (Fig. 75 in Band I) ihrer Organisation nach völlig
isoliert unter den Süsswasserkrustern dasteht, so mag Pavesis Ansicht
für diese beiden pelagischen Spezies zu Recht bestehen. Weshalb aber
die anderen Bewohner des freien Wassers unserer Binnenseen, deren
nahe Verwandtschaft mit den Uferspezies sofort in die Augen fällt,
gleichfalls mariner Herkunft sein sollen, dies ist schwer ersichtlich.
Noch unbegreiflicher aber ist Pavesis Schlussfolgerung, dass diejenigen
Seen, in denen sich eine pelagische Fauna konstatieren lässt, immer
wirkliche +Reliktenseen+, d. h. Überbleibsel einer vormaligen
Meeresbedeckung, sein sollen. Wäre diese Schlussweise zulässig, so
müsste auch der Bremer Stadtgraben (in welchem 1838 die vielberufene
_Leptodora hyalina_ von Dr. +Focke+ entdeckt wurde) mit zu den echten
Reliktenseen gezählt werden, was wohl Niemand im Ernste verlangen
wird. Und ebenso hätte man das Recht, manche mit Wasser angefüllte
Ziegelei-Ausschachtungen, weil in denselben einige pelagische
Rädertierspezies vorkommen, für abgesperrte Fjorde eines vorzeitlichen
Ozeans zu halten. Dies wäre aber einfach absurd. Prof. +Pavesi+ lässt
aus Liebe zu seiner Theorie der „Fauna relegata“ ganz ausser Acht,
dass die kleinen Süsswassertiere (oder deren Eier) durch wandernde
Sumpfvögel leicht von See zu See verschleppt werden, sodass sie, wie
durch +Imhof+ erwiesen ist, selbst bis in die hochgelegensten Alpenseen
hinauf verbreitet sind. Auf dem Wege solcher +passiven+ Wanderungen
-- wie man es nennt -- werden jene Organismen auch in die zahllosen
binnenländischen Tümpel und Seen übergeführt, ohne dass letztere zu
irgend einer Zeit mit dem Meere in direkter Verbindung gestanden haben.

Positive Beweise dafür, dass Schwimmvögel zur Verbreitung von kleinen
Wasserorganismen beitragen können, liegen mehrfach vor. +F. A. Forel+
wurde 1876 durch eine Beobachtung von +Alois Humbert+ in Genf zu
der Überzeugung gebracht, dass mindestens die kleinen Kruster auf
solche Weise gelegentlich verpflanzt werden. +Humbert+ hatte nämlich
Wintereier von +Cladoceren+ (Wasserflöhen) dem Gefieder von wilden
Enten und Tauchern anhängend gefunden. Diese einzige Wahrnehmung
warf mit einem Male Licht auf das sonst rätselhafte Vorhandensein
von zahlreichen Spezies niederer Organismen in völlig isolierten
Wasseransammlungen. In welcher Menge solche Wintereier am Schlusse
des Sommers vorkömmlich zu sein pflegen, darauf wirft eine Schilderung
Licht, die von Prof. +G. Asper+ und +J. Heuscher+ seinerzeit gegeben
worden ist[115]. „Als wir“ -- so heisst es in derselben -- „am 27.
Juli 1886 am oberen Ende des Fählensees (Schweiz) Steine umwenden
wollten, um die darunter sich aufhaltenden Tiere zu sammeln, trafen
wir den ganzen Ufersaum etwa einen halben Meter breit mit einer
dunklen Schicht bedeckt. Die ins Wasser eingetauchte Hand wurde
beim Herausziehen schwarz durch eine Unzahl kleiner Körperchen, die
hartnäckig anhafteten. Es waren die Ephippien (Eiersättel) einer
Daphnie, sehr wahrscheinlich solche von _D. longispina_. Sie waren im
Trockenen kaum von der Haut wegzubringen, lösten sich dagegen sehr
leicht ab, wenn man die Hand wieder ins Wasser tauchte. Die Körperchen
zeigten keine Adhäsion fürs Wasser, sie blieben trocken wie die Federn
der Schwimmvögel und flottierten an der Oberfläche. Der scharf über den
See streichende Wind hatte wohl einen bedeutenden Teil der zerstreuten
Eier an das obere Ufer getrieben. Die ungemein weite Verbreitung der
genannten Spezies kann uns hiernach nicht in Erstaunen setzen. Denn wie
viele Tausende von Eiern bleiben an den Füssen der Rinder hängen, die
hier und dann anderwärts zur Tränke gehen; wie leicht kleben sie an der
Brust jedes Vogels fest, der ins Wasser geht, oder auch an der Gemse,
die hier ihren Durst stillt.“

Was die _Cyclops_- oder _Diaptomus_-Arten betrifft (vergl. das IX.
Kapitel des ersten Bandes), die fast niemals in einer grösseren
Wasserlache fehlen, so scheint es, dass dieselben eine nahezu
vollständige Austrocknung vertragen können. +J. Vosseler+ bemerkt
darüber in einer älteren Publikation[116] folgendes: „Mehrere Male
waren einige meiner Fundorte trocken gelegt und bis zu einer Tiefe von
1–1½ Fuss kein feuchtes Erdreich mehr zu finden. Kaum stand jedoch
über dem trockenen Schlamm etwas Wasser, so war dies alsbald wieder
von Cyclopiden belebt“. Tiere von solcher Lebenszähigkeit werden also
sicherlich auch, wenn sie auf das Gefieder eines Vogels geraten,
einen weiten Transport durch die Luft auszuhalten vermögen. Übrigens
würden die den weiblichen Spaltfusskrebsen anhängenden Eier auch dann
entwickelungsfähig bleiben, wenn das Muttertier unterwegs zu Grunde
gehen sollte.

Neben den Vögeln spielen aber, wie Dr. +W. Migula+ gezeigt hat, auch
die Wasserkäfer eine bedeutsame Rolle bei der Verbreitung der kleinen
und zum Teil mikroskopischen Süsswasserorganismen. Der Genannte fand
nämlich, dass _Eudorina elegans_, _Pandorina morum_, _Scenedesmus
obtusus_ und sonstige Algen durch derartige Käfer verschleppt und in
andere Wasserbecken verpflanzt werden. +Migula+ fasst das Ergebnis
seiner Untersuchungen in folgendem Passus zusammen[117]: „Da die
Wasserkäfer (besonders des Nachts) ihren Aufenthalt häufig wechseln
und nachweisbar oft weit entfernte Gewässer aufsuchen, so vermitteln
sie gewiss in allen jenen Fällen die Verbreitung der Algen, wo es sich
um kleine Lachen und Tümpel handelt, die wohl für Wasserkäfer, aber
nicht für Wasservögel von Interesse sind. Das konstante Vorkommen
von Algen an den Körperteilen von Wasserkäfern lässt sogar darauf
schliessen, dass diesen bei dem Transport von Mitgliedern der niederen
Flora eine grössere Rolle zukommt, als den Wasservögeln oder der
strömenden Luft. In Wirklichkeit verhält es sich wahrscheinlich so,
dass die Luft kleinste und der Austrocknung widerstehende Formen
verbreitet, Wasservögel den Transport nach weit entfernten Gegenden
vermitteln und Wasserkäfer in ausgedehnter Weise für die Ausbreitung
einer Spezies innerhalb enger räumlicher Grenzen thätig sind“. Dass
mit den Algen zugleich auch eingekapselte Protozoen, Eier von kleinen
Würmern u. s. w. transportiert werden können, wird Niemand als etwas
Unwahrscheinliches betrachten.

Auf die ebenfalls weit verbreiteten +Wassermilben+ (Hydrachniden)
scheint der Modus einer Überführung derselben von einem Gewässer
zum andern überhaupt nicht anwendbar zu sein, weil diese Tiere für
das Trockenwerden sehr empfindlich sind und ausserhalb des Wassers
schnell zu Grunde gehen. Um so dringlicher erhebt sich hiernach die
Frage, auf welche Weise diese spinnenartigen Wesen in die grossen
und kleinen Seebecken hineingelangen, wo wir sie vorfinden. Über
diesen Punkt hat uns unlängst der französische Naturforscher +Th.
Barrois+[118] aufgeklärt. Derselbe entdeckte nämlich, dass es nicht die
erwachsenen Individuen, sondern die durch einen dicken Chitinpanzer
geschützten Puppen der Wassermilben seien, welche der passiven
Wanderung unterworfen werden, insofern sich dieselben an den Leibern
verschiedener Wasserwanzen (_Nepa_, _Notonecta_) festheften und so von
diesen fliegenden Insekten auf weite Entfernungen hin transportiert
werden. +Barrois+ zeigte durch das Experiment, dass Wasserwanzen
viele Stunden auf dem Trockenen ausdauern können, ohne dass die
Entwickelungsfähigkeit jener Puppen darunter leidet. Letztere werden
also auch dann ungefährdet bleiben, wenn die Wasserwanzen, ihrer
Gewohnheit folgend, während der Nacht von einem Teiche zum anderen
fliegen. Auf solche Art gelangen nun zahlreiche zum Ausschlüpfen reife
Larven von Hydrachniden an weit entfernte Wohnplätze und verbleiben
dort für immer, nachdem sie die Puppenhülle gesprengt und verlassen
haben. Ihr weiteres Wachstum vollzieht sich in dem einen Gewässer so
gut wie in dem anderen, und daher kommt es, dass wir selten in einem
Graben oder Tümpel vergeblich nach Hydrachniden suchen.

Andere überall vorkommende Tiere, wie z. B. die kleinen
+Süsswasser-Oligochäten+ (_Nais_, _Chaetogaster_ etc.), sind mit
zahlreichen Büscheln von Hakenborsten ausgerüstet, und dies führt auf
den Gedanken, dass sie durch diese Borsten in der Vornahme passiver
Wanderungen stark begünstigt werden. Manche +Turbellarien+ besitzen,
wie wir früher sahen, sogenannte „Klebzellen“ in der Nähe des hinteren
Körperendes, und höchst wahrscheinlich dienen dieselben gelegentlich
ebenfalls dazu, ihren Besitzern eine Luftreise zu ermöglichen.
Jene Zellen sind einer so energischen Thätigkeit fähig, dass man
die betreffenden Strudelwürmer oft eher zerreissen, als von ihrer
Befestigungsstelle loslösen kann.

Eine ganz vorzügliche Geeignetheit zur Ausführung passiver Wanderungen
müssen wir übrigens auch bei vielen Spezies von +Wasserschnecken+ und
+Muscheln+ voraussetzen, denn diese Mollusken sind selbst noch in
manchen Gebirgsseen anzutreffen. Fand doch +A. Brandt+ selbst in dem
1904 m hohen Goktschai (Armenien) Limnäen, _Planorbis carinatus_ und
Pisidien vor. Das _Pisidium fossarinum_ konstatierte +A. Wierzejsky+
in 21 Seen der Hohen Tatra, und einer Notiz +Imhofs+ zufolge ist die
nämliche Muschel sogar noch auf dem Splügen zu finden.

Nach einer wertvollen Beobachtung +Darwins+ scheint hauptsächlich den
ganz jungen Schnecken das Vermögen zu weiten Wanderungen beizuwohnen,
wie sich aus folgender Stelle des Kapitels über geographische
Verbreitung in der „Entstehung der Arten“ ergiebt. +Darwin+ sagt dort:
„Wenn eine Ente sich plötzlich aus einem mit Wasserlinsen bedeckten
Teiche erhebt, so bleiben oft einige dieser kleinen Pflanzen auf
ihrem Rücken hängen, und es ist mir vorgekommen, dass, wenn ich
einige Wasserlinsen aus einem Aquarium ins andere versetzte, ich
ganz absichtslos das letztere mit Süsswassermollusken des ersteren
bevölkerte. Doch ist ein anderer Umstand vielleicht noch wirksamer.
Ich hängte einen Entenfuss in einem Aquarium auf, wo viele Eier von
Wasserschnecken auszukriechen im Begriffe waren, und fand, dass
bald eine grosse Menge der äusserst kleinen Schnecken an dem Fusse
umherkrochen und sich so fest an demselben anklebten, dass sie kaum
abgeschabt werden konnten, obwohl sie in einem etwas vorgerückten
Alter freiwillig davon abgefallen wären. Diese frisch ausgeschlüpften
Mollusken lebten an dem Entenfusse in feuchter Luft 12–20 Stunden lang,
und während dieser Zeit kann eine Ente oder ein Reiher mindestens
600–700 englische Meilen weit fliegen, um sich dann in einem Sumpfe
oder Bache niederzulassen“.

Im Anschluss an diese Mitteilung berichtet +Darwin+ noch über den
merkwürdigen Fall, wo ein Wasserkäfer (_Dytiscus_) mit einer ihm
anhaftenden Napfschnecke (_Ancylus_) gefangen wurde. Über andere,
nicht weniger interessante Vorkommnisse, welche speziell die passiven
Wanderungen von Muscheln betreffen, berichtet +Charles Darwin+ in einem
Aufsatze der „Nature“ vom Jahre 1882.

Die kosmopolitische Verbreitung vieler Protozoen, hauptsächlich
diejenige der +Difflugien+ und +Arcellen+ (die fast nirgends fehlen,
wo etwas Feuchtigkeit vorhanden ist), geschieht vorwiegend durch den
Wind, wenn er über die Böden ausgetrockneter Tümpel hinfegt. Doch
wird es auch vorkommen, dass manche Spezies mit den Schlammklümpchen,
die an den Schwimmfüssen wilder Enten u. s. w. hängen bleiben, einen
Ortswechsel erfahren. Besondere Anpassungen scheinen bei diesen
niederen Organismen sehr selten nachweisbar zu sein.

Doch ist mir gelegentlich eine _Difflugia_ im Riesengebirge zu Gesicht
gekommen, welche im Umkreise der weiten Wölbung ihres Gehäuses acht
stachelartige Fortsätze besitzt, von denen jeder noch eine gekrümmte
Spitze trägt, die sich wie eine winzige Kralle ausnimmt. Jedes
Exemplar der von mir in nassen Moospolstern (_Sphagnum_) gesammelten
Difflugien (siehe Band I, Fig. 16) zeigt konstant die geschilderte
Eigentümlichkeit, während sie im übrigen fast ganz mit der von
+Leidy+[119] beschriebenen _Difflugia corona_ übereinstimmt. Ich
erblicke in der Riesengebirgs-_Difflugia_ ein interessantes Beispiel
dafür, dass auch bei Protozoen gelegentlich spezialisierte Haftorgane
zur Ausbildung gelangen, die offenbar dazu dienen können, passive
Wanderungen zu erleichtern. --

Nach allen vorausgegangenen Ausführungen und Erörterungen bietet also
das Auftreten von marinen Tierformen im Süsswasser gar keine Gewähr
dafür, dass diese Wesen an Ort und Stelle selbst den Anpassungsprozess
von dem einen Medium ans andere vollzogen haben. Vielmehr ist es, wie
einige der mitgeteilten Thatsachen zeigen, in den weitaus meisten
Fällen als das Wahrscheinlichere zu betrachten, dass jene Spezies von
marinem Habitus durch aktive oder passive Einwanderung in die jetzt
von ihnen bewohnten Binnenseen gelangt sind. Nur wenn in überzeugender
Weise durch den +geologischen+ Befund erhärtet werden kann, dass
die bezüglichen Seen wirkliche (aber im Laufe der Zeit ausgesüsste)
Meeresabschnitte sind, kann von der Existenz einer eigentlichen
Reliktenfauna in ihnen die Rede sein. Von den mehr als hundert Seen,
in denen Tiere von marinem Charakter gefunden worden sind, leisten nur
sehr wenige der obigen Bedingung Genüge. Echte Reliktenseen aber sind
z. B. zahlreiche Wasserbecken des mittlern und südlichen Schweden.


Litteratur.

[111] =J. v. Kennel=, Biologische und faunistische Notizen aus
Trinidad. Arbeiten aus dem Zool.-anatom. Institut in Würzburg, 1883.

[112] =R. Credner=, Die Reliktenseen. Petermanns Mitteilungen 1887.

[113] Vergl. =G. Duplessis-Gouret=, Essay sur la faune profonde des
Lacs de la Suisse, 1885.

[114] Vergl. =Fr. Zschokke=, Die Tierwelt der Hochseen. Verhandl. der
Deutschen Zoolog. Gesellschaft auf der 1. Jahresversammlung von 1891.

[115] =G. Asper= und =J. Heuscher=, Zur Naturgeschichte der Alpenseen.
Jahresbericht der St. Gallisch. Naturw. Gesellschaft, 1885–86.

[116] =J. Vosseler=, Die freilebenden Copepoden Württembergs etc., 1886.

[117] Vergl. =W. Migula=, Die Verbreitungsweise der Algen. Biolog.
Zentralblatt, 8. Bd., No. 17, 1888.

[118] =Th. Barrois=, Note sur la dispersion des Hydrachnides. Revue
biologique du Nord de la France. T. I. 1888–89.

[119] =Leidy=, Freshwater Rhizopoda of North-America, 1879.

[120] =E. Korschelt=, Die Entwickelung von Dreyssena polymorpha.
Sitzungsber. der Gesellsch. naturf. Freunde in Berlin, Jahrg. 1891.



Über die wissenschaftlichen Aufgaben biologischer Süsswasser-Stationen.

Von Dr. =Otto Zacharias= in Plön (Holstein).


Auch ausserhalb der Fachkreise dürfte es ziemlich allgemein bekannt
sein, dass ich vor einigen Jahren (1888) die Errichtung einer
besonderen Anstalt zum Zwecke eingehender Untersuchungen über die Tier-
und Pflanzenwelt des Süsswassers angeregt und in ihrer Notwendigkeit
begründet habe. Es geschah dies durch einen Aufsatz in No. 269 des
„Zoologischen Anzeigers“. Seitdem sind drei Jahre verflossen und in der
wissenschaftlichen sowohl wie in der Tagespresse ist der betreffende
Vorschlag vielfach erörtert worden. Namhafte Zoologen und Botaniker
zollten meinem Plane sogleich Beifall und bestärkten mich in meinem
Vorhaben; andere, nicht minder ausgezeichnete Forscher nahmen aber
das Projekt mit Zurückhaltung auf. Dies ist der gewöhnliche Gang
der Dinge, sobald es sich um eine Neuerung handelt. Meistenteils
werden in einem solchen Falle auch noch absprechende Stimmen laut;
diese Regel bestätigte sich jedoch meinen Bestrebungen gegenüber
nicht. Im Gegenteil gesellte sich zu den beistimmenden Kundgebungen
alsbald noch der weitere günstige Umstand, dass wohlhabende Fach-
und Privatleute das Projekt in freigebigster Weise durch Geldspenden
förderten. Hierdurch und durch das wahrhaft liberale Entgegenkommen
des Bürgermeisters[CXVII] und der Stadtgemeinde von Plön ist es mir
schliesslich gelungen, meine Pläne zu verwirklichen, und gegenwärtig
erhebt sich am Nordufer des Grossen Plöner Sees -- in unmittelbarster
Wassernähe -- ein stattliches, villenähnliches Gebäude, welches
eine hinlängliche Anzahl von Räumlichkeiten umfasst, in denen
wissenschaftliche Untersuchungen mit derselben Bequemlichkeit
vorgenommen werden können wie in den biologischen Laboratorien
kleinerer Universitäten.

  [CXVII] Joh. Kinder.

Von Seiten der Preussischen Staatsregierung wurde dem neubegründeten
Institute in der Folge auch eine finanzielle Beihilfe (zunächst auf
fünf Jahre) zu teil, sodass ein recht glücklicher Anfang für das
lediglich durch Privat-Initiative ins Werk gesetzte Unternehmen zu
verzeichnen gewesen ist.

Der Studien-Aufenthalt in dieser ersten „Biologischen
Süsswasser-Station“ ist Jedem gestattet, der die zum selbständigen
Arbeiten erforderlichen Vorkenntnisse mitbringt. Insbesondere
freilich sind die fünf vorhandenen Arbeitsplätze für Naturforscher
von Fach bestimmt, welche am Grossen Plöner See zoologische,
pflanzenphysiologische oder auf das Fischereiwesen bezügliche
Beobachtungen anstellen wollen. Für alle diese Zwecke sind in der
Station die geeigneten Hilfsmittel (Fahrzeuge, Fanggerätschaften,
Mikroskope, Reagentien und Aquarien) vorhanden.

Wer davon unterrichtet ist, mit welch interessanten Lebensformen
uns die letztjährigen Durchforschungen unserer heimatlichen Tümpel,
Teiche und Seen bekannt gemacht haben, der wird die Nachricht von der
Begründung einer Dauerstation zur näheren Untersuchung jener Organismen
mit aufrichtiger Genugthuung begrüssen. Die Umgebung von Plön ist in
vorzüglicher Weise für diesen Zweck geeignet, insofern das Thal des
Schwentine-Flusses, in welchem das freundliche Städtchen gelegen ist,
fast lediglich aus einer Aneinanderreihung von Wasserbecken besteht,
von denen die kleinsten so gross sind wie unsere ansehnlichsten
mitteldeutschen Seen. Hier ist also ein weites Feld für faunistische
und biologische Forschungen eröffnet, d. h. für Studien, welche die
Feststellung der verschiedenen Tier- und Pflanzenorganismen des
Süsswassers und die Ermittelung von deren Existenzbedingungen zum Ziel
haben.

[Illustration: Fig. 51. Die Biologische Station zu Plön.]

Im Hinblick auf den Reichtum an Lebewesen, welchen das Meer in seinem
Schosse birgt, waren Viele von der Ansicht beherrscht, dass es
sich wohl erst gar nicht verlohne, Zeit und Kraft an die Gewässer
des Binnenlandes zu verschwenden. So wurde die Süsswassertierwelt
allmählich zum Aschenbrödel der wissenschaftlichen Zoologie degradiert,
und wer sich wirklich noch damit abgab, lief Gefahr, von seinen für das
Salzwasser schwärmenden Fachgenossen als ein nicht ganz ebenbürtiges
Mitglied der Forschergilde betrachtet zu werden. Glücklicherweise
giebt es aber zu jeder Zeit Leute, die den Mut haben, allgemeinen
Vorurteilen zu trotzen, und so hat auch die Süsswasserfauna in den
jüngstverflossenen zwei Jahrzehnten ihre Freunde und Bearbeiter
gefunden. Männer wie +F. A. Forel+, +G. Asper+ und +E. Imhof+ in der
Schweiz, +P. Pavesi+ in Italien, +A. Fritsch+, +B. Hellich+ und +W.
Vavra+ in Österreich, +O. Nordquist+ in Finnland, +Jules Richard+
und +Jules de Guerne+ in Frankreich (zahlreicher anderer nicht zu
gedenken) haben mit bewundernswerter Unermüdlichkeit dem Studium der
Wassertierwelt obgelegen und Erfolge erzielt, deren wissenschaftliche
Bedeutung von Niemand mehr übersehen oder in Abrede gestellt werden
kann. Ich selbst habe während des Zeitraumes von 1884 bis 1889
die Fauna der nord- und mitteldeutschen Seen, sowie diejenige der
Eifelmaare durch eingehende Untersuchungen festgestellt. Durch
eben diese Forschungen sind wir mit vielen neuen Arten von kleinen
Krebstieren (Entomostraken) bekannt geworden, haben den Reichtum
unserer Gewässer an schwimmenden und schlammbewohnenden Würmern, an
Schnecken, Muscheln, Moostieren und einzelligen Lebewesen (Protozoen
und niederen Algen) kennen gelernt, sind in die bunte Gesellschaft
der Wassermilben und Wasserkerbtiere eingedrungen, deren Gewimmel
hauptsächlich die seichtere Uferzone belebt -- kurz, wir haben einen
umfassenden Überblick über die mannigfaltige Bewohnerschaft unserer
binnenländischen Seebecken erlangt, die bisher nur Fische und „Gewürm“
(als deren Nahrung) zu enthalten schienen. Unsere vermehrte Kenntnis
erstreckt sich aber nicht nur auf die einzelnen Gattungen und Arten
der äusserlich unscheinbaren Wasserfauna, sondern auch mit auf die
Art und Weise, wie jede Spezies ihren besonderen Lebensverhältnissen
angepasst ist, wie sie sich ernährt und ihren Platz im Kampfe ums
Dasein behauptet, was für Mittel ihr zur räumlichen Ausbreitung
verliehen sind und welcher Zusammenhang zwischen der Bevölkerung des
Seegrundes und derjenigen der oberflächlichen Wasserschichten (bezw.
der Uferzone) besteht. Aber mit Gewinnung dieser Einsicht sind wieder
zahlreiche neue Probleme aufgetaucht, welche sich auf die Ursachen
der Veränderlichkeit, die Wirkung der Isolierung, den mutmasslichen
Einfluss des „äusseren Mediums“ u. dergl. beziehen, sodass es niemals
an Arbeit für zahlreiche Forscher auf diesem Gebiete fehlen kann.

Der Hauptvorteil eines dicht am Seeufer gelegenen und mit
allen Einrichtungen der modernen Forschungstechnik versehenen
Stationsgebäudes besteht augenscheinlich darin, dass man auf solche
Weise in den Stand gesetzt wird, alle Chancen des Wetters und der
Beleuchtungsverhältnisse beim Einsammeln der Untersuchungsobjekte
wahrzunehmen, und dass sich einem in beständiger Wassernähe die
Möglichkeit zu zahlreichen Beobachtungen darbietet, welche auf nur
gelegentlichen Ausflügen an dieses oder jenes Wasserbecken -- aus
Mangel an Zeit und Ruhe -- überhaupt nicht gemacht werden können.

Ich denke da in erster Linie an die Erforschung der Zusammensetzung der
sogenannten pelagischen Süsswasserfauna (des Limnoplanktons) in den
verschiedenen Jahreszeiten, und an die sehr wünschenswerte Klarstellung
der Beziehungen dieser merkwürdigen Tiergesellschaften zu den übrigen
Bewohnern des betreffendes Sees, besonders auch ihr Verhältnis zu
den Fischen, von denen einige, wie man glaubt, vorwiegend in ihrer
Ernährung auf gewisse pelagisch lebende, d. h. beständig im freien
Wasser sich aufhaltende Krebstiere angewiesen sind. Im Grossen Plöner
See besteht jene _Fauna pelagica_ nach meinen Ermittelungen (von 1886
und 1891) aus folgenden Spezies:


_Crustacea_:

  _Leptodora hyalina_ Lilljeb.
  _Daphnella brachyura_ Liév.
  _Hyalodaphnia cucullata_ Sars., _var. apicata_ Kurz.
  _Bosmina coregom_ Baird.
  _Bosmina cornuta_ Jur.
  _Cyclops simplex_ Pogg.
  _Diaptomus gracilis_ Sars.


_Rotatoria_:

  _Asplanchna helvetica_ Imhof
  _Anuraea longispina_ Kellic.
  _Anuraea cochlearis_ Gosse
  _Polyarthra platyptera_ Ehrb.

Dazwischen kommt auch noch in grossen Mengen ein zur
Flagellaten-Gattung _Dinobryon_ gehöriges Wesen (vergl. Fig. 35 im
ersten Bande dieses Werkes) und das ebenfalls zu den Geisselträgern
gehörige _Ceratium hirundinella_ vor. Ein feines Schwebnetz aus
Müllergaze, mit dem wir vom Boote aus bloss zehn Minuten lang die
oberflächlichen Wasserschichten der Seenmitte abfischen, enthält nach
Ablauf dieser kurzen Zeit einen förmlichen Brei auf seinem Grunde,
welcher lediglich aus den soeben namhaft gemachten Krebs-, Rädertier-
und Flagellaten-Spezies besteht.

Die nähere Erforschung der Lebens- und Ernährungsweise dieser
pelagischen Tiere, welche in staunenswert grosser Individuenzahl unsere
Binnenseen bevölkern, wäre -- wie schon betont -- eine sicher zu
wichtigen Aufschlüssen führende Arbeit, welche von einer biologischen
Süsswasserstation in Angriff genommen werden könnte. Freilich würden
zur Bewältigung einer solchen Aufgabe keineswegs nur Wochen und Monate,
sondern zweifellos mehrere Jahre erforderlich sein. Was wir bis jetzt
über die Biologie jener rastlos schwimmenden Wesen wissen, ist durch
die verschiedensten Forscher bei Gelegenheit von Ferienreisen, in
Sommerfrischen u. s. w., wodurch die Betreffenden zufällig in die Nähe
grösserer Süsswasseransammlungen gelangten, festgestellt worden. Hin
und wieder (ich erinnere nur an die ausgezeichneten Forschungen Prof.
+Aug. Weismanns+ über Daphniden) sind solchen Gelegenheitsstudien die
schönsten und weittragendsten Resultate zu verdanken gewesen. Aber eben
darum, weil sich solche Untersuchungen schon öfters als im hohen Grade
lohnend erwiesen haben, erscheint es geboten, dieselben fortzusetzen
und sie so zu organisieren, dass wertvolle Ergebnisse nicht bloss vom
Zufall abhängen, sondern vielmehr mit einiger Sicherheit erwartet
werden können.

Eine andere Frage vom allgemeinsten wissenschaftlichen Interesse wäre
die nach der +Winterfauna+ unserer Landseen, d. h. eine Ermittelung
derjenigen Tiere, welche während der Kältemonate unter der Eisdecke
im Wasser ausdauern und weiter leben, während andere beim Eintritt
der niedrigen Temperatur hinsterben, nachdem sie den Fortbestand
ihrer Art durch die Produktion und Ablage von +Dauer-Eiern+ (vergl.
Bd. I S. 367) gesichert haben. Dass verschiedene Infusorienspezies,
Spaltfusskrebschen und mancherlei Würmer in unseren Teichen während
des Winters zu finden sind, weiss man schon seit längerer Zeit; aber
auf diese wenigen Thatsachen beschränkt sich gegenwärtig unsere
Kenntnis, sodass es angezeigt wäre, sich einmal näher darüber zu
unterrichten, welche Tiere (bezw. niedere Pflanzen) es denn sind, deren
Lebensfunktionen unter der Einwirkung von Kälte so gut wie gar keine
Beeinträchtigung erfahren. Diese Aufgabe könnte gleichfalls auf das
Programm einer nahe am Seeufer befindlichen Station gesetzt werden, und
sie wird wohl auch einer solchen reserviert bleiben, da es vollkommen
unthunlich ist, derartige Untersuchungen ausserhalb des Bereichs einer
den Forscher sowohl wie das von ihm aufgefischte Material vor Frost
schützenden Unterkunft vorzunehmen.

Ein reiches und anziehendes Arbeitsgebiet für den in unmittelbarer
Seenähe stationierten Zoologen würde selbstredend auch die Beobachtung
der Wasserinsekten und der Larvenzustände von solchen Landkerbtieren
sein, welche ihre Eier ins Wasser ablegen. Es ist nicht zu bezweifeln,
dass Studien dieser Art, wenn sie auf eine grössere Anzahl
verschiedener Objekte ausgedehnt werden, interessante Aufschlüsse in
allgemein biologischer Hinsicht zu liefern im stande sind. Ich erinnere
hier nur an die schöne Untersuchung, welche Dr. +E. Schmidt-Schwedt+
unlängst (1887) über Atmung der Larven und Puppen des Schilfkäfers
(_Donacia crassipes_) veröffentlicht hat[121], und an die auf den
Gehäusebau der Phryganiden-Larven (vergl. diesen Band S. 94 und ff.)
bezüglichen Beobachtungen der bekannten Naturforscherin Fräul. +Marie
v. Chauvin+.

Ein nicht minder grosses Interesse würde die Erforschung jener
eigentümlichen Fortpflanzungsverhältnisse darbieten, welche bei einigen
unserer verbreitetsten Süsswasserturbellarien (_Stenostoma leucops_,
_Microstoma lineare_) abwechselnd in der Form von geschlechtlicher
und ungeschlechtlicher Vermehrung auftreten. Man weiss zwar, dass zu
Beginn der kalten Jahreszeit die letztere an die Stelle der ersteren
tritt, aber man ist noch sehr wenig darüber informiert, durch welche
histologischen Vorgänge es zu einer Hervorbildung männlicher und
weiblicher Zeugungsorgane in den bis dahin geschlechtslos gewesenen
Würmern kommt, die sich nur auf dem Wege der Querteilung (vergl. Bd. I,
S. 259) fortpflanzten. Dasselbe Problem liegt auch in betreff gewisser
Anneliden, z. B. beim gemeinen Wasserschlängelchen (_Nais_) vor, und
es wäre im hohen Grade wertvoll, über den Modus der geschlechtlichen
Differenzierung in beiden Würmergruppen genauere Angaben zu erhalten.
Dass wir solche noch vermissen, liegt an der Schwierigkeit der
Materialbeschaffung. Befindet man sich nicht in nächster Nachbarschaft
eines Sees oder grösseren Teiches, so ist es ganz unmöglich, den
rechten Moment wahrzunehmen, um die genannten Tiere in den geeigneten
Stadien einzusammeln.

In solchen und ähnlichen Fällen hängt der Fortschritt unseres Wissens
im wesentlichen nur von der rechtzeitigen und bequemen Erlangung
der Beobachtungsobjekte ab. Und das ist der Hauptpunkt, welchen ich
bei Motivierung der Notwendigkeit von permanenten Stationen für die
Erforschung der Süsswasser-Lebewelt nicht oft genug betonen kann.

Faunistische Exkursionen in irgend einer Seengegend sind ganz gewiss
für die Erweiterung unserer Kenntnis der Wasserfauna von Wert; aber
wer eine derartige ambulante Forschungsthätigkeit längere Zeit
hindurch betrieben hat, wird wissen, dass man dabei eigentlich
niemals zur Ruhe kommt. Man schwelgt bei solchen Ausflügen häufig in
einer herzerquickenden Fülle von Material, hat aber unterwegs höchst
selten so viel Zeit, um sich der Bearbeitung desselben mit der
erforderlichen Musse zu widmen. Infolgedessen konserviert man möglichst
zahlreiche Objekte und kehrt mit einer grossen Menge von Gläschen
nach Hause zurück. Hier findet nun erst die eingehende Besichtigung
der verschiedenen Funde statt, wobei man aber in der Regel die wenig
erfreuliche Wahrnehmung macht, dass man von der einen Materialsorte
viel zu viel, von der anderen aber leider lange nicht genug angesammelt
hat. Wäre man an Ort und Stelle in der Lage gewesen, umfassendere
Studien vorzunehmen, so würde bei demselben Zeit- und Kraftaufwande
ein belangreicheres Resultat zu verzeichnen gewesen sein. Auch diese
Erfahrung, mit der ich gewiss nicht ganz allein stehe, spricht klar
für die Nützlichkeit von Dauerstationen, wenn es sich um das Studium
unserer Süsswasserfauna handelt. Dasselbe gilt natürlich auch im
Hinblick auf die lakustrische Pflanzenwelt.

Dass indessen auch faunistische Exkursionen, wenn sie mit Eifer und
Gründlichkeit ausgeführt werden, nach verschiedenen Richtungen hin
Neues zutagefördern können, dafür legt eine unlängst publizierte
Arbeit von Prof. +M. Braun+ („Die Turbellarien Livlands“, 1885)
beredtes Zeugnis ab. Ebenso liefert die bekannte Abhandlung Dr.
+K. Ecksteins+ über die Rädertiere der Umgebung von Giessen eine
schlagende Bestätigung für die beherzigenswerte Mahnung: „Sieh, das
Gute liegt so nah’ ....“ Auch durch meine eigenen Arbeiten über
die niedere Fauna einheimischer Seebecken und Teiche hoffe ich den
Beweis erbracht zu haben, dass in unseren süssen Gewässern noch
mancherlei Neues zu entdecken ist. Ich brauche in diesem Bezug nur
an die schon erwähnte Auffindung einer den Monotiden nahestehenden
Turbellarie in den Hochseen des Riesengebirges zu erinnern, deren
Anwesenheit später in verschiedenen schweizerischen Seen und neuerdings
(1890) durch Prof. +Fr. Zschokke+ auch im See von Partnun (auf der
Rhätikonbergkette) nachgewiesen wurde. Von nicht geringerem Interesse
war die Entdeckung mehrerer Vertreter der ausserordentlich merkwürdigen
Turbellarien-Gattung _Bothrioplana_, welche sich ebenfalls als
Folge der von mir unternommenen Ausflüge an die Riesengebirgsteiche
ergab. Hierzu kommt noch die Erbeutung mehrerer neuer Kruster- und
Hydrachniden-Arten in den nord- und mitteldeutschen Wasserbecken bei
Gelegenheit meiner Studienreisen in den Jahren 1885 und 1886. Besonders
weise ich aber auch auf den von Dr. +W. Weltner+ erst kürzlich
konstatierten und bisher gar nicht vermuteten Reichtum der Spree an
Spongillen (vergl. Bd. I, 6. Kapitel) hin und auf die umfassenden
Ermittelungen +W. Vavras+ über die Verbreitung der Ostracoden
(Muschelkrebse) in Böhmen[122].

Solche Exkursionen werden auch fernerhin nicht zu entbehren sein,
namentlich wenn es sich um +vergleichende+ Untersuchungen über die
Fauna verschiedener Landseen handelt. Für Studien dieser Art kann
dann eine permanente biologische Süsswasserstation, welche in einem
seenreichen Gebiet gelegen ist, ein recht fruchtbarer Mittelpunkt
werden. Man wird von einem solchen Zentrum aus vielleicht auch die
Frage nach den äusseren physikalischen Ursachen der Veränderlichkeit
mancher Organismengruppen in Angriff nehmen können, und möglicherweise
mit der Zeit nachzuweisen im stande sein, warum der eine See in dieser,
der andere in jener Weise auf die Gestalt der in ihm lebenden Wesen
abändernd einwirkt. Augenblicklich wissen wir über die Faktoren,
welche hier in Betracht kommen, so gut wie nichts. Und doch ist der
Einfluss der jedesmaligen Lokalität auf manche Organismengruppen mit
ausreichender Sicherheit erwiesen. +Clessin+ hat diese Thatsache schon
vor einem Jahrzehnt für die Mollusken festgestellt, und er nimmt
zur Erklärung derselben „die Anpassung an gegebene Verhältnisse“ in
Anspruch. Es wird nicht überflüssig sein, in den Zusammenhang dieses
Kapitels eine Stelle einzuschalten, die der Leser bereits auf S. 138
dieses Bandes vorgefunden hat. Sie ist aber besonders dazu geeignet,
das, was wir hier besprochen, zu illustrieren. +Clessin+ fasst das
Resultat seiner reichen Erfahrung in folgenden Zeilen zusammen: „Wer
die Wassermollusken längere Zeit im Freien beobachtet, wird sehr
bald zu der Überzeugung kommen, dass fast jeder einzelne Fundort
eigenartige, mehr oder weniger ausgeprägte Abweichungen vom Typus der
bezüglichen Art erzeugt, und dass es geradezu zu den allergrössten
Seltenheiten gehört, zwei ziemlich übereinstimmende Formen an
verschiedenen Fundorten zu konstatieren. Ja sogar der nämliche Fundort
erzeugt bei geänderten Verhältnissen andere Varietäten, und oft genug
finden sich verschiedene Formen einer und derselben Art an sich
berührenden Stellen desselben Gewässers, wenn die Beschaffenheit des
Grundes, die Strömung des Wassers, die Bewachsung u. s. w. sich ändert.
So kommen in den grossen Seen der Voralpen Schnecken und Muscheln mit
ausgeprägtem Seecharakter und solche, welche nicht oder kaum von jenen
zu unterscheiden sind, die in Sümpfen leben, neben einander vor, und
zwar jenachdem die bezüglichen Wohnplätze bei seichtem Wasser und
mangelnder Bewachsung der vollen Wirkung des Wellenschlags ausgesetzt
sind, oder die Ufer in sumpfige Stellen übergehen“.

+J. Vosseler+ hat auf den gleichen Einfluss der chemischen und
physikalischen Unterschiede unserer Gewässer auf den Habitus, die
Färbung und Gliedmassengrösse bei spaltfüssigen Krebsen hingewiesen.
So existiert z. B. in den Maaren der Eifel ein Copepode, der
augenscheinlich dem _Cyclops agilis_ Koch nahesteht, aber kürzere
Antennen, schwächer entwickelte Mundteile, längere Schwimmbeine und
eine sehr gestreckte Schwanzgabel besitzt. +Vosseler+ hat diesen von
mir aufgefundenen Krebs näher untersucht und ihn seines beschränkten
Vorkommens wegen _Cyclops maarensis_ genannt. Höchstwahrscheinlich
ist diese neue Spezies in den Maaren selbst entstanden und stellt
eine interessante Lokalform dar, welche für ihre Bildung den _Cyclops
agilis_ als Ausgangsform gehabt hat.

Im Müskendorfer See bei Konitz in Westpreussen fand ich 1886 zahllose
Exemplare einer merkwürdigen Varietät der _Hyalodaphnia cucullata_,
deren Kopfteil sichelartig gekrümmt und ventralwärts stark herabgebogen
ist. Diese Form (_var. nov. procurva_ Poppe) kommt lediglich in dem
genannten See vor[123] und ist anderwärts bis jetzt nicht aufgefunden
worden. Manche Abweichungen geringern Grades vom Typus der Art sind für
gewisse Fundorte überhaupt charakteristisch.

So variiert beispielsweise die bekannte Dinoflagellaten-Spezies
_Ceratium hirundinella_ O. Fr. M. von einem See zum andern hinsichtlich
der Panzerbreite und der Hörnerlänge. Wahrnehmungen hierüber habe
ich hauptsächlich bei meiner Durchforschung der westpreussischen
Seen gemacht. Um dieselbe Zeit etwa konstatierte Prof. +G. Asper+
ähnliche Gestaltungsdifferenzen zwischen den Ceratien des Thalalpsees
und denen des Züricher Sees, wovon er in seiner Abhandlung über die
Naturgeschichte der Alpenseen berichtet[124].

Das pelagische Rädertier _Anuraea longispina_, welches eine sehr weite
Verbreitung besitzt, variiert nicht bloss hinsichtlich der Mächtigkeit
seiner langen (nadelförmigen) Panzerfortsätze, sondern auch in der Form
des Körperquerschnittes, der gewöhnlich ein Kreissegment darstellt,
häufig aber auch vollkommen dreieckig ist. In Westpreussen zeigten oft
sogar benachbarte Seen langdornige Anuräen, die in der angegebenen
Weise von einander verschieden waren. Nach +Asper+ ist ein nicht minder
verbreitetes Rotatorium, _Anuraea aculeata_, ebenfalls bedeutender
Variation unterworfen, welche sich aber vorzugsweise nur auf die
Felderung und Skulptur des Panzers erstreckt. Ähnliche Abweichungen
hat +Imhof+ bei _Anuraea cochlearis_ Gosse angetroffen und die
weitgehendsten davon mit besonderen Speziesnamen (_A. intermedia_ und
_A. tuberosa_) bezeichnet.

_Leptodora hyalina_, der pelagische Krebs par excellence, zeigt an
seinen verschiedenen Fundorten nicht bloss Verschiedenheiten der
Körperlänge, sondern auch solche, welche die Grösse des Auges, die
Entwickelung des ersten Paares der Schwimmfüsse und die Geräumigkeit
des Brutraumes betreffen. Die gleichen Wahrnehmungen habe ich an
_Polyphemus pediculus_, einem Kruster der Uferzone, gemacht, der in
klaren und kühlen Bergseen grösser und farbenprächtiger zu werden
scheint, als in den seichteren Gewässern der Ebene.

Nach Anführung dieser Beispiele, welche noch durch Beobachtungen
von +A. Wierzejski+ über die Unbeständigkeit der Artcharaktere bei
_Spongilla lacustris_ vervollständigt werden könnten[125], wird es
einleuchten, dass auch die Süsswasserfauna Stoff zur Diskussion des
Speziesproblems zu liefern im stande ist. Durch eine vergleichende
Untersuchung bestimmter Mitglieder der Wassertierwelt aus verschiedenen
Seen dürfte sich im Laufe der Zeit etwas Genaueres über die Richtung
der Abweichungen und über deren Betrag bei einzelnen Arten ergeben.

Schliesslich möchte ich aber auch einen ganz +praktischen+
Gesichtspunkt geltend machen, welcher die Errichtung von ständigen
Beobachtungsstationen in der Nähe von grösseren Süsswasserseen
wünschenswert erscheinen lässt. Dies ist nämlich unsere noch sehr
ungenügende Einsicht in die Ernährungs- und sonstigen Lebensbedingungen
der +Fische+. Auf diesem Felde ist noch sehr viel zu thun, um für
die Bewirtschaftung unserer Seen und Teiche rationelle Grundlagen
zu schaffen. Ein guter Anfang dazu ist von dem österreichischen
Fischzüchter +Josef Susta+ in Wittingau gemacht worden durch dessen
bekannte Untersuchungen über die Ernährung des Karpfens[126]. Aber
nicht bloss die Umstände, welche das Gedeihen der Fische begünstigen,
sondern auch deren natürliche Feinde und die Ursachen solcher
Krankheiten, welche gelegentlich eine Massensterblichkeit unter
denselben hervorrufen -- alles dies ist der näheren Erforschung
wert und würdig. Aber die zahlreichen Fragen und Probleme, die wir
im Vorstehenden als zum Programm der Thätigkeit einer Biologischen
Süsswasserstation gehörig bezeichnet haben, sind unmöglich von einem
einzigen Forscher zu bewältigen, sondern es müssen sich mehrere zu
diesem Zwecke verbünden, und es bedarf hinsichtlich mancher Aufgaben
längerer Zeiträume (oft vieler Jahre), um sie in befriedigender Weise
zu lösen. Hierüber macht man sich in Laienkreisen häufig recht falsche
Vorstellungen, und ich nehme deshalb in diesem Werke, welches seiner
Tendenz nach für weitere Kreise bestimmt ist, Gelegenheit, allzu
sanguinischen Hoffnungen vorzubeugen.

Das Plöner Stationsgebäude liegt, wie schon erwähnt, unmittelbar am
Grossen Plöner See und die umgebende Naturszenerie ist so beschaffen,
dass ein Zeitungsberichterstatter[CXVIII] davon gesagt hat:

  [CXVIII] Berliner Tageblatt 1891 No. 154.

„Ein König könnte sich keinen herrlicheren Fleck der Erde auswählen,
wenn er, der Welthändel müde, glückliche Tage im Vollgenusse
eines grandiosen Landschaftsbildes verleben wollte“. Für die hier
vorzunehmenden Forschungen ist die „herrliche“ Lage selbstverständlich
ganz gleichgültig, aber der See ist durch seine Grösse (50
_qkm_ = 20000 preussische Morgen) und durch seinen Organismenreichtum
besonders dazu geeignet, ein Arbeitsfeld für zoologische und
pflanzenphysiologische Untersuchungen zu bilden. Dazu kommt noch
die Nachbarschaft anderer grosser Wasserbecken (Kleiner Plöner See,
Trammersee, Behlersee, Dieksee, Kellersee, Grosser und Kleiner Eutiner
See, Ukeleisee u. s. w.), sodass hierdurch zugleich die denkbar
günstigste Gelegenheit zur Vornahme von faunistischen Ausflügen gegeben
ist. Den Verkehr auf den einzelnen Seen vermitteln grosse Segel- und
Ruderboote. Der Biologischen Station steht ausserdem noch die Benutzung
eines Petroleum-Schraubenbootes[CXIX] zur Verfügung, welches eine
ansehnliche Fahrgeschwindigkeit (10–15 _km_ pro Stunde) besitzt.

  [CXIX] Daimlers Patent (geliefert von der Firma Meyer u. Remmers in
         Hamburg).

Das Stationshaus ist ein zweistöckiges Gebäude, welches ausser den
erforderlichen Arbeitsräumen (Laboratorium, Experimentierzimmer
und Bibliothek) auch die Wohnung für den Direktor enthält. Im
Erdgeschoss sind die Aquarien untergebracht, welche durch eine
Röhrenleitung mit fliessendem Wasser aus dem See gespeist werden
können. Der Mikroskopiersaal hat dreiflügelige grosse Fenster
und die Arbeitstische sind mit vorzüglichen Instrumenten aus der
Optischen Werkstätte von +C. Zeiss+ in Jena ausgerüstet. Bei aller
Bescheidenheit ihrer Einrichtung besitzt die Plöner Station, wie man
sieht, doch Alles, was zur Ausführung von mikroskopisch-anatomischen
und entwickelungsgeschichtlichen Arbeiten erforderlich ist. Mehr
ist nicht versprochen worden und zu einer luxuriösern Ausstattung
wären auch die Mittel nicht vorhanden gewesen. Vom 1. April 1892 ab
werden die Arbeitsplätze in der Biologischen Station zu Plön für
süsswasserfreundliche Zoologen und Botaniker[127] benutzbar sein.

Mit Genugthuung übermittele ich am Schlusse dieses Kapitels dem
Leserkreise unseres Buches die Nachricht, dass der bekannte und
verdienstvolle österreichische Zoolog, Prof. +Anton Fritsch+ in
Prag, neuerdings gleichfalls eine stabile Station für Erforschung
der Süsswasserfauna ins Leben gerufen hat. Dieselbe hat ihren Stand
am Unterpocernitzer Teiche bei Bechovic in Böhmen. Es ist ein
festgebautes, hübsches Häuschen, welches ausser einem Arbeitszimmer von
12 _qm_ Fläche noch einen kleinen Wohnraum von 6 _qm_ enthält. Dieses
Forscherheim hat ein Privatmann, +Béla+ Freiherr +v. Derschenyi+, im
Interesse der durch +Fritsch+ so tüchtig geförderten Kenntnis der
Wassertierwelt Böhmens auf eigene Kosten erbauen lassen. Überdies
benutzt der Prager Forscher (schon seit Juni 1888) zu seinen Studien
noch eine ortswechselnde Station in Gestalt eines zusammenlegbaren
hölzernen Häuschens, welches in 2½ Stunden aufgestellt und in 1½
Stunden wieder abgebrochen werden kann[128]. Diese „fliegende Station“
steht jetzt am Gatterschlager Teich bei Neuhaus, und hier ist
besonders der Assistent des Prof. Fritsch, Herr +W. Vavra+, während
des verflossenen Jahres thätig gewesen. Unter Anderem wurde in diesem
Teiche unlängst ein neuer zu den Cytheriden gehöriger Muschelkrebs
entdeckt, der vorläufig den Namen _Limnicythere stationis_ erhalten
hat. Es ist der kleinste bisher bekannte Vertreter seiner Gattung.

An die Errichtung solcher eigens dem Studium der Tier- und Pflanzenwelt
des Süsswassers gewidmeter Forschungstationen ist merkwürdigerweise
erst in allerneuester Zeit gedacht worden, obgleich dieselben Gründe,
welche für die Anlage mariner Stationen zum Zwecke biologischer Studien
sprechen, sich auch für lakustrische Observatorien ins Feld führen
lassen. Das Weitere wird nun die Erfahrung und der Erfolg lehren.
Da, wo etwas Neues ins Werk gesetzt wird, tauchen stets auch einige
Pessimisten auf, welche Erwägungen darüber anstellen, ob es sich wohl
auch verlohnen werde, die süssen Gewässer in der von +Fritsch+ und mir
inaugurierten Weise zu durchforschen. Besonders giebt es unter den
Praktikern, d. h. unter den Fischzüchtern und Fischerei-Interessenten,
Leute, welche in erster Linie die Frage des „Verlohnens“ auf der
Zunge haben, ohne manchmal auch nur einen blassen Schimmer von den
Aufgaben zu haben, welche durch die Thätigkeit einer Süsswasserstation
in Angriff genommen werden sollen. Derartigen Leuten empfehle ich
folgenden Ausspruch Prof. +Anton Fritschs+ zur Beherzigung: „+Eine
genaue Kenntnis dessen, was der Teich in seinem Wasser beherbergt, ist
die Grundbedingung für dessen rationelle Bewirtschaftung+“. Es ist zu
hoffen, dass die Richtigkeit dieses Satzes in immer weiteren Kreisen
zur Anerkennung gelange, und dass auch von massgebender Seite das
Streben der Naturforscher gebührende Würdigung und Unterstützung finde.


Litteratur.

[121] Berl. Entomolog. Zeitschrift, 31. Bd., 1887, S. 325–334.

[122] Vergl. =Wenzel Vávra=, Monographie der Ostracoden Böhmens. Archiv
d. naturwiss. Landesdurchforschung von Böhmen, 8. Bd., No. 3.

[123] Eine Beschreibung der Müskendorfer Hyalodaphnia hat Poppe
geliefert in: =O. Zacharias=, Zur Kenntnis der pelagischen und
littoralen Fauna norddeutscher Seen. Zeitschr. f. wiss. Zoologie, 45.
Bd., 2, 1887.

[124] =G. Asper= und =J. Heuscher=, Zur Naturgeschichte etc. Jahresber.
der St. Gallischen Gesellschaft, 1885–86.

[125] =A. Wierzejski=, Beitrag zur Kenntnis der Süsswasserschwämme.
Verhandl. d. k. k. zool.-botan. Gesellsch. in Wien, 1888.

[126] =J. Susta=, Die Ernährung des Karpfens und seiner Teichgenossen.
Mit 2 Tafeln. 1888.

[127] Vergl. =F. Ludwig=, Die botanischen Aufgaben der von O. Zacharias
geplanten lakustrischen Station. Biolog. Zentralbl., 9. Bd., No. 13,
1889.

[128] =Anton Fritsch=, Die Stationen zur Durchforschung der
Süsswasserfauna. Wiener Landwirtschaftl. Zeitung, 1891.



Das Tierleben auf Flussinseln und am Ufer der Flüsse und Seen.

Von =Fr. Borcherding= in Vegesack.


Wie im Wasser selbst, so regt sich auch an den Ufern unserer Flüsse,
Weiher und Seen ein mannigfaltiges Tierleben, auf welches am Schlusse
dieses Werkes noch ein musternder Blick geworfen werden soll. Auf
zahlreichen faunistischen Ausflügen hat der Verfasser dieses Kapitels
Gelegenheit gehabt, die bunte Gesellschaft der in der Nähe des Wassers
und in demselben sich aufhaltenden Säugetiere, Vögel, Reptilien,
Amphibien, Fische, Mollusken und Insekten zu beobachten und den
eigentümlichen Reiz zu empfinden, den das Leben und Treiben dieser
verschiedenartigen Wesen auf den Freund der Natur ausübt.

Wie schön und fast nur einer poetisch angehauchten Schilderung
zugänglich ist das einsame, waldumgürtete oder von Schilf umkränzte
Ufer eines grossen, breit dahinfliessenden Stromes, oder der ebenso
geschmückte Saum eines im Sonnenschein glitzernden Sees. Wie
vielseitig, buntfarbig und anregend ist das Bild, welches sich hier
an einem herrlichen Frühlingsmorgen oder an einem warmen Sommerabend
unseren Augen darbietet. Überall regt sich vielgestaltiges Leben.

Schreiten wir bei einbrechender Dämmerung über eine Flussinsel
oder fahren wir mit einem Boote geräuschlos am Ufer entlang, so
können wir häufig mehrere Fledermaus-Arten beobachten, und zwar
meistenteils die +langohrige Fledermaus+, _Plecotus auritus_ Geoffr.,
die +frühfliegende Fledermaus+, _Vespertilio noctula_ K. u. Bl., und
die +Teichfledermaus+, _Vespertilio dasycneme_ Boie. Unermüdlich
schwirren diese fluggewandten Tierchen unter dem Schutze der Dunkelheit
durch die Luft, um ihren stets regen Appetit mit den erbeuteten
Fliegen, Mücken, Käfern und Nachtfaltern zu befriedigen. Eine gleich
erfolgreiche Insektenvertilgung üben ausser den Fledermäusen wohl nur
noch +Maulwürfe+, _Talpa europaea_ L., und die +Wasserspitzmäuse+,
_Crossopus fodiens_, aus.

Einzeln erscheint an den Seen und Flüssen auch der +Fuchs+, _Canis
vulpes_ L., um sich nach einem leckern Entenbraten umzusehen. Es ist
höchst anziehend, den Meister Reineke unbeobachtet auf seinen Jagdzügen
belauschen zu können. Mit eingezogenen Beinen, mehr über den Boden
und durchs Rohr wegkriechend als gehend, die Rute vornehm hinter sich
herschleppend, dieselbe nur dann und wann bald etwas rechts, bald etwas
links bewegend, schleicht er sich durchs Gras und Gebüsch unvermerkt
der Stelle zu, von wo der Entenruf herübertönt, aber immer gegen
den Wind, denn er weiss nur zu gut, wie unangenehm den Enten seine
Witterung ist.

Das schädlichste Säugetier, welches die Ufer der Flüsse und Seen
bewohnt, ist unstreitig der +Fischotter+, _Lutra vulgaris_ Erxl.
Trotz der vielen Nachstellungen von Seiten der Fischer und Jäger hat
dieser arge Räuber sich in den letzten Jahren in unserm Nordwesten
ganz bedeutend vermehrt. Die grossen Rohr- und Weidendickichte an
den Ufern der Flüsse und Seen und auf den grösseren und kleineren
Flussinseln geben ihm solch sichere Verstecke, dass er sehr leicht
dem Jäger entgeht. Zudem ist der Tisch immer reichlich für ihn
gedeckt; er braucht deshalb nicht, wie der Fuchs, die Nähe der
menschlichen Wohnungen aufzusuchen. Welchen ungeheuren Schaden der
Otter der Fischzucht zufügt, mag aus folgendem Beispiel erhellen. Ein
ausgewachsener Otter gebraucht zu seiner täglichen Nahrung 2 _kg_
Fische. Das macht für ein Pärchen ohne Jungen in einem Jahre 2 mal
2 mal 365, also 1460 _kg_. Ist der Fischotter in sonst fischreichen
Flussgebieten häufig, so sieht man aus den angeführten Zahlen, wie
stark dann der Fischbestand durch ihn dezimiert werden muss.

Ein weiteres auch recht schädliches Mitglied der Familie der
_Mustelinae_, _Foetorius putorius_ K. u. Bl., verirrt sich zum Glück
nur einzeln an unsere Gewässer. Vor einigen Sommern erhielt Verfasser
ein prächtiges Männchen vom Iltis, im Volksmunde „Ilk“, „Elk“ oder
„Ülk“ genannt, welches auf einer Weserhalbinsel erlegt worden war.
Sodann mag noch ein für Deutschland sehr seltener Wasserbewohner
erwähnt werden, der +Nörz+, Wasserwiesel oder auch wohl Sumpfotter
genannt, _Putorius lutreola_ K. u. Bl. Dieser wegen seines wertvollen
Pelzes eifrig verfolgte Marder ist im östlichen Europa ziemlich häufig,
dagegen gehört er in Deutschland zu den grössten Seltenheiten. Der
Nörz bewohnt mit Vorliebe die bewaldeten Ufer der Flüsse, ist aber
vereinzelt auch in der Ebene angetroffen worden. Vor einigen Jahren
wurde im Blocklande an der Wümme (unweit Bremen) ein Exemplar erlegt.

Dass aus der Ordnung der _Nager_ nur allzu häufig an den Gewässern die
+Wanderratte+, _Mus decumanus_ Pall., anzutreffen ist, mag ebenfalls
nicht unerwähnt bleiben. Auch die +Wasserratte+, _Arvicola amphibius_
Lacep., findet sich an den Ufern der kleineren Gewässer nicht selten;
in unserm Nordwesten recht häufig in schwarzer Färbung. Zu einer wahren
Landplage wird in manchen Jahren die gemeine +Feldmaus+, _Arvicola
arvalis_ Pall., welche in den Marschen und an den Deichen oft zu
vielen Tausenden erscheint und dort grossen Schaden verursacht. Einige
wenige Zahlen mögen ein Bild von ihrem massenhaften Auftreten geben.
Im Amte Elsfleth an der Weser wurden im Jahre 1880–1881 347571 Mäuse
eingeliefert und 20284.80 Mark an Prämien dafür bezahlt; im Amte
Brake nördlich von Elsfleth, ebenfalls an der Weser gelegen, wurden
1880 158913 Mäuse eingeliefert und an Prämien 12237.85 Mark bezahlt;
1881 wurden ebendaselbst 338781 Mäuse eingeliefert und 19127.31
Mark an Prämien dafür bezahlt. Als Prämie wurde im „Oldenburgischen
Mäuseverbandsbezirke“ je nach der Häufigkeit der Mäuse 2, 5, 10 oder
20 Pfennige für das Stück bezahlt. In diesem Sommer (1891) war die
Feldmaus nur vereinzelt anzutreffen; der lange und strenge Winter mit
dem hohen Wasserstande hat stark unter ihnen aufgeräumt, stärker als
in den reichsten Jahren Mäusefänger, Bussarde, Weihen, Raben und Füchse
es vermögen.

Auf den Aussterbeetat ist wohl in unserm Vaterlande der +Biber+,
_Castor Fiber_ L., gesetzt. Nur wenig bekannte Kolonien finden sich in
Deutschland, in denen er sich einstweilen, wenn auch nur in geringer
Zahl, noch erhalten hat. Die bedeutendste ist zwischen Magdeburg und
Wittenberg an der Elbe; auch an der Havel, Oder und Weichsel finden
sich noch vereinzelte schwach bewohnte Kolonien. Leider wird diesem
seltenen Nager seines kostbaren Pelzes wegen gar zu sehr nachgestellt
und trotz des Regierungsschutzes, der ihm in letzter Zeit zu teil
geworden ist, wird er in nicht zu ferner Zeit zu denjenigen Tieren
Deutschlands gehören, die aufgehört haben zu leben, und einzelne
Ortschaften, Gründe u. s. w. werden nur noch mit ihrem Namen an das
frühere Vorkommen dieses stattlichen Nagers erinnern.

In die Flüsse, besonders die der Nordsee, steigt bei hohen Fluten mit
starken Nordweststürmen vereinzelt auch der +Seehund+, _Phoca vitulina_
L., hinauf und kommt dann den Fischern zuweilen ins Garn. Häufiger
findet sich in unseren Flüssen _Phocaena communis_ Cuv., der +Tümmler+
oder Braunfisch; denselben kann man bei Springfluten oft in der Nähe
der Städte beobachten, wie er in kurzen Zwischenräumen sich an die
Oberfläche des Wassers begiebt, um im nächsten Augenblicke wieder in
die Tiefe zu verschwinden.

Versetzen wir uns in Gedanken um etwa 200 Jahre zurück, so finden wir
sogar einen +Walfisch+ im Weser- und Lesumflusse. Es war _Hyperoodon
rostratus_ Pontop., welcher damals in der Lesummündung oberhalb
Vegesack gefangen wurde. Das Exemplar befindet sich im Bremer Museum.

Beendigen wir hiermit unseren Streifzug, auf welchem wir uns
ausschliesslich nach den Säugetieren, die an und in den Gewässern
vorkommen, umgesehen haben, so gewahren wir, obwohl wir nicht jeden
Säuger, der sich uns auf unseren Exkursionen am Wasser zeigen könnte,
angeführt haben, dass trotzdem die Zahl der Arten eine ziemlich
geringe bleibt. Ganz anders gestaltet sich dagegen das Bild, wenn wir
einen neuen Beobachtungsgang unternehmen und uns nun der Vogelfauna
der süssen Gewässer zuwenden. Da hat fast jede Jahreszeit ihr
eigenartiges Gepräge. Im Frühjahre finden wir ausser den ansässigen
und heimkehrenden Brutvögeln viele durchziehende Wanderer, die für
kurze Zeit Rast an den Gewässern und auf den Inseln machen. Im
Sommer und Herbste sehen wir ausser den alten Brutvögeln die junge
Nachkommenschaft in den verschiedenartigsten Kleidern. Auf dem
Herbstzuge kommen noch Hunderte von Gästen hinzu, welche der Vogelwelt
(Ornis) eines bestimmten Gebietes oft ein ganz fremdartiges Aussehen
verleihen.

Halten wir zunächst eine systematische Umschau unter denjenigen Vögeln,
welche an den Ufern der Flüsse und Seen und auf den kleinen und
grösseren Flussinseln ihre Wohnungen eingerichtet haben, und fassen
wir dann die Gäste, welche sich zur Frühjahrs- und Herbstzugszeit an
unseren Gewässern bald längere, bald kürzere Zeit aufhalten, etwas
näher ins Auge. Als Brutvögel treffen wir aus der Ordnung der Raubvögel
zuerst zwei Weihenarten an, _Circus aeruginosus_ Sav., die +Rohr-+
oder +Sumpfweihe+, und _Circus cineraceus_ Mont., die +Wiesenweihe+.
Beide werden im Volksmunde gewöhnlich „Grashoafk“ genannt. Wo dichtes
Rohr- und Weidengestrüpp auf wenig belebten Flussinseln und auf den
einsamen Groden der Flüsse sich findet, da kann man mit ziemlicher
Sicherheit den Horst der einen oder anderen Weihe erwarten. Derselbe
befindet sich im dichtesten Gestrüpp am Boden und ist nur dann mit
Sicherheit aufzufinden, wenn man die Alten, welche an ihrem schwebenden
Fluge, den langen, spitzen Flügeln und dem ziemlich langen Schwanze
leicht von den Bussarden, Habichten und Milanen zu unterscheiden sind,
beobachtet und sich genau die Stelle merkt, an welcher sie niedergehen.
Dieses Ausspionieren muss jedoch mit der grössten Vorsicht geschehen;
denn glaubt sich der Beobachter schlau, so ist der Beobachtete doch
in vielen Fällen noch gewitzigter und hat ersteren oft viel eher
bemerkt, als derselbe ihn. Viel leichter ist der Horst aufzufinden,
wenn die Weihen Junge haben; dann braucht man nur aus möglichster
Ferne das Männchen, bei welchem man sehr leicht mit einem guten
Glase die Beute in den Fängen erkennen kann, zu beobachten. Ist es
in der Nähe des Horstes angelangt, so erscheint mit einem lauten,
scharfen „kirrr“ über der Rohrfläche das Weibchen, aber in bedeutend
geringerer Flughöhe als ersteres. Ist das Männchen über der Gattin
angekommen, so wirft sich letztere geschickt auf den Rücken in dem
Augenblicke, in welchem der Gatte die Beute fallen lässt. Mit grosser
Sicherheit greift das Weibchen dieselbe auf und eilt raschen Fluges
dem Horste zu. Das Männchen streicht sofort von dannen, um neue Beute
heranzubringen. Das ist der günstigste Augenblick, um sicher den
Nistplatz auszukundschaften, denn wir brauchen uns nur genau den Platz
zu merken, an welchem das Weibchen sich niederlässt. Ist das Glück uns
in dieser Weise günstig gewesen, so finden wir im hohen Grase oder
Rohre auf dem Boden ein ziemlich grosses mit trockenem Grase und Rohr
ausgepolstertes Nest, in welchem sich drei bis fünf hungrige, gelbgraue
Junge befinden. In dem Horste der Wiesenweihe findet man Mitte Mai
etwa vier bis fünf weisse, etwas ins bläuliche übergehende Eier. Im
Neste der Rohrweihe trifft man zur selben Zeit vier bis fünf grünlich
weisse Eier. Befestigt man über dem Neste ein gutes Schlagnetz und
entfernt sich dann möglichst weit, um im dichten Rohr eine gute Deckung
zu suchen, so dauert es gewöhnlich nicht lange, bis das Weibchen zum
Horste zurückkehrt, allerdings zuerst nur, um auszukunden, ob alles
wieder in gewohnter Ordnung ist. Doch es lässt sich noch nicht sogleich
nieder, sondern in weitem Bogen umkreist es einige Mal die nähere und
weitere Umgebung des Nistplatzes. Bald ist aber die Furcht vor der
Gefahr geschwunden, die Liebe zu den ängstlich kreischenden Jungen
ist grösser, es streicht zum Horste, lässt sich nieder und -- sitzt
gefangen unter dem Schlagnetze. Schwieriger ist es, des Männchens
habhaft zu werden, da letzteres selten das Füttern besorgt und noch
seltener zum Horste geht. In den ersten Stunden nach dem Verlust der
Gattin lässt es nur die Beute aus der Luft ins Nest fallen und eilt
wieder fort, um neue Nahrung zu beschaffen; doch endlich ist auch bei
ihm die Liebe zu seinen Jungen, die ihn durch ihr Geschrei auf ihren
Hunger und ihre Einsamkeit aufmerksam machen, vollständig erwacht;
es lässt sich nieder, um das Amt der Gattin zu übernehmen. Aber das
Netz ist wieder aufgestellt worden, es schlägt abermals zu und nun
sitzt auch der Gatte gefangen bei seinen Jungen. Nicht immer glückt
ein solcher Jagdzug, viel Geduld und Vorsicht gehört dazu. -- Die
Nahrung der Weihen besteht aus jungen Vögeln, welche aus den am Boden
befindlichen Nestern geraubt werden, und aus Mäusen. Der Nutzen, den
sie durch Vertilgung der letzteren gewähren, wird wohl reichlich durch
den Schaden, den sie durch Zerstören der jungen Vogelbrut verursachen,
aufgehoben. Die Wiesenweihe erscheint im April, die Rohrweihe im März;
beide verlassen uns im Oktober.

Von den Eulen treffen wir an unseren Gewässern als Brutvogel dann
und wann _Otus brachyotus_ Boie, die +Sumpfohreule+, im Volksmunde
„Moorule“ genannt. Häufiger ist sie nur in reichen Mäusejahren zu
beobachten. Den Horst findet man, allerdings nicht leicht, auf den
alten Weidenköpfen, die sich stellenweise an den Flussläufen finden.
Einzeln entdeckt man ihn auch im langen Grase oder im Rohrdickichte.
Im Neste finden sich Anfang Mai vier bis sechs fast runde weisse Eier.
Die Nahrung dieses nächtlichen Räubers besteht fast ausschliesslich
aus Mäusen, und muss die Sumpfohreule daher zu den nützlichen Vögeln
gerechnet werden.

Ein häufiger Bewohner unserer Inseln und Flussufer ist der +Kuckuck+,
_Cuculus canorus_ L. Nach der Meinung der Landleute ist derselbe
im Sommer Kuckuck, im Winter „Stothoafk“. Die Erklärung dieser
irrigen Meinung ist sehr leicht. Im Frühjahre und Sommer findet sich
der „Stothoafk“, _Astur nisus_ K. u. Bl., nicht in der Nähe der
menschlichen Wohnungen, sondern in den dichten Wäldern bei seinem
Brutplatze. Der Kuckuck lässt dann aber überall seinen Ruf ertönen. Im
Herbst, wenn der Kuckuck längst über alle Berge ist, erscheint aber der
Sperber in der Nähe der menschlichen Wohnungen. Da etwas Ähnlichkeit im
Gefieder der beiden besteht, findet obige Fabel leicht Glauben bei der
Landbevölkerung. Als Pflegeeltern seiner Brut wählt der Kuckuck sich
die Rohrsänger, die gelbe Bachstelze, ja auch einzeln das Blaukehlchen.
Letztere besorgen die Pflege mit der grössten Gewissenhaftigkeit
und oft sogar mit Aufopferung der eigenen Jungen, welche vor diesem
gefrässigen Stiefbruder zurückstehen müssen. Verfasser dieses hatte
Gelegenheit, in der Marsch einen vollständig flüggen jungen Kuckuck zu
beobachten, der sich durch sein klägliches „zirrk, zirrk“ bemerkbar
machte, wie dieser grosse Bursche sich von seinen Pflegeeltern,
_Budytes flava_ Cuv., mit grosser Behaglichkeit noch füttern liess. Der
Kuckuck erscheint Ende April und verweilt bis Anfang September.

Dem hinsichtlich seines Gefieders schönsten und an die Ornis der
Tropen erinnernden Vogel, _Alcedo ispida_ L., +Eisvogel+, begegnen
wir häufig an den Flüssen und auf den Inseln, welche steile, lehmige
Ufer haben. Regungslos sitzt dieser prächtige Geselle auf einem über
die Wasserfläche hinhängenden Zweige, seinen Blick unverwandt nach
unten gerichtet; plötzlich stösst er ins Wasser, um im nächsten
Augenblicke wieder auf der Oberfläche mit einem erbeuteten Fische im
Schnabel zu erscheinen, welcher in wenigen Sekunden gierig verschlungen
wird. Dieses interessante Schauspiel kann man oft in ganz kurzer
Zeit mehrmals beobachten. Sein Nest, welches sich immer an den steil
aufsteigenden Wänden der Flussufer befindet, ist am Ende einer etwa
einen Meter langen Röhre angelegt, und dort findet man auf Fischgräten,
wenigen Hälmchen u. dgl. Mitte April sechs bis sieben glänzend weisse
Eier.

Einen ähnlichen Brutplatz, wie den des Eisvogels, wählt sich auch aus
der Familie der Schwalben die +Uferschwalbe+, Sand-, auch Bergschwalbe
genannt, _Cotyle riparia_ L. An den schroffen Stellen der Flussufer,
an welchen die Geest unmittelbar an das Wasser tritt, kann man zur
Frühjahrszeit Hunderte dieser geschickten Insektenjäger aus- und
einfliegen sehen. Das Nest befindet sich am Ende einer oft zwei Meter
langen, wagerechten Röhre, ist mit Federn weich ausgepolstert und
enthält Ende Mai oder Anfang Juni fünf bis sechs schneeweisse Eier. Die
Uferschwalbe erscheint Anfang Mai und verlässt uns Anfang oder Mitte
September.

An den Gewässern der gebirgigen Gegenden unseres Vaterlandes finden wir
aus der Familie der Wasseramseln den +Wasserstaar+, auch Wasseramsel
oder Wasserschmätzer genannt, _Cinclus aquaticus_ Bechst. Ich hatte
zu verschiedenen Malen Gelegenheit, diesen munteren halb Wasser- halb
Singvogel in seinem Elemente zu beobachten, so unter anderen an den
Berlebecker Quellen, an den Ilsefällen u. a. m. Bald watet er bis an
den Hals durchs Wasser, bald steht er regungslos auf einem erhöhten
Steine, um im folgenden Augenblicke ins Wasser zu stürzen; bald
läuft er am Boden des Gewässers hurtig dahin, bald fliegt er durch
herabstürzende Wasserfälle, wobei ihm sein dichtes Gefieder von grossem
Vorteil ist. Das einzige Nest, welches der Verfasser Gelegenheit
hatte näher zu betrachten, befand sich hinter einem Wasserfalle in
einer kleinen Felshöhle; obwohl auch seitlich dahin zu gelangen war,
nahm das kecke Tierchen jedesmal seinen Weg durch die herabströmende
Wassermenge. In dem Neste befinden sich im April vier bis fünf weisse
Eier.

Der schönste Vogel, welcher unsere Flussufer und Inseln bewohnt, ist
unstreitig das +Blaukehlchen+, _Cyanecula suecica_ Brehm. Wo dichtes
Weidengebüsch an unserm Weserufer oder auf den Platen[CXX] vorhanden
ist, da findet man auch dieses prächtige Tierchen, jedoch halten sie
sich meistens sehr verborgen und laufen zwischen dem dichten Gestrüpp
einher, aber ein klares, reines „fied, fied“ oder ein kurzes „täck,
täck“ verrät bald ihr Vorhandensein. Das Nest dieses schönen Sängers
ist immer recht versteckt angelegt und es gehört zu den grössten
Seltenheiten, ein solches aufzufinden, da es auf unseren Weserplaten
immer im dichtesten Gestrüpp, oft hart am Ufer in Weidenstümpfen
sich befindet. Selten fliegt der Vogel vom Neste, um dadurch seinen
Brutplatz zu verraten, sondern gewöhnlich springt er unbemerkt auf
den Boden und läuft, ohne einen Laut von sich zu geben, im Gestrüpp
davon. Es ist mir erst zweimal geglückt, ein solches Nest aufzufinden;
dasselbe ist ziemlich kunstvoll gebaut und sitzt gewöhnlich in einer
kleinen Vertiefung; es besteht aussen meist aus trockenen Grashalmen,
innen dagegen vorwiegend aus der Wolle der Salix-Arten. In dem schön
gerundeten tiefen Neste liegen gegen Ende April fünf schön grüngraue
Eier, welche mit einzelnen zierlichen rotbraunen Tüpfelchen und
Pünktchen bedeckt sind. Das Blaukehlchen erscheint schon Ende März
mit dem Hausrotschwänzchen zusammen und verlässt seinen Brutplatz
Ende August, streicht aber dann noch bis Ende September umher. In
den letzten Tagen des September oder Anfang Oktober verlässt es uns;
einzelne Nachzügler dagegen verweilen oft bis Ende Oktober in unserm
Gebiete.

  [CXX] „Platen“ heissen in Norddeutschland die kleinen mit Rohr und
        Weiden bewachsenen Flussinseln.

Mit dem Blaukehlchen zusammen an fast denselben Lokalitäten treffen
wir das +Braunkehlchen+, _Pratincola rubetra_ Koch, und einzeln auch
die +Braunelle+, _Accentor modularis_ Cuv., an. Beide haben mit ihm
die versteckte Lebensweise sowie die Art des Nestbaues gemein; beide
verlassen auch lautlos ihre Nester und eilen unter dem Gesträuch
davon. Nur wenn die Vögel ihre Brut gefährdet sehen, lassen sie ihre
Klagetöne hören und verraten allerdings dadurch dem aufmerksamen
Beobachter, dass man sich unmittelbar beim Neste befindet, und trotzdem
hält es manchmal recht schwer, dasselbe zu entdecken. Verfasser dieses
Kapitels, welcher sich am 23. Mai 1891 unmittelbar bei einem solchen
Neste befand, gebrauchte über eine halbe Stunde, um dasselbe endlich in
einem dichten Grasbüschel, kaum einen halben Meter von ihm entfernt, zu
gewahren. In dem sauber mit Tierhaaren ausgepolsterten Neste befanden
sich vier grünlich blaue, fein rot punktierte Eier. Das Nest der
Braunelle aufzufinden ist mir, trotz eifrigen Suchens, bislang noch
nicht gelungen. Das Braunkehlchen erscheint Mitte April und verlässt
uns Ende September. Die Braunelle dagegen kommt oft schon Mitte März
und verschwindet erst gegen Mitte Oktober.

Die „+Kuckucksamme+“, _Curruca cinerea_ Lath., ist ebenfalls nicht
selten auf den Flussinseln anzutreffen. Die +Dorngrasmücke+ führt den
oben genannten Namen daher, weil der Kuckuck sehr gern sein Ei in ihr
Nest legt und ihr auch die Erziehung seines Sprösslings überlässt
Schon am frühen Morgen mit Sonnenaufgang lässt die Dorngrasmücke ihr
munteres Lied ertönen, und sie ist einer von denjenigen Vögeln, welche
am längsten singen, ja oft vernimmt man noch Anfang August ihren
fröhlichen Gesang. Mitte April trifft dieser Vogel bei uns ein und
verlässt uns wieder Mitte September.

An den Flussufern und auf den Inseln beobachtet man ziemlich häufig
den +Fitis-Laubvogel+, Weidenzeisig, _Phyllopneuste trochilus_ Bp.
Sehr bald verrät sich dieses zutrauliche Vögelchen durch sein angenehm
klingendes „hüid, hüid, hoid, hoid“. Es lässt sich auch ganz in der
Nähe beschauen, aber desto schwieriger ist es, sein Nest aufzufinden.
Dasselbe befindet sich am Boden, meist im dichten Gestrüpp oder Gewirr;
es ist vollständig überwölbt und man sieht nur ein kleines seitliches
Loch. Anfang Mai findet man in demselben fünf bis sieben kleine,
weisse, rötlich gefleckte Eier, an deren stumpfen Ende sich die Makeln
und Pünktchen dichter als am spitzen Ende gruppieren. Dieser niedliche
Sänger verweilt bei uns von Anfang April bis Ende September.

War das Vorkommen der bis jetzt angeführten Sänger an den Flussufern
und auf den Inseln kein ausschliessliches -- auch ausserhalb dieser
Gebiete werden dieselben angetroffen --, so wollen wir jetzt eine
Gruppe kennen lernen, welche ausschliesslich ihre Heimat an den
Ufern der Flüsse, auf den Inseln und Groden haben. (Unter „Groden“
versteht man die mit Weiden und anderm Gestrüpp bewachsenen
Aussendeichsländereien, welche auch stellenweise Grasflächen haben.)
Es ist dies die Gattung der Rohrsänger. Schon ihr Name sagt uns
deutlich genug, wo wir diese Bewohner aufzusuchen haben. Nicht weniger
als sechs Arten dieser Gattung bewohnen das in Frage kommende Gebiet
unseres Vaterlandes. Ausserdem giebt es davon noch eine Reihe Spezies,
welche mehr dem südlichen Europa angehören. Für uns kommen in erster
Linie unsere heimatlichen Sänger in Betracht. Es sind folgende: Der
+Schilfsänger+, _Calamoherpe phragmitis_ Bp.; der +Binsen-Rohrsänger+,
_Calamoherpe aquatica_ Degland; der +Sumpf-Rohrsänger+, _Calamoherpe
palustris_ Boie; der +Heuschrecken-Rohrsänger+, _Calamoherpe
locustella_ Penn.; der +Teich-Rohrsänger+, _Calamoherpe arundinacea_
Boie, und endlich der +Drossel-Rohrsänger+, _Calamoherpe turdoides_
Meyer. Erstere werden im Volksmunde gewöhnlich „Reitmeeschen“,
auch „Rohrsperlinge“ genannt; der letztere heisst gewöhnlich die
„Rohrdrossel“. Fast alle erscheinen bei uns Anfang Mai und bleiben
bis Anfang September. Nicht alle sind gleich häufig anzutreffen;
einzelne dagegen, wie die Rohrdrossel, der Schilfsänger, der Sumpf-
und Teich-Rohrsänger, sind sogar ziemlich häufig. Sie entziehen sich
aber durch ihre versteckte Lebensweise im Röhricht und durch die
Lokalitäten, an denen sie leben, sehr oft dem Auge des Beobachters
und daher ist manche Spezies vielleicht viel häufiger als an manchen
Orten allgemein angenommen wird. Der Drossel-Rohrsänger ist sofort
durch seinen weit vernehmbaren Gesang, der etwa: „düi, düi, düi,
karre, karre, karre, kei, kei, kei, kerr, kerr, kerr, karra, karra,
kied“ klingt, zu erkennen. Der Gesang von _Calamoherpe palustris_
Boie ist dem flötenden Gesange des Spottvogels, _Ficedula hypolais_
Schlegel, nicht unähnlich und daher ein sicheres Erkennungszeichen
des Sumpf-Rohrsängers, da der Spottvogel in den Gebieten, wo die
Sumpf-Rohrsänger leben, nicht zu Hause ist. Beim +Schilfsänger+,
_C. phragmitis_ Bp., besteht der Gesang fast ausschliesslich aus
einem langen, wohlklingenden, flötenartigen Triller. Der Gesang beim
Teich-Rohrsänger, _C. arundinacea_ Boie, gleicht mehr einem Geplapper
der sehr rasch hinter einander ausgesprochenen Silben „terr, terr,
terr, tri, tri, tri, zerrr, zerrr, zerrr, zäck, zäck, zäck“ u. a. m.
Eine annähernde Ähnlichkeit hat der Gesang des Binsen-Rohrsängers,
_C. aquatica_ Degland, mit dem des Schilfsängers; doch kommen in dem
melodischen Triller sehr häufig Töne wie „jüpp, jüpp, jüpp, jüpp, tütt,
tütt, tütt, tütt“ vor. Den eigentümlichsten Gesang, wohl richtiger
Geschwirre genannt, hat der Heuschreckensänger, _C. locustella_ Penn.
Mit aufgeblasener Kehle, am Boden zwischen den Rohr- und Weidenstengeln
dahinlaufend, bringt er nur einen wie „sirrrrrrrirrr“ klingenden lange
anhaltenden Ton hervor. Für einen aufmerksamen Beobachter ist es nicht
allzu schwer, das Vorkommen der einen oder andern Art nach dem Gesange
festzustellen, und um so bequemer, als das Eindringen in die im und
am Wasser belegenen Rohrfelder sowie auf die mit Schlick bedeckten
Groden, in welchen sich die Rohrsänger ebenfalls gern aufhalten, mit
grossen Schwierigkeiten und Anstrengungen verknüpft ist. Auch im
Nestbau gleichen sich unsere Rohrsänger mehr oder weniger. Zwischen
drei bis vier bei einander stehenden Rohrstengeln an oder über der
Wasserfläche, zwischen Nesselpflanzen oder zarten Weidenruten, zwischen
starken Grashalmen oder anderen Pflanzenstengeln befestigen sie
kunstvoll ihr Nest und zwar so, dass immer zwei oder drei Stengel durch
die Seitenwandungen des Nestes hindurch gehen. Das schön gebaute Nest
wächst mit den Pflanzen in die Höhe und ist so bei Hochwasser vor dem
Überschwemmtwerden geschützt.

Aus der Familie der _Motacillidae_ halten sich am Gewässer und in der
Nähe desselben die drei bekannten +Bachstelzenarten+ auf. _Motacilla
alba_ L., die weisse Bachstelze, auch Quäksteert oder Wippsteert
genannt; die graue Bachstelze, _Motacilla sulphurea_ Bechst., und die
gelbe Bachstelze oder Kuhstelze „gäle Quäksteert“, _Motacilla flava_
Cuv. Obwohl man die erstere auch entfernt vom Wasser antrifft, so
schlägt sie doch mit Vorliebe ihre Wohnung unter Brücken, an Mühlen
und auf den in der Nähe des Wassers stehenden Weidenstümpfen auf. Die
im nördlichen Deutschland seltene graue Bachstelze hält sich fast
ausschliesslich an Bächen, Quellen, überhaupt an fliessenden Gewässern
auf und baut auch ihr Nest stets in die Nähe des Wassers, in Höhlen,
unter Brücken, in Felslöchern u. dgl. m. Die gelbe Bachstelze dagegen
bewohnt die freien, von menschlichen Wohnungen fern liegenden Weiden
auf den Inseln und an den Flussufern; mit Vorliebe diejenigen Weiden,
auf welchen Vieh weidet. Das Nest derselben findet man nicht selten in
Carices-Büscheln. Die weisse Bachstelze erscheint in unserm Nordwesten
oft schon im Februar -- nach dem verflossenen harten Winter 90/91
wurden die ersten Bachstelzen erst am 16. März 91 beobachtet -- und
verlässt uns Oktober. Die weisse Bachstelze ist nach dem Staar unser
erster Frühlingsbote. Die gelbe Bachstelze trifft bei uns Anfang April
ein und verweilt bis Mitte September.

In Gemeinschaft mit den gelben Bachstelzen trifft man ziemlich häufig
den +Wiesenpieper+, _Anthus pratensis_ L. Er wählt zu seinem Brutplatze
dieselben Lokalitäten wie die Bachstelzen. Gewöhnlich erscheint er bei
uns im März und bleibt oft bis November. Einzelne bleiben sogar in
gelinden Wintern ganz bei uns. Charakteristisch und dabei ein sicheres
Erkennungszeichen der Art ist ihr Verhalten beim Gesange, welcher etwa
„witje, witje, witje, zick, zick, zick, jück, jück, jück, tirrrirrr“
lautet. Plötzlich erhebt sich der Pieper singend einige Meter in die
Höhe und fällt ebenso rasch wieder zur Erde, um auf einem Carex- oder
Scirpus-Büschel den Gesang fortzusetzen oder zu vollenden.

Von den +Lerchen+ kommt für unser Gebiet nur die durch ihren
jubilierenden herrlichen Gesang bekannte Feldlerche, _Alauda arvensis_
L., insoweit in Betracht, als sie ziemlich häufig als Brutvogel auf
den Flussinseln anzutreffen ist. Sie erscheint oft schon Mitte Februar
und verkündet dann durch ihre schmetternden Lieder das Neuerwachen des
Frühlings. Sie verlässt uns Ende Oktober oder zu Beginn des November.

Von den +Ammern+ suchen auch einige zu ihrem Brutplatze die Nähe der
Gewässer auf. So findet sich auf den Weserinseln gar nicht selten die
Grauammer, _Emberiza miliaria_ Bp. Ihr Nest ist meist tief versteckt
in den Grasbüscheln angelegt; auf dem Festlande dagegen wählt sie mit
Vorliebe die Getreidefelder zu ihrem Nistplatze. Wenn man im Frühjahre
die grösste unserer Ammern auf irgend einem Weidenstumpfe sitzen sieht
und das ziemlich eintönige „zick, zick, zick, sirrrr“ hört, so kann
man sicher sein, dass in gar nicht zu grosser Entfernung sich das Nest
befindet. Fast ausschliesslich an Gräbenufern nistet die bekannte
+Goldammer+, „Gälgöschen“, _Emberiza citrinella_ L. Der Gesang „si,
si, si, si, siiiih“ unterscheidet sie sofort, ohne dass man den Vogel
zu sehen braucht, von der Grauammer. Stets schlägt ihren Wohnsitz die
+Rohrammer+, Rohrsperling oder Reithlüning, _Emberiza schoeniclus_ L.,
in der Nähe der Gewässer auf. Das sehr verborgene Nest findet man
in Carex-Büscheln. In demselben trifft man Anfang Mai fünf bis sechs
rötlich weisse Eier, deren ganze Schale mit braunroten Strichen und
grösseren Flecken bedeckt ist. Während die beiden erstgenannten Ammern
den Winter über bei uns bleiben und uns nur einzeln bei sehr strenger
Kälte verlassen, wohl auch nur etwas südlicher streichen, um bei der
nächsten gelinden Witterung sich wieder bei uns einzustellen, verlässt
uns die Rohrammer gewöhnlich schon Ende September, erscheint aber im
März wieder auf der Bildfläche. In gelinden Wintern bleiben dann und
wann auch wohl einzelne Pärchen hier.

Ganz einzeln trifft man auch den +Hänfling+, „Grauiserken“, _Fringilla
cannabina_ Bp., auf den Flussinseln an, welche viel hohes Gestrüpp
haben. Auch der +Feldsperling+, Weidenspatz, _Passer montanus_ Koch,
ist als Brutvogel auf den Inseln zu finden, wo alte Weidenstümpfe, die
er zu seinem Nistplatze wählt, stehen. Der Hänfling ist den ganzen
Winter hindurch auf den Inseln, Platen und an den Flüssen anzutreffen,
wenn kein Schnee fällt; ein Teil derselben verlässt uns im September
und kehrt im ersten Frühjahre, im März, zurück. Der Feldspatz ist im
ganzen Gebiete Standvogel.

Selbst die Ordnung der Hühner ist auf den grösseren, mit langem Grase
bewachsenen Platen durch das +Rebhuhn+, _Perdix cinerea_ Briss.,
vertreten. Wenn man am frühen Morgen oder gegen Abend in einem Boote
an einer solchen Insel entlang fährt, so vernimmt man bald aus der
nächsten Nähe, bald wieder aus weiterer Ferne den wohlbekannten Ruf
des Rebhahnes „girrräk“. Noch häufiger hört man des Abends von den
Inseln und Groden das „röärp, röärp“, den gewöhnlichsten Ruf des
+Wachtelkönigs+, _Crex pratensis_ Bechst., herübertönen. Obgleich
dieser Vogel an den Flussufern und auf den Inseln ziemlich häufig ist
-- man kann an warmen Abenden oft drei, vier und mehr zu gleicher Zeit
rufen hören --, bekommt man denselben doch sehr selten zu Gesicht, da
er gewöhnlich im Grase rasch fortläuft, ohne aufzufliegen. Selbst vor
dem suchenden Hunde fliegt er nicht eher auf, bis er in die Enge, etwa
an einen Graben, getrieben wird. Das Nest findet man sehr selten und
schwer. Die prächtigsten Gelege -- zehn bis zwölf Eier von schöner
graugelber Farbe mit vielen rötlich braunen Flecken --, die in meinen
Besitz gekommen sind, verdanke ich ausschliesslich den Grasmähern.
Der „Snarrentar“, wie er im Volksmunde nach seinem Rufe genannt wird,
erscheint bei uns gewöhnlich Anfang Mai und verschwindet Anfang
September.

Von den _Gallinulidae_ treffen wir weiter auf den Inseln und an den
Flussufern als Brutvögel das punktierte +Rohrhuhn+, _Rallus porzana_
L.; die +Wasserralle+, _Rallus aquaticus_ L.; das +grünfüssige
Rohrhuhn+, _Gallinula chloropus_ Lath., und das schöne, grosse
+Blässhuhn+, _Fulica atra_ L., an. Diese echten Wasserbewohner sind in
unserm ganzen Nordwesten an und auf den grossen Flussinseln, in den
undurchdringlichen Rohr- und Schilffeldern der Groden an den grösseren
und kleineren Seen fast überall anzutreffen, aber äusserst schwer zu
beobachten, da sie dem Auge des Naturbeobachters durch geschicktes
Tauchen oder durch Verschwinden zwischen dem dichten Schilf und Rohr
auszuweichen wissen. Es ist interessant, diese gewandten Schwimmer
und Taucher in ihrem nassen Elemente beobachten zu können. Hat man
sich unbemerkt mit dem Boote in irgend eine gedeckte Bucht oder in
ein Rohrfeld gelegt, so erscheint oft, wenn das Glück günstig ist,
in unmittelbarer Nähe des Bootes einer dieser munteren Vögel, aber
im nächsten Augenblicke, kaum dass wir Zeit hatten, ihn auch nur
halbwegs ins Auge zu fassen, verschwindet er in der kühlen Flut,
schwimmt eine grosse Strecke unter der Wasserfläche fort, um oft in
ganz entgegengesetzter Richtung wieder zu erscheinen; oft nimmt er
sogar seinen Weg unter dem Boote durch, und im nächsten Augenblicke
ist er auch schon wieder fort. Glaubt er sich erst in sicherer
Entfernung, dann kann man ihn auch längere Zeit auf der Wasserfläche
beobachten. Oft sieht man dann die ganze Familie, Alt und Jung, im
bunten Durcheinander, bald ruhig dahinschwimmend, bald Tauchübungen
anstellend, bald über die glatte Wasserfläche dahinlaufend; aber nie
lassen sie dabei die nötige Vorsicht ausser Acht; bei dem geringsten
verdächtigen Geräusch verschwindet die ganze Gesellschaft im nächsten
Rohrfelde und lässt sich für lange Zeit nicht wieder blicken. Auch
im Bau ihrer Nester, welche sehr versteckt und meist nach dem Wasser
hin in den Rohr- und Binsenfeldern angebracht sind, gleichen sie sich.
Auf niedergebogenem Rohr, oft auf halb schwimmendem Gestrüpp sind
die ziemlich kunstlosen Nester angelegt. Die Zahl der Eier beträgt
gewöhnlich acht bis zwölf. Die _Gallinulidae_ erscheinen in unserm
Gebiete Anfang Mai und verlassen uns Mitte September.

Von den _Charadriidae_ bewohnt die Flussinseln und Groden als Brutvogel
der allen bekannte +Kiebitz+, _Vanellus cristatus_ Meyer und Wolf,
welcher leider von Jahr zu Jahr an Zahl bedenklich abnimmt. Die Ursache
dieser von Jahr zu Jahr sich steigernden Abnahme dieses nützlichen
Vogels liegt in dem leidigen, unvernünftigen Eiersammeln, welches
einzig den Zweck hat, den Gaumen des Gourmands zu kitzeln. Allerdings
tragen auch ein gut Teil Schuld die Entwässerungsanstalten, welche in
jedem Frühjahre die nassen und sumpfigen Wiesen trocken pumpen und
es dadurch den Eiersammlern ermöglichen, auf die Poller und höher
gelegenen Stellen, die Brutplätze des Kiebitzes, zu gelangen, um auch
dort ihr Zerstörungswerk mit Erfolg zu betreiben. Der Kiebitz gehört
zu unseren ersten Frühlingsboten; er erscheint gewöhnlich Mitte März
und verlässt uns Ende September oder Anfang Oktober. In milden Jahren
erscheint er oft schon im Februar und bleibt einzeln bis in den
November. Manchmal aber, wenn sie sich zu früh hergewagt haben und
Kälte und Schnee zurückkehren, müssen sie wieder flüchten und auch
dabei gehen viele zu Grunde. Am 23. Februar dieses Jahres beobachtete
Verfasser einen Trupp von etwa 50 Stück, welche sich trotz des
vergangenen strengen Winters in unserm Nordwesten eingefunden hatten;
als aber nach einigen Tagen von neuem Kälte eintrat und ziemlicher
Schnee fiel, zogen sie auf einige Zeit wieder südlicher.

Mit dem Kiebitz erscheint und verschwindet fast zur selben Zeit der
+Flussregenpfeifer+, _Charadrius fluviatilis_ Bechst. Dieser hurtige,
behende Geselle bewohnt mit Vorliebe die kahlen, kiesigen Ufer der
Inseln und Flüsse und legt auch dort sein Nest an, welches sehr
leicht übersehen werden kann. In einer kleinen Vertiefung fast ohne
alle Unterlage liegen auf kiesigem Grunde drei bis vier graugelbe,
mit dunkelgrauen Punkten und Strichen ausgestattete Eier, welche in
ihrer Färbung so sehr der Umgebung ähneln, dass man oft, wenn man das
Nest gefunden, es auch schon wieder aus den Augen verloren hat und von
neuem suchen muss. So ging es am 18. Mai dieses Jahres dem Verfasser,
der, kaum zwei Fuss vom Neste entfernt, es erst nach längerem scharfen
Umhersehen wieder entdeckte.

Der +Rotschenkel+, _Totanus calidris_ Bechst., welcher sich in
grosser Zahl als Brutvogel an unseren Nordseeküsten findet, wird auch
einzeln als solcher an den Ufern der Flüsse und auf den Flussinseln
beobachtet. Er erscheint bei uns Mitte Mai und verlässt uns Anfang
September. Häufiger als den Rotschenkel kann man an den sandigen
Ufern als Brutvogel den +Flussuferläufer+, _Actitis hypoleucos_ Brehm
beobachten, derselbe erscheint im März und bleibt bis zum Oktober.
Auf den feuchten, kurzgrasigen Wiesen unserer Flussniederungen stellt
sich in ziemlich grosser Individuenzahl der durch seine possierlichen
Kapriolen bekannte +Kampfhahn+, _Machetes pugnax_ Cuv. ein. Stundenlang
kann man, wenn ein Gestrüpp oder ein Grabenufer uns die nötige Deckung
giebt, diesem tollen Treiben des Streithahns oder Streitvogels zusehen.
Bei diesen sogenannten „Kämpfen“, die besonders zur Paarungszeit
häufig sind, nimmt er die wunderbarsten Stellungen ein, sträubt sein
Gefieder bald so und im nächsten Augenblick wieder anders. Sie stürzen
auf einander los, vorwärts, rückwärts, und scheinbar mit einer solchen
Wut, dass der uneingeweihte Beobachter glauben muss, keiner verlasse
lebend den Kampfplatz; indessen scheint es mehr eine Spiegelfechterei
zu sein, denn sie lassen kaum Federn dabei und nach einiger Zeit, wenn
sie des Kampfes müde sind, eilen sie vergnügt von dannen, um sich für
ein späteres Turnier, deren man täglich mehrere beobachten kann, wieder
zu stärken. Das Nest, welches im Bau sowohl wie im Aussehen dem des
Kiebitzes ähnlich ist, befindet sich in einer kleinen Vertiefung, einer
Kuhspur oder dergleichen, und ist mit wenig Grashälmchen ausgelegt.
Nach beendigtem Paarungsgeschäfte verlassen uns schon meistens die
Männchen und ziehen an die Meeresküste, während die Weibchen und Jungen
bis zum September an ihren Brutplätzen verweilen. Im März treffen sie
wieder zusammen an letzteren ein.

Auf den feuchten, mit kleinen Wasserläufen durchzogenen Wiesen der
Inseln der Aussendeichsländereien und Groden, auf den Dobben und Platen
treffen wir in ziemlicher Zahl als Brutvögel die +einfache Bekassine+,
auch „Häwelamm“ oder „Bäwerbuck“ genannt, _Scolopax gallinago_ L., und
die +Doppelbekassine+, _Scolopax major_ L., an. Unter Dobben versteht
man beweglichen Moorboden, der oben durch eine Grasnarbe bedeckt und
ziemlich fest, weiter nach unten aber noch weich ist. Beim Betreten
solchen Bodens bewegt sich die ganze Fläche und der auf diesem
Boden Unbekannte bricht sehr leicht ein; es bedarf einer besondern
Geschicklichkeit, darüber hinwegzugehen. Pferde, welche ihn betreten
wollen, bekommen Holzschuhe angeschnallt, und die Räder der Wagen
werden, damit sie nicht einschneiden und dann versinken, mit dicken,
gedrehten Strohseilen umwickelt. An warmen Frühlingsabenden macht
sich die einfache Bekassine durch ihr eigentümliches Gemecker, dem
einer Ziege nicht unähnlich, daher „Häwelamm“, „Himmelsziege“ genannt,
welches sie nur im Fluge vernehmen lässt, bemerkbar. An einzelnen
Moorseen ist dieser, von Feinschmeckern sehr geschätzte Vogel oft zu
hunderten anzutreffen, so am Balk-See, einem inmitten des unwirtlichen
Moores bei Cadenberge unweit der niederelbischen Bahn gelegenen grossen
Moorsees, dessen Ufer von grossen Dobbenfeldern gebildet werden. Auf
solch sumpfigen Wiesen in der Mitte eines Carex-Busches findet sich das
sehr schwer zu entdeckende Nest. Die gemeine Bekassine erscheint bei
uns oft schon im März und bleibt bis zum November. Die Doppelbekassine
kommt erst im April und geht schon im September.

Anfang Mai erscheint ebenfalls auf den feuchten Flussniederungen die
+Pfuhlschnepfe+, _Limosa melanura_ Leisler, um dort ihr Brutgeschäft
zu verrichten; sie verlässt uns gewöhnlich schon Anfang September.
Auch die grosse +Rohrdommel+, _Botaurus stellaris_ Briss., „Iprump“
nach ihrem unheimlich klingenden Rufe „üü -- prump“ so genannt, ist
als vereinzelter Brutvogel der Flussinseln aufzuzählen. Es hält
schwer, dieses stattliche Tier zu Gesicht zu bekommen, da es durch
eine eigentümliche List sich dem Auge des Beobachters zu entziehen
weiss. Bemerkt die Rohrdommel einen Feind in ihrer Nähe, so richtet
sie sich gerade auf, zieht den Hals ein, streckt Kopf und Schnabel
senkrecht in die Höhe und bleibt in dieser Stellung unbeweglich stehen,
bis die Gefahr vorüber ist. In dem Weidengebüsch, in welchem sie sich
gern aufhält, gleicht sie in dieser Stellung, wobei ihr die Färbung
ihres Gefieders, welche mit der Umgebung grosse Ähnlichkeit hat, sehr
zu statten kommt, täuschend einem alten abgebrochenen Weidenstumpfe.
Die Rohrdommel erscheint im April auf ihrem Brutplatze und zieht Ende
September wieder von dannen.

Aus der Ordnung der Schwimmvögel treffen wir zunächst an unseren
süssen Gewässern einige Entenarten als Brüter an. Da mag zuerst die
+Löffelente+, _Rhynchaspis clypeata_ L., erwähnt werden, welche im
dichten Rohr, umgeben von Wasser, ihr verstecktes Nest anlegt; ferner
die +Knäckente+, _Anas querquedula_ L., die +Krickente+, _Anas crecca_
L., und die gemeine wilde Ente, auch +Stockente+ genannt, _Anas
boschas_ L., gehören zu den häufigeren Arten der Entensippschaft,
welche an den süssen Wassern brüten. Die Enten erscheinen auf dem
Frühjahrszuge meist im März und ziehen Oktober wieder fort. Einzelne
Exemplare von _boschas_ und _crecca_ trifft man fast den ganzen Winter
an den Gewässern an und diese verlassen uns nur dann, wenn auch
die letzten offenen Stellen der Flüsse und Seen mit einer Eisdecke
verschlossen sind.

An dem in Betracht kommenden Gebiete trifft man von den _Pelecanidae_
im Binnenlande einzeln die +Kormoran-Scharbe+, _Halieus Carbo_ Ill.,
als Brutvogel an. Im Nordwesten Deutschlands ist nur eine Kolonie
dieses der Fischerei sehr schädlichen Vogels bekannt und zwar im
Lüneburgischen an der Elbe. Der Kormoran legt seinen Horst, entgegen
der Gewohnheit der anderen Schwimmvögel, auf Bäumen an, benutzt aber
gewöhnlich die Nester der Reiher und Raben für sich, wobei sich häufig
ein hartnäckiger Kampf zwischen diesen und jenen entspinnt. Trotz
seiner grossen Schwimmfüsse bäumt der Kormoran sehr geschickt auf und
weiss sich ganz sicher auf den Ästen zu benehmen.

Wenn der eigentliche Aufenthaltsort der +Seeschwalben+ und +Möven+ auch
das salzige Meer, die Watten und die Inseln des Meeres sind, so giebt
es doch eine Reihe Arten davon, welche vorziehen im Binnenlande an
den süssen Gewässern sich aufzuhalten und dort ihr Heim einzurichten.
Es sind dies die +Küstenmeerschwalbe+, _Sterna macrura_ Naum.; die
+Flussmeerschwalbe+, _Sterna hirundo_ L.; die +kleine Seeschwalbe+,
_Sterna minuta_ L., und die +schwarze Seeschwalbe+, _Sterna nigra_
Briss., und von den Möven die +Lachmöve+, _Larus ridibundus_ L. Ihre
Nester, welche, fast ohne jegliche Unterlage, nur aus einer kleinen
Vertiefung bestehen, finden sich auf den kiesigen, sandigen Stellen an
den Gewässern und sind sehr schwer von der Umgebung zu unterscheiden,
da die Plätze gewöhnlich alles Pflanzenwuchses entbehren. Im Winter
bleiben immer einzelne dieser geschickten Segler bei uns, wenn auch
als gewöhnlich anzunehmen ist, dass sie im März in grösseren Scharen
erscheinen und uns im Oktober verlassen.

Endlich mögen noch zwei Brutvögel der Binnengewässer aufgezählt werden.
Es sind dies der +grosse Lappentaucher+, auch Kronentaucher genannt,
_Podiceps cristatus_ L., und der +kleine Lappentaucher+, welcher im
Volksmunde den etwas derben Namen „Pärködel“ führt, _Podiceps minor_
L. Ersterer ist auf fast allen unseren Seen ein gemeiner Brutvogel.
Schon von ferne hören wir seinen lauten Ruf „koar, koar, koar“ über die
Wasserfläche zu uns herüberschallen, ehe man den geschickten Schwimmer
und Taucher zu Gesicht bekommt. Er ist ein äusserst scheuer und
schlauer Vogel, der seinen Beobachter immer in respektabler Entfernung
hält; kommt man ihm trotzdem unvermerkt zu nahe, so verschwindet er
plötzlich unter der Wasserfläche und erscheint weit weg nur mit dem
Kopfe über derselben, um schon im nächsten Augenblicke von neuem zu
verschwinden. Dieses Experiment wiederholt er so häufig, bis er
sich wieder sicher fühlt. Einen Jäger lässt er daher sehr selten in
Schussnähe kommen. Wird der Taucher angeschossen, und ist der Schuss
nicht gleich tödlich, so taucht er fort und hält sich am Grunde des
Gewässers am Rohr und Schilf fest, um nicht wieder an die Oberfläche zu
kommen. Binsenschneider am Dümmersee brachten dem Verfasser, welcher
sich zu der Zeit am See aufhielt, ein Exemplar des Kronentauchers,
welcher am Vormittage von einem Herrn angeschossen war, ohne dass
er ihn bekommen hatte. Das Exemplar hatten dieselben beim Schneiden
mit herauf gebracht. Es hatte noch die Binse, an welcher es sich
festgehalten hatte, im Schnabel, und dieselbe auch im Todeskampfe nicht
losgelassen. Der kleine Taucher ist ebenso geschickt im Schwimmen und
Tauchen, wie sein grösserer Vetter. Das Nest der Taucher ist fast immer
frei auf der Wasserfläche zwischen Rohr befindlich und an einzelnen
Stengeln befestigt, damit es vom Winde nicht fortgetrieben wird. Die
Nester sind äusserst schwer aufzuspüren, da man nur von der Wasserseite
mit dem Boote an die Rohr- und Binsenfelder gelangen kann, in welchen
sie angelegt sind.

Im vorhergehenden ist versucht worden, dem Naturbeobachter in kurzen
Zügen ein Bild zu entwerfen von den Brutvögeln, welche derselbe auf
Flussinseln, an den Ufern der Flüsse und Seen aufzufinden vermag.
Es ist damit aber nicht beabsichtigt, ein genaues, vollständiges
Verzeichnis aller an den in Frage kommenden Lokalitäten brütenden
Vögel zu geben; im wesentlichen sind die häufigeren und am meisten ins
Auge fallenden Arten berücksichtigt, welche den Nordwesten unseres
Vaterlandes bewohnen. Im östlichen und südlichen Deutschland finden
sich noch einzelne Arten, welche nicht erwähnt worden sind. Auch im
folgenden hat Verfasser vorwiegend die Bewohner der Gewässer unseres
Nordwestens im Auge gehabt. Wenn bei manchen Vögeln Angaben über
Brutzeit, über Eintreffen und Verschwinden an ihren Nistplätzen gemacht
worden sind, so beziehen sich dieselben ebenfalls auf Beobachtungen,
welche im Nordwesten angestellt worden sind.

Ist schon das Gesamtbild unserer befiederten Freunde zur Brutzeit ein
buntes und mannigfaltiges, so gestaltet es sich noch viel reicher
im Frühjahrs- und Herbstzuge, ja manchmal erhält das Bild ein ganz
fremdartiges Aussehen; denn da erscheinen an unseren süssen Gewässern
Gäste, die sonst nur im hohen Norden, am Meere oder anderen uns fern
liegenden Orten anzutreffen sind. Es soll im folgenden versucht
werden, dem Naturfreunde auch davon ein kleines, also nicht auf
Vollständigkeit Anspruch machendes Bild zu entwerfen. Durchwandern wir
im Geiste noch einmal die Vogelwelt und beginnen wir von neuem mit
den Raubvögeln, so finden wir gar nicht selten zur Zugzeit auf den
grossen Wasserflächen den +Seeadler+, _Haliaëtos albicilla_ Leach,
der besonders häufig erscheint, wenn viele wilde Gänse zur Herbstzeit
in den Flussniederungen sich länger aufhalten. Im Volksmunde wird
er deshalb gewöhnlich mit „Goosarnt“ bezeichnet. Der +Fischadler+,
_Pandion haliaëtos_ Less.; der +Bussard+, _Buteo vulgaris_ Bechst.; die
+Gabelweihe+, _Milvus regalis_ Briss.; selbst der +Wanderfalke+, _Falco
peregrinus_ L.; der +Baumfalke+, _Falco subbuteo_ L.; der +Turmfalke+,
_Falco tinnunculus_ L.; selbst der +Hühnerhabicht+, _Astur palumbarius_
Briss., und der +Sperber+, _Astur nisus_ K. und Bl., halten sich
vorübergehend mit Vorliebe auf den Flussinseln und Flussniederungen
auf, weil ihnen dort der Tisch reichlich und bequem gedeckt ist; ganz
besonders finden sie zur Herbstzeit dort an Staaren und Feldmäusen
reichliche Nahrung.

Der +Mauersegler+, _Cypselus apus_ L.; die +Haus-+ und +Rauchschwalbe+,
_Hirundo urbica_ L. und _rustica_ L., halten sich, bevor sie
fortziehen, eine Zeit lang an unseren Flüssen und in den Niederungen
auf, um sich zu grossen Scharen dort zu versammeln. Ende September oder
Anfang Oktober kann man Tausende dieser leicht beschwingten Flieger an
den oben erwähnten Lokalitäten antreffen, bis sie auf einmal über Nacht
fortgezogen sind.

Während des Herbstzuges sind auf den Platen die +Blaumeise+, _Parus
coeruleus_ L., der +Krammetsvogel+, _Turdus pilaris_ L., und die
+Weindrossel+, _Turdus iliacus_ L., gar nicht selten anzutreffen.
Selbst der +grosse Würger+, _Lanius excubitor_ L., erscheint
einzeln auf den alten Weidenstümpfen, um sich nach einem leckeren
Mahle umzusehen. Der Volksmund hat ihn sehr treffend mit „Radäkster“
bezeichnet. In seinem Äussern hat er eine entfernte Ähnlichkeit mit
der Elster und er macht an freistehenden Zweigen oft radförmige
Bewegungen. Dieser im Fliegen ziemlich ungeschickte Räuber sucht seine
Beute zu überlisten. Er sitzt bald auf den Zweigen, bald hängt er mit
halbausgebreiteten Flügeln unter denselben, bald macht er radförmige
Bewegungen um dieselben. Die kleinen arglosen Vögel werden durch dieses
wunderliche Gebahren herangelockt, setzen sich auf die benachbarten
Sträucher, oft ganz in seine Nähe, um diesem tollen Treiben zuzusehen,
und im unbemerkten Augenblicke werden sie von diesem arglistigen Räuber
gefangen. Seine erwischte Beute spiesst er oft auf Dornen, um sie dann
stückweise und nach Bedarf zu verzehren.

Auch die Familie der +Finken+ schickt ihre Vertreter an die Gewässer.
Auf dem Frühjahrszuge bemerken wir den +Flachsfinken+, _Acanthis
linaria_ Bp.; zur Herbstzeit treffen wir den +Berghänfling+, _Linota
montium_ Bp.; ebenso den +Stieglitz+, den muntersten und schönsten
seiner Sippschaft, _Carduelis elegans_ Steph.; den ungeschickten,
im Baue etwas plumpen +Grünling+, _Chlorospiza chloris_ Bp.; selbst
„Jochen“, der wohl mit Unrecht so sehr gescholtene Strauchdieb und
Gassenbube, der +Sperling+, _Passer domesticus_ Koch, dem sogar der
Ausrottungskrieg angekündigt werden soll, mischt sich unter die Gäste
auf den Inseln und Platen. Wenn man aber diesen, allerdings bei
vielen gehassten munteren und kecken Burschen während der Brütezeit
beobachtet, wie er von Zweig zu Zweig, von Blatt zu Blatt, von Blüte
zu Blüte die Obstbäume absucht, um die heisshungrigen Jungen zu
befriedigen, die er fast ausschliesslich mit Kerbtieren und deren
Larven füttert, dann muss man ihm doch wohl etwas freundlicher gesinnt
werden, denn der Nutzen, den er dadurch unseren Obstgärten zuwendet,
ist jedenfalls ein recht bedeutender und hebt gewiss einen grossen Teil
seines Schadens auf. Nehmen sie zu sehr überhand und fügen sie später
den Kornfeldern und Erbsenäckern zu grossen Schaden zu, so möge man sie
im Herbste dezimieren, aber jedenfalls nicht zur Brutzeit, denn dann
gerade stiften sie Nutzen. Ebenso thöricht ist es, die junge Brut zu
zerstören, die gerade der Kerbtiere zu ihrer Nahrung bedarf.

Zu Tausenden und Abertausenden sind die +Staare+, _Sturnus vulgaris_
L., im Spätsommer und zur Herbstzeit in den Flussniederungen, in
den Rohrfeldern an Flüssen und Seen nach beendigtem Brutgeschäfte
anzutreffen. Gegen Abend sieht man sie in dichten Wolken, bald nahe
über dem Boden, bald hoch durch die Lüfte umherziehen, dann in die
grossen Rohrfelder einfallen, um dort ihre Nachtruhe zu halten.

Ganz buntfarbig ist zur Herbstzugzeit das Bild der Sumpf- und
Schwimmvögel. Da treffen wir den +nordischen Kiebitzregenpfeifer+,
_Squatarola helvetica_ Cuv.; den +Goldregenpfeifer+, _Charadrius
pluvialis_ L.; den +Halsbandregenpfeifer+, _Pluvialis hiaticula_
Briss.; den gravitätisch einherstolzierenden +Austernfischer+,
_Haematopus ostralegus_ L.; die rasch über die Sandflächen
dahintrippelnden +Wasserläufer+, _Totanus glottis_ Bechst., _Totanus
fuscus_ Leisl., _Totanus glareola_ Temm., _Totanus ochropus_ Temm.; die
zierlichen, blitzschnellen +Strandläufer+, _Tringa subarquata_ Temm.,
_Tringa alpina_ L., _Tringa minuta_ Leisl. und _Tringa Temminckii_
Leisl. Auch die +stumme Bekassine+, _Telmatias gallinula_ Boie, gesellt
sich hinzu.

Truppweise in Flügen zu dreien und vieren besuchen im August und
September auch die „Unwährsvögel“, _Numenius arquata_ Latham, ihr
Flussrevier. Im Volksmunde führt dieser Vogel den Namen „Gütvoagel“
nach seinem eintönigen Rufe, der etwa wie „tlaüd, tlaüd“ klingt, oder
„Unwährsvoagel“; denn meistens, wenn diese Vögel abends ziehen und
ihren weitklingenden Ruf ertönen lassen, giebt es schlechtes Wetter,
Unwetter. Ganz besonders zahlreich erscheinen zur Zugzeit die Gänse,
_Anser cinereus_ W. u. M., die +Graugans+, und _Anser segetum_ Bechst,
die +Saatgans+ -- vereinzelt findet sich auch darunter die +Blässgans+,
_Anser albifrons_ Gm., und die +Ringelgans+, _Bernicla brenta_ Pall.
-- in den Flussniederungen und es wird in manchen Jahren eifrig Jagd
auf die sehr scheuen Tiere gemacht. Doch selten wird in den Ebenen
die Jagd mit Erfolg gekrönt, da die ausgestellten Posten den Jäger
gewöhnlich viel zu früh wittern. Ehe derselbe zum Schuss kommen kann,
geht die ganze Schar auf und davon. Günstiger ist der Erfolg, wenn
mehrere Jäger sich verabreden und eine solche Fläche, auf welcher sich
ein Gänseschwarm niedergelassen hat, unbemerkt umstellen können; dann
treten plötzlich an der einen Seite die Jäger vor, die Gänse streichen
sofort nach der entgegengesetzten Richtung ab und kommen nun den dort
versteckt stehenden andern in die Schusslinie.

Sehr zahlreich erscheinen auch im Herbst die Vertreter der
Entenfamilien. Da können wir an unseren Gewässern beobachten die schöne
+Brand-+, +Fuchs-+ oder +Höhlenente+, _Vulpanser tadorna_ Pall.; die
+Schnatterente+, _Anas strepera_ L.; die +Spiessente+, _Anas acuta_
L.; die +Pfeifente+, _Anas Penelope_ L.; die +Tafelente+, _Fuligula
ferina_ L.; die +Reiherente+, _Fuligula cristata_ Ray; die +Bergente+,
_Fuligula marila_ L.; die schöne +Schellente+, _Glaucion clangula_ K.
u. Bl.; die +Eisente+, _Harelda glacialis_ Leach, und die stattliche
+Trauerente+, _Oidemia nigra_ Flemm. An manchen Flüssen und Inseln
werden zur Zugzeit in eigens dazu angelegten Entenfängen oder in
Entenhütten Hunderte dieser schmackhaften Schwimmvögel erlegt und
liefern den Uferbewohnern eine nahrhafte und billige Fleischspeise.
Auch der +kleine Säger+, _Mergus albellus_ L.; der +grosse Säger+,
_Mergus merganser_ L., und der +mittlere Säger+, _Mergus serrator_ L.,
erscheinen zur Herbstzeit auf den Binnengewässern. Einzelne Möven,
_Rissa tridactyla_ Leach, die +dreizehige Möve+; _Larus canus_ L., die
+Sturmmöve+; _Larus argentatus_ Brünn., die +Silbermöve+ -- letztere
fast nur im Jugendkleide --; ganz vereinzelt die grosse, stattliche
+Mantelmöve+, _Larus marinus_ L., und die mittlere +Raubmöve+, _Lestris
pomarina_ Temm., halten sich vorübergehend an unseren Binnengewässern
auf. Und endlich trifft man auch noch den +rotkehligen Taucher+,
_Eudites septentrionalis_ Ill.; den +Polartaucher+, _Eudites arcticus_
Ill., sowie den +gehörnten Lappentaucher+ oder arktischen Steissfuss,
_Colymbus cornutus_ L., zur Herbstzeit auf den grösseren, mit Rohr
bewachsenen Binnengewässern und Flüssen an.

Nachdem wir so in der Ornis Umschau gehalten haben nach dem, was
der Naturfreund an Flüssen und Seen, auf Inseln und Groden von
der befiederten Welt antreffen kann, wollen wir im Folgenden die
Kaltblüter Revue passieren lassen. Die Klasse der +Reptilien+ ist
bald abgefertigt, denn hier kann es sich höchstens um ein Tier
handeln, welches in dem oben bezeichneten Gebiete vorkommt. Es ist die
europäische +Sumpf-Schildkröte+, _Emys europaea_ Gray, welche in den
Seen und Flussgebieten des baltischen und karpatischen Höhenrückens in
Sachsen, Schlesien, Mecklenburg, Brandenburg u. s. w. gelegentlich,
aber nicht gerade sehr häufig, vorkommt. Ihre Verbreitung im nördlichen
Deutschland mag eine grössere sein, als augenblicklich allgemein
angenommen wird, da sie sich durch ihre versteckte Lebensweise -- am
Grunde der Gewässer -- dem Beobachter entzieht. Meistens wird in den
bekannten Gebieten ihr Vorkommen durch frei auf der Wasseroberfläche
schwimmende Fischblasen verraten. Ihre Nahrung besteht vorwiegend aus
Fischen und ist sie daher der Fischzucht sehr schädlich. Die Vermehrung
geschieht durch Eier, welche das Weibchen ausserhalb des Wassers im Mai
in selbstgegrabenen kleinen Gruben ablegt. Aus dem Ei entwickelt sich
das vollkommene Reptil ohne Metamorphose.

Die +Amphibien+ gehören sämtlich dem Süsswassergebiete an, wenigstens
zur Paarungszeit und in ihrem Kaulquappenzustande. Von den fünf
deutschen Froscharten, dem +braunen Grasfrosch+, _Rana fusca_ Rösel;
dem +Moorfrosche+, _Rana arvalis_ Nilsson; dem +grünen Wasserfrosche+,
_Rana esculenta_ L.; dem +Seefrosche+, _Rana fortis_ Boulenger, und dem
+Springfrosche+, _Rana agilis_ Thomas, ist der letztere im nördlichen
Deutschland noch nicht nachgewiesen worden. Ihren Laich legen sie
klumpweise ab und sind auch nur dann, während der Begattungszeit,
zahlreich bei einander und leicht zu fangen. Sie lassen sich bei der
Begattung, ohne sich zu lösen, aus dem Wasser heben, ja zwei Pärchen
von _Rana arvalis_, welche Verfasser in Spiritus abtötete, liessen
auch im Tode nicht von einander und zieren jetzt in dieser Stellung
die städtischen Sammlungen in Bremen.

Bedeutend schwieriger ist die +Geburtshelferkröte+, _Alytes
obstetricans_ Wagl., zu beobachten. Diese Art lebt das ganze Jahr
hindurch in tiefen Erdlöchern, aus denen sie spät abends zum Vorschein
kommt, und nur auf ganz kurze Zeit begiebt sich das Männchen ins
Wasser, um die um die Hüften gewickelte Eierschnur, aus welcher dann
sehr bald die jungen Larven ausschlüpfen, abzustreifen. Am leichtesten
findet man ihre Verstecke, wenn man abends sich genau den Ort merkt,
von welchem der helle, flötenartig klingende Ruf, der an den Ton,
welcher durch Anschlagen an eine Glasglocke hervorgebracht wird,
erinnert, herüberschallt, und nun am folgenden Tage die Erdhöhlen,
Spalten, Steinhaufen u. s. w. in dem betreffenden Reviere untersucht.

Auch die +Knoblauchkröte+, _Pelobates fuscus_ Wagl., ist schwer zu
beobachten, da sie den Tag über versteckt in der Erde lebt und nur
zur Nachtzeit hervorkommt. Zur Paarungszeit im April geht sie ins
Wasser und man trifft dann, wenn man einen solchen Laichplatz einmal
ausgekundschaftet hat -- sie wählen alljährlich denselben Laichplatz
wieder --, immer eine grössere Anzahl beisammen, aber fast immer am
Boden der Gewässer. Ihren Laich setzen sie schnurweise ab. Die Larven
dieser Art sind von allen Anuren-Larven die grössten und erreichen
etwa die Länge eines Decimeters. Schon an den Larven, die mit denen
keiner anderen Art verwechselt werden können, lässt sich die Spezies
identifizieren.

Die beiden +Feuerkröten+, _Bombinator pachypus_ Bonap., mit gelbem
Bauch und schwarzen Flecken, und _Bombinator bombinus_ L., mit
blauschwarzem Bauch und fast zinnoberroten Flecken, legen wie die
Frösche ihren Laich klumpweise ab, sind auch fast ausschliesslich
Wassertiere. Man findet sie mehr in gebirgigen Gegenden als in der
Ebene, besonders in lehmhaltigen Tümpeln, welche sie, sobald sie sich
beobachtet sehen, durch Aufwühlen des Bodens trübe machen und sich
dadurch dem Auge des Beobachters entziehen.

Die bekannten Vertreter aus der Familie der Bufoniden sind die +gemeine
Kröte+, volkstümlich „Ütze“, auch „Pädde“ genannt, _Bufo vulgaris_
Laur.; die +Kreuzkröte+, _Bufo calamita_ Laur., und die +Wechselkröte+,
_Bufo variabilis_ Pall. Nur zur Laichzeit trifft man sie zahlreich
beisammen in stehenden Gewässern und vernimmt dann schon aus der Ferne
ihren Unkengesang. Die Laichzeit beginnt oft schon im April und dauert
gewöhnlich nur kurze Zeit; einzeln trifft man sie auch noch im Mai
in der Begattung. Mit Vorliebe wählen sie mit Rohr bewachsene Tümpel
und Gräben und man kann in denselben den Laich, welcher in Schnüren
abgesetzt wird, um die Stengel geschlungen sehen. Bei _Bufo vulgaris_
erreichen die Laichschnüre oft eine Länge von einigen Metern, die
einzelnen Eier (oft mehrere Tausend) sind etwas schräg gestellt und
dreireihig angeordnet. Beim Absetzen der Eier wird die Schnur bedeutend
ausgedehnt und erscheint sie dann oft zwei-, ja sogar nur einreihig.
Die jungen Kaulquappen schlüpfen gewöhnlich nach vierzehn Tagen aus
und man trifft sie dann zu Tausenden im Wasser umherschwimmend. Die
Eier in der 3–4 _m_ langen Laichschnur von _Bufo variabilis_ Pall. sind
spiralig angeordnet und erscheinen daher bei einer oberflächlichen
Betrachtung, als ob sie regelmässige Dreiecke bildeten. _Bufo calamita_
Laur. setzt eine zweireihige dünne Laichschnur ab.

Aus der Abteilung der _Discodactylia_ gehört schliesslich noch hierher
der +gemeine Laubfrosch+, _Hyla arborea_ L. Dieses muntere und
zierliche Tier trifft man gewöhnlich nur einzeln auf den Blättern von
Bäumen und Sträuchern an. Er weiss seine Farbe aber dem Blatte, auf
welchem er sitzt, so anzupassen, dass er in den meisten Fällen von dem
Beobachter übersehen wird. Anfang Mai jedoch, zur Paarungszeit, trifft
man sie in grösserer Zahl bei einander und mit Vorliebe wählen sie
alljährlich denselben Laichplatz wieder. Es sind gewöhnlich flache,
etwas lehmige Tümpel, in denen sie ihren Laich, wie die echten Frösche,
klumpweise absetzen, und auch nach beendeter Laichzeit trifft man sie
dann noch einige Tage an den Ufern im Grase oder auf dem unmittelbar am
Wasser stehenden Gesträuch.

Lassen wir nun auch noch die Urodelen, welche ebenfalls zur Laichzeit
unsere süssen Gewässer bewohnen, im Geiste an uns vorüberziehen.
Wir bemerken da zuerst den stattlichsten aller Molche, den
+Feuersalamander+, _Salamandra maculosa_ Laur. In den feuchten
gebirgigen Teilen unseres Vaterlandes trifft man diesen langsamen,
plumpen Molch zur Abendzeit gar nicht selten an. Viel schwieriger
ist er in unseren Ebenen, von wo auch einzelne Aufenthaltsorte
bekannt sind, aufzufinden. Bei uns treffen wir ihn nur in den
allersumpfigsten dunkeln Wäldern und dort nur unter oder in alten halb
vermoderten Baumstümpfen. Das Verbreitungsgebiet im Nordwesten ist ein
eigentümliches. Bekannt ist er z. B. aus einzelnen feuchten Waldungen
der Geest, welche auf der Wasserscheide zwischen Ems und Weser sich
befinden. Aus dem Gebiete zwischen Weser und Elbe dagegen ist bislang
kein Fundort bekannt. Es ist möglich, dass sein nächtliches und
verstecktes Leben in den feuchten Wäldern, denn nur diese kommen für
unsere Ebene in Betracht, ihn bislang noch vor dem weiteren Auffinden
in unserm Nordwesten bewahrt hat. Aus den Eiern, welche in Waldtümpeln
im Mai abgesetzt werden, schlüpfen die fast völlig ausgebildeten Larven
aus.

Eine ebenfalls eigentümliche Verbreitung haben die Tritonen speziell
in unserm Nordwesten. Die vier bekannten deutschen Arten sind sämtlich
hier vertreten. Es sind der +grosse Kammolch+, _Triton cristatus_
Laur.; der +kleine Wassermolch+, _Triton taeniatus_ Schneider; der
+Alpenmolch+, _Triton alpestris_ Laur., und der +Schweizermolch+,
_Triton helveticus_ Razoumowsky. Die beiden ersten finden sich zur
Laichzeit im April fast in jedem lehmigen Graben und Tümpel. _Triton
alpestris_ Laur. dagegen ist nur ziemlich häufig an einzelnen Orten
der Oldenburger Geest; zwischen Weser und Elbe ist er nicht sicher
nachgewiesen; aus dem Hamburger Gebiete dagegen ist er wieder bekannt.
Noch eigentümlicher ist die Verbreitung unseres _Triton helveticus_
Razoum. Von demselben hat Verfasser nur einen Fundort, und zwar auf der
rechtsseitigen Wesergeest, aufzufinden vermocht, obgleich zur Laichzeit
seit fast zwei Dezennien viele Lokalitäten nach diesem seltenen Gaste
durchsucht sind. Der fadenförmige Schwanzanhang, sowie die starken
Schwimmhäute der Hinterfüsse des Männchens und die Mittelleiste
des Rückens statt des Flossensaumes bei den anderen Arten sind so
charakteristische Unterscheidungsmerkmale, dass er bei aufmerksamem
Beobachten gar nicht mit den anderen verwechselt werden kann. Die
Tritonen legen ihre Eier gewöhnlich im April, in milden Frühjahren
oft schon im März, einzeln an Pflanzen, Laub, Stengeln u. dergl. im
Wasser ab. Die Larven haben ihre volle Entwickelung gewöhnlich Ende
des Sommers erreicht, alsdann verlieren sie auch die äusseren Kiemen,
oft trifft man aber auch noch im Winter und im folgenden Frühjahre
vollständig ausgebildete Tritonen mit den äusseren Kiemen. Verfasser
traf in +einem+ Tümpel fast alljährlich zur Laichzeit im April 6 bis 10
_cm_ lange Exemplare von _Triton cristatus_ Laur. mit noch vollständig
ausgebildeten äusseren Kiemen.

Den deutschen +Süsswasserfischen+ und ihren Lebensverhältnissen ist
in diesem Bande schon eine eingehende Abhandlung gewidmet. Wenn im
folgenden auch noch wieder von den Fischen die Rede sein soll, so
geschieht es nur zu dem Zwecke, dem Naturbeobachter auch hier ein
Bild einer lokalen Fischfauna des süssen Wassers zu geben, um daran
zu zeigen, welche Arten an bestimmten Lokalitäten zu finden sind.
Zuerst möge das Bild einer Flussfischfauna, sodann das eines Geestsees
und endlich das eines Moorsees folgen. Der Fischreichtum in unserer
Weser -- ich habe dabei das Gebiet etwa eine Meile unter- und oberhalb
Vegesack im Auge -- ist ein ziemlich bedeutender. Von den Barschen
finden sich ziemlich häufig der Flussbarsch, _Perca fluviatilis_ L.,
sowie der Kaulbarsch, _Acerina cernua_ Cuv. In grossen Mengen ist
im Frühjahre in allen Buchten der gemeine Stichling, _Gasterosteus
aculeatus_ L., zu beobachten. Ebenso wird recht häufig die schmackhafte
Quappe, _Lota fluviatilis_ Bl., gefangen. Von den _Pleuronectae_
ist _Platessa flesus_, der kleine Wasserbutt, fast nur im ersten
Jugendstadium, etwa 2–4 _cm_ gross, vorhanden. Einzeln kommen auch
den Weserfischern der Karpfen, _Cyprinus carpio_ L., die Karausche,
_Carassius vulgaris_ L., die Schleihe, _Tinca vulgaris_ Cuv., und
die Barbe, _Barbus fluviatilis_ Cuv., ins Netz. Letztere gehört
allerdings mehr dem oberen Flussgebiete der Weser an. Zwischen den
einzelnen Schlengen und in den flachen Ausbuchtungen ist sehr häufig
der zierliche Gründling, _Gobio fluviatilis_ Cuv., zu finden. Zu den
gewöhnlichsten und am meisten von den Fischern gefangenen Fischen
gehören der Alander, _Leuciscus Idus_ Selys-Long., der Rotflossen,
_Leuciscus erythrophthalmus_ Valenc., der Döbel, _Leuciscus Dobula_
Valenc., das Rotauge, _Leuciscus rutilus_ Agassiz, der Bresen, _Abramis
Brama_ L., und der Schnäpel, _Abramis vimba_ L. Auch wird einzeln
der Lachs, _Trutta salar_ L., und die Lachsforelle, _Trutta trutta_
L., gefangen. In grossen Zügen erscheint im Januar, Februar und auch
noch im März der Stint, _Osmerus eperlanus_ Art. An Individuenzahl
hat in den letzten Jahren der Tielemann, _Corregonus oxyrrhynchus_
L., bedeutend abgenommen, ebenso der Maifisch, _Alosa vulgaris_ Cuv.
Letzterer wird jetzt viel weiter weserabwärts gefangen. Häufige
Bewohner der Weser dagegen sind der Hecht, _Esox lucius_ L., und der
Aal, _Anguilla anguilla_ L. -- Alljährlich wird in einzelnen, oft recht
stattlichen Exemplaren auch der Stör, _Acipenser sturio_ L., gefangen.
Von den Rundmäulern sind beide Neunaugen, die Lamprete, _Petromyzon
marinus_ L., und das Flussneunauge, _Petromyzon fluviatilis_ L., zu den
Weserbewohnern zu rechnen. Erstere ziemlich selten, letztere dagegen
häufig. Gefangen werden die Neunaugen vom Dezember bis zum Februar.

Zum Vergleich möge nun eine Aufzählung der Fische folgen, welche im
+Zwischenahner Meere+, einem auf der Geest gelegenen grossen See,
leben. Bekannt aus diesem „Meere“ sind: Der Barsch, _Perca fluviatilis_
L.; der Kaulbarsch, _Acerina cernua_ Cuv.; der Stichling, _Gasterosteus
aculeatus_ L., und der kleine Stichling, _Gasterosteus pungitius_ L.;
die Quappe, _Lota fluviatilis_ Bl.; der Schlammpeitzger, _Cobitis
fossilis_ L.; der Karpfen, _Cyprinus carpio_ L.; die Karausche,
_Carassius vulgaris_ L.; die Schleihe, _Tinca vulgaris_ Cuv.; der
Gründling, _Gobio fluviatilis_ Cuv.; der Alander, _Leuciscus Idus_
Selys-Long.; der Rotflossen, _Leuciscus erythrophthalmus_ Valenc.; das
Rotauge, _Leuciscus rutilus_ Agass.; der Brassen, _Abramis Brama_ L.;
der Weissfisch, _Abramis Blicca_ Agass.; der Lachs, _Trutta salar_ L.;
die Lachsforelle, _Trutta trutta_ L.; der Stint, _Osmerus eperlanus_
Art.; der Hecht, _Esox lucius_ L., und der Aal, _Anguilla anguilla_ L.

Und endlich ein Verzeichnis der Fische des +Balk-Sees+, eines mitten im
Moore gelegenen 800 Morgen grossen Wasserbeckens. Häufig werden dort
der Sandard, _Lucioperca sandra_ Cuv.; _Perca fluviatilis_ L., der
Barsch; _Lota fluviatilis_ Bl., die Quappe; _Tinca vulgaris_ Cuv., die
Schleihe; _Abramis brama_ L., der Brassen; _Esox lucius_ L., der Hecht;
_Anguilla anguilla_ L., der Aal, und vereinzelt auch _Cyprinus carpio_
L., der Karpfen, gefangen.

Was die +Mollusken+ anlangt, so ist denselben in diesem Bande
schon ein längerer Aufsatz gewidmet. Im folgenden soll deshalb dem
Naturbeobachter nur gezeigt werden, was er im und am Süsswasser von
dieser Tierklasse auffinden kann. Von den Nacktschnecken findet man
auf den Inseln der Flüsse, an den Ufern unter Genist und Steinen die
schwarze +Theerschnecke+, _Arion empiricorum_ Fér., _Arion fuscus_
Müller, den gefrässigen _Limax agrestis_ L. und den zierlichen braunen
_Limax brunneus_ Drap. Unter feuchten und faulenden Weidenblättern
lebt die glänzende _Hyalina nitida_ Müller. An den Schlengen _Helix
hispida_ L.; _Helix rubiginosa_ Zgl.; _Helix liberta_ West. und
besonders häufig da, wo _Aster salicifolius_ Scholler wächst, _Helix
arbustorum_ L. In Gesellschaft mit _Hyalina_ trifft man _Cionella
lubrica_ Müll.; _Cionella lubricella_ Zgl.; _Cionella acicula_
Müll.; _Pupa antivertigo_ Drap. und _Carychium minimum_ Müll. An
den Pflanzen am Wasser ist sehr häufig _Succinea putris_ L. (die
Bernsteinschnecke) mit ihren zahlreichen Varietäten, an Pflanzen
im Wasser ebenso häufig _Succinea Pfeifferi_ Rossm. und am Boden
_Succinea oblonga_ Drap. Von den eigentlichen +Wasserschnecken+ findet
der Naturfreund eine ganze Reihe: zunächst die zahlreichen Limnaeen,
von der grossen _Limnaea stagnalis_ L. bis zur kleinsten _Limnaea
truncatula_ Müll., dann die eigenartig gewundenen +Tellerschnecken+,
_Planorbis_; die +Napfschnecken+, _Ancylus_; ferner eine Reihe von
Paludinen, Bythinien, Bythinellen und Valvaten, darunter in der Weser
und Elbe die seltene _Valvata fluviatilis_ Colbeau, ferner _Neritina
fluviatilis_ L. Von den Lamellibranchien gehören die sämtlichen
Unionen, Margaritana, Anodonten, Sphaerien und Pisidien hierher
und endlich die seit 1828 in Deutschland bekannte, aus dem Osten
eingewanderte _Dreyssena polymorpha_ Pall. Es würde zu weit führen,
die sämtlichen Süsswasserschnecken und Muscheln hier eingehender zu
behandeln und es möge genügen, im obigen auf die zahlreichen Vertreter
dieser Gruppe hingewiesen zu haben. Eine besondere Aufmerksamkeit
verdient die neuerdings aus dem Osten eingewanderte Süsswasserschnecke,
_Lithoglyphus naticoides_ Fér., welche vor einigen Jahren zuerst in der
Weichsel aufgefunden wurde, dann etwas später auch in der Umgegend von
Berlin und Küstrin entdeckt ist und schliesslich auch bei Rotterdam
nachgewiesen ist. Bislang war sie nur bekannt aus dem südöstlichen
Deutschland und aus den Flussgebieten des Schwarzen Meeres.

Werfen wir nun noch einen flüchtigen Blick auf die Vertreter der
niederen Tierklassen, so kann man sich nicht genug wundern über
die Menge und Mannigfaltigkeit der niederen Geschöpfe. In einem
kleinen Raume, den das Auge bequem mit einem Male übersehen kann,
welche Vielfachheit der Gestalten, welches Spiel der Farben, welche
Emsigkeit in ihrem Leben und Weben, welch ein Huschen und Flattern,
welch ein Springen und Hüpfen an Blüte und Strauch, auf Stein und
Boden. In dem von der Flut eben zurückgelassenen Geniste wimmelt es
von verschiedenen Käferarten. Hier sieht man die hurtigen _Tachys_,
dort huschen von dannen _Nebria_- und _Elaphrus_-Arten; hier über
Pflanzenstengel und Gestein, bald drüber, bald drunter weg, eilen
_Blethisa_, _Bembidium_, _Panagaeus_ und manch andere Arten der
kleinen und kleinsten Läufer. Dort erscheinen an der Oberfläche des
Wassers Dytisciden und Hydrophiliden. Hier tummeln sich im buntesten
Durcheinander die lebendigen und nimmer rastenden Gyriniden. Auf den
Blüten der Aster und am Weidengesträuch schwirren die Canthariden und
an ebendenselben Pflanzen kriechen die bedächtigen Curculioniden. Auf
den Blüten der Umbelliferen tummeln sich die graziösen Cerambiciden.
Hier wiegen sich auf schwankendem Rohr die metallisch glänzenden
Donacien und dort auf beweglichen Grashalmen schaukeln sich die oft
in den herrlichsten Farben schillernden Chrysomeliden. Auf den Blüten
von _Cirsium oleraceum_ Scop. gaukeln bunte Falter. Raschen Fluges von
Blüte zu Blüte, nirgends lange verweilend, eilen die Sesien dahin;
dort sitzt bedächtig an einer Weide, die Flügel übereinandergeschlagen
und den Abend erwartend, der Weidenbohrer, _Cossus ligniperda_ F., und
neben ihm läuft hastig bald auf bald ab am Stamme der Moschusbock,
_Aromia moschata_ L. Hier schwirren über die Wasserfläche die
schlanken _Agrion_-Arten, dort sieht man bald am Rohr sitzend,
bald raschen Fluges dahinschwirrend die stattlichen _Aeschna_- und
_Libellula_-Arten. Über dem Wasser, besonders an warmen Sommerabenden,
treiben Hunderte von Fliegen und Mücken ihr lustiges Spiel. Über die
Wasserfläche eilen die flinken, langbeinigen Hydrometriden und unter
Steinen treiben die lichtscheuen Myriapoden ihr Wesen, daneben hüpfen
von Blatt zu Blatt, von Stein auf Stein die bunten Thysanuren. Überall
regt sich Leben, am Rohr und im Gras, auf Blüte und Strauch, auf der
Wasserfläche und am Grunde des nassen Elements, im Geniste und auf
dem Sande des Ufers; ein Leben, welches den Naturfreund fortdauernd
mit Wissbegier erfüllt und ihn anspornt, sich den noch unerforschten
Problemen desselben mit Eifer zu widmen.



Druck von J. J. Weber in Leipzig.




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