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Title: Kreuz und Quer, Dritter Band - Neue gesammelte Erzählungen
Author: Gerstäcker, Friedrich
Language: German
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  Kreuz und Quer.

  Neue gesammelte Erzählungen
  von
  Friedrich Gerstäcker.

  Dritter Band.

  Leipzig,
  Arnoldische Buchhandlung.
  1869.



Inhaltsverzeichniß.


                                                        Seite

  1. Jay-hawkers                                            1

  2. König Zambiri                                        198

  3. Der Mexikaner                                        284

  4. Ein =prize-fight= oder Boxerkampf in Cincinnati      358



Jay-hawkers.



Erstes Kapitel.

In Perryville.


Das kleine Städtchen Perryville in Arkansas, das, während der Krieg in den
östlichen Staaten der Union wüthete, nun über zwei Jahre fast wie todt und
verlassen gelegen hatte, schien heute, am ersten October des Jahres 1862,
seinen friedlichen Charakter abgelegt und sich in einen militärischen
Tummelplatz verwandelt zu haben.

Daß von allen Seiten Reiter, die lange Büchse auf der Schulter, die
schweren Messer an der Seite, heransprengten, würde weniger aufgefallen
sein, denn ohne diese Waffen ging überhaupt kein Backwoodsman nur von Farm
zu Farm, aber dazwischen sah man auch eine Anzahl von Männern in grauen
uniformartigen Röcken und doch auch wieder nicht uniform, denn Mancher von
ihnen trug einen alten Filzhut, Mancher einen Strohhut auf dem Kopfe, aber
alle auch einen Gurt um den Leib und neben dem Messer einen, manchmal sogar
zwei Revolver.

Perryville ist keine regelmäßige Stadt, wenn auch schon seit langen Jahren
regelmäßig ausgelegt. Arkansas selber hatte aber die in den schönen Staat
gesetzte Hoffnung, daß er sich rasch und entschieden bevölkern würde, nicht
bewährt. Viele seiner Bewohner, unstätes Volk alle zusammen, waren nach
Californien gezogen, als der erste Ruf des Goldes von dort herübertönte,
Andere nach Texas, weil sich vielleicht ein Fremder in ein oder zwei Miles
Entfernung von ihnen angesiedelt hatte und die »zu nahe« Nachbarschaft
ihnen unbequem wurde, und wenn sich dann auch mancher neue Einwanderer
von den östlichen Staaten her in das Land zog, hielt sich die Bevölkerung
trotzdem so ziemlich auf dem alten Stand.

Nur an den kleinen Fluß hinauf, den Fourche-la-Fave, wie er genannt wird,
hatten sich die Farmen, aber auch nur mit weiten Unterbrechungen gezogen;
das innere Land lag noch in jungfräulicher Wildniß, von keiner Axt,
höchstens einmal von dem Beil des Jägers berührt, der sich dort junge
Stämme zu Lagerstangen abhieb, und das Städtchen, was so nach und nach am
Fourche-la-Fave entstanden, war eigentlich gar nicht nöthig. Die Farmer
und Jäger brauchten es nicht, hätten wenigstens recht gut ohne dasselbe
bestehen können, und benutzten es nur zu gelegentlichen Zusammenkünften.

Bis hierher war auch der eigentliche Krieg noch nicht gedrungen und drang
überhaupt nicht hin. Truppenkörper der verschiedenen Armeen schickten wohl
später dann und wann einmal einen Streifzug durch den Wald, aber der
mußte die Straße halten und verweilte auch nicht gern lange in den dichten
Wäldern, wo er sich nie sicher davor fühlte, von einem anderen, vielleicht
stärkeren Corps überfallen zu werden.

Little Rock, die Hauptstadt des Staates, hatte sich allerdings zu Gunsten
der Secession erklärt, denn Arkansas war ein echter Sclavenstaat, wenn
es auch im Verhältniß nur wenig Negersclaven aufweisen konnte. Die
eigentlichen Farmer und Jäger hatten sich aber bis jetzt, wie nach
stillschweigendem Uebereinkommen, noch nicht am Kriege betheiligt. Sie
waren weder angegriffen, noch belästigt worden und mit der geringen
Bevölkerung ihres Staates, warfen sie ja doch kein Gewicht in die
Wagschaale des Krieges. Ueberdies verkündeten die seltenen Nachrichten,
die wirklich zu ihnen drangen, nur immer neue Siege der Secessionisten, die
sogar das Capitol in Washington bedrohen sollten; sie wurden also dort
gar nicht gebraucht, während sie hier unumgänglich nöthig blieben, um
ihre Familien zu erhalten. Was hätten die einzelnen Frauen und Kinder hier
mitten im Walde anfangen wollen, wenn die Männer und jungen Leute
weit hinweg in andere Staaten gezogen wären, um sich mit den Yankees
herumzuschlagen.

Außerdem standen fast alle _alten_ Leute in dem ganzen District, im
_Herzen_ auf Seite der Union. Am ganzen Fourche-la-Fave war auch nicht ein
einziger Sclavenhalter, kein einziger Neger zu finden. Am Petite-Jeanne
drüben gab es allerdings ein paar, aber ihretwegen wäre es wahrlich nicht
der Mühe werth gewesen, einen blutigen Krieg anzufangen und die große und
mächtige Union in zwei Hälften zu reißen.

Einzelnen jungen Leuten zuckte es allerdings in den Gliedern, Theil an
dem Kampf zu nehmen und einen Tanz mit den »verdammten Abolitionisten« zu
haben, wie die Yankees damals genannt wurden und welchen Namen sie auch in
der That noch zum großen Theil jetzt führen; die große Mehrzahl war indeß
entschieden _gegen_ eine Betheiligung am Krieg, denn die Südstaaten, zu
denen sie allerdings ihrer Lage nach gehörten, hatten die Flagge der Union
beschimpft, die Constitution gebrochen und den Bürgerkrieg entzündet. _Sie_
wollten keine Hand in solchen Dingen haben.

Nur die Frauen neigten sich sonderbarer Weise der Secession zu, und aus
welchem Grunde?

Im Herzen trugen sie alle den Wunsch, es einmal dahin zu bringen, daß sie
sich ein Hausmädchen -- natürlich eine Sclavin -- anschaffen konnten, denn
Dienstboten, wie wir solche bei uns gewohnt sind, gab es ja nicht in der
Union, und was man =a help= nannte, eine »Hülfe,« und worunter sich eine
Nachbarstochter verstand, die einmal auf kurze Zeit oder weil bei ihnen
selber das Brot knapp wurde, herüberkam und eine Weile aushalf -- konnte
natürlich nicht genügen, da diese jungen »=ladies=« wie die rohen
Eier behandelt sein wollten und bei dem ersten rauhen Wort das Haus
augenblicklich und indignirt verließen. Eine junge Negersclavin blieb also
ihr heimlicher, aber dafür desto innigerer Wunsch, und daß sie sich --
unter solchen Umständen -- nicht für Abschaffung der Sclaverei begeistern
konnten, versteht sich wohl von selbst.

Vor kaum acht Tagen nun war die Nachricht hier in den stillen Wald
gedrungen, daß die »Südlichen« wieder einen neuen und großen Sieg über
den Norden davongetragen hätten und dieser jetzt die verzweifeltsten
Anstrengungen mache, um den immer mächtiger werdenden Feind zu verhindern,
sich selbst in Besitz des Capitols zu setzen. Eine Aushebung von
Hunderttausenden sollte unter den Yankees ausgeschrieben sein, und es war
deshalb nöthig geworden, auch die Kräfte des Südens zusammenzurufen, um die
»Abolitionisten« nicht wieder zu Athem kommen zu lassen, sondern womöglich
gleich mit einem Schlage zu vernichten. Derartige Phrasen durchliefen ja
fortwährend die weit abgelegnen Territorien sowohl, als auch die einzelnen
Rebellenstaaten selber, und fanden in den letzteren vielleicht Wiederklang
-- in Arkansas aber nicht. Als deshalb auf den heutigen Tag Emissaire vom
anderen Ufer des Mississippi eine Versammlung in Perryville ausgeschrieben
hatten, um den Stand der Verhältnisse zu besprechen, fanden sich wohl die
jungen und auch die älteren Leute dazu ein, weil sie etwas Bestimmtes über
den Stand des Krieges zu erfahren hofften, aber begeistert für die Sache
selber waren sie nicht, ja die alten Backwoodsmen sogar fest entschlossen,
einer möglichen Anwerbung entschieden entgegenzutreten.

Den jungen Burschen aber kam ein solcher »Frolic,« wie sie es nannten,
gerade recht. Der Krieg dauerte nun schon Jahre, und eine todte,
erdrückende Schwüle hatte indessen auf dem ganzen Land gelegen. Wer sollte
auch Lust gehabt haben sich zu vergnügen, während nur immer eine Nachricht
nach der anderen kam, wie bald da bald dort Tausende im gegenseitigen
Bruderkampf erschlagen waren und ihr Herzblut die zerstörten Felder
röthete.

Die Meisten sammelten sich auch bei dem alten Bockenheim, denn obgleich
in den letzten fünf Jahren noch zwei andere kleinere =groceries= oder
Kaufläden geöffnet worden, hatte man sich doch an den Deutschen, einen der
ältesten Ansiedler der Fourche la Fave, gewöhnt, und außerdem sollte
auch die eigentliche Versammlung in der unmittelbaren Nähe seines Hauses
stattfinden, zu der sogar ein Major der Secessionisten herüber gekommen.

Man lebte einmal wieder in dem bisher so todten Städtchen und der Whisky
floß. Allerdings war es nicht mehr möglich, diesen von Norden herunter zu
beziehen, woher sonst der beste Mohongahela kam, denn der Strom war sowohl
von den Nord- als Südstaaten blokirt worden und selbst auf jedes kleine
Boot wurde geschossen, das den Versuch machen wollte, sich hindurch
zu schleichen. Aber in Arkansas wußten sie sich, was wenigstens diesen
Gegenstand betraf, zu helfen, denn überall entstanden kleine Brennereien,
wobei noch die Heintzesche den besten Stoff lieferte. Von diesem war ein
frisches Faß angezapft worden, und die jungen Leute vom Fourche-la-Fave
hatten sich schon darum gesammelt, als die County-Straße herunter, von
zwei »Sesesch«-Officieren (Secessionisten) begleitet, der Major auf einem
prächtigen Rappen angesprengt kam, und vor Bockenheim's Thür sein muthiges
Roß einzügelte.

»Hallo Major!« rief ihm Einer der jungen Burschen zu, indem er ihm zugleich
den vollen Becher entgegenhielt -- »=how do you swop horses= (wie wollt
Ihr Euer Pferd vertauschen) gegen den Grauen dort, der an den Hickory
angebunden steht?«

»Mein junger Freund,« sagte der Major, nicht im Geringsten durch die Frage
beleidigt, denn sie war etwas zu Allgewöhnliches -- »wir brauchen jetzt
alle unsere guten Pferde selber, denn die verdammten Abolitionisten laufen
so rasch, daß man sie mit alten Kracken gar nicht einholen kann.«

»Oho Major,« lachte Jim Jenkins, ein Farmerssohn, dessen Vaters kleine
Ansiedelung unmittelbar am Arkansas lag -- »so sehr schnell können sie doch
nicht laufen, wenigstens nicht so weit, denn Washington liegt doch dicht
bei Virginien, und bis dahin haben sie Euch noch nicht gelassen.«

»Weil wir dort Nichts zu holen hatten, Jim,« rief Hendricks, ein junger
Mann vom Petite Jeanne, der aber auch schon die Uniform der Secessionisten
trug und -- wie er Anderen erzählte -- nicht blos ein paar der blutigsten
Schlachten mitgemacht, sondern auch ein paar Dutzend Abolitionisten mit
eigener Hand erschlagen hatte. »Was sollten wir in Washington? Das leere
Weiße Haus besetzen? Das Lumpenvolk hat es ja schon vollständig ausgeräumt,
und selbst die Bevölkerung der Stadt ihre beste Habe in Sicherheit
gebracht. Wohin wir kommen wollen, dahin kommen wir auch -- und wenn wir
jetzt Alle richtig zusammenhalten, rücken wir ihnen im nächsten Monat
nach New-York hinein, und da giebts nachher Beute, denn Lee hat uns fest
versprochen, daß wir dort plündern sollen.«

»Bah, wir sind keine Räuber,« sagte Jim finster, »daß man suchen sollte,
uns damit anzulocken. Wer hier her kommt zu uns, um uns zu belästigen,
gegen den stehen wir zusammen -- was kümmern uns die Kaufläden in
New-York?«

»Muß eine verwünscht gemeine Seele sein,« rief da ein anderer, John Wells,
der Sohn eines der besten Jäger am Fourche, der sich aber an politischen
Dingen nie betheiligte und still und zurückgezogen auf seiner Farm lebte
-- »der in einem solchen Krieg von Plündern spricht -- verdient daß man ihm
die Uniform vom Leib risse.«

»Dazu gehört ein _Mann_!« rief Hendricks, zornig auffahrend.

»Gott verdamm Dich, hier steht er!« schrie John, in dem Augenblick auch
sein eigenes Jagdhemd abwerfend, um die Arme frei zu bekommen, indem er
Hendricks gegenüber sprang -- »stell' Dich bereit, mein Junge, und wahr'
Deine Nase --«

»Ich bin nicht hergekommen um mich hier zu prügeln,« rief Hendricks
abwehrend --

»Feigling!« höhnte ihn John, und schien nicht übel Lust zu haben, trotz
alledem auf ihn einzuspringen; der Major aber, der sich indessen mit
einigen der alten Backwoodsmen unterhalten hatte, trat rasch dazwischen und
sagte abwehrend:

»Boys, um Gottes Willen, fangt untereinander keinen Streit an. Wir haben
da draußen alle Hände voll zu thun, um mit den verwünschten Abolitionisten
fertig zu werden, und wenn Ihr denen die Fäuste zeigen wollt, ist's ja
recht, aber nicht hier Freund gegen Freund. Das wäre den Yankees gerade
recht, wenn sie uns hier im Süden selber gegeneinander hetzen könnten.« --

»Dann muß uns so ein hergelaufener Lump aber auch nicht mit Plündern
anlocken wollen!« trotzte John, der noch immer gar nicht übel Lust zu haben
schien, den Kampf aufzunehmen.

»Ich habe nur gesagt, daß von Plündern gesprochen ist,« rief Hendricks,
»ich denke nicht daran, selber so 'was zu thun.«

»Frieden! haltet Frieden!« riefen jetzt auch Einige der älteren Leute. »Es
fließt Blut genug im Lande, Jungens, laßt uns das Elend nicht auch an den
Fourche-la-Fave verpflanzen und erst einmal hören, was der Major zu sagen
hat. Sprecht Major, Ihr habt uns ja hierhergerufen, was soll's eigentlich.«

»Ja, Gentlemen,« begann der Major, indem er seine Militärmütze abnahm und
sich mit der Hand durch die Haare fuhr, »die Sache ist höllisch einfach und
nicht viel darüber zu sagen. Ihr habt bis jetzt hier gelebt, als ob Euch
der Krieg, der da draußen geführt wird, gar nichts anginge, aber das muß
eben ein Ende nehmen. In Missouri sammeln die verdammten Yankees mehr und
mehr Truppen an, weil es ihnen unbequem ist, daß wir den Mississippi
hier haben und besetzt halten. Die also können jeden Augenblick bei Euch
einbrechen und dann sitzt Ihr da, Nichts ist organisirt, kein Commando,
keine Ordnung und Alles zerstreut im Busch, wo man Euch nachher einzeln
aufsuchen und gefangen in die Yankeestaaten hinaufschleppen kann.«

»Aber, Major,« sagte der alte Klingelhöffer, ein Deutscher, der seit
30 Jahren in diesen Wäldern lebte, »red't keinen Unsinn. Wenn die
Unionstruppen wirklich einmal hier durchmarschirten, und Streifcorps sind
schon ein paar Mal in der Nähe gewesen, so haben sie genug für sich selber
mitzuschleppen, als daß sie sich auch noch Gefangene aufladen sollten. Daß
sie uns Rinder schlachten werden, um was zu leben zu haben, ja, das ist
möglich, aber weiter geschieht auch Nichts, und wenn wir unsere jungen
Leute in den Krieg schicken, können sie nachher erst recht machen, was sie
wollen.«

»Daraus wird Nichts,« sagte der alte Jenkins, ebenfalls ein treuer
Unionsmann, der finster daneben auf einer Wagendeichsel gesessen und an
einem Spahn herumgeschnitzt hatte. »Unsere jungen Leute dürfen nicht fort
von hier; nachher ist der Wald leer und unsere Kinder können hungern
und verderben. Laßt es die ausfechten, die das Blutvergießen verschuldet
haben.«

»Ist auch meine Meinung,« nickte der alte Hogau, der oben vom
Fourche-la-Fave heruntergekommen war, »wir oder die Unseren haben Nichts
draußen zu thun, wir gehören hier in die Range, und wenn uns dann Jemand
belästigen will, ei zum Wetter, dann haben wir auch noch unsere Büchsen und
hier zwischen den Bäumen drinn, soll ihnen der Platz bald zu warm werden.«

»Aber Gentlemen!« rief der Major, »es spricht ja kein Mensch davon, daß
die jungen Leute hier den Staat verlassen sollen. General Lee selber ist
dagegen und stimmt ganz mit Ihrer Ansicht überein, daß es eben gefährlich
wäre, die Wälder hier von ihren Vertheidigern zu entblößen. Nur organisiren
sollen Sie sich und eine sogenannte Landwehr bilden, um im Fall eines
Angriffs im Stand zu sein, sich augenblicklich unter ihren Führern zu
sammeln, und ich glaube, das ist doch nur in Ihrem eigenen Interesse und zu
Ihrem eigenen Besten gehandelt.«

»Ich sehe den Grund nicht ein,« rief Klingelhöffer; »zum Henker auch, wir
haben die Mittel und Wege, unsere jungen Leute auf den Fleck zu bekommen,
wenn sie nothwendig gebraucht werden sollten, und in Reih' und Glied können
wir hier im Walde doch nicht kämpfen. Uebrigens« -- setzte er langsamer
hinzu -- »weiß ich auch gar noch nicht einmal gegen wen wir fechten und wer
von den beiden Partheien unser schlimmster Feind ist.«

»Aber Mister -- entschuldigen Sie, ich kann Ihren Namen nicht behalten,«
rief der Major, »Sie reden gerade, als ob Sie noch nicht einmal wissen, ob
Sie auf Seite der Südstaaten oder der Abolitionisten treten sollten.«

»Weiß ich auch nicht,« brummte der alte Mann störrisch, indem er seinen
Hosengürtel in die Höhe zog, »denn einverstanden bin ich mit der ganzen
Geschichte nicht, weil sie eben Lügen braucht, um sich fortzuhelfen.«

»Lügen, Mister?«

»Jawohl, Lügen,« brummte der Alte, »denn, wenn die Berichte alle wahr
wären, die wir hier hergeschickt kriegen, so könnten die Yankees schon gar
keine Soldaten oder überhaupt noch Menschen haben, so viele sind in jeder
Schlacht gefallen und so geschwind sind die Anderen gelaufen. Dabei wird
aber der ganze Krieg eben nur in den Südstaaten geführt; nicht einmal über
dem Ohio drüben haben sich die Südlichen halten können, und uns wollen sie
jetzt auch noch mit hineinziehen.«

»Aber das verlangt ja Niemand.«

»Gut, dann überlaßt das Andere auch uns selber, wir wollen die Sache schon
hier in Ordnung halten. Hat sich überhaupt Niemand sonst darum zu kümmern.«
»Wär' auch etwa meine Meinung,« nickte Jenkins. -- »Wir alten Colonisten
hier haben jetzt herangewachsene Jungen, die selber schon Männer geworden
sind und können es denen ruhig überlassen.«

»Und dann wohnen wir hier auch in keiner Stadt,« fiel Hogan ein, »wo in der
Zeit der Noth ein Nachbar dem anderen beispringen kann, und wenn Einen
was bedroht, der Andere ebenfalls davon wissen muß, weil er dicht daneben
sitzt. Wenn hier in unsere einzelnen Farmen eine Bande einbricht, so können
sie thun und lassen, was sie wollen, nicht einmal das Knallen der Gewehre
hört man beim Nachbar. Wenn die Südstaaten deshalb etwas für uns thun
wollen und überhaupt die Yankees, wo sie sich blicken lassen, vor sich
hertreiben, weshalb räumen sie denn da nicht unseren Nachbarstaat Missouri
von den Abolitionisten? nachher hätten wir hier gewiß Frieden.«

»Das kann aber nur geschehen, wenn wir selber mit dazu helfen,« rief jetzt
Hendricks -- »was sagt Ihr Boys -- wär' das nicht gerade das Rechte für uns
hier, aus dem Wald gen Norden aufzubrechen und die Wälder vor uns, wenn wir
mehr hinaufzögen, rein zu fegen von dem Gesindel, das sich darin versteckt
hält.«

»Das Gesindel,« lachte der junge Wells, »gehört aber so viel ich weiß, nur
zu Eurer Parthei, denn die Unionstruppen klagen genug über die südlichen
»Bushhawker«, die einzeln oder in kleinen Banden im Wald liegen und ihren
Feind nur feige aus dem Hinterhalt niederschießen.«

»Und wißt Ihr einen Guerilla-Krieg, der anders zu führen wäre?« fragte
Hendricks, mit einem finsteren Blick auf den Sprecher. »Hätten sich die
wackern Burschen dort nicht in den Wald geworfen und setzten sie nicht
jeden Tag noch ihr Leben ein, so wären die verdammten Blauröcke lange schon
zu Euch hier herunter marschirt. Freilich ist es bequemer und sicherer,
hier auf der Farm zu sitzen und dann und wann einmal nach einem armen
Hirsch zu feuern. Der kann nicht wieder schießen.«

»Lump Du -- verbrannter!« fuhr der junge Wells empor -- aber Klingelhöffer
sprang jetzt selber dazwischen und rief:

»Frieden hier! wir wollen keinen Streit, wir wollen aber auch keine
südländischen Werber unter uns, die uns die Jungen vom Hause fortlocken.
Laßt uns abstimmen darüber. Wir haben hier fast den ganzen Fourche-la-Fave
versammelt. Laßt die Leute selber entscheiden, ob sie Soldaten spielen
wollen oder nicht. Ich meinestheils bin dagegen; wir sind außerdem schlimm
genug daran, denn mit Little Rock haben wir fast gar keinen Verkehr mehr;
zu kaufen ist Nichts im Land und was wir nothwendig zur Unterhaltung
unserer Familien brauchen, müssen wir uns selber ziehen. Was sagt Ihr,
Jenkins?«

»Beim Alten soll's bleiben,« erwiderte der alte Mann mürrisch. »Wir
brauchen keine Zwischenträger, die uns hier sagen wollen, was wir zu thun
oder zu lassen haben. Ich stimme dagegen.«

»Ich auch -- ich ebenfalls,« tönte es von den meisten Seiten, und nur
einige der jüngeren Leute versuchten eine kleine Opposition, wurden aber so
vollkommen überstimmt, daß sie gar nicht in Betracht kommen konnten. Major
Rollok hatte mit finster zusammengezogenen Brauen daneben gestanden und das
Resultat beobachtet, aber er war auch klug genug einzusehen, daß hier und
in _dieser_ Versammlung, in der überhaupt ein dem Süden nichts weniger als
freundlicher Geist zu herrschen schien, kaum etwas würde auszurichten sein.
Er mußte deshalb seine Zeit abpassen, und -- war auch gerade der richtige
Mann dazu.

»Gentlemen,« sagte er, als er flüchtig den Blick umhergeworfen und sich die
von den jungen Leuten, die auf seiner Seite standen, rasch gemerkt hatte,
»die Frage hier kommt mir nicht mehr zweifelhaft vor. Wie ich sehe, sind
Sie fest entschlossen, ihre eigene Heimath zu vertheidigen, und das Land
in Betracht gezogen, in dem Sie nun einmal leben, kann ich Sie kaum
deshalb tadeln. Lassen wir das also. -- Mr. Bockenheim, Ihr Whisky ist
ausgezeichnet, ich bitte um eine andere Flasche, denn wir haben vom vielen
Reden Durst bekommen.«

»Meiner ist gelöscht,« erwiederte Klingelhöffer, indem er seine Büchse über
die Schulter warf und hinüber zu seinem Poney ging -- »ich denke Boys, wir
sind hier fertig und um eine »=Spree=«[1] zu halten, ist die Zeit zu ernst.
_Ich_ gehe heim.«

  [1]: =Spree= (=sprie= gespr.) ein lustiges Trinkgelag -- ein vergnügter
  Abend.

»Ich auch -- wir Alle,« rief es von verschiedenen Seiten und wenn auch
manche der jungen Leute noch gern den Nachmittag dort geblieben wären,
folgten doch die Meisten den älteren. Nur zehn oder zwölf etwa, von denen
die Meisten in Perryville selber wohnten, blieben noch zurück, um, wie sie
sagten, von dem Major Näheres über den Krieg zu hören, und da diese jetzt
eine verhältnißmäßig kleine Gruppe bildeten, war die kleine Stadt bald
wieder so still und öde als vorher.



Zweites Kapitel.

Der Korb.


Für den Augenblick war die Gefahr, die dem stillen Frieden dieser Gegend
drohte, abgewehrt; denn wenn auch der Major noch sein Bestes versuchte, die
Zurückgebliebenen wenigstens, von denen noch dazu die Meisten auf seiner
Seite standen, zu einem directen Vorgehen in diesem Sinne zu bewegen, so
hatte sich doch die Meinung des Fourche-la-Fave kurz vorher zu entschieden
ausgesprochen, um auf einen Erfolg hoffen zu können. Der Samen war aber
einmal ausgestreut und von diesem Tag an begann eine Art von Unruhe in der
ganzen Range, die man bis jetzt und so lange der Krieg währte, noch nicht
gekannt hatte.

Allerdings verließ Major Rollock mit den übrigen Sesesch-Soldaten die
Ansiedlung, um drüben am Petite Jeanne sein Glück und wie sich später
zeigte mit besserem Erfolg zu probiren; Hendricks aber, der eine Menge
Bekannte am Fourche-la-Fave hatte, blieb zurück und schien dabei auch nicht
besonders durch den Wortstreit eingeschüchtert zu sein, den er mit einigen
der jungen Leute gehabt. Er war ihm ungelegen gekommen, ja -- noch dazu mit
_einem_ der jungen Backwoodsmen, aber er wußte auch recht gut, daß
deren Blut rasch aufbrauste, jedoch auch eben so rasch wieder durch ein
freundliches Wort beruhigt werden konnte.

Acht Tage waren nach der, im vorigen Kapitel beschriebenen Versammlung
etwa verflossen. Der alte Jenkins stand vor seinem Haus und hieb mit seinem
kleinen Beil einen Axtstiel zurecht, sein Sohn James oder Jim, wie er
kurzweg genannt wurde, war nicht weit davon beschäftigt, eine neue
Corncrib oder einen Verschlag, in dem der Mais eingelegt werden sollte,
aufzurichten, und Betsy, seine Schwester, ein blühendes junges Mädchen
von etwa achtzehn Jahren, mit frischer Gesichtsfarbe -- etwas nicht sehr
gewöhnliches am Fourche, und gar so lieben, kastanienbraunen Augen, quälte
sich eben in einer benachbarten Umzäunung mit einer etwas störrischen Kuh
ab, die sich nicht wollte melken lassen, aber doch zuletzt der ruhigen
Entschlossenheit des Mädchens nachgeben mußte. Bill, ihr jüngster Bruder,
kam eben mit einem Eimer Wasser vom Fluß herauf.

»=Hallo the house!=« rief da eine Stimme von außerhalb der Fenz die
Männer an und ein Reiter hielt dort, den Niemand der mit ihrer Arbeit
Beschäftigten hatte herankommen sehen.

Die Hunde schlugen jetzt an und rannten heulend und bellend gegen die Fenz,
an der sie hinaufsprangen, die Gänse schnatterten, die Hühner durch die
zwischen ihnen hinfahrenden Hunde erschreckt, gakerten und es war für den
Augenblick ein Skandal, in dem man nicht einmal sein eigenes Wort hören
konnte.

»Ruhe, Ihr Bestien,« schrie der alte Jenkins, indem er ein Stück Holz
aufgriff und zwischen die Köter hin schleuderte; »wollt Ihr Frieden geben!
Hallo Hendricks, _Ihr_ seid's? Ich glaube, Ihr wäret schon lange wieder
bei der Armee, rücktet mit ihr gegen New-York vor. Kommt herein, Mann, und
bleibt nicht da draußen auf Euerem Pferd halten.«

»Dank Euch, Mr. Jenkins,« sagte der junge Mann, indem er von der Einladung
ohne Weiteres Gebrauch machte. Die Hunde hatten ja auch gesehen, daß ihr
Herr mit dem Fremden sprach, sie also Nichts mehr drein zu reden hatten,
und als dieser jetzt sein Thier draußen angebunden hatte und die kleine
Pforte öffnete, zogen sie sich, wohl immer noch knurrend, aber doch keine
offene Feindseligkeit mehr zeigend, unter das Haus zurück.

Jim Jenkins hatte Hendricks eigentlich erstaunt und mit nicht besonders
freundlichen Blicken betrachtet. Nach dem, was neulich zwischen ihnen
vorgefallen, mochte er seinen Besuch nicht erwartet haben. Aber was ging er
_ihn_ an. Sein Vater hatte ihn aufgefordert, in's Haus zu kommen, er nicht,
und ohne sich deshalb weiter um ihn zu kümmern, fuhr er auch ruhig in
seiner Arbeit fort. Hendricks schien aber anders zu denken, denn nachdem er
dem alten Jenkins die Hand geschüttelt, ging er ohne Weiteres auf Jim
zu, so daß sich der junge Mann verlegen aufrichtete, und sagte mit
freundlicher, ja fast herzlicher Stimme:

»Komm Jim. Die Politik hat schon manche Freunde entzweit, sie soll es aber
hier nicht im Walde thun. Wir waren Beide damals aufgeregt und heftig.
Jetzt haben wir kaltes Blut und ich wenigstens habe die Sache vergessen.«
Er streckte ihm dabei die Hand entgegen und wenn Jim auch wohl selber
schwerlich ein erstes freundliches Wort zu ihm gesagt hätte, war er
doch auch wieder viel zu offener, ehrlicher Natur, eine gebotene Hand
zurückzuweisen. Er schlug ein und nickte.

»Gut Bob, so soll's sein. Du hast Recht, die Zeit ist danach angethan, daß
wir hier Alle zusammenhalten, und ich werd' es wahrhaftig nicht sein, der
den ersten Streit in die »Range« würfe. Sei willkommen.«

»So recht Jungens,« nickte der Alte, der schweigend der kleinen
Versöhnungsscene zugeschaut. »Wir können hier in der That keine Uneinigkeit
gebrauchen, denn wer weiß wie bald wir Einer den Andern nöthig haben,
wenn das Unglück auch über uns hereinbrechen sollte. Und nun kommt herein
Hendricks; das Frühstück wird gleich fertig sein, die Betsy bettelt sich
nur noch da drüben die Milch von der Kuh, die ebenfalls halsstarrig zu sein
scheint. Kommt Mann und drin könnt Ihr uns sagen, was Euch zu diesem Winkel
von Arkansas hergeführt, denn Besuch bekomme ich verwünscht selten, wenn
nicht einmal ab oder zu ein einzelnes Canoe bei mir anlegt.«

Hendricks dankte freundlich, schien aber doch noch keine rechte Lust zu
haben der Einladung ohne Weiteres zu folgen, denn Betsy trat eben mit ihrem
kleinen Melkkübel aus der Umzäunung und kam auf sie zu.

»Wie geht's Miß Betsy,« sagte Hendricks, ihr ein Paar Schritt
entgegengehend und ihr die Hand reichend -- »Sie sehen wohl und munter aus,
und die Arkansas-Niederung scheint Ihnen vortrefflich zu bekommen.«

»Danke Sir,« sagte das junge Mädchen, leicht erröthend, »ich habe ja auch,
Gott sei Dank, noch kein Fieber hier gehabt; Pa und Ma aber desto mehr.«

»Bah, das richtet sich Alles ein,« brummte der Alte, »wenn man sich nur
erst einmal ein Bischen an die warme feuchte Luft gewöhnt hat. Das Land
hier ist aber desto besser. Seht einmal die Maiskolben an, Hendricks, ob
Ihr je in Euerem Leben größere getroffen habt. So lange ich und mein Junge
leben bleiben, hält auch der Boden aus; in dem ist kein Vergang.«

Das Gespräch kam jetzt auf die Fruchtbarkeit der verschiedenen Distrikte,
in dem die Farmer unerschöpflich sind, und Betsy war indessen in das Haus
gegangen, um den Frühstückstisch zu bestellen, denn die Mutter hatte wieder
einen »Anfall« des ewigen kalten Fiebers und saß, sich schüttelnd, am Camin
in der Ecke, die offenen zitternden Hände gegen die Flamme ausgebreitet.

Bei dem Frühstück, das übrigens frugal genug aus etwas gebratenem Speck,
warmem Weisbrod und einem Becher Kaffee oder Milch bestand, erzählte nun
auch der Gast seinen Wirthen, daß er gesonnen sei, den Petite Jeanne zu
verlassen, denn man wohne dorten gewissermaßen aus der Welt. Er wollte
deshalb herüber an den Fourche ziehen, wo er sich schon, ein Stück weiter
oben einen Platz ausgesucht habe, um eine Dampfsägemühle aufzustellen. Er
hatte, wie er bemerkte, eine Masse Vieh im Walde herumlaufen, das jetzt
einen nie dagewesenen hohen Preis in Little Rock brachte. Dorthin wollte er
es nun, ehe er wieder zur Armee ging, treiben und verkaufen und dafür eine
auf Speculation nach der Stadt gebrachte Sägemühle erstehen, die in der
jetzigen Zeit natürlich kein Mensch haben wollte noch auch gebrauchen
konnte, und die er unter solchen Umständen -- wie er sich auch schon
erkundigt -- zu einem Spottpreis bekam.

Der alte Jenkins nickte dazu beistimmend vor sich hin, denn was der junge
Mann da vorrechnete, hatte Hand und Fuß, während sie Nichts nothwendiger in
der =range= brauchten, wie gerade eine schon lang ersehnte Sägemühle, die
auch wahrscheinlich vortreffliche Geschäfte machen würde. Das nur war ihm
dabei etwas Neues, daß Hendricks so viel Vieh haben sollte, denn der alte
Hendricks, der eine kleine Farm am Petite Jeanne angelegt hatte und fast
gar Nichts selber arbeitete, denn er saß den ganzen geschlagenen Tag im
Hause und las in der Bibel, war blutarm -- so wenigstens erzählte man sich
am Fourche-la-fave. Uebrigens bestand nicht viel Verbindung zwischen den
beiden kleinen Flüssen. Nicht einmal ein Weg führte vom unteren Theil der
Fourche-la-fave hinüber, und irrige Nachrichten konnten deshalb wohl recht
gut verbreitet sein.

Der alte Jenkins dachte auch gar nicht daran, über die Verhältnisse eines
Nachbars nachzugrübeln. Das war dessen Sache, und wenn sich der Sohn Geld
erworben oder Vieh gezogen hatte, desto besser. Jenkins war wahrlich nicht
neidischer Natur, um es ihm zu mißgönnen. Seine eigene Arbeit durfte er
aber dabei nicht versäumen, und wie sie nun das Frühstück beendet, ging er
wieder hinaus, um seinen Axtstiel fertig zu schnitzen und dann dem eigenen
Sohn mit der =corncrib= zu helfen.

Jim Jenkins und sein Bruder Bill standen ebenfalls auf, aber es war in
den Backwoods auch Gebrauch, daß ihnen der Gast nicht zu folgen brauchte,
sondern noch eine Zeitlang zurück und bei den Frauen blieb, um sich mit
diesen ein wenig zu unterhalten. Besuch kam ja so selten, und hatte dann
jedesmal einen so weiten Weg zurückzulegen, daß man ihn doch nicht gut auf
eine halbe Stunde beschränken konnte.

Die Mutter war aber kränker geworden und hatte sich auf das Bett in
die entfernteste Ecke des Hauses gelegt, wo sie sich im Fieberfrost die
Steppdecke über den Kopf zog. Betsy stand am Kamin und wusch das Geschirr
auf. Hendricks, den Ellnbogen gegen den Simms gestützt, stand daneben. Die
Unterhaltung war aber in's Stocken gerathen und selbst ein paar Fragen,
die das junge Mädchen an ihn richtete, wurden so kurz und zerstreut
beantwortet, daß sie endlich von ihrer Arbeit auf und ihn ansah.

Hendricks mochte in diesem Augenblick fühlen, daß er sich ungeschickt
benommen, denn das Blut schoß ihm in die Schläfe -- aber es war auch
wirklich nur ein Augenblick, denn schon im nächsten sagte er, wenn auch mit
nur halblauter und fast unterdrückter Stimme:

»Miß Betsy, entschuldigen Sie mich -- meine Gedanken waren mit mir
durchgegangen, und ich glaube ich habe mich etwas albern benommen.«

»Sie haben gewiß nicht verstanden, was ich Sie frug,« lächelte das Mädchen.

»Nein -- in der That nicht, aber erlauben auch Sie mir eine Frage --«

»Gern, wenn ich sie beantworten kann.«

»Nun gut,« sagte Hendricks, und wie sich vorher sein Antlitz rasch und wie
mit einem Schlag röthete, eben so schnell erbleichte es auch jetzt, so
daß ihn Betsy, die sich sein wunderliches Betragen nicht erklären konnte,
erstaunt und fast erschreckt ansah. Hendricks ließ ihr aber nicht lange
Zeit, und nach einem halb scheuen Blick auf das Bett hinüber, wo er aber
keinen Horcher zu fürchten brauchte, fuhr er leidenschaftlich, aber nicht
laut fort: »Sie haben vorhin gehört, Betsy, daß ich mir in allernächster
Zeit eine Heimath zu gründen gedenke -- der Krieg kann kaum sechs Monat
mehr dauern, dann kehre ich zurück und baue mir meine Cabin -- wollen Sie
mein Weib sein? Wollen Sie Ihr künftiges Loos in meine Hände legen? Ich
gebe Ihnen die feste Versicherung, daß ich --«

»Halten Sie ein, Mr. Hendricks,« unterbrach ihn aber Betsy, und es war
jetzt an ihr, zu erbleichen. Das Mädchen war in den wenigen Secunden so
weiß geworden wie Schnee. »Ihr Antrag hat mich allerdings überrascht --
ich war nach unserer flüchtigen Bekanntschaft nicht darauf vorbereitet
-- konnte es nicht sein, aber ich -- muß Ihnen auch erklären, daß jedes
weitere Wort unnöthig sein würde, denn -- ich bin schon Braut.«

»Betsy?« rief Hendricks, und krampfhaft faßte er das Simms, an dem er bis
jetzt gestanden, »das ist nicht möglich. -- Vor kaum vierzehn Tagen war
ich hier und ich weiß, daß Sie da noch frei waren. Sie wollen nur Zeit
gewinnen, aber ich dränge Sie ja nicht -- nur die Möglichkeit will ich von
Ihren Lippen --«

»Und selbst die Möglichkeit kann ich Ihnen nicht geben,« sagte Betsy leise,
aber auch fest und entschlossen. »Ob ich glaube mit Ihnen glücklich leben
zu können oder nicht, kommt hier nicht mehr in Betracht. Ich habe dem
jungen Wells mein Wort gegeben, und sobald John sein neues Haus fertig
hat, wird die Hochzeit sein. Die Zeiten sind so unruhig, daß ich meine
Zustimmung zu einer so raschen Verbindung gab.«

Hendricks hatte seine Unterlippe fest mit den oberen Zähnen gefaßt, und
sein Blick bohrte sich dabei so scharf in Betsy's Augen, daß diese ihn
nicht ertragen konnte. Aber in diesem Blick lag keine Liebe, kein Schmerz,
sondern nur Haß, und während sich ein höhnisches Lächeln über seine Züge
legte, sagte er ruhig:

»Wenn die Sachen so stehen, Miß, dann möchte ich einer so glänzenden
Verbindung allerdings nicht im Wege sein -- der Sohn eines
Halb-Indianers --«

»Mister Hendricks,« blitzte ihn aber jetzt das wieder voll auf ihn
gerichtete Auge des Mädchens an -- »Sie würden nicht den Muth haben,
das meinem Bräutigam in's Gesicht zu sagen. Entfernen Sie sich jetzt
augenblicklich oder ich rufe meinen Vater.«

»Ich werde Sie nicht länger belästigen, Miß,« sagte Hendricks kalt;
»vielleicht habe ich einmal später die Freude, dem jungen glücklichen Paar
meine Glückwünsche zu bringen. Mr. Wells zieht ja wohl nicht mit aus, um
sein Vaterland zu vertheidigen -- was ich ihm auch unter solchen Umständen
nicht verdenken kann.«

Betsy's Blut kochte -- ihre Lippen öffneten sich halb, ihre kleine Faust
ballte sich. Hendricks aber dachte nicht daran, sie noch mehr zu reizen,
die Nähe der Männer vor dem Haus war ihm auch vielleicht unbequem, und sich
nur mit spöttischer Ehrfurcht vor ihr tief verneigend, drehte er sich ab,
ging zu seinem Pferd, band es los, schwang sich in den Sattel, und den bei
ihrer Arbeit beschäftigten Männern einen kurzen Gruß zurufend, sprengte
er gleich darauf den schmalen Pfad entlang, der nach dem Fourche-la-fave
hinüberführte.

»Na?« sagte Jim, der ihm erstaunt nachgesehen hatte, »der hat's ja auf
einmal verdammt eilig. Was ist denn dem in die Krone gefahren, daß er
davonschießt, als ob die Regulatoren hinter ihm her wären.«

Der Alte hatte sich ebenfalls aufgerichtet, und wie von einem plötzlichen
Gedanken ergriffen, fuhr sein Blick nach der eigenen Hausthür hinüber, ob
er dort vielleicht eine Erklärung fände. Die Thür blieb aber leer; Betsy
ließ sich nicht blicken und Jenkins, sich den einen Balken zurecht rückend,
den er eben behauen wollte, sagte kopfschüttelnd:

»Laß ihn laufen. Es ist mir recht, daß Ihr Euch nicht in den Haaren liegt,
denn Nachbarn sollen in Frieden beieinander wohnen. Sonst liegt mir aber
an dem Umgang auch nicht gerade besonders viel; denn der alte Hendricks ist
ein alter Heuchler, so viel ist sicher, und von dem jungen weiß ich eben
Nichts. Komm Jim, faß einmal hier mit an, daß wir den Block da ein wenig
mehr bei Seite schieben; komm Du auch her, Bill. Ich weiß nicht, mir ist es
in's Kreuz hinein gefahren und die alten Knochen wollen nicht mehr so recht
mit! Betsy mag auch eine Hand reichen; das Stück Holz ist mordmäßig schwer
und wir wollen uns gerade keinen Schaden damit thun. He Betsy -- oh Betsy
-- komm einmal einen Augenblick her, Schatz, und nimm die Stange hier. --
Wenn sie die nur immer unterstemmt, daß er nicht wieder zurückfällt, können
wir es schon machen.«

Betsy kam aus dem Haus, dem Ruf Folge leistend, aber das Mädchen sah so
merkwürdig blaß aus, daß Jim erschreckt rief:

»Hallo Betsy, was fehlt Dir? Du bist krank, Schatz -- siehst ja käseweiß im
Gesicht aus. Geh nur wieder hinein, Dich können wir hier nicht gebrauchen.«

»Sagt mir nur, wo ich anfassen soll,« erwiederte das Mädchen ruhig, »mir
fehlt Nichts, wenn ich auch vielleicht ein Bischen blaß aussehe.«

»Dir fehlt Nichts?« rief aber auch jetzt der Alte, der sie aufmerksam
betrachtete, und dann unwillkürlich nach dem Weg hinübersah, auf dem
Hendricks vor wenig Minuten davon geritten. -- »Hat Dir der -- =gentleman=
etwa was gesagt?«

»Welcher =gentleman=, Pa?«

»Nun, der Mister Hendricks.«

»Das ist kein Gentleman,« sagte das junge Mädchen finster und fuhr nach
einer kurzen Zögerung fort: »Ja -- er hat mir seine Hand angeboten.«

»Hm,« brummte der Alte, »merkwürdig geschwind muß es gegangen sein, das ist
wahr, aber als eine Beleidigung kann man das doch nicht eigentlich nehmen.«

»Ich hab's aber so genommen Vater, doch -- laßt den -- Burschen. Sagt
mir wo ich mit anfassen kann, denn ich muß wieder zur Mutter hinein. Das
Schütteln ist vorüber und sie bekommt jetzt ihr Fieber.«

Die beiden Männer wußten recht gut, daß aus der Betsy -- wenn sie nicht
reden wollte, Nichts herauszubringen sei. Der Alte betrachtete sie
allerdings wohl noch eine Minute lang scharf und forschend, aber sie
erwiederte den Blick nicht, und da war es denn das Beste, daß man sie
eben ruhig zufrieden ließ. Er zeigte ihr deshalb jetzt, wie sie die Stange
einsetzen und halten solle, und Betsy, nicht zum ersten Mal bei der Arbeit
verwandt, brauchte auch keine lange Erklärung. In kurzer Zeit war der Stamm
auf seinem Platz, und sie schritt dann wieder, ohne weiter ein Wort zu
sagen, nach dem Haus zurück.

Jim wollte die Sache freilich nicht aus dem Kopf und als er gegen Mittag
noch einmal wieder zu ihr in's Haus kam, frug er sie:

»Höre, Betsy, was hat Dir der Bursche denn eigentlich gesagt? es wäre mir
lieb, wenn ich's erfahren könnte.«

»Laß ihn nur, Jim,« meinte aber die Schwester, »er wird uns hier nicht
wieder in's Haus kommen,« setzte dann ihr Bonnet auf, nahm ihren kleinen
Korb und ging hinaus in's Maisfeld, um dort Bohnen für das Mittagsessen zu
pflücken.



Drittes Kapitel.

Der erste Schlag.


Am Fourche-la-fave änderte sich in der nächsten Zeit wenig und die Bewohner
desselben wußten eigentlich gar nicht, wie glücklich und unbelästigt sie
bis jetzt von den Schrecken des Krieges verschont lebten, während im Osten
die Brandfackel in friedliche Hütten geschleudert wurde und in Virginien
besonders der Boden das darauf vergossene Blut kaum mehr einsaugen konnte.
Insofern befanden sie sich aber auch am Fourche in einer peinlichen Lage,
als sie die _Ungewißheit_ quälte: denn was nur an abenteuerlichen, oft
unmöglichen Dingen von der einen oder anderen Partei erfunden werden
mochte, fand doch sicher seinen Weg hier her in den Wald, und hielt die
Bewohner, besonders die Frauen, in einem steten Grad peinlicher Aufregung.

Uebrigens rückte ihnen der Kampfplatz auch näher, denn der Norden fing an
einzusehen, daß er den Süden nie würde bezwingen können, wenn er nicht den
Mississippi, die Hauptstraße des Westens und Südens, vollständig in die
Hand bekam. Aber der Süden wußte das ebenfalls, und wenn auch New-Orleans
genommen und in den Händen der Yankees war, den oberen Mississippi,
Vicksburg und Memphis hielten die Südländer fest besetzt, und waren
von hier aus im Stande ihre Heere im Osten leicht mit dem im Westen
aufgekauften Vieh zu verproviantiren. Fuhr ihnen dann auch einmal
ein Kanonenboot des Northerners an der Nase vorüber und bedrohte die
Communication, so konnte es sich doch nie lange dort halten, und die
Nord-Armee fing deshalb auch schon an ihre Macht besonders gegen Vicksburg
zu entwickeln, um den Feind dadurch von allen Seiten einzuschließen.

Indessen waren die Secessionisten aber auch in diesem Theil von Arkansas
gerade besonders thätig gewesen, um die Backwoodsmen zu einer compacten
Masse zu organisiren und mit ihnen, wie sie recht gut wußten, eine
Hauptmacht in's Feld zu stellen. Das aber scheiterte anfangs, wie wir
gesehen haben, aber nicht allein daran, daß hier im südlichen Wald die
meisten alten Farmer und Jäger wirklich gute Unionisten waren und von einem
Krieg gegen ihre alte Verfassung gar nichts wissen wollten, sondern auch
an ihrem Widerwillen, den Wald und ihre Heimath zu verlassen. Daß ein Mann
westlich ziehen konnte, weiter in die Wildniß hinein, ja, das schien ihnen
faßlich und kam auch oft genug vor, daß er aber zurück in die Ost-Staaten
geführt werden sollte, wäre keinem auch nur im Traum eingefallen.

Der Süden mußte demzufolge anders manöveriren, und ein paar junge Officiere
wurden abgesandt, die in den verschiedenen Counties den alten Plan wieder
aufnehmen und eine Art Landwehr organisiren sollten -- nur vor der Hand zum
Schutz des Staates selber, und das gelang ihnen denn auch endlich, obgleich
sich die alten Backwoodsmen noch immer aus Leibeskräften dagegen sträubten.
Sie sahen weiter, als das junge Volk, und trauten den Versicherungen nicht
besonders, die jetzt fortwährend ausgestreut wurden: daß nämlich der Norden
in den letzten Zügen läge und jetzt nur auf eine Gelegenheit warte, um
den Süden anzuerkennen und einen halbweg ehrenvollen Frieden mit ihm
abzuschließen.

Der Süden hatte allerdings in vielen Schlachten, von tüchtigen Feldherrn
angeführt, gesiegt, aber man schien doch die Spannkraft des Nordens
unterschätzt zu haben, und im Frühjahr 63 gewann die Lage der Staaten schon
ein anderes Aussehen. Memphis fiel, die nördlichen Truppen waren gegen
»das Gibraltar des Südens«, gegen Vicksburg vorgerückt und hatten eine
regelmäßige Belagerung begonnen, und Lee wurde im Norden so von neuen
anwachsenden Heeren bedrängt, daß er der bedrohten Stadt am Mississippi
nicht einmal zu Hülfe und zum Entsatz kommen konnte.

Die jungen Leute vom Fourche-la-Fave, obgleich sich Viele von ihnen noch
immer zurückhielten, kamen nun schon ziemlich regelmäßig, wenigstens einen
Tag in der Woche, in Perryville zusammen, um ordentlich einexercirt zu
werden; denn wenn man dort im Walde auch keine »Feldschlacht« liefern
konnte, mußten sie doch nothwendigerweise die verschiedenen Signale und
Commandorufe kennen lernen, um eben auf alle Fälle gerüstet zu sein. Diese
Uebungen wurden auch den ganzen Sommer hindurch fortgesetzt, als plötzlich
ein dumpfes, freilich noch unbegründetes Gerücht durch den Wald lief:
Vicksburg sei gefallen, wie sich Memphis selber schon lange in den Händen
der Unionstruppen befand.

Allerdings widersprachen die südlichen Agenten dem auf das Entschiedenste
und brachten selbst Zeitungen aus Vicksburg -- freilich von etwas früherem
Datum, in welchen aber die Belagerten noch eine vollkommen übermüthige, ja
fast höhnende Sprache gegen den Norden führten. Aber die Zeitungen selber
-- das Papier nämlich, auf dem sie gedruckt waren, stimmte nicht recht
zu der darin enthaltenen Behauptung, daß die Yankees noch nicht einmal
im Stand gewesen wären, selbst ihre Communication mit dem Inland zu
unterbrechen, denn man war schon in Vicksburg gezwungen gewesen, die
Lettern nicht mehr auf Papier, sondern auf Tapeten zu drucken, da es an
dem ersteren in der eng eingeschlossenen Stadt vollkommen fehlen mußte. Die
Zeitungen hatten deshalb auch, blos auf einer Seite gedruckt und auf dem
Rücken mit irgend einem Tapetenmuster, ein höchst wunderliches Ansehen und
stimmten nicht zu dem Uebermuth, der sich noch immer in ihnen aussprach.

Die Musterungen im Wald wurden aber desto eifriger betrieben, und plötzlich
kam sogar der Befehl, daß in Randolf, einer kleinen Stadt in Tennessee
aber an der andern Seite des Mississippi und also außerhalb Arkansas,
eine Hauptmusterung abgehalten werden solle, um der Zahl der waffenfähigen
Männer sicher zu sein.

Das war allerdings gegen die erste Abrede, nach der eine Verwendung der
»Landwehr« nach Außen, gar nicht beabsichtigt worden. Die Verwendung
selber wurde auch jetzt noch geleugnet; es sollte, den Versicherungen der
Officiere nach, nur eben eine Musterung und nichts weiter sein, aber man
wünsche sehr, daß sich alle jungen Leute dabei betheiligen möchten, um
einen bestimmten Ueberblick zu gewinnen.

Das gab große Aufregung am Fourche-la-Fave, und wenn auch bei Vielen die
Lust, sich an dem Krieg da draußen zu betheiligen, nicht besonders groß
sein mochte, weil es eben gegen den eigenen Stamm ging, und die meisten
der hiesigen Ansiedler gerade von den nördlichen Staaten, von Indiana und
Illinois, hierher gezogen waren, so arbeitete doch auch wieder der Ehrgeiz,
nicht zurückzustehen, zu Gunsten der Südstaaten, und brachte dadurch viel
Leid in einzelne Familien, ohne den Gang der Ereignisse wenden, ja nur
aufhalten zu können.

In Klingelhöffer's Familie herrschte ebenfalls tiefe Trauer. Der alte Mann,
eine lange eherne Gestalt mit großem rothen Bart und hellblauen Augen, ging
mit untergeschlagenen Armen und fest zusammengezogenen Brauen in seiner
Stube auf und ab. In der Ecke saß die Mutter, ein Bild tiefer Betrübniß,
die Hände im Schooß gefaltet, die guten Augen voller Thränen, die ihr
unbewußt an den Wangen niedertroffen, neben ihr die Töchter, ebenfalls
bedrückt, während am Fenster, den Blick auf den breiten Strom gerichtet,
der einzige Sohn, ein hochaufgeschossener, kräftiger Bursch stand und wohl
bleich und erregt, aber auch festentschlossen aussah.

»Ich kann nicht anders, Vater,« sagte er endlich, nach einer langen Pause,
in der Niemand gewagt hatte, die Stille zu unterbrechen -- »ich bin
mit ihnen zusammen aufgewachsen, ich kann mich jetzt nicht von ihnen
ausschließen oder ich dürfte mich ja nicht einmal mehr in den Ansiedlungen
blicken lassen, ohne von den Frauen selbst verhöhnt zu werden.«

Der Alte zerbiß einen Fluch. »Und was das Weibervolk über Dich sagt, liegt
Dir mehr am Herzen, als der eigene Vater, die eigene Mutter.«

»Sie werden mich Memme schelten und das willst Du doch auch nicht.«

»Nein, bei Gott nicht!« rief der alte Mann, »und wenn Du mir heute sagtest,
ich halt's nicht mehr länger daheim aus -- ich will hinauf in den Norden
ziehn und gegen Sklaverei und für die Verfassung kämpfen, ich gäbe Dir,
wenn auch mit blutendem Herzen, meinen Segen: aber daß Du mit den Sesesch
die Hand an das Palladium unserer Freiheiten legen willst, daß das mein
eigener, mein einziger Sohn thun will -- das thut weh.«

»Und _könnt'_ ich in den Reihen des Nordens fechten,« sagte der junge Mann
wehmüthig, »wo alle meine Freunde und Schul- und Spielkameraden in den
Reihen der Feinde stünden? Es wäre zu furchtbar.«

»Darum bleib. Die Musterung ist nur eine faule Lüge, um Euch erst einmal
von hier fortzulocken. Sie lassen Euch nie wieder in den Wald zurück.«

»Ich kann nicht Vater. -- Sie gehen Alle.«

»Sie gehen nicht Alle,« rief der Alte heftig. »Jim Jenkins denkt nicht
daran, für den Süden zu fechten, ebensowenig Jim Cook und die beiden Wells,
und daß Hogan geht, glaub' ich ebensowenig, und denen wirst Du doch gewiß
nicht vorwerfen, daß sie feige sind.«

»Nein Vater, aber sie mögen das mit ihrem eigenen Gewissen abmachen. Die
drei Houstons gehn jedoch, Curtil, Rawlins, Rankins, die Mac Kinneys,
Smeiers, Hodges und wie sie Alle heißen und vom Petite Jeanne drüben gehen
sie Alle, ebenso vom Mamelle und der anderen Seite drüben und die jungen
Leute vom Van Buren herunter, von Washington, Fulton, ja selbst vom Fort
Smith haben sich schon bei Little Rock gesammelt und warten nur darauf, daß
sich unsere Compagnie ihnen anschließen soll.«

»So geh'!« sagte der alte Mann, mit einem tief aus der Brust geholten
Seufzer, während seine Lippen zitterten und seine ganze Gestalt bebte. »Geh
-- an dem Segen des Vaters ist Dir doch nichts gelegen.«

»Vater!« rief der junge Mann mit hervorquellenden Thränen und tiefem
Schmerz -- »ich kann ja nicht anders; frage die Mutter, ob sie mich in den
anderen Reihen sehen möchte.«

Der alte Mann hatte seine, aber schon lang ausgegangene Pfeife in der Hand,
und faßte sie so krampfhaft, daß das Rohr von einander brach -- aber er
sagte kein Wort; stützte sich nur mit dem rechten Arm auf den Kaminsimms,
und lehnte seine Stirn darauf, daß der rebellische Sohn die Thränen nicht
sehen sollte, die ihm selber in den Bart liefen und jetzt langsam und
schwer in die Asche niedertropften.

»Geh nur,« sagte er endlich, ohne seine Stellung aber zu verändern, »geh
-- Dein Pferd und Deine Waffen hast Du -- was Du an Geld etwa brauchen
solltest, kannst Du in Little Rock bekommen. Ich werde Dir einen Brief
dahin mitgeben.«

»Aber doch nicht so, Vater. Willst Du nicht Abschied von mir nehmen?«

»Willst Du jetzt schon fort?« rief der alte Mann, erschreckt emporfahrend.

»Um drei Uhr haben wir unsern Sammelplatz an der Mamelle; es ist jetzt
schon acht Uhr und ich muß scharf zureiten, wenn ich ihn noch erreichen
will.«

Klingelhöffer erwiderte nichts weiter. Er wischte sich die verrätherischen
Tropfen aus den Augen, ging dann an seinen Tisch, suchte sich sein wenig
gebrauchtes Schreibzeug zusammen, schrieb und faltete denn das Blatt.

Die Mutter war in ihrer Stellung geblieben; sie wußte ja, wie Alles kommen
würde, denn mit ihr hatte der Sohn schon am Abend vorher gesprochen und ihr
seinen festen Entschluß verkündet. Was er mitzunehmen hatte, war auch
schon Alles eingepackt und in Ordnung -- und jetzt kam der Abschied -- der
furchtbare Abschied bei solcher Trennung.

Die Frauen erleichterten sich auch dabei das Herz durch Thränen.
Klingelhöffer selber hatte seinen ersten Schmerz bezwungen und reichte dem
Sohne nur die Hand.

»So zieh' mit Gott,« sagte er dabei, aber die Worte rangen sich ihm nur
mühsam aus der Kehle, -- »zieh mit Gott! Du hast es nicht anders haben
wollen. Dieser freien und herrlichen Constitution wegen habe ich mein
Vaterland verlassen und bin mit Deiner Mutter hier herüber in den Wald
gezogen. Du, mein einziger Sohn, willst die Hand dagegen erheben und sie
mit stürzen helfen.«

»Vater,« bat der Sohn, »ich kann ja nicht anders. Oh, wie gern blieb ich
bei Dir --«

»Ja wohl,« nickte der alte Mann, dessen Geist dadurch in eine andere Bahn
gelenkt wurde -- »bei mir -- Niemand bleibt jetzt bei mir. Wenn sie Dich
todtschießen, dann kann ich von vorn anfangen meinen Acker zu bauen -- so
lang' es die alten Knochen eben noch können und nachher --«

»Ich kehre zurück Vater -- bald -- Du sollst nicht mehr arbeiten dürfen,
Du hast in Deinem Leben genug, über genug gethan. Leb' wohl. Gott schütze
Dich.«

»Leb wohl,« sagte der alte Mann und drückte zum ersten Mal die Hand des
Sohnes, die er noch in der seinen hielt. Da hielt sich Gustav aber auch
nicht länger. Sich an des Vaters Brust werfend, faßte er ihn mit beiden
Armen und eine halbe Minute wohl hielten sich die beiden Männer fest und
schweigend umschlungen. Da schob der Vater den Sohn zuerst von sich ab und
sagte leise:

»Du mußt fort -- Deine Zeit ist um -- mach's kurz.«

Noch einmal umschlang der junge Mann Mutter und Schwestern, dann sprang er
hinaus -- reden konnte er nicht mehr, denn Thränen erstickten seine Stimme.
Draußen an der Fenz lehnte seine Büchse, die griff er auf, schwang sich in
den Sattel, und war im nächsten Augenblick um den Hügel verschwunden, der
den Pfad nach dem nahen Fourche la Fave zu deckte. Das Haus selber lag auf
der Spitze, welche der in den Arkansas einmündende Fourche bildete, und
über diesen mußte er sein Pferd bringen, um dann durch den Wald hin die
nach der Mamelle führende Straße zu erreichen.

Das war überhaupt eine schwere Zeit für die Bewohner dieses bis jetzt
so stillen und eigentlich von dem Verkehr mit der Welt abgeschlossenen
Districts. Manche Hütte hatte damit den einzigen Sohn verloren und wenn
sich auch einzelne dadurch zu trösten suchten, daß es eben nichts
weiter als eine Musterung sei und die jungen Leute bald in ihre Heimath
zurückkehren würden, im Herzen glaubten sie es doch kaum selber und ihre
Befürchtungen sollten sich auch nur als zu begründet erweisen.

Woche um Woche verging, aber die Compagnie kehrte nicht wieder und die
Nachricht kam ebensowenig, wohin man sie geführt, in welche Armee, ob nach
dem Norden oder Süden.

Der alte Klingelhöffer hatte aber mit seiner Behauptung Recht gehabt, daß
sich nicht Alle diesem Zuge anschlossen. Jenkins, Cook und die beiden Wells
waren in der That zurück geblieben und zwar nicht etwa aus Feigheit, aber
im Herzen der Union ergeben, wollten und konnten sie nicht gegen diese
kämpfen.

Uebrigens ließ man sie nicht lange in Frieden, denn kaum waren drei Wochen
nach der vorbeschriebenen Zeit verflossen, als ein Placat von dem in Little
Rock befehlenden General der Südstaaten in Perryville sowohl, wie in den
verschiedenen Ansiedlungen verbreitet wurde, in dem von einer Landwehr für
Arkansas nicht mehr die Rede war, sondern alle waffenfähige Mannschaft, bei
Drohung sofortigen Arrests, nach Little Rock selber einbeordert wurde,
um sich dort zu stellen und einem besonders equipirten Arkansas-Regiment
einrangirt zu werden.

Früher wäre das nun allerdings nicht angegangen, denn mit Gewalt konnte man
den ganzen Fourche la Fave, wenn er einig geblieben wäre, nicht beitreiben.
Züge der Nördlichen waren schon von Missouri her im Anzug und in Little
Rock selber wurde jeder Mann nothwendig zur möglichen Vertheidigung der
offenen Stadt gebraucht. Jetzt aber ging das leichter. Man kannte recht
gut die Einzelnen, die sich bis jetzt der Einberufungs-Ordre entzogen, und
kleine Patrouillen langten oben an, um sie auf ihren Farmen aufzuheben.

Der junge Cook, dessen Vater kurz vorher gestorben war, entging eines
Morgens nur mit Mühe einer ihm bestimmten Ueberraschung und flüchtete in
den Wald, wohin ihm natürlich die Soldaten nicht folgen konnten. Die beiden
Wells mußten ebenfalls ihren Platz verlassen, Jim Jenkins durfte sich gar
nicht mehr auf der, dicht am Arkansas liegenden Farm blicken lassen, weil
sogar mehrmals in der Nacht Boote gekommen waren, das Haus dann in der
Stille besetzt und nach ihm gesucht hatten.

Eigentlich war es wunderlich genug, daß man sich solche Mühe um ein
Paar einzelne junge Leute gab, und um sie einzufangen, viel mehr andere
Mannschaft verwendete. Woher hatte überhaupt der General in Little Rock so
genaue Kunde von dem, was hier mitten im Wald passirte, wenn nicht irgend
ein geheimer, aber mit den hiesigen Verhältnissen sehr vertrauter Feind die
Säumigen denuncirt und ihre Verhaftung hartnäckig betrieben hätte? Aber wer
konnte das sein? -- Betsy Jenkins rieth augenblicklich auf Hendricks, doch
Niemand hatte ihn seit langer Zeit in der =range= gesehen. Eben so wenig
war er bei irgend einer Patrouille betheiligt gewesen, die man sogar, als
der Verdacht erst einmal geweckt war, nach ihm gefragt hatte. Sie kannten
den Namen gar nicht und meinten nur, wenn er schon damals hier in Uniform
gewesen sei, befinde er sich jetzt jedenfalls drüben über dem Mississippi
bei dem Heere, das eben abgeschickt wurde, um Vicksburg zu entsetzen und
die Abolitionisten zurück über ihre Grenzen zu jagen.

Damit zogen sich wieder einige Wochen hin und das Gerücht wiederholte sich,
daß Vicksburg gefallen sei. Aber es war so oft schon aufgetaucht, daß man
es nicht weiter beachtete, noch dazu da die unmittelbare Nähe einen immer
bedrohlicheren Charakter annahm. Allerdings hieß es einmal, daß von Memphis
herüber ein Unionsheer rücke, um Little Rock zu besetzen und dadurch die
Gewalt im Staat zu bekommen, und vom Missouri herunter sollten ebenfalls
die Unionstruppen vordringen. Gegen diese hatten sich aber im Süden
von Missouri wie im Norden von Arkansas Guerillas gebildet -- ebenfalls
Backwoodsmen, aber dem Süden ergeben, die den Feind auf jede Weise zu
belästigen suchten und von den nördlichen in verächtlicher Art Bushwhackers
genannt wurden -- eine Bezeichnung die unserem »Buschklepper« wohl am
nächsten käme.

Die Bushwhacker waren Anfangs auch wohl die reinen Guerillatrupps, wie
sie sich in andern wilden Ländern ebenfalls bilden und nothgedrungen da
entstehen müssen, wo man sich dem Eindringen eines Feindes widersetzen
will, und doch nicht Mannschaft genug auftreiben kann, um ihm im offenen
Feld die Stirn zu bieten. Daß sich aber auch Gesindel zwischen diesen
ordnungslosen Schaaren fand, ist nicht zu verwundern, und besonders
wurden mehrmals scheußliche Grausamkeiten nicht allein an gefangenen oder
verwundeten Soldaten, sondern auch sogar an einzelnen Familien im Wald
verübt, welchen Ueberschreitungen die eigentlichen Bushwhacker aber
vollkommen fern standen und mit Entrüstung solche Anschuldigungen
zurückwiesen.

Nichts destoweniger waren sie aber vollständig begründet, und es zeigte
sich bald, daß es in der That einzelne ordnungslose oder geordnete Banden
im Walde gab, die, wie uns Cooper in seinem »Spion« die »Cowboys«
oder Kuhjungen des ersten amerikanischen Freiheitskrieges beschreibt,
rücksichtslos bei Freund und Feind einfielen und dann wie richtige Räuber
stahlen und plünderten, was sie eben bekommen konnten.

Dieses Gesindel, das aber ebensogut den eigentlichen Bushwhackern wie den
Unionstruppen aus dem Wege ging, und nur da vorbrach und seine Schrecken
verbreitete, wo es sich vor Entdeckung ziemlich sicher wußte, bekam denn
auch bald einen neuen Namen. Man nannte jene, keiner bestimmten Partei
angehörigen Plünderer Jayhawker[2], das Geschäft selber, das sie betrieben,
Jay-hawking, und der Name war bald im ganzen Wald, besonders von Missouri
gefürchtet. Durch sie bekamen aber auch die Bushwhacker einen schlechten
Namen, denn man wußte sie oft nicht von einander zu unterscheiden und die
regulairen Truppen des Nordens ließen diese -- wenn sie einmal einen in
ihre Gewalt bekamen, oft entgelten, was die anderen verübt hatten.

  [2]: Das Wort ist jedenfalls von =jay-bird= -- ein kleiner harmloser
  Waldvogel und =hawk= Falke abgeleitet, bezeichnet also einen Mann, der
  heimtückisch über einen Wehrlosen herfällt.

Die jungen Leute am Fourche-la-Fave nun, Jenkins, Cook und die beiden
Wells, denen der Platz dort zu warm wurde, da man es wirklich ganz
ernstlich auf sie abgesehen zu haben schien, beschlossen den Staat zu
verlassen und bei der Nord-Armee Dienst zu nehmen. Möglich, daß sie dann
mit dieser nach Little Rock vordringen, und dazu beitragen konnten, den
Ihrigen am Fourche Luft und dem nichtswürdigen Spionirsystem ein Ende zu
machen. Nach Norden konnten sie freilich nicht fort, denn dort wären sie
jedenfalls den Bushwhackern in die Hände gelaufen und dann auch sicher für
die Sesesch gepreßt worden. Nach Süden zu durften sie ebensowenig,
denn dort schwärmte es ebenfalls von »Rebellen«, und Little Rock, die
Hauptstadt, war ja auch noch in deren Händen.

Da blieb ihnen denn keine andere Wahl, als gerade gen Osten gegen den
Mississippi hin durch den Sumpf zu brechen. Die Jahreszeit war ja auch
günstig dazu, und im wilden Walde großgezogen, fürchteten sie nicht, ihren
Weg zu verlieren. Ihre Familien drängten sie selber dazu, denn soviel
hatte sich jetzt herausgestellt, daß es zur Unmöglichkeit geworden, länger
neutral zu bleiben. Auf eine oder die andere Seite mußte man sich schlagen
und ohne Weiteres beschlossen sie deshalb, ihren langen beschwerlichen Weg
anzutreten.

Bei Klingelhöffer hatten sie ihren Sammelplatz verabredet, dort
übernachteten sie noch einmal und dem alten Mann war es ein wehes,
entsetzliches Gefühl wenn er sich dachte, daß gerade diese jungen Burschen,
die er als Kinder auf dem Arm herumgetragen, jetzt in das, seinem eigenen
Sohn feindlich entgegenstehende Heer treten und möglicherweise eine Kugel
gerade aus ihrem Rohr seine Brust treffen könne. Aber wie auch sein Herz
dabei denken mochte, sein Verstand, seine ganze Sympathie war trotzdem auf
Seite des Nordens.

Er behielt sie über Nacht bei sich, füllte am nächsten Morgen ihre
Proviantbeutel mit Lebensmitteln und ruderte sie dann selber in seinem Boot
über den Arkansas. -- Wie es das Schicksal bestimmt hatte, mußte es sich
ja doch erfüllen -- es war ein Bürgerkrieg, der Bruder gegen Bruder, Vater
gegen Sohn anhetzte, -- welche Rücksicht konnte da der Freund auf den
Freund nehmen. Die Würfel rollten -- wie sie fielen? -- Nur Gott wußte es.



Viertes Kapitel.

Jay-hawking.


Wie still das am Fourche-la-Fave geworden war, als das sämmtliche junge
Volk den kleinen Fluß verlassen hatte, wie merkwürdig still. Nur die
alten Leute saßen noch auf ihren vereinzelten Farmen -- nur die Frauen und
Kinder, und die getrauten sich jetzt nur in seltenen Fällen hinaus in den
Wald und vielleicht nur einmal nach der allernächsten Ansiedlung hinüber,
denn der alte Browns, der oben in Missouri gewesen war, um zu sehen, wie
es seinen dort wohnenden Kindern ging, hatte die eben nicht erfreuliche
Nachricht mit an den Fourche gebracht, daß die Raubbanden dort und schon
gar nicht mehr so weit vom Arkansas entfernt, mehr und mehr überhand
nähmen, je mehr die nördlichen Truppen nach Süden herunterrückten, und
dadurch auch das Gesindel vor sich her trieben.

Uebrigens waren auch hier schon fremde Gesellen gesehen worden, die
sich allerdings nicht aufgehalten hatten, aber überall, und nur unter
verschiedenen Vorwänden, die genauesten Erkundigungen über den hiesigen
Stand der Bevölkerung einzogen. Bald gaben sie vor, sich hier niederlassen
zu wollen, weil man hier so wenig von dem Bürgerkrieg spüre, bald forschten
sie nach einem verloren gegangenen Verwandten, und wenn es nun auch im
Character der Backwoodsmen selber lag, auf irgend einem Ritt die genauesten
Fragen über Alles zu stellen, so waren die Leute doch durch den unsichern
Zustand ihres ganzen Landes so beunruhigt, daß selbst vielleicht vollkommen
unschuldige Nachfragen ihren Verdacht erwecken konnten.

Aber waren die Nachfragen auch wirklich so unschuldig gewesen? Eines
Morgens kam der alte Smeiers auf seinem todtmüden abgehetzten Thier nach
Perryville hineingeritten und brachte die Meldung, daß sich oben an seiner
Farm verdächtiges Gesindel zeige. Drei von seinen besten Pferden fehlten
zu gleicher Zeit und nur zwei von seinen sieben Milchkühen seien vorgestern
Abend nach Hause gekommen. Es wäre möglich, daß ihnen ein Trupp dieser
verdammten Jay-hawker einen Besuch zugedacht und deshalb besser gleich den
ganzen Fourche-la-Fave aufzubieten, um den Wald abzusuchen und Feuer hinter
die Schufte zu machen.

Er fand aber wenig Aussicht auf Hülfe in dem kleinen Städtchen, wohin eben
die Nachricht gelangt war, daß jetzt Vicksburg, das Gibraltar des Südens,
wirklich von den Yankees nach vielen furchtbaren Stürmen zwar und mit dem
Verlust vieler Menschenleben, aber trotzdem genommen sei und man wußte noch
gar nicht welchen Erfolg dieser, jedenfalls entscheidende Sieg des Nordens,
auf die Kriegführung des Südens haben würde.

Außerdem fehlte es vollkommen an waffenfähiger Mannschaft um einen
wirksamen Zug auszuführen. Wo hätten sie Leute hernehmen wollen, da man ja
das ganze junge Volk hinweg und über den Mississippi hinüber gelockt hatte.
Zeigten sich aber wirklich Jay-hawkers in der Nachbarschaft, wie konnte
man dann das eigene Haus verlassen, um einem ungekannten Feind entgegen zu
ziehen, der vielleicht in derselben Zeit den Fourche gekreuzt hatte und,
solche Gelegenheit benutzend, die ganz unbeschützten Farmen überfiel?

Smeiers fand bald, daß er hier nicht auf Hülfe rechnen konnte, warf sich
wieder auf sein kaum ausgeruhtes Pferd und suchte jetzt seine übrigen
Bekannten auf, die ihm aber auch nur wenig Trost geben konnten.

Cooks Haus fand er ganz verödet, die junge Frau war mit dem kleinen Kind
fortgezogen und kein Mensch auf dem ganzen Platz zurückgeblieben, der ihm
hätte Nachricht geben können. Wells, einer seiner ältesten Freunde, hatte
sich mit der Axt in den Fuß geschlagen und konnte nicht von der Stelle. Die
Söhne waren fort. Wilson fand er wohl zu Haus aber ohne Munition. Er war
gerade von Little Rock zurückgekehrt, wo die Regierung sämmtliche Munition
mit Beschlag belegt hatte, so daß er nicht einmal Zündhütchen für seine
Büchse bekommen konnte -- und weiter hinab sah es genau so aus. Die wenigen
alten Backwoodsmen, die noch auf den Farmen lebten, konnten gar nicht
daran denken ihren Platz zu verlassen, und Klingelhöffer, auf den er fest
gerechnet hatte, lag krank in seinem Bette und konnte nicht einmal gehen,
viel weniger reiten.

Der ganze Fourche-la-Fave befand sich in der That in einem vollkommen
schutzlosen Zustand, und die Nachricht schon, daß sich die allgemein
gefürchteten Gesellen in der Nachbarschaft gezeigt, brachte die Frauen
besonders in die furchtbarste Aufregung.

Das waren die Vorläufer der Yankees -- so hieß es fast überall unter ihnen
-- mit Rauben und Brennen fingen die an, und wie sollte es nun erst werden,
wenn das wirkliche Heer nachrückte und ihren stillen Wald mit seinen
marodirenden Schwärmen überschwemmte.

Die Männer schüttelten freilich dazu mit dem Kopf, denn daß ein paar
Pferde gestohlen wurden -- nun ja, es wäre nicht das erste Mal in der
Range gewesen, und in früherer Zeit hatten sie sich ja auch einmal zu einem
Regulatorenbund zusammenthun müssen, um eine Bande übermüthig gewordener
Schufte zu züchtigen und unschädlich zu machen. Aber seit sie selber jung
gewesen, war das nicht wieder vorgekommen, und dann -- was in Gottes Namen
gab es denn in ihren ärmlichen Hütten zu stehlen, daß es die Habgier von
Dieben hätte reizen können? Das Vieh, nun ja, aber das mußte auch bald
seine Grenze haben, denn nach Little Rock durften sie sich nicht wagen es
zu treiben, und um die Rinder etwa zu verzehren? lächerlich! mit eben so
leichter Mühe konnten sie Hirsche und Truthühner genug im Walde schießen.

So ganz recht war es ihnen aber doch nicht, und wenn sie es sich auch nicht
wollten gegen die Frauen merken lassen, untereinander sprachen sie darüber
und wünschten sich ziemlich offen, daß ihre Jungen nur erst wieder zurück
aus dem verbrannten Krieg wären -- nachher wollten sie mit derartigem
Gesindel schon rasch genug aufräumen, daß ihm der Wald und besonders der
Dogwood[3] darin, bald zu warm werden sollte.

  [3]: Dogwood ist eine Art wilder Corneliuskirsche mit sehr bröcklicher
  Rinde; an diese kleinen Bäume wurden gewöhnlich Strolche angebunden,
  die man bei einem Pferdediebstahl erwischt hatte. Während man sie dann
  peitschte und sie sich um den Baum herumwanden, scheuerten sie die
  Rinde ab und man nannte sogar die Strafe danach »Dogwood schälen.«

Aber die »Jungen« kehrten nicht so bald aus dem Krieg zurück, denn der
Süden hatte, wie sich jetzt herausstellte, mit seinen immerwährenden
Siegesnachrichten, die er im Westen ausgestreut, nur gelogen, und den
Beweis sollten sie bald thatsächlich bekommen. Nicht allein, daß sie die
_Gewißheit_ erhielten, Vicksburg sei wirklich nach einem furchtbar blutigen
Kampfe genommen, nein, eines Morgens kamen sogar Flüchtlinge von Little
Rock herauf, die nach dem Ozark-Gebirge wollten und die Kunde brachten, die
Hauptstadt des Staates sei von den Unionstruppen besetzt und General Steene
befehlige jetzt dort, während sich die Sesesch nach den »Heißen Quellen«
mit Texas im Rücken hinübergezogen hätten und nicht etwa dort Stand
hielten, sondern ihre Flucht ohne Säumen bis über den Redriver selber
fortsetzten.

Aber ein Weheschrei ging zugleich durch die ganze Ansiedelung, denn das
Schlimmste, was sie bis jetzt gefürchtet, war eingetroffen. Droben an dem
Petite-Jeanne war Einer der jungen, damals mit fortgegangenen Leute als
Krüppel heimgekehrt, und wie ein Lauffeuer zog sich die Unglücksbotschaft
durch die Hütten, daß jener ganze, so hinterlistig fortgelockte Trupp nach
Vicksburg hinabgeschleppt sei. Dort hatten sie es möglich gemacht, die
belagerte Stadt in der Nacht zu gewinnen, aber sie kamen gerade im letzten
Augenblick, wo die Stadt selber schon an ihrer Rettung verzweifelte. Sturm
folgte auf Sturm. Drei Tage und drei Nächte lang kam kein Schlaf in die
Augen der Vertheidiger, und da man die junge, ausgeruhte Mannschaft
am Unerbittlichsten dabei verwandte, hatte sie auch natürlich die
furchtbarsten Verluste aufzuweisen.

Vom Fourche-la-Fave allein waren sieben todt geblieben. Unter ihnen Gustav
-- Klingelhöffers einziger Sohn, und die Todesbotschaft traf den alten Mann
ins Herz. Selbst die Nachricht hörte er von da an mit Gleichgültigkeit, daß
mit dem Fall Vicksburgs die Rebellion der Sesesch den Todesstoß erhalten
habe, denn die Unionisten befanden sich jetzt im Besitz der großen
Wasserstraße des Mississippi und hatten damit die Einschließung des ganzen
südlichen Gebiets vollendet. Allen jenen rebellischen Staaten war jetzt die
Verbindung mit dem Ausland vollständig abgeschnitten und nicht einmal den
so nothwendigen Proviant, wie z. B. Schlachtvieh, das sie sonst unbehindert
aus Arkansas bezogen, konnten sie mehr bekommen. Ihre Unterwerfung war
von nun an keine _Frage_ mehr, sondern nur eine Sache der Zeit geworden,
während der Norden auch mit raschem Entschluß seine Truppen in den Westen
sandte, Arkansas selber oder doch die wenigen Hauptplätze besetzte, und ein
Heer Neger nach Texas hineinwarf, um auch dort die Rebellion zu vernichten
und den Rebellen damit die letzte Stütze, den letzten Zufluchtsort zu
nehmen.

Zu spät! -- Der furchtbare Schlag war gefallen -- gefallen auf viele viele
Häupter -- der Sieg mit zu theuerem Blut erkauft worden und stumm, ja fast
gleichgültig sah man den kommenden Ereignissen entgegen.

Aber die Bewohner der Fourche sollten trotzdem selbst aus ihrem Schmerz
aufgerüttelt werden, denn ihre schlimmste Zeit war noch nicht überstanden,
und eine Gefahr drohte ihnen, an die sie bis jetzt kaum gedacht.

Vor wenigen Tagen war die Countystraße entlang ein Bataillon Unions-Truppen
gegen Little Rock marschirt, um sich dort mit General Steene zu vereinigen.
Ein paar Pferde aus der Range schienen dabei abhanden gekommen zu sein und
einige Kühe. Die Soldaten betrachteten sich ja in Feindes Land und daß die
Beraubten gerade zufällig lauter gute Unionisten waren, konnten sie nicht
wissen.

Da durchlief plötzlich die Schreckenskunde die Range, daß die so lang
gefürchteten Jay-hawkers bei Wells oben am Fourche-la-Fave eingebrochen
seien und den alten kranken Wells, auf seinem Bett selbst, todtgeschossen
hätten.

Wells war einer der ältesten Ansiedler, ein schlichter einfacher Mann, der
selten nur mit einem der Nachbarn verkehrte, aber deshalb doch aushalf, wo
er nur irgend konnte. Dabei gab es keinen besseren Jäger und Schützen in
der ganzen Range als ihn, und seine etwas gebräunte Hautfarbe, sein langes
straffes schwarzes Haar ließ ihn sogar, in der Meinung der Hinterwäldler,
vom indianischen Blut abstammen. Er hatte dabei ein bewegtes Leben
geführt und vor langen Jahren sogar einmal, als Texas noch von wilden
Indianerhorden schwärmte, einen Jagdzug dorthin _allein_ unternommen und
sich mehre Jahre dort, selbst einmal von Indianern gefangen genommen,
aufgehalten. Zu seinem Unglück mußten die Verbrecher erfahren haben, daß er
krank darnieder liege, sie würden sich sonst wohl kaum an ihn gewagt haben,
denn daß er seinen Schuß nie fehlte, war bekannt.

Niemand war bei ihm im Haus gewesen als seine Frau und diese erzählte
jetzt, daß der Ueberfall durch sechs fremde Männer geschehen sei, die _sie_
wenigstens früher nie am Fourche-la-Fave gesehen. Nur der Eine von ihnen,
und wie es schien, der Anführer der Schaar, habe ein geschwärztes Gesicht
gehabt und sei ihr bekannt vorgekommen, sie wäre aber nicht im Stande,
irgend einen bestimmten Namen zu bezeichnen.

Daß die Räuber mitgenommen hatten, was sie _irgend_ gebrauchen konnten,
versteht sich von selbst, besonders Well's zwei Büchsen und alle Munition,
aber auch sonst noch an Fellen und Pelzwerk, was gerade da war, und
außerdem eine Menge anderer Dinge, die für sie selber keinen Werth haben
konnten. Die Vermuthung lag deshalb nahe, daß sie das Geraubte nach
irgend einem Versteck gebracht, oder auch vielleicht durch irgend einen
Zwischenhändler nach Little Rock zum Verkauf geschickt hatten.

Die alten Backwoodsmen rüsteten sich jetzt so gut sie konnten, aber was
waren sie im Stand zu thun, wo sie sich einzeln nur auf ihrem von jeder
Hülfe entfernten Platz im Wald befanden. Möglich war auch, daß es nur ein
vereinzelter Raubzug gewesen, denn volle acht Tage lang hörte man Nichts
mehr von Räubern, bis sie auf's Neue, und dies mal mit wahrhaft teuflischer
Bosheit auftraten.

Oben am Fourche wohnte ebenfalls ein alter Ansiedler Hogan, der, wie es
dort hieß, vor kurzer Zeit auf einem Jagdzug in den Ozarkgebirgen, eine
jener Silberminen entdeckt haben sollte, von denen man sich erzählte, daß
schon vor vierzig und funfzig Jahren Venetianer aus dem Osten gekommen
wären, um sie heimlich zu bearbeiten. Ob etwas an der Sache war oder nicht,
konnte natürlich Niemand sagen, aber wie derartige Gerüchte rasch
überhand nehmen, so wollte man schon hie und da wissen, daß Hogan zu Fuß
zurückgekehrt sei, weil sein Thier kaum im Stande gewesen sei, die schweren
Silberstücke fortzuschaffen, die er dort zwischen den Steinen gefunden --
und das gerade mußte die Räuber angezogen haben.

Hogan selber begegneten sie draußen im Wald oder lauerten ihm auch
vielleicht auf und schossen ihn gleich nieder, dann hatten sie leichte Mühe
mit seinem Haus, in dem sie nur die alte Frau, ein paar junge Mädchen und
zwei kleine Knaben fanden. Der Platz wurde umstellt, und nun sollte die
Frau bekennen, wo sie das Silber versteckt halte, das ihr Mann aus den
Bergen mitgebracht habe. Die Frau beschwor zwar die Männer nicht zu
glauben, was sich das Volk am Fourche-la-fave erzähle. Ihr Mann sei
allerdings oben am Whiteriver in den Ozarkgebirgen gewesen, aber nur um
sich einen Platz zur Ansiedlung auszusuchen. Silber habe er gar nicht
gefunden und nur ein paar bunte Steine mitgebracht, mit denen die Kinder
eine Weile gespielt und sie dann weggeworfen hätten. Die Steine würden auch
wohl die erste Ursache zu dem Gerüchte gegeben haben, an dem aber nicht
eine Sylbe Wahres sei.

Der Führer der Schaar, der wieder ein geschwärztes Gesicht trug, hielt
sich, wie die Kinder später aussagten, die Zeit über an der Thür des Hauses
und gab von dort aus seine Befehle. Er betrug sich gerade so, als ob
er fürchte, erkannt zu werden. Der Bericht der Frau aber wurde von den
Jay-hawkern mit wilden Flüchen beantwortet. Ihr Leugnen helfe ihr Nichts --
man wisse genau, daß sie das Silber im Haus versteckt halte und wenn sie
es nicht gutwillig herausgebe, wolle man sie schon zu einem Geständniß
zwingen.

Die Frau weinte und flehte, die Kinder schrieen. Der Eine der rohen Buben
nahm den ersten Knaben und schleuderte ihn mit solcher Gewalt in die Ecke,
daß er dort winselnd am Boden liegen blieb, dann sprang ein Anderer zum
Kamin und stieß die Kohlen mit dem Fuß auseinander und nun setzten sie die
alte Frau, die in Todesangst um Erbarmen bat, auf einen Stuhl, banden sie
dort fest, umschnürten ihr die nackten Füße mit einem Seil und hielten sie
gewaltsam über die glühenden Kohlen.

Die Frau kreischte laut auf, die Töchter warfen sich den Räubern zu Füßen
-- umsonst. Die Frau sollte gestehen, wo Silber, das sie in ihrem Leben
nicht gesehen, versteckt sei, und als sie endlich ohnmächtig wurde, ließ
man sie los und vom Stuhle herunter fallen, und durchwühlte nun die Hütte
von oben bis unten, riß die Dielen auf, grub den Heerd auf und verwandelte
die ruhige stille Heimath guter friedlicher Menschen in wenigen Minuten
in eine Wüste. Silber fanden sie natürlich nicht, nur den ärmlichen,
schon halb zerstörten Hausrath eines Backwoodsman, und aus Wuth, mit allen
Rohheiten gegen die Töchter selber, streuten sie zuletzt die glühenden
Kohlen und Feuerbrände im Haus umher, schichteten das Stroh aus den Betten
darauf und verließen erst den Platz, als sie sich überzeugt hatten, daß er
in hellen Flammen stand.

Die Frau starb, unter den furchtbarsten Schmerzen noch in der nämlichen
Nacht -- die Mädchen flüchteten mit den kleineren Kindern in den Wald,
weil sie die Rückkehr der Räuber fürchteten und wagten sich erst, halb
verhungert, nach einigen Tagen wieder vor, um eines Nachbars Wohnung und
dort Schutz zu suchen.

Jetzt folgten die Ueberfälle rasch einer dem anderen, und Rankins,
ein alter Ansiedler in der Nachbarschaft, ließ sich endlich durch die
dringenden Bitten der Seinen bewegen, in den Wald und den Buben aus dem Weg
zu gehen, denn sie hatten schon nach ihm gefragt, und daß sie kein Erbarmen
kannten, wußte man. Er ging auch und hielt sich 14 Tage lang versteckt,
bekam aber draußen das Fieber und mußte, da er nicht jagen konnte, eines
Abends wieder zurück, um sich Lebensmittel zu holen.

Von den Jay-hawkern hatte man die letzten Tage Nichts gehört, denn wieder
waren Unions-Truppen durch gekommen, von denen eine Abtheilung sogar
nach ihnen suchte, weil man vermuthete, daß sie mit den Bushwhackern in
Verbindung ständen. Aber vergebens; die Verbrecher mußten über alle gegen
sie beabsichtigten Bewegungen gut unterrichtet sein, denn sie ließen sich
nicht eher wieder blicken, als bis sich die Truppe entfernt hatte.

Rankins war in der Zeit gerade zurückgekommen, und die Frauen drängten ihn,
sein Versteck wieder aufzusuchen, aber er weigerte sich. Nur eine Nacht
müsse er, wie er meinte, wieder einmal in seinem Bett schlafen, er hielte
es da draußen im kalten Wald, durch den jetzt schon die Winterstürme
tobten, nicht mehr aus. Lieber von den Jay-hawkern todt geschossen werden,
als da draußen elend in den nassen Büschen und Zoll bei Zoll verkommen.
Morgen wolle er sie wieder verlassen, aber auch in der Nähe bleiben, und
so viel Kraft werde er ja doch wohl noch haben, wenigstens den Rädelsführer
der Schurken von seinem Pferd zu schießen.

Die Nacht verging ruhig, und als der Morgen graute, stand die Frau auf, um
Caffee zu kochen und dem Mann seine mitzunehmenden Lebensmittel zurecht zu
legen.

Rankins Haus stand etwa eine englische Meile vom Fourche-la-Fave ab, an der
Countystraße nach Little Rock, da dröhnte plötzlich in dem stillen Morgen
der Hufschlag rasch herangaloppirender Pferde durch den Wald.

Das sind gewiß Soldaten, rief Frau Rankins, der aber doch das Herz in der
Brust zu hämmern anfing. Rankins selber, eben wach geworden, sprang, wie
er war aus dem Bett und griff seine neben ihm lehnende Büchse auf. Aber die
Reiter brachen schon hervor -- wie ein wildes Wetter sprengten sie gegen
die niedere Umzäunung an und setzten mit ihren Thieren in voller Flucht
darüber hin. Das Pferd des Einen stürzte und warf seinen Reiter gegen das
Haus. Der eine der Männer trug wieder das geschwärzte Gesicht.

Teufel! schrie der alte Rankins und seine Büchse fuhr empor, aber zu
gleicher Zeit zerschmetterte eine Kugel seinen Arm, eine andere traf ihn in
den Hals und zurücktaumelnd fing ihn seine Frau auf und bog sich jammernd
über ihn.

Im Nu waren die Räuber jetzt aus den Sätteln und das Rauben und Plündern
begann, wie in alter Weise, nur daß sie hier noch wilde Flüche ausstießen
und den Sterbenden einen verdammten Abolitionisten nannten, dem sie schon
lange aufgelauert hätten. Sie schwuren auch, daß sie nicht eher Frieden
geben würden, bis sie die ganze »Range« von allen Vaterlandsverräthern
gesäubert und reine Bahn für die Südstaaten gemacht hätten und schlossen
dann ihre Blutarbeit wie gewöhnlich, indem sie einen Feuerbrand unter das
Dach warfen, und dann direct in den Wald hineinritten.

Rankins Knaben, einem Burschen von etwa 10 Jahren, der bei Annäherung der
Räuber entwischt war, und der dicht dabei im Busch auf der Lauer gelegen,
gelang es zwar das Feuer wieder zu löschen, aber das angerichtete Elend
konnte er nicht mehr ungeschehen machen. Der alte Rankins war todt und die
Frauen erfüllten mit ihrem Wehgeschrei die Luft.

Noch an dem nämlichen Abend überfielen die Jay-hawker eine andere
Ansiedlung, erschlugen den alten Hewes, dem sie gehörte, und waren im
Begriff eine seiner Töchter mit in den Wald zu schleppen, als glücklicher
Weise ein kleiner Trupp Cavallerie angesprengt kam und sie, zum großen
Theil selbst die gemachte Beute im Stich lassend, in den Wald flüchten
mußten. Allerdings setzten ihnen die Soldaten nach und es gelang ihnen
auch, Einen von ihnen vom Pferd zu schießen. Die Andern entkamen aber, und
die Patrouille war nicht stark genug, um sich zu weit mit ihren überdies
schon ermüdeten Thieren in die Berge hinein zu wagen.

Den erschossenen Räuber kannte übrigens Niemand; er mußte mit seinen
Genossen von irgend einem andern Staat oder County herübergekommen sein.
Uebrigens fanden sie eine Menge Werthsachen, zwei Uhren, sechs oder acht
Goldstücke und eine goldene Kette bei ihm, Dinge, die natürlich gleich als
gute Beute erklärt wurden, denn die Burschen konnten Alles gebrauchen. Dann
ließ man den Körper an der Straße, wohin man ihn geschleppt, liegen, damit
die Nachbarn ihn betrachten und, wenn sie wollten, auch begraben konnten.
Das war aber kaum nöthig, denn Wölfe gab es dort genug im Walde, die den
Cadaver schon beseitigen würden.

Es schien fast, als ob die Räuber durch diese Ueberraschung eingeschüchtert
wären; man hörte wenigstens lange Nichts von ihnen, bis sie plötzlich
in der Nähe des Arkansas und an der Mündung des Fourche-la-fave wieder
auftauchten.

Klingelhöffers alten Platz, wo er früher gewohnt, plünderten sie total aus,
fanden aber glücklicher Weise den Eigenthümer nicht. Klingelhöffer selber
erhielt gleich danach Botschaft von Perryville, und die Warnung, auf seiner
Hut zu sein und lieber mit seiner Familie in die »Stadt« zu kommen, denn
man vermuthete natürlich, daß ihm jetzt der nächste Besuch zugedacht
sein würde. Der alte Mann war aber nicht dazu zu bringen, seinen Platz zu
verlassen. Nach dem Tod des einzigen Sohnes lag ihm selber Nichts am
Leben, und nur seine noch von Deutschland herübergebrachten Gewehre, eine
Doppelflinte, eine Büchsflinte und eine Pirschbüchse brachte er in Ordnung
und lud sie frisch, verbarrikadirte dann seine Fenz und schwur, daß er
wenigstens fünf von ihnen unschädlich machen wollte, wenn sie es wagen
sollten, die Hand an seine Umzäunung zu legen.

Sie kamen aber nicht dorthin -- der Platz lag ihnen unbequem, gerade auf
der Spitze zwischen dem Fourche und Arkansas. Sie konnten keine sichere
Nachricht erhalten, ob nicht dort vielleicht gerade die jetzt fortwährend
vorbeipassirenden Dampfer der Yankees, die häufig bei Klingelhöffer
anlegten, um Hühner, Eier, oder andere Provisionen zu kaufen, Bewaffnete
an Land gesetzt hätten, und durch den einen Ueberfall schüchtern, oder
wenigstens vorsichtig gemacht, schienen sie keine rechte Lust zu haben,
sich in diese Art von Falle, wo es nur nach einer Richtung hin einen
Rückweg gab, zu begeben.

Jenkins, ebenfalls gewarnt, hatte aber sein Haus und seine Familie nicht
verlassen wollen und nur ein paar Büchsen bereit, um ebenfalls bei einem
Einbruch die Zähne zu zeigen. Außerdem hielten zwei handfeste Hunde den
Platz in der Nacht vor einem Ueberfall gesichert und kamen die Räuber in zu
großer Menge, dann hatte er immer noch Zeit, sich, von den Hunden gedeckt,
nach seinem großen, bereit liegenden Canoe zurückzuziehen. Betsy verstand
übrigens ebenfalls eine Waffe zu führen, und ihrer zwei waren sie der Bande
auch schon eher gewachsen.

Jenkins selber, den Kopf in die Hand gestützt, saß eines Morgens an seinem
Frühstückstisch. Er dachte an den eigenen Sohn, von dem er so lange keine
Nachricht gehabt, und an das Schicksal des armen Klingelhöffer, und das
Herz war ihm übervoll.

Betsy war draußen an der Landung gewesen, und hatte eben noch den Strom
hinabgesehen, wo sich wieder eins der kleinen Dampfboote gegen die Fluth
abmühte und dabei nur langsamen Fortgang machte.

»Das Boot kommt, Vater,« sagte sie, als sie die Schwelle des Hauses betrat;
»es hat jetzt wohl eine Stunde da unten festgesessen, ist aber wieder flott
geworden. Vielleicht bringt es Briefe von Jim mit.«

Der alte Mann seufzte und reichte ihr eine Zeitung hin.

»Da lies,« sagte er -- »das ganze Blatt enthält fast weiter nichts als
Todtenlisten und Angaben von den 2000 -- oder gar 3000 Vermißten -- armen
Teufel, die nach der Schlacht elend im Walde umgekommen und von den Wölfen
gefressen wurden. Armer Jim! wer weiß, wo ihn sein Schicksal erreicht hat,
und ob wir uns je wiedersehen werden.«

»=Hallo the house!=« rief da plötzlich eine Stimme und als die Hunde wie
immer, wüthend anschlugen und Betsy in die Thür trat, um zu sehen wer da
das Haus anrief, bemerkte sie einen einzelnen Reiter draußen an der Fenz,
einen Fremden, den sie nicht kannte und der jetzt den Hut gegen sie lüftete
und anfrug, ob Mr. Jenkins zu Hause wäre.

Der Mann war in der gewöhnlichen Tracht der Backwoodsmen gekleidet, trug
aber keine Waffe und sah aus wie ein Ansiedler aus irgend einer anderen
Range, der vielleicht seinen Weg verfehlt hatte, oder auch von dem
eigentlichen Pfad abgeritten war, um ein Frühstück zu erbitten. Es kam das
ja gar nicht so selten vor, denn das nächste Haus an der Straße von dort ab
war noch wenigstens sieben Miles entfernt.

»Steigen Sie ab Sir,« sagte das junge Mädchen, der Gastfreundschaft des
Landes folgend, indem sie die Hunde zurücktrieb, »Vater ist im Haus, wenn
Sie ihn sprechen wollten.«

»Danke,« sagte der Fremde, indem er etwas schwerfällig aus dem Sattel stieg
und der Einladung Folge leistete. -- »Dann bin ich den weiten Weg doch
nicht umsonst gekommen. Kann ich ihn vielleicht einmal sehen?«

»Wollt Ihr nicht in das Haus treten?« sagte das Mädchen.

»Gleich,« erwiederte der Mann, der wie es schien, den rechten Fuß nicht gut
gebrauchen konnte; indem er sich überall im Hofe umsah. »Muß mir nur erst
einmal einen Platz aussuchen, wo ich mich ein wenig ausruhen kann.« Er
humpelte dabei auf einen, etwa funfzehn Schritt vom Haus entfernten Klotz
zu, auf den er sich setzte und dabei seinen rechten Fuß in die Höhe nahm,
als ob er Schmerzen darin habe.

»Fehlt Euch etwas?« frug Betsy theilnehmend.

»Hm, nichts Besonderes, bin nur damals, als wir auf der Flucht waren, mit
dem Pferd gestürzt und habe mir ein Bischen weh gethan.«

»Auf der Flucht?«

»Ja,« sagte der Mann -- »die verdammten Sesesch kamen hinter uns her, und
ich und der Sohn hier vom Hause --«

»Bringt Ihr Nachricht von meinem Bruder?« rief Betsy rasch -- »oh Pa, hier
ist ein Mann, der Jim kennt -- oh habt Ihr Nachricht von ihm.«

»Weiter Nichts als einen Brief,« sagte der Fremde, indem er ein
zusammengefaltetes Papier aus der Tasche nahm -- »aber nein Miß,« rief
er, als Betsy hastig danach greifen wollte -- »habe ihm fest versprechen
müssen, es nur in die Hände des alten Herrn selber abzugeben.«

»Ein Brief? ein Brief von Jim?« rief jetzt auch der alte Mann, der vor
Aufregung zitternd in die Thür trat, die zwei Stufen daran hinabstieg und
auf den Fremden zueilte. »Oh gebt ihn her -- wie lange habe ich von dem
Jungen Nichts gehört.«

Der Fremde reichte ihm jetzt ohne Weiteres das Papier, das er mit bebenden
Händen öffnete. Da knallte von der Fenz herüber, und kaum zwanzig Schritt
von ihnen entfernt, ein Schuß und Betsy wandte sich rasch und erschreckt
dorthin. In demselben Moment aber brach auch ihr Vater, das Papier noch in
der Hand haltend, wo er stand zusammen, und mit einem Angstschrei warf
sich die Tochter über ihn. Aber nicht lange sollte sie sich ihrem
Schmerz hingeben dürfen. Wilder Lärm störte sie auf und als sie den Blick
zurückwarf, sah sie fünf, sechs Männer über die Fenz springen. Die Hunde
fuhren allerdings wie rasend auf sie ein, aber ebenso viele Revolverschüsse
knallten ihnen entgegen und trieben sie heulend zurück, während Einer der
Burschen -- der Jay-hawker mit dem geschwärzten Gesicht direct auf Betsy
zusprang.

»Hendricks!« schrie sie, wie sie nur den Blick auf ihn warf -- entsetzt und
zurückbebend. »Feiger, nichtswürdiger Mörder!«

»Miß Betsy,« sagte der Mann aber, und die geschwärzten Züge legten sich
in drohende Falten, »Sie sind meine Gefangene. Sträuben Sie sich nicht; es
würde Sie nur nutzlos einer rohen Behandlung aussetzen. Der ganze Platz ist
umstellt, und unten am Strom liegt mein Canoe.«

Betsy sah ihn starr an. Es war, als ob sie noch immer nicht einmal das
ganze Fürchterliche der eben ausgesprochenen Drohung begriff. Aber der
Bube sprach im Ernst; das Blut, das langsam aus dem Schlaf ihres armen
gemordeten Vaters quoll, war ein entsetzlicher Zeuge des beabsichtigten
Bubenstücks, und krampfhaft faßte sie mit beiden Händen ihre eigene Stirn
und warf den Blick scheu und verstört umher. -- Aber auch nur für einen
Augenblick, denn wie ein zündender Strahl durchzuckte sie der Gedanke:
lieber den Tod als Schande.

Das Grundstück ihres Vaters, wenigstens der Hofraum, innerhalb dessen die
doppelte Blockhütte stand, lag unmittelbar am Ufer des Arkansas, der jetzt
wohl im Steigen war, seine volle Höhe aber noch nicht erreicht hatte.
Unmittelbar unterhalb der Farm stieg das Ufer allerdings mehr allmählich
und mit kleinen Weiden- und Baumwollenholzschößlingen bewachsen, empor,
dicht unter dem Haus aber fiel es steil ab in die wirbelnde Fluth und der
alte Jenkins hatte diesen Platz nicht allein deshalb für den Bau seines
Hauses gewählt, weil hier in dieser Gegend der höchste Uferpunkt war,
sondern auch weil er hier nur an drei Seiten eine hohe Fenz zu errichten
brauchte. In der konnte er dann einmal hineingetriebenes Vieh auch bequem
halten, denn an der offenen Seite nach dem Strom zu war kein Stück im
Stande auszubrechen.

Der Verbrecher hielt natürlich eine Flucht des Mädchens für unmöglich, denn
fünf, sechs wilde Gestalten schwärmten schon über den Hof und wenn sich
auch die meisten mit dem Haus selber beschäftigten, sah Betsy doch zwei
der Buben schon auf sich zu kommen und daß sie -- erst einmal in _deren_
Händen, kein Erbarmen zu erwarten hatte, wußte sie. Noch einmal hob sie
scheu und wild den Blick zu Hendricks auf, aber der Blick genügte auch.
Schon streckte der Bube selbst den Arm nach ihr aus, um sie zu umfassen,
aber selbst unter seinen Händen stürzte sie fort. -- An eine Waffe
dachte sie wohl dabei, und hätte sie eine erreichen können, so wäre es um
Hendricks geschehen gewesen. Aber wie konnte sie -- ein einzelnes schwaches
Wesen, der _Bande_ Widerstand leisten.

Ehe der rasch ausgreifende Arm des Buben sie erreichte, war sie ihm schon
entschlüpft und mit Sätzen, so flüchtig wie ein gejagter Hirsch, flog sie
gegen das schroffe, abschüssige Ufer des Arkansas zu.

Hendricks folgte ihr im Nu und es gab keinen rascheren Läufer in der Range,
aber gleich beim Ansprung stolperte er über die Leiche des alten Mannes,
die Entfernung bis zum Uferrand betrug überdieß kaum mehr als zwanzig
Schritt. Als er sich rasch wieder aufgerafft und schon die Hand
ausstreckte, um Betsy's wehendes Kleid zu erfassen, hatte sie den Rand
erreicht und warf sich mit einem Angstschrei in die gelbe gurgelnde Fluth
hinab.

Hendricks schrak zurück, denn fast wäre er ihr selber in der Wucht des
Laufes, nachgestürzt. Aber konnte sie ihm selbst jetzt entgehen? sein Canoe
lag gleich unterhalb -- zwei seiner Leute warteten darin.

»Teufel,« zischte er aber zwischen die Zähne durch, als er erst jetzt
-- bis dahin völlig mit seinem Bubenstück beschäftigt -- das gerade
aufkommende kleine Dampfboot entdeckte, das indessen fast unter der Landung
angelangt und so geräuschlos aufgerückt war, da die steile Uferbank
den Schall dämpfte. Von diesem aber war schon ein Boot abgestoßen,
das jedenfalls Passagiere etwas weiter unten absetzen wollte und das
hinabspringende Mädchen mußte von ihnen gesehen, ihr Schrei jedenfalls
gehört sein, denn im Nu wandte sich der Bug des kleinen Bootes stromauf.

In wilder Wuth, sich so getäuscht zu sehen, riß der Räuber die Büchse an
die Backe -- er wollte Rache -- aber die Waffe war ja, nach dem Schuß,
der den alten Jenkins so feige niedergeworfen, noch nicht wieder geladen
worden.

Ein zweiter Blick überzeugte ihn aber auch, daß die Leute im Boot
bewaffnet, daß es Soldaten waren, und schon pfiff eine Kugel dicht an
seinem Ohr vorüber, die, aus dem Boot abgefeuert, wohl nur durch das
Schwanken desselben ihr Ziel verfehlt hatte.

»Wo kommen die Canaillen jetzt auf einmal her,« rief einer seiner
Kameraden, der zu ihm gesprungen war, aber auch bei dem Schuß zurückfuhr.
»Ich werde ihnen einmal ein Stück Blei hinüber schicken.«

»Fort! fort!« rief aber Hendricks, der todtenbleich geworden war, »das ist
der Sohn dessen da« -- und scheu zeigte er nach der Leiche -- »fort.«

»Aber so viel Zeit haben wir doch wahrhaftig,« rief sein Gefährte, »daß
wir das Nest erst noch plündern und in Brand stecken können. Die brauchen
wenigstens noch eine Viertelstunde, ehe sie zu uns hier heraufkommen
können.«

»Fort,« wiederholte aber Hendricks und warf scheu den Blick umher, als
ob er schon jetzt das Nahen der Rächer fürchte -- »der Platz wird hier zu
warm. Säumen wir nur noch Minuten hier, so sind wir verloren.« Und ohne
nur einen weiteren Einwurf abzuwarten, ja ohne sich selbst Zeit zu nehmen,
seine Büchse wieder zu laden, sprang er über den freien Hofplatz an der
Leiche vorbei, hinaus aus der Fenz, warf sich auf sein Thier und floh damit
in den Wald hinein.

Die Uebrigen hätten den einmal gewonnenen Platz allerdings nicht gern
sogleich wieder verlassen. Die Furcht des Kameraden schien aber auch sie
anzustecken.

Jenkins Frau, die wieder krank auf ihrem Bett gelegen, war aufgesprungen
und erfüllte jetzt, als sie die Leiche des Gatten am Boden liegen sah, die
Luft mit ihrem Wehegeschrei, die verwundeten Hunde heulten, und der scharf
ausgestoßene Dampf des kleinen Bootes, dicht unter der Farm, machte das
Ganze ebenfalls unruhig genug. Es war den Schurken selber nicht mehr recht
geheuer da oben, und was sie nur im Moment fassen konnten, die Büchsen im
Haus und die Kugeltaschen, griffen sie auf und folgten dann, nicht
viel langsamer als Hendricks ihnen vorangegangen war, dem Führer in das
Dickicht.



Fünftes Kapitel.

Die Rückkehr.


Zu spät -- zu spät nur um wenige Minuten kam die Hülfe, weil das Boot
auf der Sandbank festgesessen! Hatte denn Gott selber gewollt, daß so
Furchtbares geschehen sollte, wo es so leicht gewesen war, es abzuwenden,
oder herrscht nur ein blinder Zufall auf dieser Welt, der eben geschehen
ließ, was geschah, ohne sich weiter darum zu kümmern?

Jim Jenkins kniete neben der Leiche seines gemordeten Vaters. Nur die
Schwester hatte er mühsam mit dem Boot gerettet, und mit wenigen Worten, ja
nur mit den zwei Silben -- Hendricks -- das Furchtbare erfahren.

John Wells, der mit ihm zurückgekehrt, war den Verbrechern mit Cook und
noch einigen andern zur Begleitung nachgeeilt, um sich nur wenigstens der
Richtung zu vergewissern, in der sie geflohen wären. Daß ein Canoe unten
an der Landung lag, hatten sie gar nicht beachtet, und die beiden dabei
gestörten Räuber sich wohl gehütet, aus den Büschen herauszukommen, in
welche sie sich bei der Ankunft des Dampfers zurückgezogen. Jetzt erst, als
dieser vorüber war, drückten diese sich wieder in ihr schwankes Fahrzeug,
und Jenkins eigenes Canoe ebenfalls abschneidend, nahmen sie es mit stromab
zu dem schon früher mit den Genossen besprochenen Versteck. Dadurch machten
sie eine Verfolgung auf dem Strom vor der Hand unmöglich, und daß sie im
Wald niemand finden sollte, dafür wollten sie schon Sorge tragen.

Nach einer Stunde etwa kehrte der junge Wells zurück. Da sie ohne Pferde
waren, hätte es ihnen ja gar nichts geholfen, eine Verfolgung aufzunehmen,
noch dazu, da sich die Jay-hawker in der bedeutenden Mehrzahl befanden
und doch außer Zweifel alle gut bewaffnet waren. Jim war indessen um seine
ohnmächtig gewordene Mutter bemüht, die er anfangs ebenfalls für todt
hielt, aber unter seinen Liebkosungen erholte sich die alte Frau wieder,
und Betsy, die in der Nähe und unter dem Schutz des Bruders und Bräutigams
rasch jede Furcht verlor, war, nachdem sie sich umgekleidet, an seiner
Seite.

Und jetzt mußte sie erzählen, was hier in den letzten Monden vorgefallen --
eine ununterbrochene Schreckensgeschichte von Mord und Blut, und John Wells
stand dabei, die Zähne fest aufeinander gebissen, das Antlitz vollkommen
blutleer, die Augen stier und fast geisterhaft auf den Mund der Sprechenden
geheftet.

Und woher sie selber kamen? Mit wenigen Worten war das berichtet. Sie
hatten sich dem Heer zutheilen lassen, das bestimmt war, Little Rock
zu nehmen. Nur so konnten sie hoffen, dem nichtswürdigen Treiben der
Sesesch-Partei in Arkansas rasch ein Ende machen zu helfen. Die Eroberung
war aber leicht gewesen und als sie -- in Little Rock angekommen -- die
Kunde von zahlreichen hier verübten Verbrechen hörten, hatten sie Urlaub
genommen, um die Ihrigen selber zu besuchen und zu hören, wie es hier
stehe. _Das_ Furchtbare freilich konnten sie nicht erwarten.

Aber es waren keine Naturen, die sich lange einem nutzlosen Schmerz
hingegeben hätten. Vor allen Dingen mußten sie Pferde haben, um an irgend
eine Verfolgung denken zu können und auf der eigenen Farm fanden sie auch
kein einziges Stück Vieh mehr. Die Jayhawker mit ihrer, wie es schien,
weitverzweigten Verbindung, hatten schon Alles, was sie erreichen konnten,
fortgetrieben und nicht einmal vermuthen ließ es sich, nach welcher
Richtung sie die verschiedenen gestohlenen Thiere geschafft hatten.
Klingelhöffer allein, als ziemlich nächster Nachbar konnte da vielleicht
aushelfen und John Wells übernahm es, ihm die Trauerkunde von dem Tod
seines alten Freundes Jenkins zu bringen, um seine Hülfe in der Verfolgung
der Räuber zu erbitten.

Jim indessen, von den Freunden dabei unterstützt, schaufelte ein Grab für
den Vater in seinem kleinen Garten aus, dann legten sie den alten wackeren
Mann hinein, breiteten Bretter und Stützen über ihn, daß die eingeworfene
Erde nicht auf die Leiche pressen konnte und wölbten den Hügel über der
einfachen Gruft.

Kein Wort wurde dabei gesprochen, kaum noch eine Thräne von den Männern
vergossen, denen jetzt nur das nagende Gefühl der Rache das Herz
zusammenzog, und der Gedanke verscheuchte unerbittlich alle anderen.
Allerdings waren sie sich noch nicht klar, wie sie den gemeinsamen Feind
erreichen konnten, aber was that das? Ihr ganzes Leben hatte jetzt
kein anderes Ziel und wie der Bluthund auf der Fährte waren sie fest
entschlossen, nicht nachzulassen bis an's Ende.

Abends kehrte John Wells zurück. Klingelhöffer stellte ihnen alle seine
Pferde zur Verfügung und würde sie selber begleitet haben, aber ein
heftiger Rheumatismus hatte ihn wieder auf sein Lager geworfen, um das
herum aber nichts destoweniger seine geladenen Gewehre standen. Er schwur,
daß er so lange schießen werde, als er noch einen Finger krumm biegen
könne, und dann möchten sie ihm selber den Hals abschneiden und verdammt
sein.

Die einzige Hülfe, die sie noch erwarten konnten, lag in Perryville selber,
an das sich die Räuber natürlich nicht getrauten, wenn sie auch in der Nähe
herum Alles an Pferden gestohlen hatten, was sie nur bekommen konnten. Die
jungen Backwoodsmen aber durften keinen von ihrer kleinen Schaar dorthin
senden, um sich nicht zu schwächen und Jenkins jüngster Bruder, ein Knabe
von zehn Jahren, der bei dem Ueberfall gerade im Walde gewesen, wurde
deshalb abgeschickt. Allerdings war es eine starke Tagereise für den
kleinen Burschen, aber er ging ja oft schon allein Tage lang auf die Jagd
und kannte auch genau den Weg.

Die jungen Leute brachen jetzt zur Verfolgung der Mörder auf, während sie
Betsy indessen mit der Mutter zu Klingelhöffers nicht sehr fernem Hause
schickten. An der Fähre wohnten ja Leute, die sie über die Fourche setzen
konnten. In dieser Richtung hin hatten sie auch nichts zu fürchten, und
selbst die von Perryville erbetene Hülfe war dorthin bestellt, wo sie sich
mit ihnen vereinigen wollten.

Aber all' ihr Suchen war vergebens. Bis zum Mamelle hinüber, alle die
Bergrücken südlich am Fourche la Fave liefen sie ab, und scharfe Augen
waren es, die den Fährten folgten; nirgends ließ sich jedoch eine frische
Spur der Räuber in den Bergen erkennen. Weiter oben, mehr nach Westen
zu, fanden sie allerdings ein paar alte Lagerplätze, die es unzweifelhaft
ließen, daß sich die Jay-hawker dort eine ganze Zeitlang, vielleicht sogar
eine Woche aufgehalten, aber diese Stellen hatten sie auch ebenso sicher
wieder, und zwar nicht erst seit Kurzem verlassen, denn die ausgebrannten
Kohlen waren vom Regen überwaschen worden. Die ganze Richtung, der sie
bis dahin gefolgt, ging von dem oberen Fourche nach dem unteren, und
die einzigen bisher verschonten Wohnplätze waren die, durch ihre Lage
begünstigte Klingelhöffersche, und die benachbarte Farm gewesen. Man
durfte also fast annehmen, daß sie ihre Wirksamkeit am Fourche als beendet
betrachten mußten, und wohin konnten sie sich nun von hier gewendet haben?
Außerdem lief der erhaltene Urlaub der jungen Leute auch bald wieder ab und
was dann? Durften sie daran denken, die Ihrigen in einer solchen bedrohten
und auf's Aeußerste gefährdeten Gegend schutzlos zurückzulassen?

Sie waren zu Klingelhöffer hinübergeritten, um mit diesem das Weitere zu
berathen. Der alte Mann fühlte sich heute etwas wohler und saß mit ihnen
und fünf von Perryville heruntergekommenen Farmern vorn auf der schmalen
Veranda seines Hauses, von der man den Arkansas überschauen konnte, und
den hier ziemlich breiten Strom dicht zu Füßen hatte. Aber er wußte selber
keinen Rath, denn das Land bot jetzt zu viele Schlupfwinkel, wo sich ein
ganzes Heer hätte verbergen können, vielmehr denn ein kleiner Trupp von
Leuten, denen nur daran gelegen war, eine kurze Zeit verborgen zu bleiben.

In ruhigen Jahren, ja, da hatte den Fourche la Fave der offenste,
herrlichste Wald umgeben, mit großen stattlichen Bäumen wohl, aber lichtem
Unterholz, denn die Jäger hielten schon darauf, daß im Winter das trockene
Gras und Gestrüpp ordentlich und regelmäßig abgebrannt wurde. Dadurch
bekam nicht allein das Vieh, sondern auch das Wild gleich im Frühjahr
junge saftige Aesung und der Jäger konnte, wenn er durch den Wald pirschte,
diesen nach allen Richtungen hin überschauen. Jetzt dagegen war Alles total
verwildert, und die Niederung nicht allein von Dornen und Sassafras-Büschen
dicht durchwachsen, nein selbst an den Hängen war ein so üppiger junger
Kiefer- und Hickoryschlag emporgewachsen, daß man sich nicht selten selbst
mit dem Messer Bahn hauen mußte, um nur durchzukommen. Wer sich dort
verstecken wollte, konnte es gewiß, und war auch vor Entdeckung sicher,
wenn ihn der Zufall nicht einmal verrieth.

Vertheilten sich aber sämmtliche noch waffenfähige Männer über die Berge,
so blieben sie nicht allein der Gefahr ausgesetzt, von dem geschlossenen
Trupp einzeln aufgerieben zu werden, sondern wer bürgte ihnen dann dafür,
daß sich die jetzt schon keck und übermüthig gewordene Bande indessen nicht
auf die übrigen Häuser, ja in diesem Fall selber nach Perryville hineinwarf
und den letzten Zufluchtsort zerstörte.

Noch während sie sprachen, hatte Klingelhöffers Blick an dem gegenüber
liegenden Ufer gehangen, an dem sich den Sommer hindurch eine breite helle
Sandbank bis über die Hälfte des Stromes ausdehnte. Jetzt aber reichte der
Strom bis ziemlich an die jungen Baumwollenholz-Schößlinge hinan, die den
Wald der Niederung ränderten, und nur ein schmaler hellerer Streifen
war noch übrig geblieben, auf dem man jetzt, aber genau und scharf
abgezeichnet, die dunkle Gestalt eines Mannes erkennen konnte, der sich den
Fluß hinaufwandte. Klingelhöffer deutete mit seinem Arm hinüber und sagte:

»Dort drüben geht Jemand.«

»Wo?« -- rief Jim -- »ah dort! oh das wird ein Jäger sein.«

»Nein, er geht zu rasch. Da hinauf zu kann er aber auch kein anderes Haus
erreichen, denn die =slews= sind jetzt voll Wasser.«

»Vielleicht sieht er nach seinem Vieh. Es wird der alte Boyles sein, der
nach seinen Pferden sieht -- ein Sesesch wie er im Buche steht.«

»Jetzt ist er in den Wald hinein,« sagte Wells.

Die Männer hielten noch einen Augenblick die Augen auf die Stelle geheftet,
denn in dieser Zeit erweckte auch das Kleinste und Unbedeutendste Verdacht.

»Da kommen mehrere aus dem Wald,« rief da plötzlich Jim Jenkins, in der
Erregung des Augenblicks von seinem Stuhl emporfahrend. »Ob sie uns hier,
von dort aus sehen können?«

Mehrere Minuten beobachteten die Männer schweigend das, was sich da drüben
augenscheinlich am Waldrand regte, endlich sagte Klingelhöffer, dessen
Augen noch scharf wie die eines Luchses waren:

»Dort ist noch immer nur ein Mann zu sehen, aber er schleppt ein Canoe aus
den Büschen heraus. Wenn es Mehrere wären, würden sie ihm helfen.«

»Klingelhöffer hat Recht,« sagte Wecks. »Jetzt kommt er damit in's Freie;
er will in den Strom hinaus.«

»Es ist besser, wir ziehen uns in's Haus zurück,« meinte Jenkins. »Es
braucht Niemand zu wissen, daß wir hier so zahlreich versammelt sind.«

»Vielleicht kommt er herüber.«

»Wir werden's bald sehen. Er ist schon damit am Wasserrand. Ob das Boyles
selber sein kann?«

Die Männer hatten sich langsam von der offenen Veranda in das Haus gezogen.
Nur Klingelhöffer blieb draußen sitzen und es war bald keinem Zweifel mehr
unterworfen, daß das Canoe von drüben herüber halte und den Landungsplatz
an der diesseitigen Farm zu erreichen suchte, denn der Rudernde hielt den
Bug immer seitwärts stromauf, damit er von der starken Strömung nicht
zu weit hinab geführt würde. Wer es sei, ließ sich allerdings noch nicht
erkennen, da der Mann gebückt im Canoe saß und einen alten Strohhut noch
außerdem über die Augen gezogen hatte, aber das mußte sich bald auch
entscheiden, denn jetzt erreichte er schon fast die über der Farm liegende
felsige Spitze und indem er sein etwas schwankes Fahrzeug treiben ließ,
lenkte er es gleich darauf in den Sand-Einschnitt von Klingelhöffer's Ufer,
in welchem schon dessen Skiff befestigt lag.

»Boyles! wahrhaftig,« rief Jim Jenkins, der jetzt auf die Veranda
hinausgetreten war, denn vor dem einzelnen Nachbar brauchten sie sich nicht
mehr zu verstecken -- »Hallo, Boyles, woher kommt Ihr und wo wollt Ihr
hin?«

Boyles sah auf und erkannte den noch immer in der Uniform steckenden jungen
Mann nicht gleich. Die Uniform selber gefiel ihm ebenfalls nicht, denn er
war mit Leib und Seele Sesesch -- ja, einen Moment schien es fast, als
ob er nicht übel Lust habe, wieder mit seinem Canoe zurückzukehren.
Klingelhöffer selber machte aber seinen Zweifeln ein Ende:

»Kommt herauf Mann, Ihr seid hier unter Freunden und habt Nichts zu
fürchten. Kennt Ihr Jim Jenkins nicht mehr?«

»Jim, bei Gott!« sagte Boyles -- »das ist recht -- den wollte ich gerade
sprechen -- das trifft sich glücklich;« er sprang jetzt die steile Sandbank
mehr hinauf, als er sie stieg und stand auch wenige Minuten später inmitten
der jungen Leute, die ihn wohl freundlich aber trotzdem nicht herzlich
grüßten. Boyles war ihnen nie ein angenehmer Nachbar gewesen und daß er
sich so ganz zur Partei der Sclavenhalter schlug, auch selber der Einzige
fast in der ganzen Nachbarschaft war, der Neger hielt, konnte sie ihm nicht
geneigter machen.

Von den Negern waren übrigens nur noch zwei auf der ganzen Plantage
geblieben, die Uebrigen aber, sobald die Unionisten dort einrückten, nach
Little Rock gelaufen. Was sollten sie jetzt noch arbeiten, wo sie freie
Leute geworden waren. Boyles selber mochte auch früher wohl zwischen den
einfachen Backwoodsmen ein wenig den Pflanzer gespielt, und sich etwas
vornehmer als die Nachbarn gedäucht haben. Er war in der That reicher
und sein Haus wohnlicher und bequemer eingerichtet gewesen als die der
Uebrigen, bis die Emancipation der Neger auch ihn ruinirte, oder doch
wenigstens seine großen Plantagen, deren er zwei besaß, werthlos machte.

Die eine in Missouri liegende, hatte er aber glücklicher Weise vor kurzer
Zeit noch zu einem ziemlich guten Preis verkaufen können, denn gerade jetzt
glaubten manche Farmer im Norden einen guten Handel zu machen, wenn sie
sich ohne Sclavenarbeit im Süden niederließen. Allerdings war das erste
immer ein Experiment, aber es fand trotzdem Nachahmer, und die südlichen
Pflanzer, die nach dem Fall von Vicksburg die Unterwerfung des Südens mit
Recht für unausbleiblich hielten, verkauften unter solchen Umständen nur zu
gern.

Klingelhöffer wunderte sich allerdings, daß gerade Boyles ihm einen Besuch
abstattete; denn wenn sie auch miteinander in Frieden lebten, hatten sie
sich -- schon ihrer verschiedenen politischen Ansichten wegen -- bisher
viel eher gemieden als gesucht. Er sollte aber darüber bald eine Erklärung
erhalten, denn kaum betrat Boyles das Haus, als er auch schon ausrief:

»Gott sei ewig gedankt, daß ich hier brave und wackere Männer finde, die
einen Freund gegen Räuber und Mörder schützen können.«

»Hallo,« rief John Wells, von seinem Stuhl aufspringend, denn er selber
haßte den alten Boyles, mit dessen Sohn er auch früher einmal Streit
gehabt, und nahm deshalb wenig Notiz von ihm. Seine Worte aber machten ihn
aufmerksam, denn sie deuteten auf das Einzige, was in diesem Augenblick
seine ganze Seele füllte -- die Spur der Jay-hawker -- »wißt Ihr was von
den Schuften? -- Haben sie Euch ebenfalls einen Besuch abgestattet?«

»Ach was,« rief Jenkins; »wir haben ja ihre Spuren in den Wald hinein
verfolgt. Nach dem Mamelle werden sie hinüber sein -- nicht über den
Arkansas.«

»Nein,« rief Boyles rasch, -- »drüben sind sie -- vorgestern haben sie den
Strom etwa drei Miles unterhalb in zwei großen Canoes gekreuzt -- Warner,
der gerade von Little Rock kam, hat sie gesehen.«

»Da ist dann unser Canoe dabei,« sagte Jim, »das die Schurken neulich bei
dem Mord gestohlen haben. Aber wo sind sie jetzt?«

»Weit können sie nicht sein,« erwiderte Boyles, »denn gestern waren sie bei
Auburn drüben -- der alte Auburn behielt kaum noch Zeit, in den Sumpf zu
flüchten, wo er sechzehn Stunden in Schlamm und Wasser stecken blieb, ehe
er sich wieder hinausgetraute. Dort aber hat ihnen der eine Neger erzählt,
daß ich meine eine Farm verkauft und viel Geld im Hause hätte, und Auburn's
kleiner Junge war eben bei mir, um sich ein Stück Fleisch zu borgen, weil
die Räuber Alles, was sie an Lebensmitteln fanden, fortgeführt, und der
sagte mir, ich solle mich vorsehen, denn sie hätten gelacht und gemeint,
ich würde wohl so gut sein und mit ihnen theilen.«

»Und habt Ihr das Geld wirklich im Haus?«

»Gott bewahre, das liegt sicher genug in Little Rock, aber das wissen ja
die Schufte nicht und werden es jetzt bei mir wie bei dem armen alten Hogan
machen. Frau und Kinder hab' ich auch deshalb mit den beiden Negern gleich
nach Auburn's hinübergeschickt, denn zweimal kommen sie nie auf einen
Platz, und ich selber hatte die Absicht, hier bei Euch Schutz zu suchen,
Klingelhöffer, bis die Gefahr vorüber ist. Mögen sie mir da drüben Alles
verwüsten und das Haus in Brand stecken. Ich kann es nicht hindern -- aber
ich will doch nicht von ihnen todtgeschossen werden oder meine Familie
ihren Mißhandlungen aussetzen.«

»Und Ihr glaubt wirklich, daß sie die Absicht haben, Euer Haus zu
überfallen?« frug der junge Cook.

»Ich bin fest davon überzeugt. Dort in der Nachbarschaft liegt weiter keine
einzelne Farm und lange werden sie sich hier nicht mehr halten können,
denn wie ich gehört habe, will General Steene die beiden Counties besetzen
lassen, um diesem Räuberwesen ein Ende zu machen.«

»Ja wohl, jetzt kommen sie,« brummte Klingelhöffer, »wo die Canaillen schon
alles nur erdenkliche Unheil angerichtet, und Botschaft nach Botschaft
haben wir seit Wochen hinein in die Stadt gesandt. Gott bewahre, nicht
einmal Munition durften wir hinausbringen, um uns selber zu schützen.«

»Und wißt Ihr ganz bestimmt, daß die Jay-hawkers, die auf dieser Seite ihr
Wesen trieben, jetzt über den Fluß gegangen sind?« frug Wells.

»Es giebt keine zweite solche Bande in der Nachbarschaft,« versicherte
Boyles, »und daß diese mit ihren Pferden über den Strom gesetzt ist, hat
Warner mit eigenen Augen gesehen.«

»Dann können sie aber auch eben so gut mit ihren Booten zu _mir_
herüberkommen,« meinte Klingelhöffer, »denn was sie bis jetzt von mir
abgehalten hat, war weiter nichts als die Furcht, hier auf der Landspitze
einmal von irgend einem Trupp Bewaffneter abgeschnitten zu werden.«

»Aber sie haben keine Canoes mehr,« rief Boyles. »Warner war nicht von
ihnen gesehen worden und hielt sich in seinem Versteck, bis sie die beiden
Fahrzeuge, gleich über der zweiten Sandbank unten, wo die kleine Slew
einmündet, in die Büsche hineingezogen und versteckt hatten, und als er
sich ganz sicher wußte, schlich er sich dort hinein und wollte die Canoes
in den Strom schieben und forttreiben lassen, aber er war dazu allein nicht
im Stande und hat deshalb ganz in der Stille und gerade zwischen ihnen ein
tüchtiges Feuer angezündet, bei dem er blieb, bis er sie völlig zerstört
wußte. In _den_ Canoes setzen sie gewiß nicht wieder über den Arkansas.«

»Dann ist auch Hoffnung, daß wir sie drüben erwischen,« rief Cook rasch.
»Wie wär's, wenn wir das Haus besetzten? nachher laufen sie uns gerade in
die Hände.«

»Hm,« sagte Wells, »ich habe auch schon darüber nachgedacht, aber -- wie
viel waren in den Canoes, die Warner gesehen hat?«

»Er behauptet, es müßten etwa zehn oder elf gewesen sein. Natürlich
wagte er sich nicht zu weit hinan, denn wenn sie ihn entdeckten, wäre er
jedenfalls verloren gewesen.«

»Und sie denken Geld bei Euch zu finden?« frug Jenkins.

»Sie wissen, daß ich meine Farm in Missouri verkauft und das Geld dafür
erhalten habe. Soviel hat ihnen der schurkische Neger erzählt. -- Sie
werden jetzt vermuthen, daß ich es versteckt halte.«

»Die Canaille verdient gehangen zu werden.«

»Verdient hat er's,« sagte Boyles, »denn wie ich höre soll er sich den
Schuften angeschlossen haben, was also jetzt etwa elf oder zwölf Mann
für die Bande machen würde, wenn sie sich nicht außerdem verstärkt hat.
Verdächtiges Gesindel trieb sich wenigstens die letzte Zeit gerade genug am
Arkansas herum.«

»Laßt uns die Nacht hinüberfahren,« rief da Wells, -- »verdammt, wenn
wir uns ordentlich eintheilen, laufen sie uns gerade in die Büchsenläufe
hinein.«

»Ihr glaubt, daß sie bei Euch nach vergrabenem Gelde suchen werden?« fragte
Jenkins.

»Dasselbe war wenigstens bei Hogan der Fall, bei dem sie Silber vermutheten
und der arme Teufel hatte wohl kaum einen Viertel Dollar Silber im Hause.«

»Sie kommen sicher,« rief Wells, mit der Hand auf den Rand der Veranda
schlagend, »wenn wir uns in dem Hause eintheilen, haben wir sie.«

Jenkins schüttelte mit dem Kopf und sagte:

»So weit _ich_ das Haus kenne, glaub' ich es nicht. Es ist kein Logcabin,
wo man nach allen Seiten Schießscharten öffnen kann, sondern von behauenen
Balken aufgesetzt und mit Brettern beschlagen und die Fenster liegen alle
nach dem Fluß hin, während sich die Thür hinten befindet. Dicht darum her
stehen aber die kleinen Negerhäuser, jetzt wahrscheinlich alle leer und ich
kann mich nicht so genau auf den ganzen Platz besinnen, ob man durch diese
hin muß und durch sie verdeckt wird, wenn man zum Hause kommt oder ob sie
mehr Seit' ab liegen.«

»Mr. Jenkins,« bemerkte Boyles, »Sie haben Recht. Die Negerhütten liegen
der Art, daß man von ihnen verdeckt bis dicht an das Haus hinan kann.
Ich weiß, wie mich das die paar Stunden, die ich heute noch drüben war,
beunruhigt hat, weil ich jeden Augenblick fürchtete, sie möchten sich an
denen hin heranschleichen.«

»Und wenn wir nun die Negerhütten besetzten?« fragte Cook.

»Ja, das wäre ganz gut, wenn man genau wüßte, ob sie den Weg oder vom
Wald herein kämen. In der Nacht ist es aber ebenfalls schlimm. Wir haben
freilich jetzt Vollmond, aber gerade um das Haus herum stehen die Hickory-
und Pfirsichbäume, und der wilde Wein, den ich an die letzteren angepflanzt
habe, hat sie dicht und undurchsichtig gemacht.«

»Ich will Euch etwas sagen,« meinte Jenkins, der den Platz da drüben
genau kannte, weil er selber früher dort viel jagte -- »Ihr kennt doch die
künstliche Salzlecke gleich im Rohr drin, Boyles, die ich selber einmal
angelegt?«

»Gewiß -- sie liegt ja keine zweihundert Schritt von meiner Fenz, und es
führt sogar ein kleiner Pfad hin, den sich die Kühe gemacht.«

»Dieselbe,« sagte der junge Mann, »gleich daran, wenn man von Eurem Hause
hinüber geht, ist doch die kleine runde Waldblöße, die genau so aussieht,
als ob Menschen selber dort Bäume und Büsche sorgfältig ausgerodet hätten,
denn nicht einmal ein Strauch wächst darauf, nur hohes Gras und ein paar
Grün-Dornen.«

»Ganz recht, aber was damit?«

»Habt Ihr Niemanden mehr im Haus drüben?«

»Keine Seele -- der Platz ist jetzt vollkommen verlassen, denn _ich_ konnte
ihn allein nicht schützen, und wenn sie mir ihn abbrennen, so muß ich's
eben ertragen.«

»Habt Ihr Courage, Boyles?«

»Gegen einen offenen Feind, ja,« sagte der Mann, »aber nicht gegen diese
Halunken. Denkt nur daran, wie heimtückisch sie Euren eigenen Vater
erschossen haben.«

»Ihr würdet nicht wieder hinübergehen und in dem Hause bleiben?«

»Nicht für hunderttausend Dollar,« erwiederte Jener bestimmt, »denn ich
weiß, daß sie mir nie etwas nützen könnten. O dieser unselige Krieg. Was
für Elend hat der schon über das Land gebracht.«

»Wenn Ihr nur anfangt es einzusehen,« sagte Jenkins düster -- »aber was
geschehen, läßt sich eben nicht mehr ändern -- es muß ertragen werden
und nur das bleibt übrig, diese Schurken, die weder Freund noch Feind
angehören, wo wir sie fassen können zu züchtigen, und darin können wir uns
getrost die Hand bieten. Wo ist mein Bruder Bill, Klingelhöffer? war er
nicht vorhin hier?«

»Er wird drüben in der Corncrib mit den Mädchen sein,« antwortete der
Deutsche -- »ich hörte, daß sie vorhin davon sprachen. Was soll er?«

»Wir müssen Jemanden im Hause drüben haben,« sagte der junge Mann finster
und entschlossen -- »Laßt mich nur machen -- ich glaube, ich habe den
richtigen Plan -- jedenfalls ist es ein Versuch; Bill aber, so klein er
sein mag, ist ein ganz gescheuter und durchtriebener Bursche, der seine
Sache schon geschickt machen wird.«

»Ihr wollt doch, um Gottes Willen, den Knaben nicht drüben allein lassen,
wenn die Jayhawker das Haus überfallen?« rief Boyles erschreckt.

»Allerdings will ich das, aber sorgt Euch nicht deshalb. Bill und ich
werden das schon in Ordnung bringen. Ueberlaßt das mir. Ich habe _mein_
Leben eingesetzt, des Vaters niederträchtigen Mord zu rächen, der Knabe
setzt das seine mit Freuden dafür ein, deß seid versichert -- laßt mich nur
mit ihm sprechen. -- Noch eins, Boyles -- habt Ihr Kienholz drüben an Eurem
Haus?«

»Nein -- was wollt Ihr damit? Kienholz wächst ja nicht drüben im Bottom.«

»Hier liegt genug,« sagte Klingelhöffer -- »was wollt Ihr damit?«

»Ich erkläre Euch Alles nachher, vorher aber muß ich mit Bill sprechen,«
und ohne den Männern weiter zu antworten, ging Jenkins hinaus, um den
Bruder aufzusuchen und die nöthige Abrede mit ihm zu nehmen.



Sechstes Kapitel.

Der Hinterhalt.


Bill Jenkins war noch fast ein Kind, aber Kinder in jenen wilden Wäldern
aufgezogen, wo sie schon täglich nicht selten sechs oder acht Miles allein
durch den Wald reiten müssen, um nur zum Schulhaus zu gelangen, sind nicht
mehr das, was sie, in unseren Verhältnissen aufgewachsen, sein würden.
Der kleine Bill, der kaum eine Büchse tragen konnte, war schon ein ganz
vortrefflicher Schütze, und wenn er auch eine Holzgabel mit in den Wald
nehmen mußte, um die Waffe beim Schießen aufzulegen, so hatte er doch in
seinem neunten Jahr schon ganz allein einen großen Panther im Wald erlegt
und sogar einmal einen Bären so verwundet, daß ihn sein Vater nachher
mit den Hunden einholen und erlegen konnte. Es mag sein, daß er sich der
Gefahr, die er dabei lief, nicht recht bewußt gewesen, aber er würde sie
auch trotzdem nicht geachtet haben, und auch jetzt ging er mit Freuden und
vollem Eifer auf des Bruders Plan ein, ja jubelte laut auf, als er erfuhr,
daß er selber etwas mit dazu beitragen solle und könne, den verruchten
Mördern ihre That heimzuzahlen. Es bedurfte auch keiner langen Erklärung,
denn er begriff im Augenblick, was man von ihm verlange und brannte jetzt
selber vor Begier, den an seinem Vater verübten Mord gerächt zu sehen.

So lange es Tag war, durften sich aber die Männer -- denn die von
Perryville herübergekommenen erboten sich augenblicklich Theil an dem
Unternehmen zu haben, da sie selber ja ebenso durch die immer mehr
wachsende Bande bedroht blieben -- nicht über den Strom einschiffen, da
man nicht wissen konnte, ob die Jayhawker nicht etwa das Ufer überwachen
ließen. Mit einbrechender Dunkelheit waren sie aber fertig gerüstet, und
da der Mond etwa um sieben Uhr aufging, behielten sie auch reichlich genug
Zeit, um ihren Versteck zu erreichen. Klingelhöffer, der sie nicht selber
begleiten konnte, da ihn sein Kreuz immer noch plagte, und der auch sein
Haus, bei solcher Nachbarschaft, nicht ganz ohne Schutz lassen wollte,
drang ihnen aber noch, ehe sie gingen, Lebensmittel auf, die sie allerdings
anfangs nicht mitnehmen wollten; er hatte aber ganz Recht, wenn er sagte,
sie wüßten gar nicht, wann die Schurken kämen, und ob sie nicht vielleicht
vierundzwanzig Stunden in ihrem Versteck liegen müßten, und wenn sie dann
genöthigt wurden, nach Eßwaaren auszuschicken, konnten sie Alles verderben.

Das Skiff mußte zwei Mal gehen, um Alle hinüberzubringen, und das zweite
Mal fuhr die jüngste Tochter vom Haus mit, um es zurückzunehmen, damit
es die Jayhawker nicht vielleicht zufällig fänden. Sie betraten auch die
Lichtung gar nicht, auf welcher die Häuser standen, sondern schritten, von
Jenkins geführt, quer und so geräuschlos als möglich durch den Wald, bis
sie den besprochenen Platz, am Rand eines dichten Schilfbruchs erreichten,
und nun hier im Stockfinsteren allerdings nichts thun konnten, als den
Aufgang des Mondes abzuwarten.

Der kam aber bald, und Jenkins, der indessen schon den Uebrigen seinen
ganzen Plan mitgetheilt hatte, ging jetzt mit ihnen scharf an die Arbeit,
um die wenigen, aber doch nöthigen Vorbereitungen zu treffen.

Eine Schaufel hatten sie mitgebracht, mit dieser wurde ein wenig Erde an
einer von ihm bestimmten Stelle ausgeworfen, daß es beim ersten Anblick so
aussah, als ob hier vor kurzer Zeit der Boden umgegraben und nicht wieder
ordentlich zusammengescharrt wäre. Dann wurden einige, dort im Ueberfluß
herumliegende Aeste darüber geworfen, daß sie den Platz scheinbar
verdeckten, und jetzt suchten sich die Männer auf der gegenüber liegenden
Seite ihre Stellen, von denen aus sie den Plan, ohne selber gesehen zu
werden, überschießen konnten.

Die Ortslage selber war wie für einen solchen Hinterhalt gemacht, denn
gerade dort vorüber zog sich eine, selbst jetzt noch trockene, oder
wenigstens nur mit etwas Regenwasser seicht gefüllte Slew, die erst dann
gefüllt wurde, wenn der Arkansas seinen höchsten Stand erreichte und seine
Wasser durch diese Einläufe in den Sumpf hineinsandte. Jetzt konnte man sie
leicht durchwaten, dahinter aber hatte der mit eingewaschene Sand eine wohl
sechs bis acht Fuß hohe und ziemlich steile, wenigstens völlig kahle
Wand angespült, von der gedeckt sich wohl funfzig Menschen hätten sicher
verbergen können. Wer wenigstens von der Richtung des Hauses herüber
kam, konnte sie unmöglich bemerken. Nur im Rücken konnten sie angegriffen
werden, und um sich auch dagegen vollständig zu decken, wurde Einer der
jungen Leute aus Perryville in den Wald hineinpostirt, damit sie selber
jedenfalls sicher vor einem Ueberfall blieben.

Uebrigens lagen sie immer zwei und zwei beisammen, so daß Einer wenigstens,
wenn sie die ganze Nacht dort wachen mußten, schlafen konnte, um dann
seinen Nachbar abzulösen.

Bill indessen, der kleine Bursch, hatte die Männer bis zu ihrem
beabsichtigten Versteck begleitet, damit er selber das Terrain selber genau
kennen lernte, und erst als sie die Arbeit beendet hatten und er nun genau
wußte, wie Alles stand, schulterte er seinen Sack mit Kienholz, das er
brauchte, wenn sie in der Nacht ankamen, nahm einige Lebensmittel und
schritt _neben_ dem Pfad -- um keine Spuren zurückzulassen, dem gar nicht
fernen Hause zu. Er fürchtete sich auch nicht im Mindesten; was wissen
amerikanische Kinder überhaupt von Furcht, denn Gespenstergeschichten, mit
denen Kinder bei uns von ihren Ammen oder Wartefrauen groß gezogen werden,
kannte er gar nicht, und böse Menschen? ei auf die wartete er gerade, und
je eher sie kamen, desto besser. Er lief auch in der That keine andere
Gefahr, als daß die Räuber vielleicht, gleich bei dem ersten Anprall in das
Haus hineingeschossen hätten. Aber das geschah schwerlich, denn wer schießt
gern seine Büchse, ohne ein bestimmtes Ziel zu haben, ab, und den
kleinen Burschen, der noch jünger aussah, als er wirklich war, würden sie
schwerlich geschädigt haben.

Als Bill den Platz erreichte, zündete er vor allen Dingen ein tüchtiges
Feuer im Kamin an. Es war ziemlich frisch die Nacht, und er mußte auch
Licht haben. Nachdem das geschehen und er ein Stück Kienholz auf das
Feuer geworfen, schüttete er die übrigen Kienreste hinter dem Haus auf den
Holzplatz und ließ nur noch etwas neben dem Kamin liegen. Hiernach legte
er sein mitgebrachtes Essen in den Fliegenschrank, in dem er aber noch ein
Stück Maisbrod und etwas kalten Speck fand. Hierauf untersuchte er die in
der Ecke stehende große Kaffeekanne, und richtig, sie war noch fast halb
gefüllt -- der kleine Bursch lachte still vor sich hin, denn er konnte nun
bald einen Becher heißen Kaffee's bekommen, und damit ließ sich dann schon
eine Nachtwache halten.

Aber sollte er überhaupt wachen? nein. Blieb er am Feuer sitzen, so konnte
doch am Ende Einer von den schlechten Menschen, und wenn auch nur aus
nutzloser Bosheit, auf ihn schießen. Legte er sich aber in eine Ecke und
drangen sie dann in das Haus ein und fanden nur den Knaben vor, so hatte
er kaum etwas für sich zu fürchten, und das Weitere? Des Knaben Augen
blitzten, als er sich sein Begegnen mit den Jay-hawkern ausmalte, aber er
biß die Zähne auf einander, denn die Thränen traten ihm in die Augen, wenn
er an den Vater dachte, und er wollte jetzt nicht weinen. -- Er mußte eine
Beschäftigung haben, den Kaffeetopf setzte er deshalb auf's Feuer und holte
sich dann sein Abendbrod herzu, das er verzehrte und sich einen Becher
Kaffee dazu ausschenkte.

In der Ecke stand ein großes, bequemes, mit einem Mosquitonetz überzogenes
Bett, aber in das wagte er nicht sich hineinzulegen. Es sah so vornehm und
sauber aus und er war nicht daran gewöhnt. Er nahm sich deshalb nur eine
der wollenen Decken herunter, schob sich ein paar am Kamin liegende Säcke
für ein Kopfkissen zurecht, wickelte sich dann in die Decke und legte sich
ruhig und unbesorgt in die eine Ecke, wo ihm der Feuerschein nicht auf die
Augen fallen konnte, und sich seine ganze Gestalt in der That in Schatten
befand, nieder.

Er wollte aber gewiß nicht schlafen, sondern wachbleiben und aushorchen,
wenn er die Leute könne kommen hören; aber der Knabe hatte sich da wohl zu
viel zugetraut. Eine Weile ja, blieb er munter und beobachtete an der Wand
die wunderlichen Schatten, die der unstete Schein des Feuers durch einen
Stuhl und sein darüber gelegtes Röckchen warf. Wie aber das Feuer mehr und
mehr niederbrannte und das Licht matter und ungewisser wurde, schienen auch
ihm die Augenlider schwerer und schwerer zu werden. Ein paar Mal raffte er
sich wohl noch gewaltsam auf; er wollte nicht schlafen, ja das half aber
Nichts -- der Sandmann kam doch und streute seine Mohnkörner über ihn. Er
träumte schon, als er noch glaubte, daß er vollkommen wach wäre, und nur
wenige Minuten später, so schlief er sanft und süß -- und schlief fort bis
zum anderen Morgen und bis die Sonne ihm durch ein kleines über der Thür
angebrachtes Fenster gerade in die Augen schien.

Erschreckt fuhr er von seinem Lager empor. -- Wo war er denn eigentlich? Er
konnte sich im ersten Moment gar nicht gleich darauf besinnen. Wie ihm aber
der Gedanke kam, weshalb er hier übernachtete, schoß es ihm auch wie ein
eisiges Gefühl durch's Herz -- das Gefühl der Gefahr, in der er sich
noch immer hier befand, während die Abends stets viel stärkere Aufregung
geschwunden war, und sich das kleine Kinderherz doch jetzt mit Sorge und
wohl auch mit etwas Furcht erfüllte.

Wer von uns Allen hat nicht schon ein ähnliches Gefühl erlebt, wenn ihm der
Morgen mit seiner nüchternen Wirklichkeit irgend eine Sorge oder Angst und
sei sie noch so gering gewesen, vor die Seele brachte, und ein ganz eigenes
erkältendes Gefühl durch die Nerven zuckte. War es ein Wunder, daß es auch
das Kind beschlich, das sich hier allein auf der Farm, ja in der Absicht
da befand, einer Bande von Räubern die Stirn zu zeigen, die ihm den eigenen
Vater gemordet hatten und Blut und Verzweiflung in manche stille Hütte
getragen? Aber diese Schwäche dauerte trotzdem nicht lange. -- »Wenn
sie nur kämen,« zischte er, seiner eigenen Angst trotzend, zwischen den
zusammengebissenen Zähnen durch, und verrichtete dann ruhig seine gewohnte
Arbeit. Zuerst wusch er sich, dann setzte er sich seinen Kaffee wieder auf
das indessen zusammengeschürte Feuer und war damit so eifrig beschäftigt,
daß er gar nicht weiter auf das achtete, was um ihn her vorging. Er hielt
gerade das Schüreisen in der Hand, um die noch von gestern Abend her
übrig gebliebenen Kohlen ein wenig zusammenzuschüren, als er plötzlich
so zusammenschrak, daß ihm das Eisen aus der Hand und klirrend auf die
Heerdsteine fiel, denn eine rauhe Stimme in der Thür selbst sagte:

»Hallo mein junger Bursch! so allein hier im Haus? Ist denn das ganze Nest
ausgeflogen, und hältst Du Haus allein?«

Bill war todtenblaß geworden -- er zitterte an allen Gliedern, aber es
war keine Furcht mehr, die des Knaben Herz im entscheidenden Augenblick
beschlich, wenn sich auch zuerst wohl ein scheuer Schreck mit dem Gefühl
mischte. Es war das Bewußtsein, daß die Entscheidung gekommen; die Fremden
aber nahmen es selbstverständlich für die natürliche Furcht des Kindes
und achteten nicht weiter darauf, ja suchten den Knaben eher zu beruhigen,
damit er ihnen Rede und Antwort stände.

»Na fürchte Dich nicht,« fuhr der Mann fort, der ihn zuerst angeredet hatte
und in dem Bill jetzt augenblicklich den Schurken Hendricks erkannte. »Wir
wollen Dir ja Nichts thun, sondern uns nur nach Mr. Boyles erkundigen. Hat
er sich versteckt? -- Ist es Dein Vater, mein Junge?«

»Nein,« sagte Bill, der nicht gleich wußte, wie er auf die Frage antworten
sollte -- aber es war gut gewesen, daß er sie verneint hatte, denn ein
Anderer antwortete für ihn.

»Ist denn der nicht ein Junge von Jenkins über dem Fluß drüben?« rief der,
und als Bill zu ihm aufsah, erkannte er Auburn's Neger, der manchmal drüben
bei ihnen gewesen war, um nach Vieh zu sehen, das Auburn auch auf jener
Seite laufen hatte.

»Gewiß bin ich's,« sagte Bill, der in dem Augenblick blutroth wurde.

»Und was machst Du hier drüben, mein Bursch?« frug Hendricks, der ihn jetzt
ebenfalls erkannte.

Bill war durch seinen Bruder auf diese mögliche Frage vorbereitet worden,
und antwortete wohl scheu, aber doch bestimmt: »Den Vater haben böse
Menschen todtgeschossen, Schwester und Mutter sind fortgegangen nach
Perryville und da hat mich Mr. Boyles seit etwa acht Tagen zu sich
genommen, bis die Jayhawker aus der =range= vertrieben sind.«

»So?« lachte Hendricks -- »also in Perryville ist Deine Schwester?«

»Ja, aber mit dem ersten Soldatenzug, der wieder die Straße herabkommt,
geht sie nach Little Rock.«

»Aha! sehr vorsichtig,« nickte der Bursche -- »nun vielleicht können _wir_
ihr in diesen Tagen sicheres Geleit geben, damit sie von den Jay-hawkern
nichts zu fürchten hat. Bei wem ist sie im Haus?«

»Bei Thomsons,« sagte Bill, auf gut Glück einen der dortigen Namen nennend.

»Ach, laßt die Dummheiten,« unterbrach ihn aber einer der Uebrigen, und es
waren indessen etwa fünf Mann ins Haus getreten. »Da haben wir doch jetzt
Wichtigeres zu thun, als solche Faxen. Wo steckt Boyles?«

»Er ist auch gestern Abend über den Fluß gefahren und nach Perryville
gegangen.«

»So? und was will er da, mein Herz?«

»Er will Hülfe haben, daß ihn böse Menschen nicht auch umbringen und
ausplündern können.«

»Ei, sieh mal an,« lachte Hendricks, »ja, den Weg hätten wir ihm ersparen
können. Wir sind selber hierher gekommen, um bei ihm zu bleiben, denn die
Jay-hawker treiben sich wirklich in der Nachbarschaft herum. Aber bist Du
hier ganz allein auf der Farm oder wer ist sonst noch bei Dir?«

»Ich bin ganz allein hier,« sagte der Knabe, »denn die Frauen sind auch
den Fluß hinab in die Ansiedlung gegangen, weil sie sich fürchten hier zu
bleiben.«

»Hm -- fürchten, wovor, wenn _wir_ da sind,« lachte Hendricks -- »Aber
Boyles hat auch wohl Ursache, die bösen Menschen zu scheuen, denn, wie ich
gehört, soll er viel baares Geld mit von Missouri herunter gebracht haben.
Ist das wahr?«

»Ich weiß es nicht,« sagte der Knabe scheu.

»Wie lange bist Du bei ihm?«

»Etwa acht Tage.«

»Aber seit der Zeit ist er doch erst zurückgekommen und hat denn doch
sicher zu Haus davon gesprochen. -- Wie?«

»Ja -- das wohl,« flüsterte Bill.

»Nun siehst Du wohl, mein kleiner Bursch,« meinte Hendricks, indem er
einen Blick mit den Gefährten wechselte, »er hat es doch sicher und gut
aufgehoben, damit es die Räuber nicht gleich finden können.«

Bill nickte nur, denn er wagte gar nicht, den Mörder seines Vaters
anzusehen.

»Nun das dacht' ich mir,« lächelte Hendricks, »gewiß hier unter der Diele.«

Bill schüttelte mit dem Kopf.

»Oder oben unter dem Dach?«

Bill schüttelte wieder.

»Was? auch nicht? ja dann werden es die Jay-hawker gewiß finden, denn die
sind in so etwas schlau.«

»Nein, die finden es nicht,« sagte aber Bill bestimmt, »denn er hat es
draußen im Wald vergraben und sie wissen den Platz nicht.«

»In der That? -- aber Du weißt ihn, wie?«

Bill schwieg und sah vor sich nieder.

»Nun mein Junge, kannst Du nicht antworten?« rief der andere Bursche rauh,
denn das Verhör dauerte ihm zu lang.

»Laß doch nur,« rief aber Hendricks, indem er dem Gefährten hinter des
Knaben Rücken zuwinkte -- »wir haben ja Zeit, denn wir bleiben ja doch
hier, bis Mr. Boyles mit seinen Leuten von Perryville zurückkommt. Nicht
wahr _Du_ weißt, wo er das Geld vergraben hat?«

Bill nickte jetzt leise mit dem Kopfe, antwortete aber noch immer nicht
weiter.

»So?« sagte Hendricks -- »nun das ist gut, dann wollen wir auch schon
dafür sorgen, daß ihm die Jay-hawker nicht zu nahe kommen. Wo ist denn der
Platz?«

»Ich darf's nicht sagen,« erwiederte aber Bill jetzt. »Mr. Boyles hat es
mir streng verboten.«

»Ja, keinen _fremden_ Leuten,« lachte Hendricks, »aber _uns_ schon, wir
wollen ihm ja gegen die Andern helfen -- also wo ist der Platz, weit von
hier, oder im Garten drüben?«

»Ich darf's nicht sagen, oder Mr. Boyles schlägt mich,« erwiderte der
Knabe, und warf einen scheuen Blick nach dem Frager hinauf.

»Ach was! wir vertrödeln hier die Zeit in höchst alberner Weise,« rief aber
jetzt der Andere, der ebenfalls ein Führer zu sein schien und einen großen
schwarzen Bart trug. Er faßte dabei den Knaben fest am Arm. »Komm her mein
Bursch und sei vernünftig -- Mr. Boyles giebt Dir vielleicht eine Tracht
Schläge, wenn er zurückkommt, das ist möglich, aber mit uns bist Du noch
viel schlimmer d'ran, denn wenn Du uns jetzt die Stelle nicht zeigst, wo
das Geld eingesscharrt ist, so binde _ich_ Dich da draußen an den nächsten
Pfirsichbaum und prügele Dich so lange, bis Dir das Fleisch in Fetzen vom
Rücken herunter hängt -- hast Du mich verstanden?«

Hendricks schüttelte unwillig den Kopf, denn dadurch machten sie jedenfalls
mehr als nöthigen Lärm auf der Farm. Bill aber klagte:

»Aber ich _darf's_ ja nicht sagen, Mr. Boyles hat es mir so streng
verboten.«

»Sip!« rief der mit dem Bart da dem Neger zu. »Spring einmal hinaus und
schneid' mir ein paar tüchtige Stöcke ab, aber derbe, verstehst Du? Der
kleine Bursch scheint hier hartnäckiger Art zu sein und da wollen wir doch
einmal sehen, ob wir ihm den Trotzkopf brechen können!«

Sip blieb nicht lange aus und Bill suchte sich indessen von der Hand des
Mannes loszumachen, was aber freilich einem Stärkeren schwer geworden wäre.
Der Mann lachte auch nur zu dem Versuch und suchte dabei in seiner Tasche
nach einem Stück Seil, um die Hände des Knaben zusammenzuschnüren, so daß
dieser endlich wie in Todesangst ausrief:

»Ach schlagt mich nur nicht, schlagt mich nur nicht; ich will Euch ja auch
gern zu dem Platz führen, aber Ihr dürft Mr. Boyles nicht sagen, daß ich es
gethan habe, oder er jagte mich sonst gleich wieder aus dem Hause«.

»Aha,« lachte der Jayhawker -- »nun denn heraus mit der Sprache, wo ist es?
weit von hier? im Garten vielleicht?«

»Nein -- ein Stück im Wald drin,« antwortete der Knabe, während der wilde
Bursch den ihm von dem Neger gebrachten Stock in die Luft probirte.

»Wo hinaus?«

»Gleich dort drüben. Es führt ein schmaler Pfad nicht weit davon vorbei.«

»Kannst Du ihn auffinden?«

»Ich -- weiß es nicht -- ich glaube ja.«

»Wie lange haben wir zu gehen?«

»Oh, gar nicht lange -- noch an dieser Seite vom Schilfbruch ist's.«

»Nun also denn vorwärts,« rief der Bärtige, der jetzt den Oberbefehl über
die Bande zu haben schien -- »und glaub' nicht etwa, mein Junge, daß Du uns
im Wald davon huschen kannst. Wie Du nur Miene machst fortzulaufen, drehe
ich dir den Hals um, darauf kannst Du Dich verlassen.«

»Ich kann ja nicht fortlaufen,« klagte Bill, »ich habe ja ein lahmes Bein.«

»Desto besser für dich,« nickte der Schwarze »denn das hält Dir den Hals
gerade -- aber nun vorwärts. -- Nein, mein Junge, nicht losmachen, ich
behalte Dich an der Hand, denn sicher ist sicher. Komm nur mit; es hilft
Dir jetzt nichts weiter. Und die Stöcke bring ebenfalls Sip, wenn ihn
unterwegs vielleicht sein Gedächtniß verlassen sollte.«

Bill leistete keinen Widerstand weiter, denn Alles, was er wollte, hatte
er ja erreicht: Sie glaubten ihm und waren im Begriff, ihm zu folgen,
aber trotzdem beschlich den Knaben jetzt eine und zwar nicht unbegründete
Furcht.

Daß ihn die Freunde nicht mit ihren Kugeln treffen würden, wenn sie auf die
Räuber schossen, wußte er gut genug und scheute sich wahrlich nicht davor,
aber der baumstarke Mann mit dem großen schwarzen Bart, hielt seinen Arm
wie in einem Schraubstock und merkte er Verrath -- von dem er jetzt aber
noch keine Ahnung haben konnte, so war es sicherlich um ihn geschehen. Aber
trotzdem schritt der Knabe, der jedoch wirklich so that, als ob er nicht
rasch von der Stelle könne, neben dem Jayhawker her. Weigern hätte ihm auch
jetzt nichts mehr geholfen, das wußte er gut genug und nur die Kugeln der
Freunde konnten ihn wieder frei machen und in Sicherheit bringen.

Der Pfad war ziemlich schmal und das kleine Gestrüpp an beiden Seiten
desselben, wie auch überall in diesen Wäldern, in den letzten Jahren wild
und üppig emporgeschossen, aber verfehlen konnte Bill seinen Weg schon
deshalb nicht, weil ihn die hin- und herwechselnden Kühe offen und betreten
gehalten. Trotzdem wurde seinen Begleitern die Zeit lang und der Schwarze
brummte.

»Höre mein Bursch, wenn Du glaubst, daß Du uns hier zum Narren haben
kannst, so bist Du im Irrthum. Soweit vom Haus hat der alte Boyles sein
Geld wahrhaftig nicht begraben. Sind wir bald da?«

»Seht Ihr den lichten Fleck da vorn?« fragte der Knabe.

»Gleich da vor uns die Oeffnung?«

»Ja -- dort ist's -- aber Mr. Boyles wird so böse werden.«

»Sorg Dich nicht um den, mein Bursche,« lachte der Schwarze, »denn wenn Du
unter unserem Schutz stehst, wird er wohl die Hände von Dir lassen. Liegt
denn das Geld so dicht am Pfad?«

»Nur ein klein Stückchen rechts davon, -- er hat abgebrochenes Holz darüber
gezogen, damit es Niemand finden kann.«

»Gescheut gemacht, alter Gesell,« lachte der mit dem Bart -- »Boyles ist
von jeher ein grundpfiffiger Kerl gewesen -- und nun mein kleiner Bursch,
da sind wir an der Stelle. Wo ist jetzt der Platz?«

»Gleich da drüben, seht Ihr unter dem Baumwollenholzstumpf, den der Blitz
abgeschlagen hat.«

Der Jay-hawker blieb stehen und zwang dadurch auch die Anderen, zu halten.
Wie das Wild, ehe es eine größere Waldblöße erreicht, stehen bleibt und
umhersichert, ob ihm auch von keiner Seite Gefahr droht, so blieb der den
Gesetzen verfallene Mörder ebenfalls halten und überflog rasch mit seinem
Blick die angrenzenden Büsche. -- Aber selbst sein scharfes Auge konnte
nichts Verdächtiges bemerkt haben, doch Bills kleines Herz klopfte ihm wie
ein Hammer in der Brust. Der Moment war gekommen, und obgleich er selber
den Versteck der Freunde kannte, war er nicht im Stande, auch nur das
Geringste von ihnen zu bemerken. Hatte ihnen die Zeit zu lange gewährt und
die Schaar den Platz verlassen? -- was dann?

Der Führer schien sich aber überzeugt zu haben, daß ihnen hier keine Gefahr
drohe. Nur um ganz sicher zu sein, wandte er sich zu dem Neger und sagte zu
diesem:

»Du, Sip -- steig einmal da drüben die Bank hinauf -- wenn Du Dir auch die
bloßen Beine ein wenig naß machst, und spür' einmal den Platz ab. Sowie
Du etwas Verdächtiges merkst, kommst Du zurück -- und nun vorwärts, Ihr
Burschen. Habt Ihr die Hacken mitgenommen? Das ist Recht. Das sieht mir
selber so aus, als ob dort die Erde frisch umgewühlt wäre. Vorwärts, in
einer Viertelstunde müssen wir mit der Sache zu Ende sein.«



Siebentes Kapitel.

Der Hinterhalt.


Die jungen Backwoodsmen vom Fourche la Fave hatten indessen den Abend
hinter ihrer Sandbank ziemlich ruhig verbracht, denn sie glaubten selber
nicht, daß die Jay-hawker zu dieser Zeit einen Ueberfall unternehmen
würden. Es war das wenigstens bis jetzt noch nicht ein einziges Mal
geschehen. Am liebsten kamen sie in früher Morgenstunde, ja meistens mit
anbrechendem Tag, bis zu welcher Zeit auch sämmtliche Indianerstämme ihre
Angriffe aufschieben, weil sie den Feind dann selten oder nie gerüstet
finden.

Allerdings hielten die Freunde abwechselnd ihre Wacht und beobachteten
dabei ein vorsichtiges aber auch nothwendiges Stillschweigen. Schon der
Klang einer Menschenstimme hier im Wald, würde einem herumschleichenden
Feind den ganzen Plan verrathen haben, aber an wen es gerade war, sich zum
Schlafen nieder zu legen, der that das in voller Ruhe und in einem Gefühl
von Sicherheit, das jedoch rasch schwand, als der Whip-poor-Will Morgens
seinen ersten Laut hören ließ, und damit den nahenden Tag verkündete.

Jetzt wurden Alle geweckt und lautlos, ihre Büchsen im Arm, horchten sie
der Richtung zu, in welcher das Haus lag, ob sie nicht den wilden
Schrei von dort herüber hören konnten, mit dem sich die Jay-hawker schon
verschiedene Male bei ihren Opfern eingeführt -- aber es blieb Alles still.
Der Tag dämmerte, die Sonne ging auf und stieg höher und höher, ja stand
schon über den Baumwipfeln, und noch immer regte sich Nichts nach jener
Richtung zu im Wald, und nur ein paar Spechte hämmerten ununterbrochen an
einem alten Stamm herum und stießen manchmal dazu ihr heiseres Gekreisch
aus.

Hatten die Jay-hawker ihren Angriff auf Boyles' Haus aufgegeben und waren
am Ende doch mit einem vielleicht irgendwo sonst aufgefundenen Canoe
nach der anderen Seite zurückgekehrt? Sie hätten jetzt selbst Perryville
vollkommen schutzlos gefunden und dort nach Belieben wirthschaften können.

Halt! das klang wie eine menschliche Stimme -- wenn sie jetzt kamen.
Den jungen Leuten schlug das Herz, als ob sie sich hätten an einen Bären
anpirschen wollen. Sie Alle waren aber auch Jäger genug, um zu wissen, daß
sie sich vollständig decken mußten, wenn sie den schlauen Feind überlisten
wollten. Das Blitzen der Sonne auf einem Büchsenlauf, die runden dunkeln
Umrisse eines Kopfes nur auf dem hellen Sand konnten sie schon verrathen,
und nicht allein, daß ihre ganze Arbeit dann umsonst gewesen wäre, nein,
sie gefährdeten in dem Fall auch auf das Ernstlichste das Leben des Knaben,
denn welche Gewissensbisse hätten sich jene Burschen gemacht im ersten
Moment und in Wuth und Rache selbst das Leben eines Kindes zu nehmen.

Jim Jenkins hatte dafür auch schon vorher seine Ordre gegeben. Alle mußten
sich vollkommen hinter dem Sandrücken verborgen halten, und er selber
häufte, eben mit den Augen über dem Rand, für seinen Kopf eine Parthie
Reiser und Ranken so auf, daß sie ihm einen Blick hinausließen, aber ihn
auch sonst vollständig verdeckten. Erst wenn die Freunde sahen, daß er sich
selber schußfertig machte, sollten sie das Nämliche thun, die Büchsen dann
hinausschieben und rasch, aber sicher zielen und abdrücken -- um Gottes
Willen keinen Schuß nutzlos vergeuden.

Jetzt konnte Jim die dunklen Gestalten der Jay-hawker schon deutlich im
Wald erkennen. Sie kamen näher und näher und das Blut stockte ihm fast, als
er sah, daß der Erste den Arm seines Bruders fest in der Faust hielt,
und der Kleine dadurch nicht einmal frei war, sich, der Verabredung nach,
gleich bei dem ersten Schuß in das Dickicht zu werfen -- aber jetzt blieb
keine Zeit mehr zum Besinnen -- wo war Hendricks? Jim's Blick suchte ihn,
aber er fand ihn nicht unter den Vorderen. War er am Ende gar nicht unter
der Schaar? -- Jim schrak unwillkürlich zusammen. Die Jay-hawker hielten
noch im Waldrand, so daß er bis jetzt nur auf den Einen hätte mit
Sicherheit zielen können. Hatten sie etwa Verdacht geschöpft -- aber durch
was? Jim durfte allerdings nicht einmal den Kopf zur Seite drehen, um sich
nicht durch die, selbst unbedeutende Bewegung selber zu verrathen, und nur
den Mund öffnete er weit, so schwer kam ihm der Athem aus der Brust.

Wie still das gerade jetzt im Walde war -- deutlich konnte man das Klopfen
des Spechtes, den Schrei eines kleinen Falken hören, der mit zitterndem
Flügelschlag fast wie eine Lerche hoch in der Luft stand, und über die
Richtung, die er nehmen sollte, unschlüssig zu sein schien. Kein Blatt
regte sich dabei, so still und fast schwül war die Luft. -- Jetzt aber
schienen sich die Jay-hawker endlich überzeugt zu haben, daß ihnen hier
keine Gefahr drohe. Der Platz in dem sie das vergrabene Geld vermutheten,
lag überhaupt zu nahe und die Ungeduld trieb sie die Stelle zu untersuchen.

Als ihr Führer aus dem, von Dornen eingeengten Pfad trat, breiteten sich
seine Begleiter ebenfalls auf der Lichtung aus -- Jim zählte, wenn er in
dem Augenblick überhaupt zählen konnte, etwa elf oder zwölf Mann, aber sein
Auge suchte Hendricks unter ihnen und fand ihn, aber noch immer von den
Uebrigen gedeckt. Sollte er warten bis er vollständig vortrat -- aber
der geringste Zufall konnte ihn den Räubern verrathen -- ein günstigerer
Zeitpunkt kam für ihn kaum wieder, denn der Trupp erreichte jetzt den
Platz und der Mann mit dem schwarzen Bart, der bis dahin Bill an der Hand
gehalten, ließ ihn los, um selber einen der schweren Aeste aufzuheben.

Jim winkte zurück mit der Hand, und die Büchse, deren Hahn er schon
gespannt hatte, mit beiden Händen fassend, hob er sich etwas auf den Knieen
aus seiner gebückten Stellung empor.

Es waren acht Männer die dort im Hinterhalt lagen -- der neunte hielt noch
am Holzrand Wacht, sollte aber ebenfalls nach dem ersten Schuß herbeieilen.
-- Dort drüben stand ein Trupp von wenigstens zwölf so verzweifelten
Burschen als sie vielleicht das weite Land aufzuzeigen hatte -- hätten sie
alle ihre Gewehre abgeschossen, so hatten die Feinde, mit ihren geladenen
Büchsen und Revolvern, jedenfalls die Uebermacht. Aber wer von ihnen Allen
hätte deshalb auch nur für einen Moment den Angriff verzögern mögen. Sie
durften es auch gar nicht; der Neger schritt gerade auf sie zu -- dort
waren diese, von der Welt für vogelfrei erklärten Jay-hawker, von Mord
triefend und eben wieder im Begriff, einen neuen Raub zu begehen. Ein
günstigerer Zeitpunkt kam nicht wieder, und ohne jetzt auch nur noch
mit einer Wimper zu zucken, hoben sie sich gemeinschaftlich empor -- die
Büchsenläufe suchten ihr Ziel -- und der Wald wurde lebendig.

Der Neger hatte, wenn auch nicht die größte, doch die erste Ueberraschung.
Ohne eine Gefahr zu ahnen, watete er durch das seichte Wasser, dem
Sandrücken zu, hinter dem die Männer lagen. Da sah er vor sich, wie mit
_einem_ Schlag, die dunklen Gestalten der Rächer auftauchen, und ehe er
selbst nur einen Warnungsschrei ausstoßen konnte, traf ihn die erste Kugel
in die Brust.

Aber fast in demselben Moment auch fielen die anderen Schüsse -- wenigstens
unmittelbar nacheinander, und jetzt waren die Schützen selber auch nicht
mehr zu halten. Die Ueberraschung, der erste Schreck der Räuber mußte
benutzt werden, und wie sie nur ihre Kugel abgesandt, sprangen sie auch
auf die Sandbank und dann wie ein Wetter gegen die Räuber an, die in wilder
Furcht gar nicht wußten, wohin sie sich wenden sollten. -- Fünf brachen
wild dem nächsten Dickicht zu, aber schon nach wenigen Schritten taumelten
Einige und hätten den Kolbenschlag nicht mehr gebraucht, der sie -- eine
Leiche, zu Boden schmetterte. Da und dort brach es noch durch die Büsche
hinein und die Verfolger griffen die erbeuteten Büchsen auf, feuerten
hinterher, und stürzten dann wieder nach, die Kolben schwingend.

Bill war der Einzige gewesen, der die Bewegung hinter der Sandbank
bemerkte, und nach ihm der Neger -- für ihn selber aber zu spät. Wie der
kleine Bursch aber die Büchsenläufe in die Höhe gehen sah, warf er sich
auch platt auf den Boden nieder und die Uebrigen mochten glauben, daß er
gestolpert wäre -- achteten wenigstens in der Erwartung des vergrabenen
Geldes nicht auf ihn, bis sie die zwischen sie einschlagenden und sicher
genug gezielten Kugeln inmitten ihrer verbrecherischen Laufbahn ereilten.

Nur Einer war todt auf dem Platz geblieben; der schwarzbärtige Gesell,
der Bill an der Hand geführt, denn er hatte die Kugel in den linken Schlaf
bekommen und wohl kaum seinen Tod gefühlt. Fünf Leichen lagen in zehn bis
zwanzig Schritt von der Stelle, und andere Verwundete hörten sie noch nach
verschiedenen Richtungen hin durch die Büsche brechen.

Jim selber hatte keinen freien Schuß auf Hendricks bekommen können, denn
Einer der anderen Jay-hawker stand vor ihm. Es blieb ihm Nichts übrig als
auf diesen zu schießen, in der Hoffnung, daß die Kugel durchschlagen und
Beide treffen möge -- aber unter den Todten fand er ihn nicht, und sein Ruf
sammelte die Freunde, daß sie sich nicht tollkühn einer unnöthigen Gefahr
aussetzten.

Zuerst mußten sie ihre Büchsen wieder laden, dann wollten sie den Wald
absuchen und wer von Allen auch nur einen Streifschuß erhalten hatte und
nicht mehr so rasch von der Stelle konnte, mußte dann sicher in ihre Hände
fallen.

Kein Wort wurde dabei gesprochen -- wachsam nur flogen die Blicke umher,
denn jeder Augenblick konnte noch von einem der Flüchtigen eine Kugel
herübersenden, während die Hände fast mechanisch die abgeschossenen Büchsen
wieder luden. Bill selber aber hatte sich schon eine der Büchsen vom
Boden aufgesucht -- seines _Vaters_ Waffe, die Einer der Räuber damals
mitgenommen. _Den_ wenigstens hatte die Vergeltung erreicht, und der kleine
Bursch sah so kaltblütig nach dem Zündhütchen, ob auch Alles in Richtigkeit
sei, als ob er schon in Gefahren grau geworden wäre -- aber die Kugeltasche
fehlte noch. Der Todte trug sie noch an seinem Leibe. Bill legte die Büchse
auf die Leiche, hob den Körper mit aller Kraft an der rechten Seite in die
Höhe, und hing sich dann die Tasche selber um.

Und jetzt begann die Verfolgung der Verbrecher, die auch insofern ein
günstiges Resultat lieferte, als die Verfolger noch bald darauf einen
Todten und zwei schwer Verwundete antrafen, mit denen aber wenig Umstände
gemacht wurden.

John Wells rief zwar, man solle sie aufhängen, denn Erschießen sei zu
gut für sie. Wenn aber auch die Männer mit der vorgeschlagenen Todesart
einverstanden gewesen wären, hätte ihnen das doch zu viel Zeit weggenommen.
Ein paar erbarmungslose Hiebe mit derselben Kaltblütigkeit geführt, als ob
sie einen angeschossenen Wolf abgefertigt hätten, beendeten die Leiden
der Verbrecher, und weiter stürmte dann die Schaar, denn noch immer fehlte
Hendricks unter den Opfern, und Jenkins wie Wells suchten ja doch nur den
Einen vor allen Andern.

Weiter -- das Terrain war insofern der Verfolgung günstig, als der
Arkansas hier einen großen Bogen machte, und während sechs von den Leuten
abgeschickt wurden quer durch, nach dem Rand des oberen Ufers zu zu suchen,
vertheilten sich die Uebrigen, Bill seine Büchse schulternd mitten zwischen
ihnen, durch den Wald.

Da wo noch Einer der Räuber durch die Gründornen gebrochen war, fanden sie
Blutspuren und folgten nun, wie gierige Schweißhunde, der aufgefundenen
warmen Fährte. Aber der Verwundete mußte Lebenskraft genug haben, um
rascher vorwärts zu rücken, als sie ihm folgen konnten, da sie gezwungen
waren, die oft kaum sichtbare Fährte zu halten. Sie erreichten sogar
endlich das Ufer des Arkansas, wo sie deutlich sahen, daß der Verwundete,
dessen Blut die Uferbank färbte, den Strom betreten haben mußte. Hatte er
noch Kraft behalten, um hinüber an's andere Ufer zu schwimmen? Die Fläche
war breit und es gehörten kräftige Arme dazu -- oder war er nur eine kurze
Strecke stromab getrieben, um die Verfolger von seiner Fährte zu bringen
und sich dort bis einbrechende Nacht versteckt zu halten.

Beide Fälle waren möglich und zwei der jungen Leute erboten sich
augenblicklich, nach zu schwimmen und drüben die Ufer abzusuchen, während
die Andern an dieser Seite den ganzen Flußrand abspüren sollten.
Das Letztere zeigte sich aber nicht so leicht, denn eine Masse von
unterwaschenen Bäumen waren mit ihren Wipfeln in den Strom gestürzt; an
anderen Stellen hing das Rohr über die steile unterwaschene Bank, so daß
man sich nur mit Gefahr an den äußersten Rand wagen und dann noch nicht
einmal selbst die kleine Stelle vollkommen genau überschauen konnte.

Die Verfolger gaben sich gewiß Mühe ihr Opfer aufzuspüren, aber vergebens.
Hatte der Verwundete im Arkansas seinen Tod gefunden? Es war möglich, ja
sogar wahrscheinlich, falls er wirklich, zur Verzweiflung getrieben, gewagt
haben sollte ihn zu kreuzen. An _diesem_ Ufer schien er sich aber nicht
gehalten zu haben und man mußte nun abwarten, welche Nachricht die beiden
Schwimmer brachten.

Gegen Abend sammelten sich die Backwoodsmen wieder auf dem Platze ihres
Hinterhalts und Cook machte den Vorschlag, die Leichen zu begraben, was
aber von dem Rest der Schaar fast zornig zurückgewiesen wurde.

Begraben? hatten diese Buben ein ehrliches Begräbniß verdient? wahrlich
nicht. Es gab Wölfe und Aasgeier genug im Walde, um sie im Lauf der
nächsten Tage zu beseitigen und das Einzige, wozu sich die Rächer
verstanden, war, es den Thieren des Waldes bequem zu machen, indem man den
Leichen die Kleider auszog, diese dann auf einen Haufen Reisig warf und das
Ganze anzündete. Dann, nachdem sie alle Waffen und Kugeltaschen gesammelt
hatten, kehrten sie nach Boyles' Farm zurück, wo die beiden jungen Leute,
die über den Fluß geschwommen, zu ihnen trafen.

Diese aber schienen sich in größter Aufregung zu befinden und wie sie nur
ans Ufer sprangen, schrieen sie den Gefährten schon zu:

»Er ist drüben, er ist entkommen, Hendricks lebt noch!«

»Und Ihr habt ihn gesehen?« rief Jenkins fast außer sich.

»So dicht wie Euch!« erwiderte der Eine, »aber was sollten wir machen? Er
hielt uns einen Revolver vor, _wir_ hatten nichts als unsere Messer, und
ich begreife eigentlich jetzt noch nicht, weshalb er uns nicht Beide über
den Haufen schoß.«

»Weil er sich fürchtete, daß sein Revolver versagte,« knirschte John Wells
zwischen den Zähnen durch. »Teufel noch einmal, weshalb seid Ihr nicht auf
ihn gesprungen.«

»Weil ich kein Stück Blei im Leibe haben wollte,« knurrte der Andere. »Die
Revolverpatronen kann man ein paar Stunden in's Wasser legen und sie
gehen doch los, und der Bursche war so zur Verzweiflung getrieben, daß er
wahrhaftig wenig Umstände mit uns gemacht haben würde.«

»Und wo traft Ihr ihn?«

»Keine hundert Schritt vom Ufer,« sagte der Erste wieder. »Er schien von
der Schwimmpartie erschöpft und wir hatten ebenfalls keinen Athem mehr. Wir
fanden den Platz, wo er an's Land gestiegen war, gleich an der Slew, die
etwa eine halbe Meile über Klingelhöffer's Platz in den Arkansas mündet. So
weit hatte ihn der Strom mit hinab genommen.«

»Und weiß Klingelhöffer darum?«

»Gewiß, der Alte riß augenblicklich, trotz seiner Kreuzschmerzen, seine
Büchse von der Wand und eilte hinüber.«

»Und Ihr seid ihm nicht gefolgt?«

»Weil wir Euch hier erst Nachricht geben wollten. Wenn wir jetzt Alle zur
Verfolgung ausgehen, _kann_ er gar nicht entkommen.«

»Gut denn -- hinüber!« rief Jenkins rasch. »Es ist vielleicht auch gut
so, denn der Schuft hat jetzt wenigstens noch eine Weile Todesangst
auszustehen, bis wir ihm wieder auf den Fährten sitzen. Hat Einer von Euch
ein Seil?«

»Hier im Hause sind genug,« sagte Bill. »Dort in der Ecke liegen drei oder
vier Stricke.«

»Gut, nehmt ein paar mit und nun vorwärts. Unser Werk ist nur halb gethan,
wenn uns Hendricks entkommt.«

Die Männer hielten sich in der That nicht auf, und wie nur die erste Hälfte
übergesetzt war, flogen sie auch mehr als sie gingen, am Ufer hinauf,
um die Stelle zu erreichen, wo der Verbrecher zuerst gesehen worden --
umsonst. Nach etwa einer Stunde trafen sie Klingelhöffer, der die Fährte
verloren hatte, und sie nun an dem höheren Land, das mit einzeln stehendem
Rohr und kleinem Baumwuchs bestanden war, wieder aufzufinden suchte. Der
Boden dort war aber trocken, da das Regenwasser rasch in die Niederung
ablaufen konnte, die beiden Hunde, die er mitgenommen, verstanden nicht
auf einen Menschen zu jagen und setzten hinter einem vor ihnen aufstehendem
Hirsch her, und als die Nacht einbrach, in der jede Verfolgung nutzlos
wurde, mußten sie es aufgeben und nach Klingelhöffer's Haus zurückkehren.



Achtes Capitel.

Die Suche.


In den nächsten Tagen war Alles, was sich noch von waffenfähigen Männern am
Fourche-la-Fave, wie an der anderen Seite des Stromes befand, auf den
Füßen und im Sattel, denn wie ein Lauffeuer hatte sich das Gerücht über
die Zersprengung und fast vollständige Vernichtung der Jay-hawker-Bande
verbreitet, und Alles wollte jetzt Theil nehmen, um die Letzten dieser
gefürchteten Schaar mit einfangen und bestrafen zu können.

Der Haupttrupp nahm auch dabei Hendrick's Fährte auf -- umsonst. Die Männer
auf der anderen Seite des Arkansas trafen noch auf einen Verwundeten, der
in einen Schilfbruch gekrochen war und sich kaum noch regen konnte. Das
aber schützte ihn nicht; er wurde hervorgezogen und an dem nächsten Dogwood
aufgehängt, während die Rächer am Fourche-la-Fave auch keine Fußspur mehr
von dem Flüchtigen fanden.

Wo er sich versteckt hatte, ließ sich kaum denken, denn weiter geflohen
konnte er unmöglich sein, oder sie hätten ihn finden müssen; aber nach drei
Tagen vergeblicher Suche gaben sie die Sache endlich auf -- die Meisten
wenigstens, die in ihre Heimath zurückkehrten, während aber John Wells wie
Jenkins einen heiligen Schwur leisteten, nicht zu ruhen noch zu rasten,
bis sie den Mörder ihrer beiden Väter erreicht und deren Tod an ihm gerächt
hätten.

Vor der Hand mußten sie allerdings nach Little Rock zurück, aber General
Steene, als er die Einzelheiten jener Verbrecherschaar gehört, gab ihnen
gern Urlaub, mit der Bedingung freilich, die Mörder, falls es ihnen irgend
möglich sein sollte, lebendig nach Little Rock einzuliefern. Er wolle
selber sein Urtheil fällen, und daß Hendricks bei ihm auf keine Gnade zu
hoffen hätte, darauf könnten sie sich fest verlassen.

John Wells versprach das augenblicklich, als ihm aber Jim nachher Vorwürfe
darüber machte, lachte der junge Bursche kalt und höhnisch auf und murmelte
zwischen den zusammengebissenen Zähnen:

»Wenn er das aushält, was ich mit ihm anfange, sobald er mir in die Hände
läuft, und nachher wirklich noch lebendig ist, dann werde ich ihn so an den
alten Herrn abliefern. Wahrscheinlich ist's freilich nicht.«

»Aber Du hast es versprochen.«

»Zum Teufel auch,« rief Wells, »ich hätt' ihm versprochen, ein Stück Mond
herunter zu holen, wenn er's verlangte, nur um loszukommen. Jetzt komm Jim.
Wenn der Schuft noch lebt, so ist ihm hier der Boden unter den Füßen zu
warm geworden; dann aber hat er sich auch nirgends anders hingewandt, als
nach dem gesegneten Texas -- und dorthin liegt jetzt unser Ziel.«

»Und die Unseren daheim?«

»Mein Bruder wird so lange für sie sorgen -- er hat's fest versprochen.
Deine Schwester zieht zu meiner Mutter und Bill ebenfalls; der Junge ist
ein Prachtkerl, und lebt Hendricks noch, dann finden wir auch seine Fährte
-- oh nur die Seligkeit, ihm die Schnur um den Hals zu knüpfen -- weiter
verlange ich ja nichts auf der Gotteswelt.«

»Und wann brechen wir auf?«

»In drei Tagen. Ich muß noch erst einmal nach Hause, um Alles dort in
Ordnung zu bringen. Hast Du Geld, Jim?«

»Keinen Dollar im Vermögen.«

»Ich auch nicht, aber das schadet nichts -- wohin wir gehen, brauchen wir
nichts, als was wir uns leicht mit der Jagd verdienen können. Hast Du noch
einen anderen Anzug, denn in der Uniform dürfen wir nicht reisen -- Texas
ist noch im Aufstand.«

»Ja, mein neues Zeug, das mir Betsy erst in dieser Woche fertig gemacht
hat.«

»Gut -- ich will ebenfalls sehen, daß ich einen anständigen Rock auftreibe,
denn die letzte Suche hat dem meinigen bös mitgespielt. Wollene Decken
haben wir den Jayhawkern genügend abgenommen. Was ist denn das für eine
Büchse, die Du da trägst?«

»Meines Vaters Waffe, die Bill dem einen Todten abgenommen. Ich habe dem
Knaben die meinige dafür gegeben.«

»Alles in Ordnung denn. Am dritten Tag von heute hol' ich Dich ab,« und
sein Pferd wendend ritt er in scharfem Trab den Strom hinauf.

       *       *       *       *       *

John Wells hielt sein Wort. Zu thun gab es jetzt auch Nichts mehr für
sie am Fourche-la-Fave, denn den Jay-hawkern war das Handwerk gelegt, und
wieder Land urbar zu machen oder zu pflanzen, dazu hatte keiner der Leute
Lust. Wußten sie denn, für wen sie es thaten, und waren ihnen nicht jetzt
drei Jahre hinter einander die Ernten von durchstreifenden Soldatentrupps
der einen oder anderen Partei geplündert oder zerstört worden? Erst mußte
wieder Frieden sein, ehe sie in diesen dem Wechsel des Krieges ausgesetzten
Districten an die ruhige Beschäftigung des Ackerbaues gehen konnten. Das
Wenige, was sie selber zum Leben brauchten, konnte jeder schon ziehen oder
durch die Jagd beibringen; jetzt hatte John Wells kein anderes Ziel als
den zehnfachen Mörder zu erreichen und dann -- ja, was er dann mit ihm thun
würde, wußte er selber noch nicht, und nur in Wuth und Ingrimm knirschte er
die Zähne zusammen, wenn er an den Buben dachte.

Texas! und war er auch wirklich nach Texas geflohen? Konnte er sich nicht
westlich zu den Indianern gewandt haben? Wie mancher Verbrecher schon
hatte die weiten Prairien aufgesucht, um sich dem Arm der ihn verfolgenden
Gesetze zu entziehen.

John hielt sein Pferd an und schien unschlüssig, aber wie wir bei allen
Menschenklassen, die den größten Theil ihres Lebens draußen in der freien
Natur verbringen, bald mehr bald weniger immer einen gewissen Grad von
Aberglauben finden, so sagte er sich jetzt selber: Dein erster Gedanke fiel
auf Texas -- Gott selber muß es Dir eingegeben haben, denn er kann nicht
wollen, daß ein solcher Bube frei und ungestraft auf seiner Erde wandelt
-- also nach Texas! und als er zur verabredeten Zeit mit Jim zusammentraf,
konnte er den Moment nicht erwarten, wo er seinem Thier erst die Sporen
geben durfte.

Aber Texas ist ein großes -- ein ungeheuer großes Land, und wenn sie es
erreichten, nach welcher Richtung sollten sie dann suchen? Doch die Frage
fand vielleicht schon ihre Erledigung auf dem Weg, denn wenn sich der
Flüchtige überhaupt dorthin gewandt, so konnte er fast nur durch Arkansas
die Straßen über Washington und Fulton eingeschlagen haben. Der folgten sie
jetzt ebenfalls, um vielleicht in irgend einer Hütte wieder auf die
Spur des Verbrechers zu kommen. Er war jedenfalls durch eine der Kugeln
getroffen worden, das bewies das Blut, das sie in seinen Fährten gefunden,
und möglich war's, daß sie gerade dadurch leichter auf seine Spur kommen
oder ihn wohl gar erschöpft in irgend einer Cabin fanden.

Die Hoffnung sollte sich indessen nicht bewähren, denn Kunde bekamen sie
allerdings genug von verdächtigen Individuen, die sich dort in der letzten
Zeit auf der Straße herumgetrieben, und meist alle den Weg nach Texas
eingeschlagen hatten, aber ob der Gesuchte zwischen ihnen gewesen, wer
konnte es sagen. Verwundet waren ebenfalls Einige gewesen, das aber konnte
in jetziger Zeit, wo der blutige Krieg Tausende von Opfern kostete, kaum
auffallen. Es schien vielmehr sonderbar, wenn noch ein junger Mann mit
unverletzten Gliedern in der Welt herumlief.

So setzten sie ihren Weg fort, bis sie endlich den Red-River erreichten,
diesen kreuzten und dann in die ungeheueren Wälder des weiten Landes
eintauchten.

Dort hörte jede Spur auf, denn dort gab es nur einzelne, jetzt ebenfalls
wüstliegende Plantagen und das Land war so wildreich, daß sich ein
einzelner Wanderer, wenn er besonders Menschen ausweichen wollte, recht gut
verbergen und von jedem Pfad abseits erhalten konnte -- und Hendricks wußte
gut genug in der Wildniß Bescheid, um gerade einen solchen Cours, seiner
größeren Sicherheit wegen, zu verfolgen.

Die Kreuz und die Quer zogen so unsere beiden jungen Backwoodsmen durch die
am wenigsten besiedelten Theile des großen Staates, und wenn sie auch
mit Manchem zusammentrafen, der recht gut in den Staaten einer solchen
Raubbande angehört haben könnte, den allein Gesuchten fanden sie nicht, und
konnten ihn auch von Keinem erfragen.

Lange Monate hatten sie dabei dies Leben fortgeführt, und sogar schon in
der einen kleinen Ansiedelung, die sie erreichten, die Nachricht erhalten,
daß der Feldherr der Secessionisten: General Lee, capitulirt habe und der
Krieg somit beendet sei, wenn sich auch in Texas selber eine Truppenmacht
der Rebellen hielt.

Sollte sich Hendricks am Ende diesen angeschlossen haben? Es schien nicht
wahrscheinlich, denn ein Meuchelmörder sucht nicht den offenen Kampf, so
lange er aus sicherem Hinterhalt sein Opfer treffen kann. Aber wo in aller
Welt stak er dann, und vergeudeten sie nicht hier ihre Zeit in völlig
nutzlosem Umhersuchen, während der Verbrecher vielleicht vollkommen sicher
und unbehelligt in irgend einem anderen Theil des weiten Landes, und dann
jedenfalls unter einem angenommenen Namen saß?

Jim und John lagen an einem, im Wald entzündeten Feuer ausgestreckt. An der
Gluth briet ein von dem Ersteren erlegter Truthahn, und die beiden jungen
Leute hatten das Für und Wider ihrer langen mühseligen Wanderung hin und
her erwogen. Sie fingen an einzusehen, daß sie auf diese Weise ihr Ziel
wohl kaum erreichen würden.

»Das geht nicht länger John,« sagte Jim nach einer langen Pause, in der
er still sinnend in die Flamme gestarrt hatte. »Wer weiß ob der Schuft
überhaupt noch lebt, und wir ziehen hier wie die Narren mitten im Wald
herum, als ob wir weiter in der Gottes Welt Nichts zu thun hätten, als auf
die Jagd zu gehen -- und daheim liegen doch unsere Farmen brach.«

»Und hast Du etwa Lust _unsere_ Jagd aufzugeben?«

»Wenn ich die _Möglichkeit_ eines Erfolges sähe, bei Gott nicht, aber wir
wissen nicht einmal, ob sich Hendricks nach Texas gewandt hat, und wo ihn
_dann_ suchen? Er kann eben so gut in Minnesota wie in Florida sitzen.«

»Vielleicht hast Du Recht,« nickte John, nach einer kleinen Weile -- »wir
_könnten_ unsere Chancen verdoppeln, und das ist es, woran auch ich schon
gedacht habe.«

»Und in welcher Art?«

»Indem wir uns trennen und jeder einen anderen District absucht.«

»Und was dann, wenn ihn _Einer_ findet? Haben wir nicht Beide Antheil an
der Rache?«

»Das ist eben der Teufel, und wenn das nicht wäre,« meinte John, »so hätte
ich Dir den Vorschlag schon vor vier Wochen gemacht -- sobald wir uns aber
nach zwei Richtungen wenden, liegt doch viel eher die Möglichkeit vor, ihn
anzutreffen und sind wir ihm nur erst einmal auf der Spur -- wissen wir
bestimmt, daß er in Texas ist, dann wäre es auch nachher ein Leichtes, ihn
gemeinschaftlich wieder zu treffen.«

»Und dann müßten wir ihn das erste Mal laufen lassen,« sagte Jim mit dem
Kopf schüttelnd -- »Du wärst der Letzte, der das thäte, John. Denk nur an
das Versprechen, das Du dem General in Little Rock gegeben.«

»Bah, soviel für _den_; der hatte kein Anrecht an unserer Rache, aber
Du hast es, und ich möchte es Dir nicht verkümmern. Uebrigens braucht
Hendricks, _wenn_ ihn Einer von uns aufspürt, gar nicht zu erfahren, daß
wir in der Nähe sind. Wir wollen nur herauszubekommen suchen, _wo_ er sich
aufhält, und uns dann an einem verabredeten Sammelplatz treffen.«

»Das ist weitläufig,« sagte Jim, mit dem Kopf schüttelnd, »und bekommt
er nachher Wind, so sind wir auf dem alten Fleck. Nein, Du weißt, daß
uns neulich einmal der Neger, den wir trafen, einen Mann beschrieb, der
möglicher Weise Hendricks gewesen sein _kann_. Der soll sich aber in
der Nähe einer deutschen Colonie aufhalten. Wie wär's, wenn wir zusammen
dorthin aufbrächen und dann erst -- sobald wir unseren Verdacht nur in
etwas bestätigt finden, getrennt suchen.«

»Es ist ein verwünscht weiter Weg.«

»Aber will uns das Glück wohl, so finden wir ihn vielleicht eben so leicht
in dieser Richtung, wie in irgend einer andern.«

»Aber die Beschreibung paßte nur in etwas auf die _Person_, sonst wären
wir ja gleich auf der Spur nachgegangen,« rief John. »Jener Bursche war der
Sohn eines Pflanzers aus Florida, dem die Unionisten die Plantage zerstört
hatten.«

»Bah, Geschichten sind leicht erzählt und Hendricks ist erfinderisch.
Was sollen wir hier? _Hier_ steckt er nicht, oder wir hätten ihn längst
gefunden, also weshalb ihn nicht in einer anderen Richtung suchen.«

»Gut! einverstanden,« nickte John endlich, »aber -- in der deutschen
Colonie werden wir Geld brauchen und das --«

»Nicht einen Cent,« rief Jim -- »denk an Klingelhöffer -- würde der Geld
für ein Nachtquartier nehmen? Sie sind alle gastfrei, und außer dem bringen
wir auch leicht ein Dutzend Hirschhäute zusammen, wenn wir ja einmal ein
paar Dollar brauchen sollten. Vorwärts, der Wald bleibt uns immer und giebt
uns Nahrung und Quartier.«

Es wurde Nichts weiter über die Sache gesprochen. Die Männer beendeten ihre
Mahlzeit, holten dann ihre »ausgehobbelten« (=to hobble a horse=, ein Pferd
an den Vorderbeinen fesseln) Pferde herbei, schnürten ihre Decken zusammen
und schlugen mitten durch den Wald die etwaige Richtung ein, die sie ihrem
nächsten Ziel entgegenführen mußte.



Neuntes Kapitel.

In der Colonie.


Man muß den Charakter dieser zähen amerikanischen Backwoodsmen kennen, um
zu begreifen, wie zwei junge Leute, nur mit ihren Büchsen und Pferden, und
eine wollene Decke am Sattel festgeschnallt, Monate lang und allein das
eine Ziel verfolgend, in einem wilden Land herumziehen konnten. Es war
ihnen aber eben Nichts weiter als eine Jagd, auf der sie früher ja auch
halbe Jahre verbrachten; an Ausdauer fehlte es ihnen wahrlich nicht dazu
-- an Bequemlichkeiten waren sie nie gewöhnt gewesen -- solche ausgenommen,
die ihnen die Wildniß bot, und sie betrachteten die ganze Tour mehr als
einen Streifzug, um zugleich auch ein ihnen bisher fremdes Land kennen
zu lernen, in dem sie sich vielleicht später selber einmal eine Heimath
gründen konnten. Arkansas war ihnen verleidet worden, und es giebt ja
überhaupt kaum ein rastloseres Volk in der Welt, als eben diese westlichen
Jäger, die selbst ihre Farmen verkaufen, sobald ihnen nur halbwegs ein
Gebot gethan wird, und dann mit der größten Zufriedenheit weiter westlich
in eine neue Wildniß ziehen.

So verfolgten auch unsere beiden Freunde ihren Weg, ohne aber auch nur
für einen Augenblick ihr eigentliches und blutiges Ziel aus den Augen zu
verlieren. Ueberall in den zerstreuten Ansiedlungen oder Städten, die sie
erreichten, horchten sie umher -- überall vergebens, denn der _gesuchte_
Verbrecher war nirgends zu finden. Wohl aber hörten sie, als sie sich
jener deutschen Ansiedelung »Blumenthal« näherten, Gerüchte von einer
Räuberbande, die sich, wenn auch nicht in unmittelbarer Nähe derselben,
doch in der Nachbarschaft in einem wilden Schilfbruch festgesetzt haben und
die Gegend unsicher machen sollte. Mancher Reisende durch jene Strecken war
verschollen, und der Verdacht lag ziemlich nahe, daß sie eben jenen Buben
zum Opfer gefallen.

Die beiden jungen Leute kamen hier in eine freundliche und reiche Gegend --
in eine Strecke, die durch den unseligen Krieg wenig oder gar nicht berührt
war, und deutschen Fleiß und Arbeitssinn deßhalb so viel deutlicher zeigen
konnte.

Hatten sie überhaupt schon je einmal in ihrem Leben einen solchen Platz
gesehen, wo Farm neben Farm lag, eine Fenz in die andere griff, und die
Acker von Wurzeln und Unkraut gereinigt, ebenen Prairien glichen, während
wohnliche Häuser und große aus Stein erbaute Scheunen Reichthum sowohl als
Behaglichkeit verriethen?

_Das_ waren Farmen, wie sie eigentlich sein sollten, und wie sie ähnliche
auch wohl von Leuten, die aus dem fernen Osten kamen, beschreiben hörten.
Wo aber hätten sie selber sie schon in ihrem Leben betreten? -- Am
Fourche-la-Fave? -- Wilder Wald lag zwischen den einzelnen Wohnungen
und selbst diese boten wenig -- keine von allen auch nur mehr als den
nothdürftigsten Schutz gegen das Wetter und die Kälte, während sich hier
sogar schon ein ihnen vollständig fremder Luxus Bahn gebrochen und die
Stuben mit Teppichen, die Fenster mit Gardinen geschmückt hatte.

Allerdings waren sie auf ihrem letzten Zug in Tennessee und Mississippi
durch reiche Districte gezogen, wo in Friedenszeiten die herrlichsten mit
Allem ausgestatteten Plantagen gelegen, aber wie sahen diese Plätze
aus, als ihr Fuß sie betrat? Die Häuser waren verbrannt, oder lagen mit
eingeschlagenen Fenstern und Thüren verödet da. Die Fenzstangen schienen
zu Feuerholz gedient zu haben, die Felder selber, seit Jahren nicht
mehr bestellt, waren von Büschen und Unkraut überwachsen, und Elend und
Zerstörung starrte ihnen überall entgegen.

So hatten sie sich die ganze Zeit von einem Schlachtfeld zum andern
herumgetrieben, und als sie nach Hause in ihre Waldesheimath zurückkehrten,
wohnte dort der Mord, und das Blut der ihnen theuersten Menschen färbte den
Boden roth.

Auch seit der Zeit durchstrichen sie wilde und wüste Gegenden, die noch
dazu meist alle durch den Krieg heimgesucht worden waren, bis ihr Fuß
hier plötzlich ein kleines friedliches Paradies betrat, das so still und
versteckt in den Bergen lag, um selbst den feindlichen Fouragirzügen zu
entgehen.

Eigentlich war der Platz hier für eine Colonie so ungeschickt als möglich
gewählt, denn Blumenthal hatte fast gar keine Communication mit der übrigen
Welt. Auf dem von einem Amerikaner entworfenen Plan der jungen Stadt
befanden sich allerdings Eisenbahnen genug, die es zu einem Centralpunkt
des ganzen Staates machen sollten, aber das war nur auf dem Papier gewesen.
In Wirklichkeit existirte noch kaum eine Fahrstraße nach dem nächsten
kleinen Fluß, auf dem man einzelne Producte, aber nur in günstiger
Jahreszeit stromab schaffen konnte. Sonst liefen nur ein paar
Maulthierpfade einer nach Süden, einer nach Osten aus.

Trotzdem aber war die junge Colonie gewachsen, denn wo der Deutsche erst
einmal seinen Pflug in den Boden getrieben hat, läßt er auch nicht locker
und arbeitet nicht allein stetig weiter, sondern zieht auch Freunde und
Familienglieder allmählich nach. Der Platz hatte sich auch in der That
so gehoben, daß man eben daran gehen wollte, eine gute Fahrstraße in das
niedere und mehr besiedelte Land zu bauen und dadurch die Bahn zu einem
Schienenstrang zu öffnen, als der Krieg im Norden ausbrach und natürlich
jede industrielle Arbeit entweder sistirte, oder wenn noch nicht begonnen,
hinausschob auf bessere Zeiten.

Das aber was die Bewohner von Blumenthal früher als ein schweres Unglück
betrachteten, war eben zu ihrem Glück gewesen, denn das hielt sie, in ihrer
Abgeschiedenheit, von den Lasten des Krieges vollständig verschont und
nur ein einziges Mal verirrte sich ein kleiner Trupp von zersprengten
Sesesch-Soldaten hierher und zeigte Lust den Ort zu brandschatzen. Das aber
war den Ansiedlern außer dem Spaß, und da doch Jeder von ihnen, fast ohne
Ausnahme, seine Jagdflinte oder Büchse mit herüber nach Amerika gebracht
hatte, so erschienen sie plötzlich in so wuchtiger Zahl zusammen und unter
Waffen, daß die Sesesch außerordentlich freundlich wurden, nur um die
nöthigen Lebensmittel ersuchten -- mit dem Erbieten sogar, für dieselben
zu bezahlen, und dann als sie freigebig erhalten hatten, was sie wirklich
brauchten, die Ansiedlung wieder rasch verließen.

Seit der Zeit hatten sie in Frieden gelebt, bis sich nördlich oder vielmehr
nordwestlich von ihnen, an den Quellen des Colorado Gesindel festzusetzen
schien, das anfing die Gegend unsicher zu machen. Allerdings hielt man die
Uebelthäter für einen Trupp versprengter Sesesch-Soldaten, die noch dort
für kurze Zeit in den Bergen ihr Wesen trieben -- vielleicht auch gar für
eine Bande mexicanischer Diebe, die sich möglicher Weise über die Grenze
hereingezogen. Merkwürdig nur, daß sie jedes Mal so genau wußten, wer Geld
hatte, und nie Leute behelligten, die dort draußen waren, um ihr Vieh zu
suchen oder nur zu jagen. Man war auch nach dieser Richtung hin noch nie
verdächtigem Gesindel begegnet, und nur ein Mann einmal, ein Amerikaner,
der sich zwischen ihnen niedergelassen, war von drei Strolchen angefallen
worden, von denen er aber fest behauptete, daß es Mexicaner gewesen wären.
Er hatte, wie er erzählte, einen erschossen und einen andern verwundet, und
obgleich sie mehrfach auf ihn gefeuert, seine Flucht bewerkstelligt.

Hierauf wurden ein paar Streifzüge nach dieser Richtung hin unternommen,
aber ohne den geringsten Erfolg. Man fand keine Spur der Räuber, nicht
einmal den Todten, den sie jedenfalls fortgeschleppt und beerdigt hatten
und eine Zeitlang ruhte die Sache, bis wieder ein sehr reicher deutscher
Farmer, der da oben Vieh gekauft hatte und es bezahlen wollte, ebenfalls
nicht zurückkehrte und durch seinen wahrscheinlichen Tod die kleine
Ansiedlung in erneute Unruhe versetzte.

Der Fall war um so trauriger, als sich die Tochter desselben Mannes in den
nächsten Tagen hatte mit einem jungen Amerikaner verheirathen wollen, und
dieser, der Nämliche, der schon früher angefallen worden, war jetzt mit
fünf oder sechs seiner Landsleute, und etwa zwanzig jungen deutschen
Farmern ausgegangen, um die Gegend gründlich abzusuchen und diesem
nichtswürdigen Räuberwesen ein Ende zu machen.

Gerade in dieser Zeit trafen unsere beiden Freunde in der Ansiedlung
ein und wurden dort, wie das unter den Umständen wohl natürlich ist, mit
einigem Mißtrauen betrachtet.

Ein Wunder war es nicht, denn Jim wie John, die sich jetzt unausgesetzt
schon lange Monate im Wald oder doch auf den verschiedenen Straßen
herumgetrieben, sahen eben wild genug aus, um ihnen selbst das Schlimmste
zuzutrauen, und die Aengstlichsten in dem kleinen Städtchen, das zum
großen Theil für den Augenblick von waffenfähigen Männern geräumt war,
befürchteten schon den indeß verabredeten Ueberfall einer größeren Bande,
von der dies möglicher Weise die Vorläufer sein konnten.

Beide Freunde übrigens, mit keiner Ahnung, daß man sie hier in einem
solchen Verdacht haben konnte, erkundigten sich, sobald sie den Ort
erreichten und sich plötzlich unter lauter Fremden befanden, ob kein
Amerikaner im Ort wäre und wurden nach einem der nächsten Häuser zu einem
alten Mann -- und zwar einem der ersten Ansiedler hier, gewiesen.

Und hielt sich hier ein Mr. Rollridge auf? so sollte sich des Pflanzers
Sohn genannt haben, von dem ihnen der Neger erzählte.

Die Leute, an welche die Frage gerichtet wurde, sahen sich unter einander
an, gaben aber keine directe Antwort darauf, sondern erwiederten nur, daß
die Fremden bei Mr. Warner, wie der alte Mann hieß, wohl Alles, was sie zu
wissen wünschten, erfahren könnten. -- Und woher sie selber kämen? -- Aus
dem Wald, -- wohin sie wollten? -- sie wüßten es noch nicht, -- sie wären
Leute, die sich nach einem Platz zur Niederlassung umsähen.

Das sagte ein Jeder, dem daran lag keine genaue Auskunft über sich zu
geben, aber Warner war, ebenso wie Friedensrichter im Ort, auch ein alter
gescheuter Bursch, der ihnen schon auf den Zahn fühlen würde und dem
konnten sie das Weitere deßhalb ruhig überlassen.

Jenkins wie Wells jedoch, wie sie sich nur kurze Zeit mit ihrem älteren
Landsmann unterhielten, fanden bald, daß sie es mit einem einfach
schlichten Mann zu thun hatten, dem sie aus dem Zweck ihrer Reise kein
Geheimniß zu machen brauchten. Warner schüttelte aber den Kopf, als sie
ihren Verdacht gegen Rollridge äußerten. Er hatte selber dessen Vater
gekannt, und die Befürchtung lag hier in Blumenthal außerdem nahe genug,
daß sogar Rollridge, als er den Platz habe verlassen wollen, ermordet oder
sonst zu Schaden gekommen sei. Er hatte wenigstens sein nächstes Ziel --
eine bestimmte Farm am Colorado, nie erreicht und man wisse dabei, daß er
ziemlich viel Geld mit sich führte.

Wieder also waren sie vergebens eine so endlos weite Strecke gewandert,
wieder ihre Hoffnungen getäuscht worden und Jenkins selber fing an, der
Verfolgung müde zu werden. Hier erfuhren sie außerdem, daß der Krieg
vollständig beendet sei, und wie sollten sie jetzt, mit all den entlassenen
Soldaten, die sich über die Staaten zerstreuten, noch irgend eine bestimmte
Spur verfolgen können.

Warner selber sprach dabei die feste Ueberzeugung aus, daß die Räuber, die
hier in der Nachbarschaft ihr Wesen trieben, jedenfalls dem mexicanischen
Stamm angehörten. Mr. Rawlins, wie der Amerikaner hieß, dessen
Schwiegervater gerade als letztes Opfer gefallen, war übrigens ein ganz
tüchtiger Mann und, wie er erklärt hatte, fest entschlossen, diesmal alle
seine Kräfte aufzubieten, um die Mörder auszuspüren und zu bestrafen,
und sie durften also hoffen, daß der überdies starke Zug nicht so ganz
unverrichteter Sache zurückkehren würde. Jedenfalls hatten sie die Unbill
lange genug geduldet, und es müßte ihr einmal ein Ende gemacht werden.

Und was nun? -- Jim machte seinem Freund den Vorschlag nach Haus
zurückzukehren. Hatten sie dabei Glück, so konnten sie Hendricks ebensogut
in der, wie in jeder anderen Richtung antreffen, hatten sie aber keins, nun
dann half es ihnen auch Nichts, wenn sie den weiten Staat noch länger, bald
nach der, bald nach jener Himmelsgegend durchkreuzten. Wenn Hendricks ihnen
aber auch jetzt noch entging, später erfuhren sie doch vielleicht einmal
seinen Aufenthalt und dann war ihr Rachewerk wohl aufgeschoben, aber
wahrlich nicht aufgehoben gewesen.

John Wells schien anfangs keine rechte Lust dazu zu haben, aber er mußte
dem Freund doch auch Recht geben, daß sie in dieser Art wenig Aussicht auf
Erfolg hätten. Er war ebenfalls müde geworden und die beiden jungen Leute
beschlossen deshalb, nicht einmal die Rückkehr der Ausgezogenen abzuwarten,
sondern gleich wieder nach Arkansas aufzubrechen.

Das litt aber der alte Warner nicht, der, wie sich im Gespräch
herausstellte, Wells Vater gekannt, und selber einmal hier in Texas eine
Weile mit ihm gejagt hatte. Er wollte die beiden Freunde wenigstens nicht
wieder fortlassen, bis sie sich erst ordentlich ausgeruht, und dazu fanden
sie im ganzen weiten Staat keinen besseren Platz als gerade Blumenthal.

John Wells fand an einem solchen, wie er meinte, zwecklosen Aufenthalt,
kein sonderliches Behagen, Jenkins selber aber redete ihm zuletzt zu,
ein paar Tage auf die hiesige Umgegend zu verwenden, die ihm wenigstens
außerordentlich gefiel. Das Land war reich, das Klima schien gesund, Wild
gab es ebenfalls ziemlich viel in der Nachbarschaft, und an dieser Gegend
hafteten doch nicht für sie so trübe Erinnerungen, als an ihrer bisherigen
Heimath, in der sie Alles an die erlittenen Verluste mahnte.

Warner unterstützte ihn lebhaft darin und erbot sich auf das
Bereitwilligste, sie in den nächsten Tagen selber in der ganzen
Nachbarschaft herumzuführen. Es gab noch ein reizendes Thal in kaum zwei
Miles Entfernung von der kleinen Stadt, in dem bis jetzt kein Baum gefällt,
kein Acker Land aufgenommen war, und er sprach seine feste Ueberzeugung
aus, daß sie in sämmtlichen Staaten kein freundlicheres Fleckchen Erde
finden könnten. -- Und eine Uebersiedelung hierher? -- Lieber Gott, die
hatte für einen Backwoodsman auch nicht die geringste Schwierigkeit, denn
ihr ganzer Hausstand konnte leicht auf einem kleinen Karren, ja oft sogar
auf ein paar Pferden fortgeführt werden. Jedenfalls wollten sie den Platz
erst einmal sehen und ein Entschluß stand ihnen ja dann immer noch frei.

Die nächsten Tage verwandten sie auch in der That dazu, so viel als möglich
von der Umgegend zu sehen und kennen zu lernen. Die Nachbarschaft
der Deutschen gefiel dem jungen Jenkins ebenfalls, denn er hatte am
Fourche-la-Fave schon viele von diesen kennen lernen und lieb gewonnen. Ihm
selber behagte der ganze Distrikt ungemein und wenn auch John Wells noch
keine besondere Neigung dafür zeigte, konnten sie sich das ja noch immer
unterwegs überlegen, und nachher mit den Ihrigen besprechen. Zu übereilen
war eben Nichts an der Sache.

Am vierten Tag standen endlich ihre bis dahin vollkommen ausgeruhten und
ordentlich aufgefütterten Pferde bereit, und die alte Mrs. Warner packte
ihnen gerade noch ein tüchtiges Stück Wildpret und Fleisch ein, weil sie
unmittelbar in der Nähe der Ansiedlung doch wohl nicht viel zu jagen finden
würden, als draußen auf der Straße plötzlich ein wunderlicher Lärm gehört
wurde, der rasch ihre Aufmerksamkeit erregte und sie vor die Thür lockte.

Die ausgezogenen Männer waren zurückgekehrt. Warner's Sohn ritt gleich
darauf am Hause vor und erzählte ihnen, daß sie von den Räubern selber
allerdings keine Spur, wohl aber den Leichnam des alten Deutschen gefunden
hätten, der, mit einer einzigen Kugel gerade durch den Kopf, nicht weit von
dem Pferd ab unter einem Maulbeerbaum gelegen hatte und nur mit Laub und
Reisig zugedeckt gewesen war. Nur durch die Aasgeier wurden sie auch auf
den Platz aufmerksam, an dem sie sonst jedenfalls vorüber geritten wären.

Und war Rawlins mit ihnen zurückgekehrt?

Ja -- aber nach Hause geritten, um sich umzuziehen und dann seine Braut und
Schwiegermutter zu trösten.

»Du lieber Gott,« seufzte Mrs. Warner, die mit gefalteten Händen vor ihrer
Hausthür gestanden und den traurigen Bericht gehört hatte -- »da kommt das
arme Mädchen -- wie blaß und elend sie aussieht -- das ist freilich ein
schwerer Tag für sie. -- Habt Ihr denn die Leiche mitgebracht?«

»Es war nicht mehr möglich,« sagte der junge Warner -- »wir mußten sie
gleich an Ort und Stelle begraben. Arme Catharina -- sie wird wohl schon
alles erfahren haben. Tröstet Ihr sie, Mutter, ich mag ihr jetzt lieber
nicht begegnen,« fuhr er fort, und schritt in das Haus hinein.

Das junge Mädchen kam näher -- sie sah bleich und angegriffen aus und
schien auch die beiden fremden jungen Leute gar nicht zu beachten, oder nur
zu sehen. Still und lautlos schritt sie auf Mrs. Warner zu und als diese
ihr mitleidig die Hand entgegenstreckte, lehnte sie ihr müdes Haupt an die
Schulter der alten Frau und ohne daß eine Klage über ihre Lippen gekommen
wäre, liefen ihr die großen Thränen an den Wangen nieder.

Catharine Fischer war eines der schönsten Mädchen im ganzen Ort und manche
der jungen deutschen Farmerssöhne hatten sich schon um sie beworben, aber
alle ohne Erfolg, bis sich der junge fremde Amerikaner, wie im Sturm und in
ganz kurzer Zeit ihr Herz gewann und von den Eltern -- die freilich lieber
einen deutschen Schwiegersohn gesehen hätten -- angenommen wurde. Jetzt
hatte sie dieser Schlag mitten in ihr junges Leben getroffen, und zwar ein
Schlag wie aus heiterem Himmel, ungeahnt, unvorbereitet.

Jim Jenkins stand, die Zähne fest aufeinander gebissen, neben ihr. Hatte er
denn nicht den nämlichen Schmerz zu tragen, denselben Verlust erlitten,
wie das arme Kind da, und war denn Jammer und Sünde in solcher Art über
das schöne Land hereingebrochen, daß solches Elend nur allein alle guten
Menschen traf und die Verbrecher immer ungestraft entkommen sollten? --
War das himmlische Gerechtigkeit, wie es ihnen die herumziehenden Prediger
vorreden wollten? Blut überall, wohin ihr Fuß trat -- heimtückisch und
feige aus dem Hinterhalt vergossenes Blut, und die Mörder frei da draußen
in der schönen sonnigen Welt.

Er trat zu seinem Pferd, um sich die Zügel zurecht zu legen -- er wollte
fort -- Schmerz und Ingrimm genug trug er im eigenen Herzen, ohne das
fremde Leid auch noch mit anzusehen, als er sich plötzlich angerufen hörte.

»Hollo Jim -- Wetter noch einmal Mann, wo kommst Du her -- und John auch --
welcher Wind hat Euch nach Texas geblasen?«

Jim sah überrascht auf und erkannte einen alten Kriegsgefährten aus
einem Indiana-Regiment, mit dem sie drüben über dem Mississippi gemeinsam
gekämpft und zusammen nach Little Rock gezogen waren.

»Oh Peters -- wie kommst Du nach Texas? Ich glaubte, Ihr stündet noch in
Little Rock?«

»Nein -- wir sind ausbezahlt und abgelöst worden,« antwortete der junge
Mann, indem er auf die Freunde zutrat und ihnen die Hände schüttelte.

»Und wo kommst Du jetzt auf einmal her?«

»Waren nur zusammen, um die verdammten Mörder aufzusuchen, die sich hier
schon seit einiger Zeit herumtreiben,« lautete die Antwort, »sind aber
unverrichteter Sache wieder zurückgekehrt. Weiß der Henker wo die Schurken
stecken mögen. Aber wo wollt Ihr hin?«

»Zurück nach Arkansas.«

»Jetzt gleich?«

»Wir wollen eben fort.«

»Fällt Euch gar nicht ein,« rief aber der Indiana-Mann -- »doch wahrhaftig
nicht eher, als bis Ihr mich auch einmal in meinem Hause besucht habt. Ich
bin hier verheirathet -- habe eins von den deutschen Mädchen und solch
ein freundliches kleines Häuschen und Weibchen, wie es sich ein Mann nur
wünschen kann. Vorwärts Jungen! daß Ihr aufgesattelt habt ist schon ganz
recht -- aber bei mir sattelt Ihr erst wieder ab.«

»Das geht nicht, Peters.«

»Ob es geht! oder meine Alte würde nicht schlecht böse werden, wenn ein
paar alte Freunde ihres Mannes so mir nichts Dir nichts an dem Haus vorüber
ritten. Ihr müßt wenigstens einmal sehen wie ich wohne, und wenn es Euch
dann nicht bei mir gefällt, könnt Ihr nachher noch immer thun, was Ihr
wollt.«

John Wells schien nicht recht damit einverstanden zu sein, Jenkins aber,
indem er in den Sattel sprang, rief aus:

»Was thut's, John -- auf ein paar Stunden kommt's nicht an -- ob wir etwas
später oder früher am Fourche la Fave eintreffen. Ich denke, wir gehen
mit.«

Die Straße herab kam der Schall galoppirender Pferdehufe. Ein Reiter
sprengte heran und es schien fast, als ob er auf dasselbe Haus zu wolle,
vor dem die jungen Leute standen. Schon dicht daran aber warf er sein Pferd
herum, grüßte flüchtig und verfolgte dann seinen Weg die Straße hinab,
rascher noch fast, als er hergekommen.

John hatte sich gerade mit seinem eigenen Thier beschäftigt und nicht auf
den Fremden geachtet; Jim aber griff seinem eigenen Pferd plötzlich so
rasch und gewaltsam in den Zügel, daß es hoch aufbäumte, und sich beinahe
mit ihm überschlagen hätte. Peters sprang zu, riß es noch herunter und rief
dann:

»Was zum Wetter hat denn die Bestie -- scheut sie?«

»Manchmal -- ja,« sagte Jim, kaum auf die Frage achtend, und den Blick noch
stier die Straße hinabgewandt -- »wer war das?«

»Wer? -- der eben vorbeisprengte? -- Dein Pferd erschrak wohl und Du auch
-- so ein alter Reiter -- Du siehst kreideweiß im Gesicht aus.«

»Wer war der Reiter, Peters?«

»Das war Rawlins,« sagte Peters, mit einem zur Seite geworfenen mitleidigen
Blick nach dem jungen Mädchen, »der Bräutigam der armen Catharine da,«
setzte er leiser hinzu.

»Und ist er schon lange hier in der Ansiedlung?«

»Etwa drei Monate -- vielleicht nicht ganz so lange. Weshalb?«

»Und wißt Ihr, woher er stammt?« frug Jenkins mit vor Aufregung fast
heiserer Stimme.

»Ich glaube aus dem alten Staat (Virginien), das wenigstens hat er hier
erzählt. Kennst Du ihn?«

John war indessen ebenfalls aufgestiegen und ritt an Jim's Seite.

»Weißt Du, wer das war, John?« rief jetzt Jenkins, des Freundes Arm
ergreifend und fast krampfhaft zwischen seinen Fingern pressend.

»Der Reiter, der eben vorüber sprengte? Ich habe ihn nicht gesehen.«

»_Hendricks!_« zischte ihm Jenkins in's Ohr -- »bei meinem Leben und meiner
Seligkeit -- er selber --«

»Und Du hast Dich nicht geirrt?« rief John, fast unwillkürlich nach seiner
Büchse greifend.

»Er trägt keinen Bart mehr!« sagte Jenkins -- »er kam mir auch fast jünger
vor, als ich ihn am Arkansas gesehen und geht besser gekleidet -- aber das
Gesicht wollte ich unter Tausenden heraus kennen. Er ist es und meinen Hals
setz ich zum Pfande.«

»Hendricks?« fragte Peters -- »Das war Rawlins, der Schwiegersohn des
Ermordeten.«

»Und vielleicht der Mörder selber,« rief Jenkins, »komm Peters, zu Pferd
und führ uns, so rasch uns die Thiere tragen können, jenem Herren nach,
dessen nähere Bekanntschaft wir dringend wünschen.«

»Aber ich begreife Dich nicht.«

»Ich erzähle Dir Alles mit wenigen Worten unterwegs. Fort! wir versäumen
hier die kostbarste Zeit, fort!«



Zehntes Kapitel.

Die Verfolgung.


Die jungen Leute trabten nebeneinander die Straße hinab. Jenkins aber gab
dabei dem früheren Kampfgenossen in flüchtigen Umrissen ein Bild der am
Fourche-la-Fave vorgefallenen Gräuelthaten, die ihn selber wie seinen
Begleiter so nahe getroffen hatten, daß sie sich Beide aufgemacht, um Wald
und Wildniß nach dem Uebelthäter abzusuchen.

»Und Ihr glaubt, daß Rawlins jener Mörder sei?« rief Peters entsetzt.

»_Ich_ glaube es,« sagte Jenkins bestimmt. »_Ist_ er es aber, dann kann er
uns jetzt nicht mehr entgehen, und ist er es nicht, nun dann darf er
sich auch nicht darüber beleidigt fühlen, daß ihn Jemand, im raschen
Vorbeireiten, für einen Anderen gehalten.«

»Und wenn das jener Hendricks wirklich ist,« rief da Peters, fast wie
erschreckt sein Pferd einzügelnd -- »wäre es denn da nicht möglich, daß er
selber mit jener Bande in Verbindung stünde, die hier bis jetzt ihr Unwesen
in der Gegend getrieben?«

»Vorwärts, Kamerad, vorwärts!« drängte aber John -- »wir dürfen keinen
Augenblick verlieren, denn wenn der Bursche _uns_ erkannt hat, läßt er
sicher kein Gras unter seinen Hufen wachsen. Gewiß ist es möglich, und
sollte mich nicht wundern, wenn er der Führer und Leiter der ganzen Bande
wäre. Aber wohin reiten wir? Hier haben wir _drei_ Straßen vor uns und der
Boden ist ringsumher von Hufen zerstampft. So rasch _kann_ er doch nicht
geflohen sein.«

»Dort links ist die Wohnung seiner Braut, der er jedenfalls zuritt,« sagte
Peters. »Er selber hat sein Haus am andern Ende der Stadt, aber hierher zu
schlug er die Richtung ein.«

»Ich sehe nirgends ein Pferd angebunden. Wir hätten gleich sein eigenes
Haus besetzen sollen.«

»Er wird es hineingeführt haben -- er ist ja dort ebenfalls zu Haus.«

»Dann gnade Gott dem Elenden,« sagte Jim, seinem Pferd nun fester die
Sporen gebend, und jetzt wurde zwischen den Männern kein Wort weiter
gewechselt, bis sie die kleine freundliche Wohnung -- jetzt freilich ein
Haus der Trauer -- erreichten, aber der Gesuchte war nicht dort.

Peters sprang augenblicklich vom Pferd, um sich nach ihm zu erkundigen,
der zwölfjährige Bruder Catharinens versicherte ihn aber, Mr. Rawlins nicht
gesehen zu haben, seit er vor einigen Tagen mit den anderen Männern in den
Wald gegangen sei. Keinenfalls wäre er eben hier gewesen, denn er selber
habe schon seit einer Stunde fast hier an der Thür gestanden und Mais auf
der kleinen Mühle gemahlen.

»Habe ich es Dir nicht gesagt?« rief John fast außer sich, als Peters
wieder heraus und auf sein Pferd sprang -- »er ist fort! Laß uns den Weg
hier verfolgen -- dort führen Pferdespuren hinaus.«

»Hier kam er nicht vorbei!« sagte Peters, sein eigenes Thier herumwerfend,
»denn dem Burschen da drinnen wäre ein vorbeigaloppirendes Pferd nicht
entgangen.«

»Das glaube ich auch nicht,« erwiederte Jim, »wenn er fliehen will, wird er
gewiß seine Beute nicht im Stich lassen und ist zu seiner eigenen Wohnung
geritten. Hätten wir die nur gleich aufgesucht. Vorwärts Peters --«

»Und wenn Du Dich nun geirrt hast!«

»Vorwärts! Das Alles können wir später besprechen. Wo ist seine Wohnung?
Reite voran, so rasch Dich Dein Thier trägt -- jede Verantwortung auf
mich!« -- Und wie ein Wetter jagten die drei jungen Leute die ziemlich
lange Straße hinab, bogen dann, fast am Ende der Stadt rechts in eine
Nebengasse hinein und erreichten dort wieder die dichter stehenden Häuser.
Hier war ein Gasthof, und ein Trupp dort angebundener Pferde, durch welche
sie nicht so rasch hindurch konnten, hielt sie etwas auf. Es war auch
möglich, daß sich Rawlins selbst hier befand, sie mußten jedenfalls nach
ihm fragen. Hier aber hatte ihn, seit sie die Stadt erreicht, Niemand
gesehen. Bei Warners würden sie ihn finden, rief ihnen einer zu, er hatte
gesagt, daß er zu dessen Haus wollte.

Dort war er _nicht_; das wußten sie gut genug, und es blieb ihnen jetzt in
der That nichts übrig, als seine Wohnung aufzusuchen.

Wenn es wirklich jener Hendricks war, so _konnte_ er ja doch noch keine
Ahnung haben, daß er erkannt sei und _so_ rasch verfolgt würde.

Wieder klapperten ihre Hufe die harte Straße entlang, aber hier durften sie
nicht so rasch jagen, denn überall spielten Kinder in der Straße, Karren
mit Holz oder andere die in die Mühle wollten, begegneten ihnen und die
beiden Verfolger vergingen fast vor Ungeduld.

»Haben wir denn noch weit? wir müssen ja durch den ganzen Ort geritten
sein,« rief John.

»Das sind wir auch, denn sein Haus liegt gerade am äußersten Ende, aber
dort drüben ist die Wohnung, die kleine weiß angestrichene Cabine mit dem
einzelnen Baum davor.«

»Aber auch hier steht kein Pferd.«

Peters antwortete nicht mehr. Sie waren kaum noch funfzig Schritt von der
Wohnung entfernt, und wenige Secunden später warfen sich die Männer aus den
Sätteln.

»Dort unten die Straße entlang sehe ich einen Reiter,« rief Jim, dessen
Blick rasch nach allen Seiten umherflog.

»Bei Gott, dort galoppirt Jemand,« rief auch John, indem er im Nu wieder im
Sattel saß -- »spring in das Haus und sieh nach. Ist er nicht dort, so kann
er uns da draußen nicht mehr entgehen.«

Peters war schon an der Thür, die nur angelehnt schien. Er stieß sie auf
und warf einen Blick in das Innere. Jim stand an seiner Seite.

In der Stube sah es wild und wunderlich aus, als ob Diebe darin
umhergewühlt und was sie nicht gebraucht, über den Boden gestreut hatten.
Eine kleine Kiste war mitten in die Stube gezogen und die Hälfte ihres
Inhalts lag daneben am Boden. Jim sprang darauf zu -- während sein Blick
durch den Raum flog, hatte er ein kleines blau und roth gestreiftes Tuch
entdeckt, das mitten in dem Wust lag. Er kannte es, es war früher Eigenthum
seiner Schwester gewesen -- aber er gab sich keinen Betrachtungen darüber
hin.

»Das genügt als Zeichen,« rief er, das Tuch vom Boden reißend und damit
gegen die Thür springend -- »kennst Du das, John? -- Fort!«

John warf nur einen einzigen Blick darauf und in demselben Augenblick sein
Pferd herumreißend, bohrte er ihm die Hacken in die Seite und flog mit ihm
in gestrecktem Carrière die Straße entlang. -- Jim war fast ebenso rasch
draußen bei seinem Thier.

»Aber so bleibt nur noch einen Moment,« rief Peters -- »ich hole meine
Büchse und begleite Euch.«

Jim hörte ihn schon gar nicht mehr. Nach! das war der einzige Gedanke, den
er hatte -- nach! und sein Thier strengte alle Kräfte an, den vorangeeilten
Gefährten wieder einzuholen.

Erst in dem wilden Ritt wurde er auch ruhiger. John, der noch immer voraus
auf seinem Rappen dahinflog, hatte vielleicht den flüchtigen Verbrecher im
Auge -- er folgte dem Rappen, und es blieb ihm Zeit, sich nach der Richtung
umzusehen, die sie einhielten. Ihr Cours lag etwa, wie der Weg jetzt lief,
südwestlich, also den Ansiedlungen wieder zu und zog sich, wenn auch hier
oben sehr allmählich, von der Hochebene hinab, auf der das kleine Städtchen
gelegen war und wo es, wie sich jetzt deutlich erkennen ließ, höhere
Berggruppen einschlossen.

Und waren sie dem Buben denn wirklich endlich einmal auf der Fährte? --
Er mußte es sein -- ein Irrthum ließ sich nicht mehr denken. Er hatte die
beiden Backwoodsmen, wie er sie da zum Weiterritt schon gerüstet fand,
erkannt und wußte, was ihm drohte, wenn er in ihre Hände fiel. -- Wären
sie nur gleich zu seinem Haus geritten, so lief er ihnen dort selber in das
Garn -- nein, blind und toll mußten sie die falsche Fährte annehmen, die
er ihnen gegeben, und jetzt hatten sie ihm sogar Zeit gelassen, seinen Raub
zusammenzuraffen und in die Wildniß hineinzureiten. -- Aber ein Trost blieb
ihnen -- ein grimmer Trost, denn nicht plötzlich und unerwartet war der
Verbrecher in ihre Hände gefallen und bestraft, nein, er mußte jetzt erst
die Qualen des Verfolgten leiden. Er wußte die Rächer auf seinen Fersen,
wußte, welches Schicksal ihm bevorstand, wenn nur sein Pferd strauchelte
oder das Geringste ihn aufhielt, und kannte die Männer, die nur das eine
Ziel haben konnten, seinen Tod, oder sie wären ihm nicht mit solcher
Hartnäckigkeit selbst bis in diesen entlegenen Theil der Union gefolgt.

Erbarmen? -- er hatte es nie gezeigt, also auch nicht zu hoffen und nur
sein flüchtiges Thier konnte sein Schicksal noch hinausschieben -- wahrlich
nicht mehr ändern, denn nun, auf der frischen Fährte, ja den Buben fast in
Sicht, dachten seine Feinde nicht daran, die einmal begonnene Verfolgung je
wieder aufzugeben.

Noch an den Grenzen der Stadt begegneten diese einigen Deutschen, die
theils aus dem Walde, theils von anderen Ansiedlungen vielleicht herüber
kamen und erschreckt zur Seite bogen, als sie auf die wie rasend an ihnen
vorbei sprengenden Männer trafen. Waren das die Räuber, die man in
den letzten Tagen gejagt? -- Aber voran ritt ja der Amerikaner, dessen
Schwiegervater man gerade ermordet, während man die andern beiden gar nicht
kannte. Floh er vor diesen, oder verfolgten sie alle ein und dasselbe Ziel?
-- Ehe sie sich aber nur denken oder vermuthen konnten, was hier vorgehe,
waren die drei Reiter, die sich in längeren Zwischenräumen von einander
hielten, auch vorbeigebraust, und diese drehten nicht einmal den Kopf nach
ihnen um.

John und Jim hatten allerdings vollkommen ausgeruhte und auch zähe und
kräftige Thiere, aber es zeigte sich trotzdem bald, daß sie keinen Fuß
breit an dem Fuchs gewinnen konnten, den Hendricks ritt und der, von seinem
Reiter nur noch zu rasenderem Lauf gespornt, wie ein Pfeil mit ihm über den
Boden flog.

John behielt ihn allerdings noch, so lange sich die Straße fortzog, im
Auge, oder kam wenigstens dann und wann wieder in Sicht von ihm, und
einmal, als Hendricks zuerst einen ziemlich abschüssigen Hang erreichte, an
dem er nicht so rasch hinabreiten konnte, schien es seinem Verfolger auch,
als ob er an ihn gewönne. Aber unten lag wieder ebener Boden und der Fuchs
benutzte den nach besten Kräften -- ja der Weg zog sich hier mehr links in
den Wald hinein und in dessen Schatten verschwand bald darauf der Reiter;
deshalb entging er aber freilich seinem Verfolger noch nicht, denn hier war
der Boden nicht, wie in der Nähe der Stadt, von den Hufen anderer
Pferde zerstampft. Die Spuren prägten sich deutlich oder doch wenigstens
erkennbar, dem Boden ein, und einen besseren Nachsucher auf einer Fährte
als John Wells, gab es nicht in dem weiten Wald.

John ritt dabei ein besseres Pferd als Jim Jenkins, der auch bald merkte,
daß er mehr und mehr zurück blieb, aber trotzdem folgte er den voran
eingedrückten Fährten und wußte, daß er bei der geringsten Zögerung seines
Feindes rasch das Versäumte wieder nachholen konnte.

So hatte diese wilde Jagd wohl sechs volle Stunden gedauert und einen
Waldweg gab es schon lange nicht mehr -- nur noch einen Pfad, der sich
durch die Wildniß zog, aber dafür auch in dem abgefallenen Laub nur soviel
deutlicher die Spuren zeigte. Die Thiere konnten vor Erschöpfung kaum
noch weiter, aber immer wieder trieb sie der scharfe Sporn zu
neuen Anstrengungen, und Jim besonders, der jetzt eine gute Strecke
zurückgeblieben, fühlte, wie sein Thier anfing, zu ermatten.

Da erreichte er eine Stelle, an welcher sich der Pfad theilte. John selbst
hatte keinen Moment dort gezögert, denn sein scharfes Auge erkannte die
rechts abführende Spur sogleich und folgte ihr ebenso rasch. Jenkins
dagegen zügelte sein Thier ein und als er sich der rechten Spur
vergewissert hatte und es weiter treiben wollte, konnte es nicht mehr von
der Stelle. So lange es in Gang geblieben, wäre es wohl fortgerannt, bis
seine Kräfte vollständig erschöpft waren und dann wahrscheinlich mit
einem Schlag zusammengebrochen; jetzt aber, wo die angestrengte Kraft und
Erregung der Muskeln, wenn auch nur für wenige Minuten, bei dem todtmüden
Thiere nachließ, war es nicht möglich, sie wieder von Neuem zu beleben. Es
strauchelte und knickte in die Knie, wollte sich noch einmal emporraffen
und stürzte dann auf die Seite nieder, wo es liegen blieb und alle viere
von sich streckte.

Jenkins fluchte still und erbittert vor sich hin, aber an der Sache war
weiter nichts zu ändern, und das Pferd jedenfalls zu fernerem Gebrauch,
wenigstens in der nächsten Zeit unnütz. Nur das Einzige blieb ihm zu thun,
den Spuren so rasch als irgend möglich zu folgen.

Allerdings hatte er eine Strecke zurück, seitwärts vom Weg eine kleine Farm
gesehen. Sollte er sich dorthin wenden und um ein frisches Pferd bitten?
wer hätte es ihm aber _geborgt_, kaufen konnte er sich keines, und wie viel
Zeit verlor er ohnedies damit. Dagegen lag die Möglichkeit vor, daß er noch
später eine Hütte im Wald oder vielleicht selber Pferde traf -- das erste
beste und wenn er es hätte stehlen sollen, er fühlte sich nicht in der
Stimmung, besonders wählerisch zu sein, und mit dem Gedanken war sein
Entschluß gefaßt.

Ohne Zögern sattelte er sein marodes Thier ab trug den Sattel in den
Busch und verdeckte ihn dort mit Laub und Reisig -- die Stelle war, an dem
getheilten Pfad, leicht wieder zu erkennen. Dann nahm er den Zaum, hing
sich denselben um und folgte nun, die Büchse auf der Schulter, zu Fuß den,
deutlich genug in den Boden eingedrückten Spuren. Kaum eine Stunde mochte
er aber so gewandert sein als der mehr und mehr verschwimmende Pfad an
einer breiten Waldwiese vollständig aufhörte, oder sich vielmehr hier nach
allen Seiten auszweigte. Es war ein gewöhnlicher Kuh- oder Wildpfad, wie
sie sich so häufig im Wald finden und das Ziel desselben schien dieser
Weidengrund -- ein etwas tief liegender feuchter Wiesenplan zu sein.

Ueber denselben hin waren die Hufe der galoppirenden Pferde auch noch
deutlich -- ja sogar deutlicher als bisher zu erkennen. Weiter aber schien
sich der Verfolgte mehr links und einem kleinen Höhenzug zugewandt zu
haben; er hatte wenigstens plötzlich und in einer scharfen Biegung seinen
Cours geändert. John konnte ihm aber dabei nicht in Sicht gewesen sein,
denn er würde sonst jedenfalls diese Biegung abgeschnitten haben. Das
war nicht geschehen, sondern seine Spuren blieben, wie bisher oder doch
überall, wo es der Weg erlaubte, links neben denen des Flüchtigen
sichtbar. Er war ihm also bis dahin nicht näher gekommen, sondern aller
Wahrscheinlichkeit nach sogar noch eher weiter zurückgeblieben.

Jenkins hielt sich aber nicht lange bei Vermuthungen auf. Weiter ging die
Jagd. Der Schweiß lief ihm in Strömen an der Stirn nieder, aber er zögerte
auch nicht einen Moment in seinem Schritt.

Das Terrain wurde hier felsig und hatte die Reiter jedenfalls aufgehalten,
denn wild zerstreut lagen große und kleine Granitblöcke über dem ganzen
Abhang. Wie er aber wieder zu Thal lief, sah er einen, wenn auch nicht sehr
breiten, doch ziemlich tiefen Bergstrom mit vollkommen klarem Wasser zu
seiner Linken, den die beiden Reiter angenommen hatten. -- Und sollte er
selber da hindurch. Das Wasser war, wie er die Hand hinein hielt, eisig
kalt; kam ihm wenigstens so vor, und er in Schweiß gebadet -- er konnte den
Tod von einer solchen Schwimmpartie haben. Doch nur ein Gedanke beseelte
ihn: der der Rache, den Feind wollte er erreichen und was ihn selber
betraf, vergaß er ganz. Nur Büchse und Kugeltasche nahm er in die linke
Hand, um sie trocken zu halten, und warf sich ohne Zögern in den Strom.

Einen anderen Menschen hätte vielleicht unter solchen Umständen der Schlag
gerührt; dem zähen Backwoodsman schadete das kalte Bad nicht allein Nichts,
sondern es erfrischte ihn sogar nach dem heißen Lauf. Drüben angekommen war
auch sein erster Blick nach den Spuren der Pferde -- aber was war das? --
nur die Hufe _eines_ Pferdes und zwar Johns, dessen Spuren er genau kannte,
sah er hier dem Boden eingedrückt -- und herüber und hinüber gingen sie,
als ob er selber nicht gewußt habe, welche Richtung er einschlagen sollte
-- oh wie viel kostbare Zeit mußte er damit verloren haben -- weshalb hatte
er sich nur nicht gleich stromab gewandt. Der Flüchtige _konnte_ ja gar
nicht gegen die Strömung angeschwommen sein.

Er selber suchte augenblicklich nach dieser Richtung zu, mußte aber eine
lange Strecke am Ufer hinabwandern ehe er die Stelle fand, wo der gehetzte
Räuber wieder an Land gegangen war, und erst als er hier den Spuren eine
Weile gefolgt war, sah er, daß John die Fährte ebenfalls wieder aufgenommen
hatte.

Jetzt kam ein weites rauhes Terrain von Stein und Kies, wo man die Spuren
kaum erkennen konnte, und hier plötzlich theilten sie sich, ohne daß Jim
im Stande gewesen wäre, die Ursache zu errathen, denn so deutlich war die
Fährte immer geblieben, daß sie John nicht verlieren konnte. Und welches
war jetzt Johns Pferd gewesen, denn auf den Steinen ließ sich kaum hier und
da ein schwaches Zeichen erkennen. Er begriff das Ganze nicht und wählte
endlich die links abführende Fährte, die ihn aber eine Weile in gerader
Richtung abführte, dann rechts einbog, wieder links hinüber hielt und dann
noch einmal einen andern Cours nahm.

Jetzt kam er auch auf weichen Boden und den Büchsenkolben stieß er
verzweifelnd vor sich in die Erde -- denn er hatte _John's_ Fährte
angenommen und der Verbrecher war jedenfalls entkommen.

Was nun thun? -- Daß John den Wald hier nur auf gut Glück, bald herüber,
bald hinüber abgesucht, war ihm klar genug, aber er begriff nicht, daß John
hier die Fährte verloren haben konnte. Es gab ja keinen besseren Waldmann
am ganzen Fourche-la-Fave. Sollte _er_ jetzt zurück und an dem Bergstrom
die andere Spur aufnehmen? Dadurch erhielt der Flüchtige einen Stunden
weiten Vorsprung und dann -- konnte er überhaupt noch fort? Die Sonne
neigte sich schon dem Horizont und jetzt, da er endlich still stand, fühlte
er erst, wie furchtbar müde er selber geworden war.

Die Knie fingen ihm an zu zittern, ein Frösteln lief über seinen ganzen
Körper und er mußte sich unter einen Baum legen, um nur etwas auszuruhen.
Menschliche Kräfte hielten es eben nicht länger aus.

So lag er etwa eine halbe Stunde, aber der Frost trieb ihn wieder in die
Höhe, denn die nassen Kleider an seinem Körper kälteten ihn zu sehr. Er
konnte auch wieder marschiren, denn die kurze Rast hatte wenigstens genügt,
ihn in etwas aufzufrischen. Eine Zeitlang folgte er auch noch Johns Spuren,
um doch vielleicht mit diesem wieder zusammen zu treffen, aber er mußte das
bald als ein vergebliches Mühen aufgeben, denn nur zu deutlich sah er, daß
dieser keine feste Richtung gehalten habe und trotzdem noch immer in wilder
Eile fortgejagt sei. Brach aber die Nacht an, so verlor er die Fährten, die
sich überhaupt nur sehr schwach auf dem Felsenboden zeigten, doch aus den
Augen -- ja er war jetzt schon unsicher geworden, ob er noch die richtige
hielt. Hier herum hatten sich jedenfalls eine Anzahl Pferde auf der Weide
herumgetrieben und als er der einen Spur noch eine Weile folgte, traf er
mitten im Wald einen alten lahmen Schimmel, der sich ruhig an einem dünnen
Baumstamm die Seite rieb.

Es war vorbei -- nicht einmal die Hoffnung konnte er mehr hegen, daß John
wenigstens allein sein Ziel erreicht habe, und durch das viele Hin- und
Herziehen irre gemacht, wußte er kaum selber mehr, wo er sich befand, viel
weniger denn, wo er einen Andern suchen sollte. An der untergehenden Sonne
konnte er aber doch die Himmelsrichtung erkennen, und beschloß nun seine
Bahn nach jenem letzten Hause zu nehmen, dessen Fenz er im Vorbeijagen
gesehen -- möglich, daß ihn John dort ebenfalls aufsuchen würde, und that
er das nicht, so wollte er zurück nach Blumenthal kehren und ihn dort
erwarten.



Elftes Kapitel.

Die Ueberraschung.


Jim war todtmüde geworden und hätte sich gern gleich da, wo er stand, zum
Schlafen niedergeworfen, aber der Durst peinigte ihn außerdem; er mußte
jedenfalls Wasser suchen, und hielt deshalb, da er sich von dem Fluß zu
weit entfernt hatte, über den nächsten Hügelhang hinüber, an dessen anderer
Seite er einen Bach anzutreffen hoffte. Dort konnte er auch ein Feuer
anzünden, um sich zu trocknen, und etwas Brot und Fleisch trug er ja in
seiner Kugeltasche bei sich.

Das Terrain war hier außerordentlich steinig. Es sah fast so aus, als
ob sich irgend ein Riese den Spaß gemacht habe, Tausende von kleinen
Felsblöcken über das weite Land auszustreuen, so dicht lagen sie
beieinander, und zu Pferde wäre hier überhaupt schwer durchzukommen
gewesen. Langsam schritt er dazwischen hin, traf endlich auf ein paar
feuchte Stellen, an denen sich etwas Wasser gesammelt hatte, und kniete bei
einer derselben nieder, um sich wenigstens erst einmal satt zu trinken. Es
war auch die höchste Zeit gewesen, denn die rothen Abendwolken verriethen
schon den Untergang der Sonne und das rasch eintretende Dämmerlicht legte
sich über den Wald.

Er trank lange und um Athem zu holen, hob er endlich den Kopf, zuckte aber
bis in jeden Nerv seines Körpers zusammen, denn kaum hundert Schritt von
ihm entfernt -- oh, nicht so viel, es konnten kaum mehr als achtzig sein,
da die Dämmerung die Entfernung vergrößert, sprang ein Mann, eine Büchse in
der Hand haltend, rasch über den hier ziemlich offenen Plan von einem Stein
zum andern. Seine Richtung aber lag dem nicht weit davon wieder höher und
dichter werdenden Holze zu, und Jim erkannte auf den ersten Blick seinen
Feind. Es war Hendricks.

Fast krampfhaft griff er, in seiner gebückten Stellung verharrend, nach
der neben ihm liegenden Büchse; aber wie hätte er jetzt, in schon halber
Dunkelheit, sein Ziel treffen wollen; und die Glieder flogen ihm dabei, wie
in Fieberfrost.

Hendricks konnte ihn da, wo er mit seinem dunklen Kopf kaum über die fast
gleichfarbigen Felsstücke heraussah, nicht erkennen, schien auch kaum die
Nähe eines Menschen hier zu fürchten, sondern nur allein darauf bedacht
zu sein, keine Fährten mehr zu hinterlassen, was ihm auch auf den Steinen
vollkommen gelingen mußte.

Wie in aller Welt hatte er John überlistet? -- war sein Pferd ebenfalls
gestürzt oder vielleicht absichtlich an einer Stelle aufgegeben, wo er
seine eigenen Fährten gut verbergen konnte? Aber wild und verworren
zuckten solche Fragen durch des jungen Backwoodsmans Hirn, und mit heftigen
Schlägen klopfte ihm das Herz in der Brust, denn an ihm vorüber floh der
Bube und wenn er jetzt im Wald verschwand -- Langsam und vorsichtig, mit
so wenig als möglich Bewegung, hob er seine Büchse und suchte sie auf einen
der Felsblöcke zu bringen; aber der vor ihm liegende war zu niedrig -- er
konnte nicht darauf zielen; -- er kroch etwas weiter nach rechts hinüber.
Dort sah er einen passenden Platz, aber Hendricks, mit keiner Ahnung in
welcher Gefahr er sich befand, sprang leichtfüßig von einem Stein zum
andern und ehe Jenkins nur die Büchse an die Backen und den Feind auf's
Korn bekommen konnte, war er in dem Gestrüpp, wenn auch nicht verschwunden,
doch so in den immer stärker werdenden Schatten gekommen, daß ein richtiges
Ziel zur Unmöglichkeit wurde. Einen gewissen Schuß mußte Jim aber haben
oder der Verbrecher war nicht allein gewarnt und dann auf immer für ihn
verloren, sondern er war auch viel stärker bewaffnet, als er selber. Jim
hatte nur die eine Kugel im Rohr, Hendricks dagegen, außer seiner Büchse
noch wenigstens einen sechsläufigen Revolver im Gürtel, und nur sein böses
Gewissen oder seine natürliche Feigheit mußten ihn, bei seiner Uebermacht
der Waffen, selbst beiden Verfolgern gegenüber, zur Flucht getrieben haben.

Jim sah sich jetzt, da wo er gerade lag, durch einen ziemlich hohen
Felsblock gedeckt. Er wartete noch einen Moment und da Hendricks nicht auf
der anderen Seite desselben wieder zum Vorschein kam, glitt er wie eine
Schlange über den Boden und zu jenem Felsen hin, an dem er sich, die Büchse
aber zum augenblicklichen Gebrauch im Anschlag, langsam emporrichtete, um
darüber hin sehen zu können. Er schrak aber ordentlich zusammen, denn dort
-- kaum zwanzig Schritt mehr von ihm entfernt und an der nämlichen Quelle,
an der er, etwas weiter unten getrunken, lag Hendricks -- ebenso verdurstet
wie er selber und ihm den Rücken zukehrend. Im Nu hob sich auch Jenkins
Büchse und sein Auge suchte das Korn -- aber es war nicht mehr möglich. Er
selber stand hier vollständig gedeckt unter einem dichten Dogwood-Busch,
und dort der Trinkende lag ebenso im tiefen Schatten, daß er wohl noch die
Gestalt erkennen, aber nicht mehr darauf zielen konnte. Und selbst, wenn er
es gekonnt hätte, sollte er den Buben mit einer Kugel tödten -- ihn seiner
selbst unbewußt von der Erde nehmen, der ihm so entsetzliches Weh angethan?

Jetzt hob sich die Gestalt vom Boden auf, und wieder suchte Jenkins' Auge
das Korn seiner Büchse zu fangen; da sah er, wie Hendricks, der sich
hier vollkommen sicher glauben mußte, seine Büchse nahm und an einen Baum
lehnte, den Blick noch einmal vorsichtig umherwarf und dann alle Anstalten
machte, als ob er dort, wo er sich gerade befinde, etwas ausruhen wolle.
Die Nacht war eingebrochen, die Sterne traten heraus, und nur bei ihrem
Schein konnte Jim erkennen, wie der wahrscheinlich ebenfalls zum Tod
Ermüdete sich Laub unter dem nächsten Baum zusammenschob, um sich ein nur
einigermaßen trockenes Lager herzurichten. Natürlich wollte er nicht im
Dunkeln marschiren, wo er einer ihm drohenden Gefahr nicht hätte ausweichen
können.

Jim Jenkins blieb unbeweglich hinter seinem Stein liegen, denn daß er
selber dort keine Gefahr lief, entdeckt zu werden, wußte er gut genug.
Er sah, wie sein Opfer noch einmal in langen Zügen trank und sich dann
endlich, die Büchse und den Revolver neben sich, auf das Laub, das er
rascheln hörte, niederwarf. Er war selber todtmüde gewesen, aber er
dachte nicht mehr an Schlaf und überlegte sich nur jetzt, wann der Mond
herauskommen müsse, um ihm zu seinem weiteren Handeln zu leuchten.

Gestern war der Mond ziemlich spät aufgegangen -- wohl erst um neun Uhr --
heute kam er noch später und ehe er nicht ziemlich hoch stand, konnte er
Nichts beginnen -- aber was that das. Und wenn er hätte zwölf Stunden da
liegen sollen, er würde nicht gemurrt haben, glaubte er sich doch jetzt
seiner Rache sicher. So regungslos wie der kalte Stein selber, an den er
sich lehnte und ebenso erbarmungslos hielt er, als er selbst nicht mehr
die Umrisse des Feindes in dem Dunkel erkennen konnte, die Augen noch
immer fest auf den Platz gerichtet und horchte, mit Anspannung aller seiner
Kräfte, dem geringsten Geräusch, was von dort zu ihm herüberdrang.

Hendricks mußte unruhig schlafen; er warf sich auf seinem Laubbett herüber
und hinüber. War etwa der auf ihm haftende Blick seines Feindes daran
Schuld? Jim dachte selber daran und wandte ihn ab, aber kein Rascheln eines
Blattes entging seinem scharfen Ohr.

So stand er, oder lag halb an dem Felsen, viele Stunden lang -- dort drüben
war Alles ruhig geworden -- endlich, endlich ging der Mond auf, stand aber
noch viel zu tief hinter den Bäumen, um hell genug zu leuchten. Jenkins
erwartete seine Zeit mit fast übermenschlicher Geduld und rührte sich nicht
eher, als bis Mitternacht schon lange vorüber sein mußte, und jetzt rüstete
er sich zum Handeln.

Geräuschlos streifte er Alles ab, was ihn an seiner freien Bewegung hindern
konnte, selbst die Kugeltasche, Jagdhemd und Leggings -- die Nacht war
ziemlich kalt, aber ihn fror nicht, der Kopf brannte ihm sogar wie in
Fieberhitze. Jetzt war er soweit fertig und nur nach seiner Büchse sah
er noch, und setzte ein frisches Zündhütchen auf, daß sie ihm nicht im
entscheidenden Moment versagte. Dann aber, wie ein Panther auf seine Beute,
und ebenso mordgierig, ebenso geräuschlos verließ er den Stein, hinter dem
er sich bisher verborgen und glitt auf sein Opfer zu.

Schlief Hendricks? -- Er wußte es nicht. Lag er wach und hörte den
Anschleichenden, so war es um ihn geschehen, aber was kümmerte ihn die
Gefahr, in der er sich befand. Rache wollte er, Rache an dem Mörder seines
Vaters und mit keinem Gedanken weiter, aber auch mit jeder nur möglichen
Vorsicht, schlich er näher und näher an sein Opfer hinan, immer wieder
horchend, ob er das Laub nicht könne rascheln hören. -- Aber Alles blieb
ruhig wie das Grab -- ja, jetzt tönte schon deutlich das langsam schwere
Athmen des Schlafenden zu ihm herüber.

Aber war das nicht etwa Täuschung? stellte sich der Bube nicht vielleicht
nur schlafend und lag, mit gespanntem Revolver des Nahenden harrend?
Vorwärts! Jetzt konnte er die ausgestreckte Gestalt deutlich im Licht des
Mondes, der gerade einen Strahl durch die Baumwipfel warf, erkennen. Neben
ihm blitzte etwas -- es war der Revolver, auf dem seine Hand ruhte -- die
Büchse lag ebenfalls zum Griff bereit.

Jim zögerte einen Augenblick -- aber auch nur einen -- jetzt war er neben
dem Schlafenden -- geräuschlos legte er die eigene Büchse neben sich auf
das Gras nieder, von dem Hendricks selber das Laub weggescharrt -- _ein_
Griff nach dem Revolver mit der linken Hand, und wie der Mörder wild
und entsetzt durch die Berührung emporfuhr, traf ihn ein mit aller Wucht
geführter Faustschlag Jims so kräftig gegen den rechten Schlaf, daß er
bewußtlos und wie todt auf das Laub zurücksank. -- Es wäre besser für ihn
gewesen, er wäre todt geblieben.

Jim, den Revolver neben sich legend, warf sich auf ihn, riß aus seiner
Tasche ein Stück derbes Seil, wie es meist alle Jäger bei sich führen,
und schnürte ihm damit die Hände auf den Rücken -- jetzt erst hatte er ihn
sicher und nur der eine Wunsch drängte sich über seine Lippen: Oh, wäre
John jetzt hier! -- Aber dem Gedanken gab er sich nicht weiter hin, denn
wer wußte wo der Freund jetzt war. Die Schnur reichte noch gerade aus, um
den Gefangenen an einen jungen Stamm anzubinden. Nicht weit davon stand ein
niederer Dogwood, dorthin schleppte er ihn und hatte sich seiner vollkommen
versichert, als der bis dahin vollständig Bewußtlose seine Besinnung wieder
gewann.

Aber er kümmerte sich in dem Augenblick gar nicht um ihn -- und zu dem
Felsblock sprang er, um von dort seinen Zügel herüber zu holen und als er
jubelnd wieder zurück zu dem Gefangenen eilte, hatte sich Hendricks halb
auf seinem Ellbogen aufgerichtet und starrte ihn mit stieren entsetzten
Blicken an.

»Jenkins« -- war Alles was sich seiner Brust entrang -- »oh mein Gott!«

»Ja ruf Deinen Gott an, Schuft,« lachte aber der junge Backwoodsman,
ingrimmig zwischen den zusammengebissenen Zähnen durch. »Der, zu dem Du
betest, ist der Teufel, der Dich so lange beschützt hat -- aber Deine Zeit
ist um. Du siehst die Sonne nicht wieder.«

»Jenkins,« sagte Hendricks mit leiser, heiserer Stimme, »Ihr wollt mich
doch nicht hier in der Nacht mit kaltem Blut morden.«

»Gerade recht mahnst Du mich an das kalte Blut, mit dem Du meinen armen
alten Vater und den alten Wells, Rankins Hogan und viele Andere ermordet
hast. Scheusal wie es kein zweites die Welt trägt -- aber Deine Zeit ist
um; Erbarmen hast Du von mir nicht zu hoffen.«

»Jenkins,« stöhnte Hendricks -- »ich bin reich -- ich habe bei Blumenthal
viel Geld vergraben -- es soll Alles Euer sein, wenn Ihr mich nur dorthin
führt, und ich bleibe ja doch in Eurer Gewalt.«

»Dein Blutgeld, nicht wahr, um das Du auch wohl den armen Deutschen
ermordet?« -- knirschte Jim -- »Deine Zeit ist um und Bitten oder
Versprechungen helfen Dir nicht mehr.«

Noch während er sprach hatte er den starken Zügel von dem Gebiß gelöst und
eine Schlinge daraus geformt. Jetzt sah er zu dem Dogwood auf -- einer der
Aeste zog sich gerade etwa hoch genug über dem Gefangenen hin und so,
daß er ihn bequem erreichen konnte. Hendricks suchte mit der Kraft der
Verzweiflung die Bande, die ihn hielten, zu zerreißen und Jim hielt dabei
vorsichtig den Revolver in der Hand -- doch das Seil hielt; er schob die
Waffe wieder in den Gürtel zurück, und ging dann kaltblütig daran, den
Riemen über den Ast zu werfen und zu befestigen.

»Jenkins,« flehte Hendricks, »seid ein Mensch! Um Gottes Barmherzigkeit
willen mordet mich nicht hier im dunklen Wald -- o, laßt mich nur leben,
bis der Tag anbricht, nur noch eine Stunde, um meine Sünden zu bekennen.
Ich habe viel verbrochen. -- Ihr _müßt_ mich hören.«

»Ich _weiß_ genug von Dir mein Bursche,« sagte der junge Backwoodsman
trocken, »um Dir zehnfachen Tod zu sichern -- komm! Du weißt, daß Du
verloren bist und selbst der Teufel, Dein Cumpan, könnte Dich nicht mehr
retten. Gieb Deinen Hals gutwillig her, denn ich werde noch genug Mühe
haben, Dich da hinauf zu ziehen.«

Er warf ihm dabei die Schlinge um den Hals -- und »Hülfe! Mörder! Mörder!«
schrie mit gellender Stimme der Unglückliche durch den Wald, indem er sich
am Boden wand und krümmte -- »Hülfe! Hülfe!«

Jim lachte -- aber plötzlich horchte er hoch auf und hielt mit seiner
Arbeit inne. »Hülfe!« rief der Gefesselte wieder, und der Schrei wurde
beantwortet -- in weiter Ferne zwar, aber der junge Backwoodsman
konnte genau einen Ruf unterscheiden. -- Sollte der Bube wirklich noch
Helfershelfer haben, -- aber nicht zehn von ihnen hätten sein Geschick mehr
wenden können.

Da hörte er wieder einen Ruf und Jim ließ den Riemen fahren, legte die
Hände trichterförmig an den Mund und beantwortete selber den Ton. -- Das
war John's Jagdruf. -- Wieder gab er das Zeichen -- näher und näher kam der
Gerufene -- jetzt konnte er ihn schon durch die Büsche brechen hören.

»Ach John! bist Du das?«

»Wo steckst Du Jim -- wer schrie da?«

»Hierher -- ich _hab'_ ihn!«

Ein gellendes Jubelgeheul, wie es sonst nur ein Indianer ausstoßen kann,
schmetterte durch den Wald, und rücksichtslos um Dorn oder Schlingpflanze
brach im nächsten Augenblick John durch die Büsche und jauchzte laut auf,
als er den Gebundenen am Boden erkannte.

Doch die jetzt folgende Scene ist zu furchtbar, um sie zu beschreiben.
Hendricks war in erbarmungslose Hände gefallen und seine verbrecherische
Laufbahn zu Ende. Mit der Kraft der Verzweiflung kämpfte er wohl noch eine
Weile gegen seine Richter an -- vergebens, und bald schien der Mond auf
die lang gestreckte, regungslose Gestalt, die an dem Ast des Dogwood-Baumes
hing und langsam in der leichten Morgenbrise hin und her schwankte. Und die
beiden jungen Leute lagerten so lange bei dem Baume, bis sie sich von dem
wirklichen Tod ihres Opfers vollständig überzeugt hatten -- dann nahmen
sie die Leiche ab, um, wie John Wells meinte, den Wölfen ihr Recht nicht zu
entziehen.

John untersuchte auch Hendricks Taschen -- er trug drei Uhren, um den Leib
einen selbstgenähten Gürtel mit den verschiedenartigsten Schmucksachen und
Goldstücken gefüllt, und in der Kugeltasche ebenfalls ein Päckchen Geld,
das noch nicht einmal geöffnet schien, wie eine Anzahl loser mexicanischer
Dollar.

Seine Waffen nahmen sie ebenfalls und verließen dann nach Sonnenaufgang
den schauerlichen Richtplatz, um ihren Weg vor der Hand nach Blumenthal
zurückzusuchen -- möglich daß sie, in den bei ihm gefundenen Gegenständen,
Beweise seines mörderischen Wirkens hatten.

Aber es bedurfte deren nicht mehr. Als sie nach zwei Tagen, die sie
gebraucht, um ihre Pferde wieder aufzusuchen, den kleinen Ort erreichten,
hatte man schon, auf Peters Veranlassung, Hendrick's verlassene Wohnung
untersucht und die zweifellosesten Beweise gefunden, daß er an allen
kürzlich dort verübten Morden wenigstens betheiligt gewesen, wenn er sie
nicht am Ende gar allein ausgeführt hatte.

Das noch eingenähte Geld hatte übrigens dem alten Fischer gehört, und
Catharina selber das Päckchen für ihn zurecht gemacht -- ebenso war eine
der Uhren die seinige gewesen, wie sich auch sein Trauring unter den Sachen
fand.

Was nicht reclamirt wurde, nahmen Jim und John auf ihrem Rückweg nach dem
Fourche-la-Fave mit -- es war ihr wohlerworbenes Eigenthum, so lange sie
nicht die früheren Besitzer auffanden, -- aber Jim litt es nicht lange
in der alten Heimath, die zur viel der schmerzlichen Erinnerungen für ihn
trug. Auch John zog von dem alten Platz weg, aber nur in ein anderes County
über den Arkansas hinüber und Jim, nachdem er noch Johns Heirath mit seiner
Schwester beigewohnt, setzte sich auf ein, seinen Bruder Bill auf ein
anderes Pferd, und ritt zurück nach Texas, nach der kleinen, abgeschiedenen
Colonie Blumenthal, in welcher er gesonnen war, sich häuslich
niederzulassen.

Am Fourche-la-Fave herrschte von da an Frieden -- aber der Frieden des
Grabes. Die Jay-hawkers waren allerdings theils ausgerottet, theils
vertrieben und die Anwohner des kleinen Stromes brauchten keine
Meuchelmörder mehr zu fürchten: aber wie viele, wie entsetzlich viele sonst
so friedliche Hütten, die glückliche brave Menschen und Familien bargen,
lagen verwüstet, zerstört, eingeäschert. Rings umher der Wald war wild
aufgewachsen und dornige Schlingpflanzen überwucherten die früheren
Spielplätze des jungen Volkes.

Krieg und Mord hatten dem armen Land ihr Brandmal aufgedrückt; die wenigen
Hinterbliebenen, ihre Ernährer und ihren ganzen Reichthum, ihre paar
Kühe und Pferde verloren und Armuth und Elend war eingekehrt, wo sonst
glücklicher Frieden und verhältnißmäßiger Reichthum herrschte -- der
wenigstens dem Besitzer Alles das gewährte, was er zum Leben brauchte und
verlangte, so wenig das auch sein mochte.

Drei Jahre später ritt John Wells wieder einmal nach Texas hinüber, um
Jim Jenkins bei seinem zweiten Sohn zu Gevatter zu bitten, und ihn zu
überreden, nach dem Fourche-la-Fave zurückzuziehen, weil sich die Schwester
so nach den beiden Brüdern sehne.

Bill, der ein tüchtiger Bursch geworden war, konnte abkommen und zog,
wenigstens auf Besuch, mit zurück; Jim aber nicht. Er hatte im vorigen
Jahre Catharine Fischer, die frühere Braut des Jay-hawkers geheirathet und
-- konnte jetzt gerade die blühende Ansiedlung und sein junges Weib nicht
verlassen.



König Zambiri.

Afrikanische Skizze.



Erstes Kapitel.

Der Schooner.


An der ostafrikanischen Küste, aber noch nördlich vom Aequator, kreuzte
einer jener amerikanischen Schooner die, aus den Yankeestaaten kommend,
Küstenhandel in allen Theilen der Erde treiben und, wenn sie irgend einen
Nutzen dabei zu finden glauben, eben so keck den Stürmen vom Kap Horn, wie
den Typhoons des chinesischen Meeres trotzen.

Die Sarah Miles, wie das kleine Fahrzeug hieß, war denn auch, mit Zwiebeln,
Wanduhren und Blechwaaren beladen, von Connecticut nach Surinam gegangen,
hatte dort Zucker, Kaffee wie andere tropische Produkte für Chili
eingetauscht, von da aus Mehl, Wein und Kartoffeln nach der Südsee geführt
und von den Inseln Kokosnußöl, Perlen und Perlenmuttermuscheln nach
Australien gebracht. In Sydney verkaufte Kapitän Oacutt diese Ladung sehr
vortheilhaft an ein deutsches Handlungshaus und tauschte dafür theils
Waaren für den afrikanischen Markt ein, theils nahm er bessere Sachen für
die Kapstadt mit, um von dort echten Kapwein, oder was er sonst erhalten
konnte, zurück in sein Vaterland zu führen.

Natürlich konnte er aber unterwegs der Versuchung nicht widerstehen, zuerst
einmal ein paar der kleinen Königreiche an der Ostküste anzulaufen. Dort
war jedenfalls noch ein Geschäft mit den uncivilisirten Wilden zu machen,
es mußte wenigstens versucht werden, und möglich ja, daß sich Elfenbein,
Gold, Gummi und wie die werthvollen Produkte dieses Himmelsstrichs alle
heißen, um einen Pappenstiel erstehen ließen.

Hier befand sich aber Kapitain Oacutt -- in dem, was die geographischen
Verhältnisse dieser Länder betraf -- völlig aus seinem Fahrwasser, denn er
hatte wohl eine ausgezeichnete Karte von Connecticut an Bord, auch ein
paar andere, alt gekaufte von dem Hoogly, San Franzisco, Rio de Janeiro und
anderen Küstenstrichen. Wie es aber mit den Hafenplätzen jenes Erdstrichs
aussah, dem er gerade entgegen hielt und ob er sich hier einem schon
theilweise civilisirten oder noch vollkommen wilden Volke gegenüber
befinde, davon wußte er kein Wort und, aufrichtig gesagt, kümmerte sich
auch nicht darum.

Wenn er nur Menschen dort fand, mit denen er Handel treiben konnte, und die
etwas des Handels Werthes besaßen, alles Uebrige fand sich von selbst, und
Gefahren? Bah! seine Amerikaner, die er an Bord hatte, fürchteten sich vor
dem Teufel nicht, viel weniger vor einer Horde nackter, schwarzer Wilden.

Die Sarah Miles führte auch in der That eine für ein so kleines Fahrzeug
sehr starke Besatzung, und zwar schon der großen Schoonersegel wegen, mit
denen nicht so leicht hantiren ist, wie mit Raasegeln. Außerdem war dem
Kapitain in Sydney angerathen worden, sich an der afrikanischen Küste
vorzusehen, da jenen Völkerstämmen nie zu trauen sei, und er hatte dort
noch vier, einem Wallfischfänger entsprungene Matrosen, junge, kräftige
Bursche, dazu geworben. Mit Waffen war er überdies reichlich versehen,
sogar mit einer vortrefflichen Drehbasse, die vorn auf seinem Bug stand,
und sich deshalb bewußt, nichts versäumt zu haben, um einer möglichen
Gefahr auch kräftig zu begegnen.

Uebrigens hatten sich diese Vorsichtsmaßregeln bis jetzt als sehr nutzlos
erwiesen, denn er sichtete, von Australien bis hieher, nicht ein einziges
Mal Land und bekam deßhalb auch keine Prouen, Dschunken, Kanoes, oder was
sonst noch auf Raub ausgeht, zu sehen. Ein paar Mal bemerkte er allerdings
Segelschiffe: friedliche Kauffahrer, die vielleicht zwischen Indien und
dem Kap fuhren. Diesen gefiel aber wieder der Schooner mit seinen keck
gestellten Masten nicht, und sie machten gewöhnlich, daß sie ihm aus dem
Weg kamen, während Kapitain Oacutt nicht das geringste Interesse hatte, sie
aufzusuchen. An denen war nichts zu verdienen; das wußte er aus Erfahrung
gut genug, und er steuerte sich ihretwegen auch nicht einen halben Strich
aus seinem Kurs.

Mit einer allerdings sehr schwachen, aber doch günstigen Brise glitten
sie so durch das tiefblaue Wasser des Ozeans und der Kapitain schaute
sehnsuchtsvoll nach Land aus. Seiner Berechnung nach hätten sie nämlich
unter der Länge, die ihm sein Chronometer angab, schon ein paar Meilen in
Land auf der afrikanischen Küste sitzen müssen -- Gott nur wußte, welche
Zeit der hielt, -- und noch war nicht einmal ein Ufer zu erkennen. Die
ganze Nacht mußte deßhalb auch doppelte Wache an Bord bleiben, um, wenn
sie nichts sehen konnten, nach der Brandung auszuhorchen, aber sie konnten
ungestört ihren Weg fortsetzen, und erst am andern Morgen mit Tagesanbruch
kündete der frohe Ruf der Leute: »Land!«

Sie mußten auch in der Nacht ziemlich nahe hinangekommen sein, denn
deutlich ließ sich schon ein erhöhtes und waldiges Ufer erkennen, das
verschiedene Einschnitte zeigte; welchem Theil der Küste es aber angehöre,
war schwer zu bestimmen, denn Kapitain Oacutt hatte, wie gesagt, keine
Spezialkarte von Afrika an Bord und verließ sich, im Auffinden von
günstigen Landungsplätzen, wie gewöhnlich auf sein gutes Glück.

Die Brise frischte jetzt etwas auf, und um zehn Uhr etwa waren sie so nahe
gekommen, daß sie schon mit bloßen Augen Menschen auf dem weißen Uferstrand
erkennen konnten. Rauch stieg an vielen Orten auf, und die Gegend schien
jedenfalls bevölkert.

Der Kapitain stand vorn auf der Back seines Schooners, das Fernrohr in der
Hand, um wo möglich einen Landungsplatz zu finden, aber er bemerkte, daß
die Eingebornen den Strand entlang, mehr in einer nördlichen Richtung
liefen und errieth leicht die Ursache. An jenem Punkt, auf welchen sie
zuhielten, lag wahrscheinlich kein günstiger Ankergrund, aber wohl
weiter oben. Ohne sich auch lange zu besinnen, gab er Ordre, den Kurs des
Fahrzeugs dahin zu ändern, und rief einen Mann vorn in die Rüsteisen, um
das Loth zu werfen, damit sie sich nicht in zu seichtes Wasser wagten, --
hatte das Meer doch hier schon eine mehr gelbliche Färbung angenommen.

Der Schooner gehorchte rasch dem Steuer, und auch die Eingebornen schienen
mit der neuen Richtung einverstanden, denn sie hatten grüne Zweige
abgebrochen und schwenkten sie in der Luft, ein Zeichen, daß sie die
Fremden freundlich empfangen und friedlich mit ihnen verkehren wollten. Man
darf jedoch diesen wohlwollenden Manifestationen nicht immer unbedingten
Glauben schenken, denn es giebt auch verrätherische Stämme, die dadurch
Beute heranzulocken suchen, ähnlich wie irische Stranddiebe Nachts durch
falsche Signale Fahrzeuge verführen, an die gefährliche Küste anzulaufen.

Kapitain Oacutt traute auch diesen signalisirenden Betheurungen nicht
weiter als nöthig; d. h. er nahm sie nur für einen Beweis von Höflichkeit,
und erwiederte dieselbe damit, daß er seine Flagge aufzog. Zugleich
beschloß er aber, dem Land nicht näher als nöthig zu kommen, ehe er nicht
die Aufrichtigkeit der Eingebornen erprobt habe, auch nicht etwa gleich
fest vor Anker zu gehen, sondern, wenn nahe genug, ein Boot abzuschicken
und dann langsam dort auf und ab zu kreuzen. Dadurch behielt er nicht
allein sein kleines Fahrzeug vollständig in der Gewalt, sondern konnte
auch seinem Boot, wenn es etwa nöthig werden sollte, rasche Hülfe bringen.
Außerdem befand er sich hier noch immer in einigen zwanzig Faden Wasser,
also in einer Tiefe, bei der er nicht die geringste Gefahr lief.

Für das Boot, das sein Steuermann führen sollte, wurden jetzt Freiwillige
aufgerufen, und diese selber vorsichtigerweise bewaffnet, um sich im Fall
der Noth vertheidigen zu können. So liefen sie, vollständig bereit, es
jeden Augenblick nieder zu lassen, direkt gegen die Küste, und bis fast in
fünf Faden Tiefe hinan und erwarteten eben den Befehl zum vom Bord gehen,
als der Mann am Steuer ein Kanoe bemerkte, das eben vom Ufer aus in Sicht
kam und augenscheinlich zu ihnen heraus wollte. -- Das mußte jedenfalls
abgewartet werden, denn man sah da gleich, mit wem man es zu thun hatte;
auch lag in dem Besuch nichts Außerordentliches. Freuen sich doch diese
wilden, nur auf ihre eigenen Erzeugnisse angewiesenen Stämme jedesmal, wenn
sie auf eine solche Art mit irgend einem fremden Fahrzeug in Verbindung
treten können, da ihnen dieses doch immer viel Neues und oft auch
Nützliches bringt. Was sie selber dafür an Werth geben mußten, rechneten
sie nicht, denn es waren stets Sachen, die sie leicht wieder ersetzen
konnten, und doch wie schmählich wurden sie dabei betrogen. Was für
glänzende Geschäfte hatte Oacutt auch schon in der Südsee gemacht, wo er
für Tabak und Branntwein, für Kattun, Tant, werthlose Knöpfe, ja oft
für abgebrochene Nägel Kokosnußöl und nicht selten kostbare Perlen
eingetauscht. Dieser Stamm war keinenfalls klüger als die dortigen, und
ein Sortiment derartiger Dinge auch deßhalb schon hervorgesucht und bereit
gelegt.

Das herankommende Canoe sah indessen nicht so aus, als ob es einen Handel
eröffnen sollte. Es führte nur vier Mann an Bord. Einer saß am Steuer, zwei
ruderten und der vierte stand, mit einem grünen Busch in der Hand, vorn im
Bug. Sie waren sämmtlich nackt, nur mit einem blauen Schurz um die Lenden
bekleidet und gaben die schwarzen Wollköpfe trotzig der Sonne preis,
schienen aber keine Waffen zu tragen und eher eine Art von Gesandtschaft,
die heraus beordert wurde, um vielleicht einmal zu erfahren, welche Waaren
die Fremden brächten und was sie dafür verlangten. Jedenfalls blieb es
gerathen, sie freundlich zu empfangen, und der Kapitän befahl deßhalb,
die Fallreepstreppe hinab zu lassen, damit sie bequemer an Bord steigen
konnten.

Die Leute im Kanoe mußten auch diese Erleichterung schon kennen, denn
der Steuernde hielt rasch darauf zu, aber man konnte nicht sagen, daß
sie neugierig seien, denn nur Einer von ihnen, der mit dem grünen Busch,
ergriff dieselbe und lief daran empor. Die Uebrigen blieben im Kanoe,
ergriffen nur die Taue und hielten sich fest, um nicht von dem, jetzt
allerdings nur wenig Fortgang machenden Fahrzeug zurückgelassen zu werden
und ihren Mann zu verlieren.

Der Botschafter blieb indessen noch immer, mit seinem Busch in der Hand,
oben an Deck stehen, und schien vorher eine Einladung abzuwarten, um näher
zu treten, zeigte aber keine Furcht und schaute sich ruhig und gleichmüthig
an Bord um. Kapitän Oacutt war übrigens in Verlegenheit, wie er sich
dem schwarzen Burschen verständlich machen sollte, denn an Bord kannte
natürlich Niemand die Sprache dieses Volkes. Um aber seinen guten Willen
zu zeigen, nahm er ein großes Stück Kautabak in die eine, ein Glas mit
Branntwein in die andere Hand und ging damit auf den Botschafter zu. Den
Tabak mußte dieser auch kennen, denn sein schwarzbraunes Gesicht verklärte
sich ordentlich, als er ihn sah, und er griff rasch danach. Nicht so nach
dem Branntwein. Vorsichtig roch er vorher an das Glas, schob es dann zurück
und sagte in gebrochenem, aber doch verständlichem Englisch: »Danke -- ich
nicht Feuer trinken -- bös -- sehr bös!«

»Alle Wetter!« rief Kapitän Oacutt erfreut aus, »Du sprichst amerikanisch,
mein Bursche? Das ist famos. Und was bringst Du uns?«

»Bringen?« sagte der Eingeborne erstaunt, »ich soll was bringen? Dafür
schickt mich der König her, daß Du was bringen sollst. Geschenke, wie es
bei uns üblich ist; dann erlaubt er Dir auch, daß Du landen und zu ihm
kommen darfst.«

»Unendlich gnädig,« lachte Oacutt, »und vorher dürfen wir nicht?«

»Nein,« sagte der Schwarzbraune ganz ernsthaft, indem er ein Stück von
seinem Tabak abbiß.

Der Amerikaner schüttelte mit dem Kopf. Der Abgesandte selber sah
allerdings nicht so aus, als ob es in seinem Lande viel Werthvolles zu
verhandeln gäbe, oder die Eingebornen irgend welche Bedürfnisse hätten. Er
ging, bis auf den blauen Schurz, völlig unbekleidet, und trug auch nicht
die Spur von Schmuck oder sonstigem Zierrath, viel weniger denn von Gold an
sich. Lohnte es überhaupt der Mühe, sich mit diesem Volk einzulassen? Aber
der Versuch mußte jedenfalls gemacht werden, denn der Weg, den sie dazu
hierher gekommen, war zu weit und lang gewesen. Er brauchte auch Früchte
und frisches Fleisch, um seinen Leuten eine Veränderung der Kost zu
gewähren, und dann erfuhren sie dort vielleicht etwas über die benachbarten
Küstenstriche, und wo es am Vortheilhaftesten sein würde, anzulaufen, um
die werthvollsten Produkte dieses Welttheils einzutauschen und überhaupt zu
finden.

Der Eingeborne, eine schlanke, kräftige Gestalt, der eben so hier
hergekommen schien, wie er heute Morgen von seinem Lager aufgesprungen
sein mochte, und nur sein schwarzes Wollenhaar in unzählige kleine Zöpfe
geflochten und an den Spitzen mit einem weißen Baumwollfaden umwickelt
hatte, erwartete indessen in aller Ruhe die Antwort des Kapitäns. Während
er selber fast regungslos blieb, rollte er das Weiße seiner Augen nach
allen Seiten des Decks. Er war sich jedenfalls seiner Würde als Abgesandter
bewußt und durfte sich nichts vergeben.

Kapitän Oacutt hatte aber sein Boot ja schon bereit liegen, und es galt nur
jetzt noch, die verlangten Geschenke für den König, die er allerdings nicht
für nöthig gehalten, beizufügen. Das konnte rasch geschehen sein, und der
Bote bekam deßhalb die Antwort, sie würden nicht versäumen, den König zu
begrüßen und hofften dann einen freundschaftlichen Verkehr mit dem Lande
herzustellen. Der Schwarze nickte auch bloß mit dem Kopf, drehte sich dann
um, stieg die Treppe wieder hinab, und wenige Sekunden später blieb das
Kanoe zurück und hielt dem Lande zu.



Zweites Kapitel.

König Zambiri.


Kapitän Oacutt ging jetzt augenblicklich daran, das auszusuchen, was er dem
Oberhaupt der Wilden als Einführungsgeschenk überschicken wollte. Er zeigte
sich aber nicht besonders wählerisch darin, denn er wußte aus Erfahrung,
daß man einen derartigen Häuptling nicht gleich von Anfang an verwöhnen
durfte, sonst wurde er gierig auf mehr, und ein einträglicher Handel war
unmöglich.

Am Liebsten wäre er freilich selber mit an Land gefahren, aber er durfte
als Kapitän das Schiff nicht verlassen, und sein Steuermann war wohl
auf See tüchtig, und dabei keck und unerschrocken und nicht so leicht
eingeschüchtert, aber doch kaum gewandt genug, wo irgend eine Form
erfordert wurde. Da erbot sich Doktor Spruce, ein junger Irländer, den
er als Passagier von Sydney nach der Kapstadt mitgenommen, das Boot zu
begleiten, war es doch auch eine Unterbrechung der monotonen Seefahrt,
und kurze Zeit danach, nachdem das Kanoe wieder zwischen den Büschen
verschwand, folgte ihm die Jölle.

Uebrigens ging die Mannschaft ganz ordentlich bewaffnet; der Steuermann wie
der Doktor trugen ihre Revolver, und die Matrosen hatten Jeder einen
kurzen Schiffscutlaß im Boot liegen und ein doppelläufiges Pistol im Gürtel
stecken, konnten sich also schon die Feinde im Nothfalle vom Leib halten.

Der Schooner drehte, wie ihn das Boot verlassen, etwas vom Ufer ab, denn
sie waren dem Lande schon fast zu nahe gekommen. Er konnte ja dort auf und
ab kreuzen, bis die Leute zurückkehrten und ihm Bericht abstatteten. Lohnte
es dann der Mühe und hielt man sich für sicher genug, so war es noch immer
Zeit, vor Anker zu gehen und einen Tauschhandel zu eröffnen. Unter der Zeit
segelte das Boot mit leichter Brise dem nicht mehr so fernen Land entgegen,
und es ist für den Seefahrer stets ein eigenthümliches Gefühl, in solcher
Weise eine fremde, von wilden oder doch wenigstens uncivilisirten Stämmen
bewohnte Küste zu betreten. Gibt man sich doch immer dadurch mehr oder
weniger in die Gewalt oft sehr zweifelhafter Horden. Aber es hat auch
wieder einen ganz eigenthümlichen Reiz, den Reiz der unbekannten Gefahr
_mit_ der Sehnsucht, die der Matrose stets nach festem Lande trägt, wenn er
sich gar zu lange Zeit auf Salzwasser herumgetrieben. Er will wieder einmal
den blauen Himmel durch Gesträuch und Baumzweige, nicht mehr durch das
Gewirr seiner Taue betrachten. Er will Vögel und Frauenstimmen hören, sich
an einer frischen Quelle satt trinken und die reife saftige Frucht selbst
vom Ast pflücken; daß ihn dabei der Speer oder Pfeil eines Wilden bedrohen
könne, kümmert ihn wenig -- wenigstens nie genug, um den Versuch nicht zu
wagen.

So betrachteten auch jetzt die anfahrenden Seeleute das immer deutlicher
heraustretende Land mit steigendem Interesse, und nichts entging ihren
spähenden Blicken. Schon konnten sie einige niedere Hütten erkennen und
hielten diese Anfangs für die Hafenstadt, aber je näher sie kamen, desto
mehr schob sich das Land auseinander, und nach rechts hinein öffnete
sich plötzlich eine geräumige Bucht, an deren Rand, unter Palmen und
hochstämmigen Laubbäumen, eine dichte Gruppe von Häusern stand.

Allerdings boten diese auch ein reizendes Landschaftsbild; denn das
frische, saftige Grün der Baumwipfel mischte sich freundlich mit dem
Graubraun der wunderlich geformten Dächer und dazwischen wirbelte der blaue
Rauch langsam in die Höhe. Aber das Auge der Seeleute verließ im Moment das
ländliche Bild und haftete auf einem anderen Gegenstand, der fest am Ufer
und halb noch vom Gesträuch verdeckt in diesem Moment erst sichtbar wurde
-- einem Wrack.

Die Ueberreste eines verloren gegangenen Fahrzeugs sind für den Seemann
immer von Interesse, denn unwillkürlich erinnern und mahnen sie ihn daran,
daß sein eigenes Seeboot ein ähnliches Schicksal treffen kann. Hier aber
drang sich ihnen unwillkürlich die Frage auf: Wie nur das Wrack dort
hingekommen, wo es lag? Denn gestrandet konnte es an jener Stelle ganz
unmöglich sein. Würde ja doch kein Seemann der Welt mit seinem Fahrzeug in
diese landumschlossene und ziemlich seichte Bucht eingedrungen sein, ohne
vorher genau zu untersuchen, wie weit er sich vorwagen könne. Ebensowenig
konnte es ein Sturm, die außerdem nie in der unmittelbaren Nähe der Linie
wüthen, herein verschlagen haben, denn dafür trat die eine Landspitze
viel zu weit vor. Hatten die Eingebornen das Fahrzeug etwa überfallen,
geplündert und hiehergeschleppt? Dann stand ihnen selber auch kein
freundlicher Empfang bevor und fast unwillkürlich warf der Steuermann den
Blick zurück, die Möglichkeit eines Rückzugs zu überschauen.

Dafür zeigten sich freilich im Augenblick schlechte Aussichten, denn
erstlich waren sie mit der Brise eingelaufen, dann führte sie die steigende
Fluth rasch in die Bucht hinein und außerdem bemerkte er auch jetzt, daß
sich vier oder fünf Kanoes mit Eingebornen hinter ihnen vom Lande abgelöst
hatten und ihnen folgten. Und sollten sie jetzt plötzlich Furcht zeigen?
Nein! der Steuermann besaß überdieß kecken Muth genug, sich nicht durch
eine, nur erst drohende Gefahr einschüchtern zu lassen, und beschloß zu
thun, was er eben nicht mehr vermeiden konnte -- gerade voraus zu halten,
in die Bucht hinein.

Sie passirten jetzt das Wrack! Was es gewesen, ließ sich nicht leicht
erkennen, denn die Masten fehlten und nur an einigen Stellen hing noch das
stärkere Takelwerk unordentlich über Bord. Dem Steuermann schien es eine
Brigg gewesen zu sein; er gab sich aber umsonst Mühe, den Namen heraus zu
bekommen, denn obgleich es mit dem Stern der Bucht zu lag, schienen
die Eingebornen das dort gewöhnlich angebrachte Namensbret entweder
herausgeschlagen oder unleserlich gemacht zu haben, mußten also wissen, daß
man daran das Schiff erkannt hätte, und fühlten sich also auch nicht ganz
rein bei der Sache.

»Steuermann,« brummte der Doktor, als sie vorüberglitten, »dort liegt
ein Memento Mori, eine Art von Todtenkopf und die alten Planken würden
vielleicht viel zu erzählen wissen. Ein Glück, daß wir nicht gleich mit dem
Schooner vor Anker gegangen sind.«

»Bah,« sagte der Steuermann, der sich nicht wollte merken lassen, daß
er eben erst ganz ähnliche Gedanken gehabt; »vom Schooner sollen sie die
Fäuste schon lassen.«

»Hm, ja -- vielleicht -- aber von uns?«

»Und was wäre bei uns zu holen? Nichts als heißes Blei!« lautete die
ziemlich mürrische Antwort. »Zum Teufel auch, Kamerad, wenn Ihr Euch
fürchtet, hättet Ihr an Bord bleiben sollen.«

»Fürchten?« lachte der Doktor; »ich habe wohl schon davon gehört, weiß aber
nicht, was es bedeutet, und der Erfolg wird es lehren. Ich wäre auch der
Letzte, der zurückginge, also vorwärts, Mate, wir sitzen einmal drin und
müssen die Geschichte jetzt auch zu Ende führen.«

»Und dort ist die Landung!« rief der Steuermann, als er jetzt am Ufer
eine Anzahl dunkler Gestalten bemerkte, die ihnen grüne Büsche
entgegenschwenkten und damit zu winken schienen.

Hier bildete das Ufer wieder einen kleinen Einschnitt, aber es war
augenscheinlich, daß sie den eigentlichen Landungsplatz des Ortes erreicht
hatten, denn acht oder zehn Kanoes lagen dort ebenfalls angebunden, und
Trupps von Mädchen, Frauen und Kindern schienen auch schon an jener Stelle
die Ankunft der Fremden zu erwarten. Der Steuermann hatte ebenfalls
ihren Dolmetsch am Ufer erkannt, jenen Burschen, der bei ihnen zum Besuch
gewesen, und mit Recht vermuthend, daß dort der Punkt sei, wo man ihn
erwarte, lenkte er den Bug seiner Jölle direkt auf ihn zu. Im nächsten
Moment scheuerte ihr Kiel den Sand, und Einer der Leute, unbekümmert um den
Schwarm, der draußen stand, sprang an Land, um das Springtau zu befestigen.

Der Doktor hatte sich indeß die Eingebornen betrachtet und sich eben nicht
besonders über ihr Aussehen gefreut. Sie gingen fast sämmtlich bis auf
den Schurz nackt. Nur die jungen Mädchen trugen noch ein oft phantastisch
herausgeputztes Tuch um die Schultern und Schmuck -- Glasperlen und
Goldtand -- in den Ohren und den künstlich und mühsam zusammengeflochtenen
Haaren, und Einige von ihnen konnten sogar für hübsch gelten, wären die
Lippen nicht so aufgeworfen gewesen. Die Männer sahen aber entschieden
häßlich aus: mager und grobknochig, mit einem scheuen, mürrischen,
gedrückten Wesen. Viele von ihnen trugen auch Waffen: lange, spitze und
dünne Wurfspeere oder Keulen, und Einige von ihnen große geflochtene
Schilde, und auf den Schultern und Armen eine häßliche Art von Tättowirung,
welche die betroffenen Stellen wie aufgeschwollen erscheinen läßt.
Feindliche Absichten schienen sie aber nicht zu hegen, denn selbst die
Bewaffneten verhielten sich vollkommen ruhig und sogar theilnahmlos und
standen nur in ungeordneten Gruppen umher, möglich um die Landung der
Fremden zu überwachen.

Der Steuermann hätte nun am Liebsten seine ganze Mannschaft mit an Land
genommen, denn es war ihm nachdem er erst einmal das Wrack gesehen, kein
angenehmes Gefühl, sein kleines Häufchen noch zu trennen. Aber er durfte
das Boot auch nicht ohne Wache zurücklassen. Wer wußte denn, was das
Gesindel indessen damit vorgenommen hätte. Drei Mann genügten indeß dazu
vollkommen und er mit dem Doktor wollten dann ihren Besuch bei dem
Könige machen, während der Jüngste von den Matrosen das braunlackirte
Blechkästchen tragen konnte, in welches Kapitän Oacutt die Geschenke für
Seine Majestät gethan.

Der Schwarze, der zugleich als ihr Führer ausersehen schien, hatte indeß
ruhig neben ihnen gestanden und sie betrachtet, jetzt aber, als der
Steuermann ihn anrief, voran zu gehen und ihnen den Weg zu zeigen, sagte er
erstaunt: »Ja, Freund, wo hast Du denn die Geschenke für den König?«

»Nun, in dem Kasten da!« erwiederte der Seemann.

»Und das ist Alles?« rief kopfschüttelnd der Schwarze. »Unser König ist
groß und mächtig; er wird über das Wenige hinwegsehen.«

»Er soll zu Gras gehen!« brummte der Steuermann leise vor sich hin, setzte
aber laut hinzu: »Und weißt Du denn, was da drinnen ist, Wollkopf?«

»Nein,« antwortete dieser etwas verblüfft; »wie kann ich's wissen -- ich
habe ja nicht hineingesehen.«

»Also vorwärts marsch, daß wir weiter kommen und das Mittagessen nicht
versäumen,« nickte ihm der Steuermann zu und ihr Führer schien jetzt
ebenfalls damit einverstanden. Wer wußte in der That, was für kostbare
Dinge der kleine Kasten enthielt -- der Weiße hatte recht. Erst mußte man
es sehen, ehe man urtheilen konnte. Er schritt langsam, von den Fremden
gefolgt, gerade auf den Schwarm von Mädchen und Frauen zu, die aber scheu
zur Seite wichen und Raum gaben, wodurch sie eine Art von lebendiger Gasse
bildete, und die Amerikaner sahen jetzt ein niederes aber breites Gebäude
vor sich, auf welches sie direkt zuhielten.

War das wirklich das Palais, so wohnte Seine Majestät allerdings sehr
bescheiden, konnte aber deßhalb natürlich doch von jeder orientalischen
Pracht umgeben sein. Wie oft bargen in solchen wilden Ländern schlichte
Rindendächer die bedeutendsten Schätze, und wer es da verstand, machte
leicht bessere Geschäfte, als in den größten Städten und Hafenplätzen.
Vergebens suchten aber sowohl der Doktor wie Steuermann einen Ueberblick
über die Stadt selber zu gewinnen, denn die Wohnungen lagen nicht in
geraden Straßen, sondern unordentlich durcheinander und meist so in
Gebüschen und Fruchtbäumen versteckt, daß man nur hie und da einzelne
Häuser und Dachspitzen zwischen Bananenhainen und Palmenwipfeln
durch erkennen konnte. Es blieb ihnen überdieß keine lange Zeit, sich
umzuschauen, denn eben betrat ihr Führer die Schwelle des niederen Gebäudes
und winkte ihnen dabei zu folgen. Eine vorherige Anmeldung wurde also nicht
für nöthig befunden.

Sie fanden jedoch bald, daß die Hütte mit ihrem ärmlichen Aeußern dem
Innern vollkommen entsprach. Sie war von Pfählen und Reisig gebaut, luftig
allerdings genug und dem heißen Klima zusagend und nur mit einem guten
dichten Dach bedeckt, schien aber sonst sehr dürftig ausgestattet und
enthielt nur einige Stücke europäischer Ausstaffirung, auf welche die
Seeleute Anfangs jedoch nicht achteten, weil eine merkwürdige Gruppe im
Mittelpunkt der Hütte ihre Aufmerksamkeit völlig in Anspruch nahm.

Auf einem dort ausgebreiteten Löwenfell -- sonst aber auf der blanken
Erde -- lag nämlich ein großer, schwarzer, unförmlicher, aber lebendiger
Klumpen, dem selbst der Doktor nicht gleich eine bestimmte Form und Gestalt
geben konnte, während oben darauf ein kleiner, schlanker, kaffeebrauner
Bursche, die Arme in die Seite gestemmt, gymnastische Uebungen auszuführen
schien, denn er stieg und tanzte darauf herum, obgleich es eine
Geschicklichkeit zu erfordern schien, das Gleichgewicht dabei zu erhalten.

Links in der Ecke balgte sich eine Anzahl von Kindern unter der Aufsicht
von zwei jungen Mädchen, ohne indessen von dieser Produktion weitere Notiz
zu nehmen, und der Doktor besonders gab sich die größte Mühe, nur erst
einmal herauszubekommen, was er da eigentlich vor sich habe und was es
bedeute. Aber es dauerte nicht lange, so begann er, trotz dem in der
Hütte herrschenden Dämmerlicht, doch einige Umrisse an dem Klumpen zu
unterscheiden, der sich bald als ein wirklich menschliches Wesen, wenn
auch in wunderlicher Verunstaltung, herausstellte. Da war in der That ein
dicker, wolliger Kopf, da war etwas, das wie Beine und Füße aussah, wenn
auch nur im kürzesten aber dicksten Maßstab -- alles Uebrige mußte aber
Körper oder Rücken sein, denn das merkwürdige Geschöpf lag, wie er jetzt
bemerkte, auf dem Bauch, und der kleine gelenke Bursche tanzte eine Art von
Menuet auf seinem Rückgrat.

Erstaunt sahen sich der Steuermann und Doktor, während der Matrose mit
offenem Mund daneben stand, nach ihrem Führer um, dieser winkte ihnen aber
mit der ernsthaftesten Miene von der Welt zu, ruhig zu bleiben, und deutete
dabei ehrfurchtsvoll auf den schwarzen, nackten Fleischklumpen. -- War das
etwa der König?

Der Dicke schien sich indessen unter der Operation sehr behaglich zu
fühlen; er stöhnte ein paar Mal vor Vergnügen und fing dann an, erst die
Arme und dann die kurzen Beine auszustrecken, wälzte sich auch bald ein
wenig nach der, bald nach jener Seite, so daß der kleine Bursche ungemein
aufpassen mußte, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren und herabgeworfen
zu werden.

Endlich schien aber der Koloß befriedigt; er grunzte fast vor Wonne, und
nachdem er dem Kleinen etwas zugerufen, wornach ihn dieser noch ein paar
Mal kräftig in's Genick trat und dann absprang, richtete er sich plötzlich
in die Höhe, so daß er, den Fremden unmittelbar gegenüber, auf das Fell zu
sitzen kam. In diesem Augenblick mußte er auch zum ersten Mal den Besuch
bemerken, denn er sah sie einen Moment so verdutzt an, daß besonders der
Doktor ein herauswollendes Lachen kaum verbeißen konnte. -- Ob er sich
vielleicht genirte, bei seinem »Tretbad« von den weißen Männern beobachtet
worden zu sein? Das war wohl kaum der Fall, indeß gewann er seine Fassung
sehr bald wieder. Er winkte dem Knaben und rief ihm ein paar Worte zu,
wonach ihm dieser eine Art von Oberhemd aus rothem Kattun überwarf, was
seine Toilette beendete. Dann redete er den Dolmetsch an.

Dieser machte eine ehrfurchtsvolle Verbeugung, nahm ohne Weiteres dem
Matrosen das Blechkästchen ab und setzte es neben sein Oberhaupt nieder.
Dem Steuermann entging auch der ungnädige Blick nicht, den dieser darauf
warf, sich dann aber doch herabließ, es zu öffnen und hineinzuschauen. Der
Doktor behielt indessen Muße, ihn etwas näher zu betrachten, und mußte sich
gestehen, in seinem ganzen Leben noch kein ähnliches menschliches Wesen
gesehen zu haben.

Der kleine dicke Bursche, wie er da vor ihm saß, konnte kaum mehr als vier
Fuß hoch sein und war dabei in der That lauter Bauch. Ja es sah ordentlich
aus, als ob der Kopf, ohne auch nur einen Zollbreit Hals zu gestatten, fest
und tief in den unförmlichen Körper hineingeschraubt worden wäre. Beine
und Arme zeigten sich dazu von ganz unmäßiger Dicke und an Gewicht mußte er
wenigstens drei Centner wiegen -- wenn nicht noch mehr. Frisirt schien
er an dem Morgen nicht zu sein, die Haare standen ihm in struppigen, fest
ineinander gerollten Wollbüscheln nach allen Seiten hinaus und aus
dem dicken, fettglänzenden Gesicht stierten ein paar kleine, wie
zusammengekniffene Augen eben nicht besonders freundlich bald die Fremden,
bald seinen Dolmetsch, bald den eben geöffneten Blechkasten an. Sein Inhalt
beschäftigte ihn aber doch vor der Hand am Meisten, und er schien das
Gebrachte auch nicht etwa als ein Geschenk, sondern vollkommen als Tribut
zu betrachten, für den er sich natürlich nicht zu bedanken brauchte.

Der dicke Bursche mußte übrigens schon öfters mit weißen Fremden verkehrt
haben, denn der Steuermann, der sich jetzt etwas näher in dem Gemach
umsah, bemerkte eine Menge von Dingen, die ihm nur Europäer oder Amerikaner
gebracht haben konnten. Dort drüben war an der Reisigwand ein Spiegel in
Goldrahmen aufgestellt, der genau so aussah, als ob er früher einmal in der
Kajüte eines Fahrzeugs gehangen; in der einen Ecke lagen Sophapolster, mit
dem Ueberzug aber schon lange heruntergefault; dann standen in der Ecke
mehrere Musketen mit Bajonneten und daneben einige Schiffscutlasse, während
ein sauber gearbeitetes Mahagonischränkchen mit Perlmutterschloß ebensogut
früher in eine Kajüte gehört haben konnte, denn Messingbügel waren jetzt
noch daran zu erkennen.

Der Dicke indessen, der das geöffnete Kästchen eine Weile halb neugierig,
halb mißtrauisch betrachtet hatte, griff jetzt hinein und zuerst nach
einer oben aufliegenden langen Tafel Kautabak, an der er roch und sie
dann, augenscheinlich befriedigt, neben sich legte. Die Kinder, die gesehen
hatten, daß es dort irgend etwas Neues gab, kamen jetzt herbeigelaufen. Sie
waren sämmtlich in dem Alter von etwa fünf bis neun Jahren und gingen, wie
das bei solchen Stämmen gewöhnlich der Fall ist, »bis an den Hals barfuß«.
Auch ihre Wärterinnen, die ihnen schon folgen mußten, kamen näher; sie
waren ebenfalls neugierig geworden.

Unter dem Tabak fand Seine Majestät jetzt eine große, dicke, aber unechte
Uhrkette, auf welche sich der Kapitän, als er sie in den Kasten legte,
nicht wenig zu Gute gethan. Der König griff auch rasch danach, hatte sie
aber kaum in die Hand genommen, als er sie schon mißtrauisch betrachtete,
dann -- wie den Tabak vorher -- an die Nase hob und scharf und lange daran
roch. Die Untersuchung mochte aber nicht zu ihren Gunsten ausgefallen sein,
denn er schüttelte mit dem Kopf und warf sie dann -- ohne sie weiter eines
Blickes zu würdigen -- verächtlich unter die Kinder, die jubelnd darüber
herfielen.

Das abgemacht, griff er zwischen die andern Dinge hinein, schien aber
nicht viel Tröstliches herauszufischen: ein paar bunte, aber baumwollene
Taschentücher -- ein paar Schnüre Glaskorallen -- einen kleinen Spiegel im
Futteral -- eine Scheere, und müde des nutzlosen Suchens drehte er endlich
in etwas summarischer Weise den Kasten um, schüttete den ganzen Inhalt
auf die Decke und wühlte in den Dingen, die Kapitän Oacutt als Kostbarkeit
eingepackt, geringschätzig mit dem rechten Fuß herum. Es zeigte sich auch
in der That nichts darunter, was er hätte gebrauchen können oder mögen;
nur eine kurze Tabakspfeife nahm er noch für sich und schob dann den ganzen
Plunder mit seinem dicken Bein den Kindern zu.

Von der Gelegenheit suchte auch eine der »Bonnen« Nutzen zu ziehen und
griff nach einer Schnur hellblauer Glasperlen, aber ihr Herr und Gebieter
war -- unglücklicherweise für sie -- nicht in der Laune, irgend eine
Vertraulichkeit zu gestatten. Er schlug mit der rechten Hand aus und traf
das arme Mädchen so derb gegen den Nacken, daß sie wie betäubt zur Seite
taumelte und dann leise wimmernd aus dem Wege kroch. Der kleine Tyrann nahm
aber keine Notiz von ihr -- er war ärgerlich geworden. Sollten das etwa
Geschenke für einen König sein, wie sie ein fremdes Schiff ihm als Tribut
bringen mußte? Wollten die Weißen ihn verhöhnen? Und zornig wandte er sich
an den Dolmetscher, der achselzuckend und gebückt, als ob er die Stellung
schon einmal von einer deutschen Hofschranze abgesehen, ihm gegenüberstand
und die Vorwürfe geduldig und demüthig mit anhörte. Kaum aber hatte der
König geendet, als er sich auch, jetzt selber zornig und seinen Monarchen
repräsentirend, an die Fremden wandte und all' die Vorwürfe mit fast
schreiender Stimme wiederholte, die er eben mit angehört. Der Sinn der
Rede war etwa folgender: »Aus welchem Lande kommt ihr, daß ihr glaubt, ihr
dürftet dem Fürsten eines Volkes Kinderspielzeug zum Geschenk bringen? Geht
fort und kehrt nicht eher zurück, bis ihr mit einer würdigen Gabe nahen
könnt.«

»Alle Wetter!« rief der Steuermann überrascht aus, »wie mir scheint, müßt
ihr selber hier sehr reich sein, wenn ihr das, was in unserem Lande als
Kostbarkeit gilt, so verächtlich bei Seite werft. Wir geben, was wir haben,
und es ist möglich, daß wir Sachen an Bord finden, die Deinem König noch
besser gefallen, aber dann müssen wir auch vorher wissen, was ihr uns zum
Handel bieten könnt und ob es der Mühe lohnt, mit euch zu verkehren.«

Der Dolmetsch übersetzte, was ihm der kecke Fremde gesagt, und die Antwort
des Königs lautete, daß sie Sklaven zum Tausch hätten -- Sklaven genug, um
sein ganzes Schiff zu beladen. Brooks, der Steuermann, schüttelte aber mit
dem Kopf und erwiederte: sie wären keine Sklavenhändler, die nur an die
Küsten fremder Länder kämen, um Menschen zu stehlen. Sie wollten Waaren
-- Produkte des Landes haben -- Elfenbein, Straußenfedern, Gummi, Goldsand
oder was da wäre, und die Geschenke für den König sollten dann dem
entsprechend ausfallen.

Dieser erhielt das Gesagte wieder übersetzt und bedachte sich einen
Augenblick -- er überlegte wahrscheinlich, ob er durch eine Antwort darauf
seiner Würde nichts vergebe. Endlich nickte er leise vor sich hin und rief
ein paar rauhe Worte, wonach dann der Dolmetsch den Fremden nur winkte, ihm
zu folgen.

Der Doktor, der nicht gern eine Höflichkeitsform versäumen wollte, zupfte
den Steuermann und flüsterte ihm zu, ob sie sich nicht vorher bei Seiner
Majestät verabschieden müßten. Der Dicke schien aber gar keine weitere
Notiz von ihnen zu nehmen, sondern drehte ihnen höchst ungenirt den breiten
Rücken zu, wonach die Fremden es dann auch nicht weiter für nöthig hielten,
irgend eine sonst vielleicht verlangte Ceremonie zu beachten.



Drittes Kapitel.

Die Schatzkammer.


Ihr Führer schritt mit ihnen direkt wieder zum Strand zurück und der
Richtung zu, in welcher ihr Boot lag. Der Steuermann aber, immer noch die
Gedanken an das Wrack im Kopf, wollte die Gelegenheit nicht versäumen,
vielleicht etwas Näheres darüber zu erfahren, und als sie wieder den
freien Raum betraten, von dem aus man die dunklen Umrisse des gestrandeten
Fahrzeugs eben erkennen konnte, sagte er, anscheinend leichthin: »Was ich
gleich sagen wollte, Freund! Was war das eigentlich für ein Fahrzeug, das
da drüben in den Büschen so fest vor Anker liegt?«

»Welches?« sagte der Schwarze, als ob es zehn verschiedene gegeben hätte.

»Welches? Das da drüben -- das große Fahrzeug der Weißen, das an Eurer
Küste liegt.«

»O das,« meinte der Dolmetsch gleichgültig; »altes Schiff, liegt schon viel
lang drüben -- weiß es nicht.«

Der Steuermann hätte nun darauf schwören wollen, daß das verunglückte
Fahrzeug noch gar nicht etwa so lange da drüben liegen _konnte_, denn die
Malerei daran sah viel zu frisch dafür aus, und von Verwitterung war keine
Spur zu erkennen. Aber er merkte auch wohl, daß der Bursche nichts gestehen
wollte oder durfte, und mochte selber nicht gleich Neugierde verrathen,
um keinen Verdacht zu erwecken. Traten sie erst mit dem Volk hier in einen
näheren Verkehr, so fand sich auch wohl einmal eine Gelegenheit, um das
Wrack zu besuchen, wenigstens dicht hinan zu laufen, und dann getraute
sich der Seemann auch schon nähere Daten darüber selber herauszufinden. Bis
dahin war es weit gerathener, vorsichtig zu Werk zu gehen.

Ihr Führer schritt indessen nicht direkt auf ihr Boot zu, das sie schon von
Weitem erkennen konnten, sondern bog etwas mehr rechts ab, und zwar einem
wunderlich gestalteten, hohen und spitzen Hause zu, das sich nur dadurch
von den übrigen Wohnungen unterschied, daß es fest verschlossen schien und
keine offene Thüre zeigte.

Der Doktor war einige Schritte dicht an der Umzäunung desselben hingegangen
und näherte sich jetzt einem eigenthümlichen, fest überdeckten Vorbau, als
er plötzlich erschreckt zur Seite fuhr, denn fast unmittelbar neben ihm
stieß ein Löwe sein heiseres Gebrüll aus.

Die Eingebornen lachten und auch der Steuermann amüsirte sich über den
Satz, den der Doktor machte; übrigens war er selbst zusammengefahren,
denn hier, mitten im Dorf, hatte er keine solche Bestie erwartet, die da
jedenfalls hinter dem Palissadenwerk gefangen gehalten wurde. Sie waren
jetzt auch gerade über ihrem Boot angekommen, das etwa hundert Schritt von
ihnen entfernt unten am Strand lag, als ihr Führer vor diesem Löwenzwinger
stehen blieb und dort hineindeutend sagte: »Ihr glaubt nicht, Fremde,
daß unser König Waaren hat, um mit euch zu handeln. Seht, was da drinnen
aufgeschichtet liegt. Ihr wäret nicht im Stande, auch nur die Hälfte davon
zu kaufen.«

»Hoho, mein Bursche!« sagte der Doktor, der sich eigentlich schämte, vorhin
eine plötzliche Schwäche gezeigt zu haben, aber das Gebrüll war auch zu
unerwartet und aus zu unmittelbarer Nähe gekommen: »und was hättet Ihr da?«

»Jedenfalls Sachen, die werthvoller sind als Eure Geschenke,« grinste der
Schwarze. »Seht nur hindurch.«

Die Fremden trauten nicht recht; hinter dem Gitter schritt der Löwe umher,
und der Doktor bemerkte jetzt auch dicht daneben eine wohl starke,
aber doch nur hölzerne Thür, die allein von zwei breiten Holzriegeln
verschlossen gehalten wurde und in den Zwinger führte. Aber was konnte
ihnen geschehen? und wenn er auch nicht recht begriff, welche Kostbarkeiten
der Löwenkäfig enthalten könne, trat er doch mit dem Steuermann dicht an
die Palissaden und sah hindurch.

»Alle Teufel!« rief da der Seemann plötzlich; »Doktor, was meint Ihr -- da
drin läge Fracht für uns.«

»Elfenbein!« sagte dieser, aber wirklich überrascht von der Masse, die
er da drinnen aufgeschichtet sah. »=Bless my soul=, die scheinen ja
sämmtlichen Elephanten die Zähne ausgerissen zu haben. Junge, Junge, wo
habt Ihr all' das Elfenbein her?«

»Nun?« sagte der Schwarze, augenscheinlich von dem Erstaunen der Fremden
befriedigt; »hat der König zu viel gesagt?«

Da drinnen lag in der That ein unschätzbarer Reichthum von werthvollen und
zum Theil außerordentlich großen Elephantenzähnen aufgeschichtet, und der
Löwe schien dabei als trefflicher Wächter zu dienen. Entsetzt rief aber
der Doktor aus, als er den Blick jetzt in dem inneren Raum umher schweifen
ließ: »Heiliger Gott, was ist das? füttert Ihr denn hier die Bestie mit
Menschenfleisch? Sehen Sie um des Himmels willen die Schädel und Knochen,
Brooks, die da drin umhergestreut liegen.«

»Das ist nichts,« sagte der Eingeborne gleichgültig, »nur Sklaven oder
Kriegsgefangene, wenn sie krank oder schwer verwundet sind. Ja Zambiri ist
ein großer König und gerade jetzt jagen unsere Truppen einen feindlichen
Stamm. Wenn Ihr ein paar Tage hier bleibt, könnt Ihr sie mit Beute beladen
zurückkehren sehen.«

»Und das Elfenbein gehört Alles dem König?«

»Alles, und noch weit mehr, viele große Büffelhörner voll Perlen,
Schildpatt, Gold. Zambiri ist sehr reich, es ist ein großer König.«

»Und verkauft er die Zähne?«

»Gewiß,« nickte der Dolmetsch, »aber es kommt darauf an, was Du ihm bieten
kannst. Viel mußt Du ihm bringen, und vor allen Dingen Geschenke für ihn,
sonst macht Ihr ihn nur böse, und dann ist er furchtbar, wie ein Löwe
selber.«

»Die kleine schwarze Bestie,« brummte der Doktor leise vor sich hin,
bemerkte aber auch in demselben Augenblick den nämlichen kleinen schwarzen
Burschen, der vorher auf dem Rücken des Königs herumgestiegen war, und
der nun in einiger Entfernung hinter dem Dolmetsch stand und ihm
geheimnißvolle, aber scheue Zeichen machte. Sollte das eine Warnung sein,
und drohte ihnen Verrath? Fast unwillkürlich griff er mit der Hand nach
dem unter dem Rock versteckten Revolver, der Kleine aber, als ob er die
Bewegung verstanden hätte, schüttelte mit dem Kopf und deutete auf seinen
Mund. Wollte er ihm etwas sagen? Jedenfalls mußte er in seine Nähe zu
kommen suchen, aber der Dolmetsch war ihm dabei im Weg.

»Schafft mir den schwarzen Kerl einen Moment bei Seite, Steuermann,«
flüsterte er diesem rasch zu, »geht mit ihm zum Boote, ich folge.«

Der Steuermann sah ihn erstaunt an und begriff nicht, was er wolle, der
Doktor mußte aber jedenfalls seinen Grund dafür haben, und sich an den
Dolmetsch wendend, sagte er: »Unter den Umständen wird es am Besten sein,
gleich an Bord zurückzufahren und das Werthvollste herauszusuchen, was
wir haben, damit wir Deinen König zufrieden stellen. Wir sind als Freunde
hierhergekommen, und ich hoffe, wir sollen als Freunde mit einander
verkehren. Aber da unten sehe ich Früchte, könnten wir wohl einige davon
mit an Bord nehmen? Wir haben eine lange Fahrt gehabt, und nichts Grünes
unterwegs gefunden,« und dabei schritt er, von dem Matrosen dicht gefolgt,
zum Boot hinunter.

»Gewiß,« nickte der Dolmetsch, der sich an seiner Seite hielt. Der Doktor
blieb dabei ein paar Schritte zurück, als der Junge dicht an ihn hinanglitt
und zugleich im reinsten Englisch flüsterte: »Rettet uns -- gefangen -- vom
Schiff...« In demselben Moment aber auch und gerade als sich der Dolmetsch
nach ihm umdrehte, sprang er nach vorn, auf diesen zu und sagte irgend
etwas in seiner Sprache.

Der Schwarzbraune blickte ihn zornig an, und sah bald auf ihn, bald auf den
Doktor, da dieser aber mit der gleichgültigsten Miene von der Welt ein
paar hier auf dem Sand liegende Muscheln aufhob und aufmerksam betrachtete,
schien sein plötzlich gefaßtes Mißtrauen zu schwinden.

»Ich muß zum König,« sagte er zum Steuermann, »wartet für einen Augenblick,
ich werde Euch Früchte schicken; gebt den Leuten Taback dafür -- aber
keinen Branntwein -- er ist streng verboten und nur der König darf ihn
trinken,« und damit, die Weißen sich selber überlassend, rief er dem
Knaben einige Worte zu und eilte, diesen am Arm fassend, mit ihm zu seines
Oberhauptes Wohnung zurück.

Wie gerne hätte der Doktor noch Weiteres von dem jungen Burschen gehört,
aber er sah auch ein, daß das nicht möglich sei, ohne augenblicklich
Verdacht zu erregen und jede Aussicht auf Erfolg abzuschneiden. Dem
Steuermann theilte er aber jetzt mit, was ihm der Junge zugeflüstert, und
dieser rief, seine rechte Faust in die linke flache Hand schlagend: »Ob ich
es mir denn nicht gedacht habe? Mit dem Wrack da ist faul Spiel gewesen,
und uns wollen sie jetzt bloß kirre machen, um uns nachher ebenso zu
bedienen.«

»Und die Elephantenzähne sind auch nicht alle aus dem Land gekommen, Sir,«
sagte der junge Matrose, der daneben stand. »Zwei davon, das hab'
ich deutlich durch das Gitter gesehen, waren mit Schiemanns-Garn
zusammengebunden, und Schiemanns-Garn haben sie nur an Bord von Schiffen.«

»Gar nicht unmöglich,« nickte der Seemann, »das Fahrzeug kann schon recht
gut an der Küste gekreuzt und Elephantenzähne eingehandelt haben, und
das hat dieser schwarze Heide jetzt Alles in seinem Waarenlager
aufgeschichtet.«

»Aber was nun?«

»Dort kommen die Früchte,« sagte der Steuermann, »die wollen wir erst
einnehmen, und dann so rasch als möglich an Bord zurück, um dem Kapitän
Bericht abzustatten. Hol's der Teufel, wir müssen doch wenigstens einen
Versuch machen, vielleicht sogar unsere Landsleute zu retten, und geht
das nicht, ei dann laufen wir nach dem Kap hinunter und schicken ein
Kriegsschiff her, denn ungestraft sollen sie sich beim Himmel nicht an
einem Fahrzeug der Weißen vergriffen haben.«

Das Gespräch war hier abgebrochen, denn allerdings kamen jetzt Eingeborne
mit Früchten heran, erst einzeln und dann immer mehr. Der Steuermann hielt
sich aber nicht lange auf, hatte auch nicht genug Waaren bei sich, um mit
ihnen einen großen Tauschhandel zu eröffnen. Nur den Ersten nahm er, was
sie brachten, ab, und gab ihnen Tabak dafür, dann sprangen die Männer
wieder in ihr Boot und ruderten, so scharf sie konnten, in See hinaus, um
den ihnen schon wieder entgegenkommenden Schooner zu erreichen.

Kapitän Oacutt war übrigens, als sie an Bord zurückkehrten, mit dem
Resultat ihrer Fahrt nicht besonders zufrieden. Er hörte wohl den Bericht
mit der gespanntesten Aufmerksamkeit an, schüttelte aber dabei bedenklich
mit dem Kopf und meinte endlich: Das mit dem Elfenbeinvorrath klänge
allerdings sehr gut und verlockend, aber trotzdem scheine es ihm fast, als
ob er, wenn er unter diesen Verhältnissen auf einen Handel einginge, am
Ende gar noch Schiff und Mannschaft verlieren und die Zeche mit seinem
eigenen Leben bezahlen könne. Des Steuermanns Gegenvorstellungen, die von
dem Doktor kräftig unterstützt wurden, hatten aber zu viel Gewicht. Er
durfte die Küste rechtlicherweise gar nicht wieder verlassen, ohne nicht
wenigstens einen Versuch gemacht zu haben, Näheres über das verunglückte
Fahrzeug zu hören, und da sie jetzt durch den Knaben die Gewißheit hatten,
daß wenigstens Einer an Land sei, der darüber zu erzählen wisse, so blieb
ihnen nichts übrig, als dem weiter nachzuforschen.

Der Kapitän mußte ihnen darin beistimmen, und sehr verlockend wirkte dabei
auch die Schilderung des Haufens von Elephantenzähnen, die aber auf so
entschiedene Weise von einem der wildesten Ureinwohner, dem Löwen, bewacht
wurden. Jedenfalls hatte der Doktor recht, wenn er meinte, sie riskirten
wenig durch eine zweite Fahrt an Land, auf welcher sie ja nur die Geschenke
und Proben für den Handel mitzunehmen brauchten. Es käme vor allen Dingen
darauf an, jenen dicken Fleischklumpen, den Tyrannen des Distrikts, etwas
freundlich für sie zu stimmen und selber gierig auf eine Handelsverbindung
zu machen, nachher wäre es ein Leichtes, mehr über die Verhältnisse dort zu
erfahren. Günstigeren Zeitpunkt durften sie außerdem nicht hoffen, dafür
zu finden, als gerade jetzt, da sich, wie sie ja am Ufer gehört, der größte
Theil der bewaffneten Macht auf einem Streifzug und Sklavenfang im Inneren
befand. Die Gefahr eines Ueberfalls begann erst, wenn die zurückkehrte, und
je eher sie deßhalb hier an's Werk gingen, desto besser.

Einem Kapitän ist immer die Sicherheit seines eigenen Fahrzeugs das
Höchste, und muß es sein, denn nicht allein das Eigenthum seiner Rheder,
sondern auch das Leben seiner Mannschaft steht dabei auf dem Spiel, aber
Aussicht auf Gewinn und die Pflicht, dem Schicksal eines verunglückten
Fahrzeugs nachzuforschen, wirkte hier gleich stark, und er sträubte sich
nicht länger, sein Boot zum zweiten Mal hinüber zu senden. Nur die Wahl der
Geschenke hatte noch einige Schwierigkeit, da er gern so wenig als möglich
opfern wollte, während der Doktor wie auch der Steuermann darauf bestanden,
daß man sich dießmal, nach dem ersten verunglückten Versuch, ganz besonders
splendid benehmen müsse. Sie setzten auch zuletzt ihren Willen durch, und
ein chinesischer Koffer wurde mit wirklich werthvollen Dingen,
seidenen Kleidern und Schärpen, wollenen bunten Stoffen, vergoldeten
Uniformtroddeln, reich verzierten Messern, hübsch aussehenden Glaskorallen
und anderen derartigen Dingen fast gefüllt. Außerdem sollte auch noch eine
Probe der Waaren beigegeben werden, welche Oacutt gegen Elfenbein oder
andere werthvolle Produkte einzutauschen gedachte, auch Brod und guten
Branntwein mußten sie mitnehmen, den Letzteren nur für den König selber;
und also vorbereitet, durften sie schon eher hoffen, das Herz jenes
schwarzen Fleischklumpens für sich zu gewinnen.

Heute war es natürlich mit all' diesen Berathungen und dem Auswählen zu
spät geworden, um noch einen zweiten Landungsversuch zu machen; von der
Nacht mochten sie sich auch drüben nicht überraschen lassen, und der
Kapitän hielt deßhalb mit seinem Schooner weiter von der Küste ab.
Allerdings mochten die Eingebornen, wenn sie die Bewegung sahen, glauben,
die Weißen hätten auf den Handel mit ihnen verzichtet, und wären wieder
abgefahren, aber das schadete nichts; um so begieriger wurden sie nachher
darauf, und das konnte das Geschäft für morgen nur erleichtern.

Indessen hatte sich aber auch unter der Mannschaft die Nachricht
verbreitet, daß die »Niggers« am Ufer weiße Männer in der Gefangenschaft
hielten, und die Wuth darüber war grenzenlos. Noch an demselben Abend kam
eine Deputation zum Kapitän, die ihn bat, er möchte mit dem Schooner an
Land fahren und das Nest in Grund und Boden zusammenschießen. Alle meldeten
sich als Freiwillige zum »Entern« und schienen besonders, der Beschreibung
ihres Kameraden nach, Rache an dem dicken Ungethüm zu verlangen, das
Sklavenhandel treibe und seine eigenen Unterthanen dem Löwen vorwerfe.
Oacutt aber, so sehr er sich über die gute Stimmung der Leute freute,
stellte ihnen vor, daß sie erstlich noch nicht einmal genau wüßten, ob
wirkliche Weiße dort gefangen gehalten würden, dann aber auch durch einen
Angriff auf die Eingebornen diese vielleicht verjagen, aber nie im Leben
wirklich Gefangene befreien könnten. Er versprach ihnen indeß, morgen früh
sechs von ihnen, gut bewaffnet, mit an Land zu schicken, um zu sehen, was
sich machen ließe, und daß er sich dann auf sie verlasse, sie würden im
Nothfall ihre Schuldigkeit thun, verstand sich von selbst.



Viertes Kapitel.

Der zweite Besuch.


Am nächsten Morgen mit erstem Tagesgrauen war die Sarah Miles schon wieder
fast auf der nämlichen Stelle angelangt, wo sie gestern Abend gelegen, und
hielt jetzt direkt dem Lande zu, um ihr Boot abzusetzen. Das brauchte auch
nur in See gelassen zu werden; die ganze Ladung lag schon bereit, die dafür
bestimmte Mannschaft stand gerüstet an Deck und schien selber die Zeit kaum
erwarten zu können, wo sie da drüben ihre Thätigkeit beginnen möchte. Rasch
wurde auch dem Befehl: »=a shore!=« Folge geleistet; mit lautem Hurrah
hißten sie das kleine Segel, und fort ging es, der Mündung der Bai
entgegen. Kapitän Oacutt mochte aber heute seine Leute mit dem einmal gegen
die Eingebornen gefaßten Verdacht nicht wieder, so wie gestern, aus
Sicht lassen. Daß sie in der Bucht tief Wasser hatten, wußte er schon vom
Steuermann, und langsam folgte er deßhalb seinem Boot, um dort entweder zu
kreuzen, oder wenn es sicher befunden wurde, auch vor Anker zu gehen.

Brooks steuerte indessen sein Boot der Landung entgegen und wunderte sich
nur, daß sie heute gar keine Kanoes zu sehen bekamen. Am Ufer schien dafür
eine ungewöhnliche Bewegung zu herrschen; er unterschied mit dem Fernrohr
eine Menge Frauen und Kinder. Ob sie die Fremden schon bemerkt hatten?
Fahrzeuge zeigten sich aber nicht auf dem Wasser, und der Seemann hielt
deßhalb die Gelegenheit für passend, um jetzt so dicht als möglich an das
Wrack hinan zu laufen und es ein wenig näher zu untersuchen. Das ging auch
leichter, als er selbst geglaubt, denn während sie sich am linken Ufer
hielten, wurden sie durch die vorhängenden Büsche desselben verdeckt, ja
das Wrack selber stand ein Stück in die Bai hinaus. Der Steuermann ließ
auch sein Boot dort anlaufen und kletterte rasch an Deck; aber da war
freilich nichts weiter zu sehen, als daß es eine nicht sehr große Brigg
gewesen, die jedoch rein ausgeplündert worden, wie sich das in dieser
Nachbarschaft auch von selbst verstand. Sogar das Skylight hatten sie
abgehoben und weggeführt, und die Kajüte war natürlich blank und leer. Aber
auch keine Spur eines Namens fand sich, denn ebenso wie das Namensbrett
am Stern herausgebrochen worden, so fehlten auch die beiden Bretter an der
Gallion, auf welchen früher wahrscheinlich ebenfalls der Name gestanden,
und da am Bugspriet kein Bild, sondern nur eine sogenannte Krulle auslag,
ließ sich auch nach der nichts bestimmen. Aber die ganze Eintheilung und
Bauart des Fahrzeugs war jedenfalls amerikanisch, auch die Art der Malerei,
und der Steuermann wurde durch diese Entdeckung gerade nicht freundlicher
gegen die Schwarzen gestimmt.

Uebrigens durfte er sich hier nicht zu lange aufhalten, es half ihm auch
nichts, denn an den Hölzern ließ sich nichts weiter erkennen, und sie
hätten das schwarze Gesindel am Ufer nur vor der Zeit mißtrauisch gemacht.
Rasch deßhalb wieder in das Boot hinabsteigend, stieß er ab, und während
er den Leuten unterwegs erzählte, was er oben gefunden, und für welchen
Landsmann er das Fahrzeug halte, glitten sie am Ufer hinauf, dem
Landungsplatz entgegen.

Daß indessen dort etwas vorgegangen sein mußte, ließ sich nicht verkennen,
und je näher sie kamen, desto deutlicher hörten sie das Weh- und
Klagegeheul von Frauenstimmen. Vielleicht war es ein Begräbniß, bei welchem
die Frauen ja gewöhnlich ihre Trauer laut und oft herzzerreißend kund
geben, und sie kamen dann gerade zur rechten Zeit, um der Ceremonie
beizuwohnen. Dem Doktor, der das Boot wieder begleitete, fiel es dabei auf,
daß er so viele Bewaffnete bemerkte, schwarze Kerle, die mit ihren langen
Lanzen überall am Ufer herumstanden und den Platz besonders einzuschließen
schienen, in dem die Elephantenzähne lagen. Hatten sie etwa Besorgniß,
daß die Weißen einen Angriff darauf machen könnten, oder bedeutete es
Schlimmeres?

Der Steuermann schien etwas Aehnliches zu befürchten, denn er gab Befehl,
das Segel einzunehmen und zu den Rudern zu greifen. Sie blieben dadurch
weit besser Herr ihrer Bewegungen und konnten, wenn es sein mußte, gleich
zurück, oder wenigstens in freies Wasser halten. Mit ihren Feuerwaffen
wehrten sie dann schon leicht jeden etwaigen Angriff ab. Sonderbarerweise
bekümmerten sich aber die Leute am Ufer fast gar nicht um sie, nur ein
Platz wurde freigehalten, wo sie landen konnten, und zwar durch Bewaffnete,
und die Seeleute sahen jetzt, daß sich Alles um das Gitter oder die
Verpallisadirung drängte, um dort hineinzuschauen.

In diesem Augenblick erschien der Dolmetsch an der Landung, und es kam
dem Steuermann fast so vor, als ob er über den so frühen Besuch der Weißen
etwas verlegen sei -- sie waren keinenfalls schon erwartet worden --
und was bedeutete das Klagen und Jammern der Weiber? Der Doktor mußte
jedenfalls wissen, was da vorgegangen wäre, und frug den Burschen direkt
deßhalb. Dieser aber sagte ausweichend: »O nichts -- schlechte Menschen
giebt es immer -- Diebe -- bei den Schwarzen, wie bei den Weißen -- aber
Zambiri ist ein großer und strenger König.«

»Alle Teufel!« rief der Steuermann erschreckt aus, »sie haben doch nicht
etwa wieder dem Löwen einen Menschen hineingeworfen?«

»Bloß einen Dieb,« versicherte der Dolmetsch, »hatte dem König Taback
stehlen wollen, verdammter Sklave. -- Aber da kommt Zambiri -- er hat Euch
gesehen -- bringt nur an Land, was Ihr mitgebracht habt, damit er nicht
ungeduldig wird.«

Zambiri schien in der That dem entsetzlichen Schauspiel als eine Art
von Morgenvergnügen beigewohnt zu haben. In seinen rothbaumwollenen
Königsmantel gekleidet, noch schmutziger und wilder als gestern aussehend,
und den Knaben wieder an seiner Seite, der ihm einen großen schweren Speer
tragen mußte, kam er eine Leiter heruntergestiegen, die, wie der Doktor
jetzt erst bemerkte, oben zu einer Art von Balkon führte. Auf dem hohen
Land aber blieb er stehen, er ging nicht bis an das Boot hinunter und
verlangte, daß die Weißen zu ihm hinauf kommen sollten.

Der Steuermann hatte keine rechte Lust dazu, er traute dem schwarzen
Fleischklumpen nicht über den Weg.

»Wozu habt Ihr alle die Leute mit den Lanzen da stehen?« frug er mürrisch
den Dolmetsch, »wir sind friedliche Händler und wollen keinen Krieg mit
Euch. Wir sind auch nur Wenige und Ihr Hunderte.«

»Wenn Du Dich fürchtest, weßhalb bist Du zu uns gekommen?« sagte der
Schwarze finster, »wir sind auch Freunde der Weißen und wollen Euch keinen
Schaden thun.«

»Und wo kommt das Schiff her, dessen Rumpf da draußen liegt?« sagte der
Doktor.

»Was geht Dich das Schiff an?« brummte der Dolmetsch; »Zambiri wartet. Wenn
ich Euch rathen soll, macht ihn nicht ärgerlich.«

»Hol's der Henker, Mate,« sagte der Doktor, »wir sind einmal dazu
hergekommen, und müssen die Sache nun auch ausbaden. Furcht sollen uns die
schwarzen -- Gentlemen doch wenigstens nicht vorwerfen. Laßt den Koffer
hinaufschaffen und Seiner Wohlbeleibtheit die Sachen vorlegen; ich denke,
dann wird er schon freundlich werden. Hier unten können wir doch nicht
liegen bleiben.«

»Meinetwegen,« sagte der Seemann, »aber,« setzte er leise hinzu, »seid
auf der Hut, und bei dem geringsten Zeichen von Verrath nur so rasch als
möglich zum Boot hinunter. Dort wollen wir uns schon freie Bahn halten.«

»Und wo habt Ihr die Sachen?«

»Laßt ein paar von Euren Leuten anfassen und sie hinauftragen.«

»Und können das nicht Eure Leute thun?« frug der Dolmetsch.

»Ich will Dir was sagen, mein Bursche,« rief aber nun der Steuermann, jetzt
ebenfalls ärgerlich werdend, »die bleiben als Wache im Boot, und wenn Ihr
Eure jungen Leute nur dazu braucht, um wilde Bestien damit zu füttern, so
laßt sie meinethalben oben. Das ist das Kurze und Lange von der Sache.«

Der Dolmetsch stand einen Moment unschlüssig, aber Zambiri brüllte ihm
etwas in seiner Sprache zu, und er gab jetzt rasch ein paar Burschen
den Befehl die mitgebrachten Sachen aus dem Boot zu nehmen und zum König
hinaufzubringen. Das geschah auch ungesäumt, denn mit dem regierenden Herrn
schien heute nicht zu spaßen; er hatte seinen bösen Tag, und es war besser,
ihm rasch zu Willen zu sein. Mit den Geschenken durften aber auch die
Weißen darauf rechnen, eine freundliche Aufnahme zu finden, und Steuermann
wie Doktor schritten jetzt langsam neben dem ziemlich schweren Koffer her,
um den Inhalt desselben dem Oberhaupt des Stammes vorzulegen.

Merkwürdig sah der Mensch aus, als er dort aufrecht vor ihnen stand, und
der Doktor gestand sich, etwas Scheußlicheres und Unförmlicheres nie im
Leben gesehen zu haben. Er war selber nicht übermäßig groß, aber wenn er
den Arm ausstreckte, konnte der Wilde recht gut darunter durchgehen, ohne
anzustoßen, und Beine sah man dabei fast gar nicht an dem Fleischklumpen,
während der eine ausgestreckte Arm, der die Lanze hielt und sich daran
stützte, reichlich so dick und fleischig schien, wie ein starkes Bein.

Der Ausdruck seines dicken, geschwollenen Gesichts verrieth auch keinen
freundlichen Gedanken und seine Augen flogen mürrisch und trotzig zugleich
über die Weißen und schweiften dann von ihnen nach dem Schooner hinüber,
der jetzt deutlich unten an der Mündung der Bucht erkennbar war. Da der
Steuermann aber keine Zeit verlor und den Koffer rasch öffnete, heiterte
sich seine Miene doch etwas auf, denn er mußte wohl sehen, daß ihm die
Fremden heute würdigere Geschenke gebracht, als gestern.

Er ließ eine Decke auf die Erde breiten und die Gegenstände darauf legen,
und fegte dabei eigenhändig den Platz mit seiner Lanze frei, daß ihm sein
eigenes Volk nicht zu nahe rückte. Er traute ihnen wahrscheinlich nicht,
und doch mochte sie wohl nur die Neugierde heranpressen, denn die Strafe
folgte hier, wie sie eben gesehen, dem Vergehen auf dem Fuße. Zu gleicher
Zeit unterhielt sich Zambiri fortwährend mit dem Dolmetsch in seiner
eigenen Sprache, oft selbst mit unterdrückter Stimme, und dieser ging dann
langsam zu dem Boot hinab, wobei er angelegentlich mit Einigen der Leute
sprach.

Dem Doktor gefiel das nicht, und er behielt den Burschen, so viel das
irgend anging, im Auge, konnte aber weiter nichts Auffälliges oder
Verdächtiges erkennen; ja die Zahl der Bewaffneten in ihrer Nähe schien
sich sogar zu verringern, und er bemerkte, wie kleine Trupps von ihnen
langsam am Ufer hinabschritten und sich dann in den Büschen verloren. Nur
ein Theil der Mädchen und Frauen waren noch bei ihnen geblieben, während
das Wehgeheul der Anderen jetzt aus dem Dickicht von Fruchtbäumen
heraustönte, das den Platz umschloß, und wo wahrscheinlich ihre Wohnungen
lagen.

Im Ganzen mochten vielleicht vierzig »Krieger« zurückgeblieben sein, die
hinter und um den König in einzelnen Gruppen standen, und jedenfalls seine
Beiwache bildeten.

Der Dolmetsch kam jetzt zurück, und da der König auch wohl die
mitgebrachten Gaben zur Genüge gemustert hatte und befriedigt schien -- er
grunzte wenigstens ein paar Mal still vergnügt vor sich hin -- befahl
er zweien von seinen Leuten, den Koffer in sein Haus zu tragen, und es
begannen nun die Verhandlungen über ein etwaiges Geschäft, wobei der
Steuermann erklärte, daß sie einzelne Stücke der Dinge, welche sie gesonnen
wären, gegen Elfenbein oder andere Produkte auszutauschen, mitgebracht
hätten und dem Häuptling vorlegen könnten.

»Aber wo sind sie?« frug dieser rasch.

»Unten im Boot.«

»Und weßhalb bringt Ihr sie nicht herauf?«

Der Steuermann hatte wohl mit Recht vermuthet, daß der Schwarze Alles, was
ihm dort auf die Uferbank gebracht wurde, als Geschenk betrachten und mit
Beschlag belegen könne. Er bat deßhalb den Dolmetsch, Seine Majestät zu
veranlassen, mit ihm hinunter zum Boot zu gehen, aber der Dicke wollte
nicht. Zwei Boten waren schon abgeschickt gewesen, und kamen jetzt mit dem
Löwenfell herbei, das sie dort für ihn ausbreiteten, und worauf er sich
niederließ, und nun verlangte er, daß ihm die Sachen heraufgebracht und
vorgelegt würden, dann wolle er bestimmen, was er dafür geben könne.

Dem Steuermann schien das unbequem, denn alles weiter Mitgebrachte lag
lose, oder nur in Stücken Segeltuch eingeschlagen in ihrem Boot, und
schickte er Schwarze hinunter, um es herauf zu holen, so war er vor ihren
diebischen Händen nicht sicher. Wo sie irgend etwas bei Seite schaffen
konnten, thaten sie es gewiß und an wen sollte er sich nachher halten, wie
die Thäter herausfinden? Das Beste war immer -- denn daß der Dicke jetzt
nicht von dieser Stelle zu bringen war, sah er ein -- zwei von seinen
eigenen Leuten damit zu betrauen. Es blieben immer noch vier im Boot und
sie selber dann in zwei gleiche Trupps getheilt. Die Eingebornen zeigten
sich dabei so friedlich, daß an eine Gefahr wohl kaum zu denken war, ja es
schien fast, als ob der König die übrigen Soldaten nur weggeschickt habe,
um ihnen auch jede Befürchtung eines Verraths zu nehmen. Außerdem brauchten
sie nur wenige Schritte zum Boot hinab und die gerade ausgehende Ebbe
erleichterte ihnen die rasche Verbindung mit dem Schooner ebenfalls.

Der Doktor übernahm es, die Leute herauf zu bringen, und der Dicke schien
indeß geduldig die Ankunft derselben zu erwarten. Brooks bemerkte nur, daß
die rechts von ihm stehenden Soldaten etwas bei Seite treten mußten, um
ihm die Aussicht nach dem unteren Theil der Bucht zu gestatten, wo der
Schooner, der bis dahin auf und abgekreuzt war, fest auf einem Punkt zu
liegen schien. Er mußte vor Anker gegangen sein, da die stark ausgehende
Ebbe und der beinahe eingeschlafene, hier wenigstens von dem höheren Land
gebrochene Wind ihm das Segeln wohl unmöglich machte. Der Dolmetsch sprach
indessen angelegentlich zu ihm, während Zambiri nach dem Boote sah. Wo
hatte jener Bursche auch nur sein Englisch gelernt? Doch sicher auf irgend
einem Schiff, dem er nachher davongelaufen, um hier wieder die Sitten und
ungezwungene Tracht seines Landes anzunehmen. Dem Steuermann gefiel sein
Gesicht auch nicht im Mindesten, und Bosheit wie Trotz lag zugleich darin,
während sich der ganze Ausdruck desselben, sobald er mit dem Dicken sprach,
in knechtische Unterwürfigkeit verwandelte. Aber es half nichts, sie
brauchten ihn eben, und mußten deßhalb mit ihm verkehren, denn der kleine
Bursche, jedenfalls ein Sklave des Königs, der den Doktor ebenfalls
englisch angeredet hatte, schien sich heute gar nicht an sie heran zu
getrauen und blieb nur immer scheu und furchtsam hinter seinem Herrn
sitzen, kannte doch der arme kleine Bursche den grausamen Charakter des
Mannes gut genug.

Jetzt kehrte der Doktor mit den beiden Matrosen, die einen Theil der Waaren
trugen, zurück und der Steuermann breitete sie, während der Dolmetsch die
Unterhandlung leitete, vor dem König aus und pries ihm den Werth der Dinge.
Bei ihm war, mit der Voraussicht auf einen guten Handel, der Yankee wieder
zum Durchbruch gekommen, und er vergaß in dem Geschäft alles Andere.

Allerdings zeigte es sich dabei als Hauptschwierigkeit, dem König
begreiflich zu machen, er habe nur Proben vor sich; er wollte die ganzen
Waaren vor sich aufgeschichtet sehen, um danach seinen Preis zu bestimmen,
und der Dolmetsch hatte nicht geringe Mühe, ihm zu erklären, daß die Sachen
an Land geschafft werden würden, ehe er sie zu bezahlen, oder den Werth
dafür herauszugeben habe. Er veranlaßte auch, daß ein Elephantenzahn aus
des Königs Wohnung herbeigeschafft wurde, um als Maßstab zu dienen und
Brooks berechnete sich schon, nach dem was ihm der Dicke zugestand, daß
sie ungefähr 500 Prozent Nutzen an ihren Waaren haben würden. Der König
bewilligte, wie er nur erst einmal den Handel begriff, einen Zahn nach
dem anderen, und besonders für Taback stellte sich der Nutzen ganz enorm
heraus.

Aber es zögerte sich auch furchtbar in die Länge, denn wenn Brooks glaubte,
sie wären fertig, so ließ Zambiri die ganze Sache noch einmal von vorn
anfangen, und wollte dann immer wieder etwas abhandeln. Dabei hatte er
sich jetzt so gesetzt, daß er das Fahrzeug draußen immer im Auge behielt,
während der Steuermann, den er bald da, bald dort hin rief, die Waaren zu
zeigen, der See den Rücken zu drehte.

Neben diesem standen noch die beiden Matrosen als Wächter der
umhergestreuten Sachen. Der Doktor aber, dem der Handel langweilig wurde,
da er persönlich gar kein Interesse daran hatte, schlenderte langsam nach
der Umzäunung hinauf, von woher zu Zeiten das dumpfe Brüllen des Löwen
herübertönte. Was war da heute Morgen vorgegangen? Er bekam vielleicht nie
im Leben wieder so passende Gelegenheit, um sich den Platz etwas näher zu
betrachten, denn von den Leuten achtete Niemand auf ihn, oder legte ihm das
Geringste in den Weg. Ein Schauder erfaßte ihn aber, als er den Platz, um
den herum schon eine Menge von Aasgeiern ihren Sitz genommen, erreichte,
und durch die Spalten in den Palissaden die verstümmelten Ueberreste jenes
Unglücklichen entdeckte, den die Grausamkeit des wilden Ungethüms eines
erbärmlichen kleinen Diebstahls wegen zum Tod, zu einem solchen Tod
verurtheilt hatte.

Dort drüben, dicht neben den Schätzen des Wütherichs, lag der zerstückelte
Leichnam, von dessen Anblick sich selbst das Auge des Arztes in Ekel
und Mitleiden abwandte, und der jetzt gesättigte Löwe ging mit langen,
majestätischen Schritten in der Umzäunung auf und ab, peitschte sich die
Flanken mit dem Schweif und leckte sich die Lefzen mit der rauhen Zunge.
Die Aasgeier aber warteten nur auf den Moment, wo sich der rastlose
König der Thiere zur Ruhe ausstrecken würde, um dann ebenfalls auf die
willkommene Beute niederzufallen und ihre Schnäbel einzuhauen.

Und wie scheinbar schwach war eigentlich der ganze Umbau, der das Raubthier
einschloß. Wenn es die riesigen Kräfte, die es besaß, genau gekannt hätte,
mußte es ja im Stande sein, diesen luftigen Kerker zu durchbrechen. Auch
sogar die Thür bestand nur aus roh gezimmerten Balken, die man durch
Schnüre oder Streifen ungegerbter Büffelhaut allerdings fest verbunden
hatte. Den ganzen Verschluß bildeten jedoch zwei von außen vorgeschobene
hölzerne Riegel, während eine Abtheilung im Inneren dazu bestimmt schien,
den Löwen in einem Theil des Platzes abzuschließen, um dann ungefährdet
zu den Elephantenzähnen zu gelangen. Zwei hölzerne Riegel nur, und nicht
einmal ein Pflock war davor geschlagen, um sie gegen einen doch möglichen
Zufall zu schützen. Der Doktor versuchte den einen, er ging leicht und
bequem; wie aber seine Hand nur die Thür berührte, stutzte der Löwe da
drin, wandte sich halb und duckte sich wie zum Sprunge nieder. Er kannte
jedenfalls den Ausgang, wenn er ihn auch nicht benutzen durfte.

Dem Doktor wurde es unheimlich der lauernden Gestalt des grimmen Thieres
gegenüber; hatte er doch auch schon oft davon gehört, wie furchtbar eine
solche Bestie den Menschen wird, wenn sie mit Menschenfleisch genährt,
ja nur ein einziges Mal erst Menschenfleisch gekostet habe. Ordentlich
erschreckt zog er die Hand zurück und wich von den Pallisaden ab, um ihn
selbst nicht zu einem Sprung zu reizen. Wie leicht konnte das vielleicht
schon mürbe Holz der Wucht eines solchen Anpralls nachgeben!

Welche Ewigkeit das aber auch da unten mit dem Handel dauerte; es war gar
kein Ende abzusehen, und ein Wunder nur, daß der Kapitän nicht ungeduldig
wurde. Zwei Stunden saßen sie dort jetzt wenigstens bei einander, und wenn
sie schon zu den Proben solche Zeit brauchten, wie sollte es erst nachher
werden, wenn die Waaren an Land kamen!

Er wandte sich langsam ab um wieder zurück zu der Gruppe zu gehen, als er
den Steuermann plötzlich emporfahren und nach dem Schooner hinüber deuten
sah. Fast in demselben Augenblick fiel von dort ein Schuß, und als er
sich erschreckt der Richtung zu drehte, bemerkte er, wie die ganze Bai von
dunklen Kanoes schwärmte, die alle auf den Schooner zuzuhalten schienen.



Fünftes Kapitel.

Der Löwe.


Doktor Spruce hatte in der Ueberraschung des ersten Augenblicks wirklich
gar nicht auf seine unmittelbare Umgebung geachtet, denn im Moment war ihm
klar, daß dort ein Ueberfall vorbereitet werde -- also Verrath! Aber eben
diese Umgebung drang sich ihm selber auf, denn er sollte nicht lange in
Zweifel gehalten werden, wie weit die schurkischen Eingebornen am Ufer mit
dem feindlichen Angriff da draußen in Verbindung standen.

Wer den Angriff begonnen, konnte er nicht erkennen, aber er sah nur, daß
der König selber mit seiner Lanze nach einem der Weißen schlug, während
sich der Dolmetsch mit einem Cutlaß, den er jedenfalls dem verdachtlos
neben ihm stehenden Matrosen entrissen haben mußte, auf den Steuermann warf
und einen Schlag nach ihm führte. Aber er war an den Unrechten gekommen,
denn Brooks' Hand hatte fast unwillkürlich schon im ersten Moment den Griff
seines Revolvers gesucht, und nicht rascher holte der Schwarze mit der
scharfen Waffe zum Schlag aus, als es zweimal schnell hintereinander aus
dem Rohr blitzte, und der Eingeborne, wo er stand, in die Kniee brach und
zu Boden stürzte. Ehe sich der Seemann aber nur gegen einen neuen Feind
wenden konnte, fielen ihm von hinten vier oder sechs riesige Schwarze in
die Arme, Andere warfen sich auf die Matrosen; ein Theil unten stürmte
gegen das Boot an, und er selber fand sich von etwa einem Dutzend Wilder
angegriffen, die mit ihren gehobenen Wurfspeeren auf ihn einsprangen.
Allerdings hatte er die eigene Waffe schon in der Faust, und drei
Schüsse feuerte er mitten hinein in den Trupp. Einer fiel auch, aber ihre
Wurfspeere flogen aus, und er fühlte einen stechenden Schmerz in Arm und
Bein.

Fast blind vor Wuth schoß er seine letzten Kugeln gegen die Feinde ab und
wandte sich dann zur Flucht. Aber wohin -- voraus -- nach rechts und links
war ihm der Weg abgeschnitten, und nur auf die Umzäunung, die den Löwen
barg, trieben sie ihn zu. Und wie brüllte die Bestie, als sie die in
ihrer unmittelbaren Nähe abgefeuerten Schüsse und das wüthende Geheul der
Eingebornen hörte!

Der Doktor wußte kaum, was er that, denn er sah den Tod von allen Seiten
auf sich eindringen. Erbarmen hatte er von den Menschen nicht zu hoffen,
und wie von einer unbewußten Gewalt getrieben, floh er der Thür des Käfigs
zu, als ob er Schutz suchen wollte bei der Bestie.

Mit einem Jubelruf folgten ihm die Wilden, denn dort konnte er ihnen
nicht mehr entgehen; wieder hoben sich die Speere zum Wurf, da riß er, von
Verzweiflung getrieben die Riegel der Thür zurück -- Rache wollte er haben
-- nicht allein von der mörderischen Bande hingeschlachtet werden, und wenn
er dann untergehen sollte, wenigstens Verderben über seine Mörder bringen.

Kaum hatte er aber die Riegel der Thür erfaßt, als ein wilder, gellender
Angstschrei aus der Menge brach -- jetzt flog die Pforte auf, und mit einem
Sprung stand der Löwe -- freudiges Gebrüll ausstoßend, daß es wie dumpfer
Donner durch das Thal rollte, auf der Schwelle. Furchtbar schön war auch
der Anblick des so plötzlich seiner Freiheit sicheren Thieres, hoch schwang
es den buschigen Schweif und hob sich die trotzig geschüttelte Mähne, und
flammend kreiste das Auge rings umher, wie nach dem ersten Opfer suchend,
während sich der Doktor scheu und selber erschreckt von der so plötzlichen
Erscheinung des Raubthiers an die Pallisaden drückte.

Ordentlich zauberhaft wirkte aber die Erscheinung des freien Löwen auf die
Bande der Schwarzen. Was kümmerten sie jetzt die Fremden, was ihr eigener
so gefürchteter König. Wenn sie der Löwe fraß, war es mit ihnen jedenfalls
vorbei, und im Nu stob der ganze Schwarm auseinander. Die dem Wasser
Nächsten warfen sich in blinder Angst in die Fluth, Krokodile und Haifische
verachtend -- die Anderen schossen pfeilschnell über den Boden hin, den
nächsten Büschen und Häusern zu -- die Bootsmannschaft bekam Luft, und
war wahrlich nicht faul, die Gelegenheit zu benutzen. Wen sie erreichen
konnten, hieben sie mit ihren Cutlassen zusammen, und die im Boot unten
sahen auch in der That den Löwen erst, als er jetzt in langen Sätzen, und
sich weder um die flüchtigen Eingebornen, noch die Weißen kümmernd, dem
nächsten Dickicht zufloh.

Der Einzige jedoch von Allen, der nicht von der Stelle konnte, und nur
starr vor Schrecken und Entsetzen zu dem entfesselten Löwen hinaufstarrte,
war Zambiri, der König jener Helden, während sein Knabe in flüchtigen
Sprüngen bei den Weißen Schutz gesucht. Der Steuermann ließ ihm aber keine
lange Zeit zum Ueberlegen. Denn kaum sah er, daß sie selber den Angriff
des Raubthiers nicht mehr zu fürchten brauchten, als er eine der von den
Eingebornen weggeworfenen Kriegskeulen aufgriff, und mit den Worten: »Und
das für Dich, Du verrätherischer Schurke!« den Dicken dermaßen über den
Schädel traf, daß er wie ein Sack zusammenknickte.

»Hurrah!« rief aber jetzt der von oben niederspringende Doktor, »mein Löwe
hat uns Bahn gemacht, aber den Dicken in's Boot. An dem haben wir eine
Geißel, und beim Himmel, die Schufte sollen bezahlen, wenn sie ihn wieder
haben wollen!«

»Das war ein glücklicher Gedanke, Doktor,« rief der Steuermann, »angefaßt,
Jungens, daß wir den Fleischklumpen bewältigen können -- schlagt ein Tau um
und schleift ihn auf dem Sand hinunter -- so recht -- nur rasch -- und dann
von Elephantenzähnen in's Boot, was wir laden können, denn die Bahn da oben
ist frei.«

»Aber der Schooner!« rief der Doktor.

»Hahaha,« lachte der Steuermann, »seht Ihr nicht, wie unser alter Kapitän
zwischen die Schufte hinein gepfeffert hat? Die Drehbasse war ihnen zu
viel. Er muß seinen Anker haben sitzen lassen, denn wie ein Wetter war er
los und mit dem Segel auch, mitten zwischen der Bande drin. Drei Kanoes
sind gesunken.«

Noch während er sprach, hatte er sowohl als der Doktor frische Patronen in
ihre Revolver geschoben, indessen die Matrosen mit lautem Hurrah den noch
bewußtlosen Körper des Fleischkolosses mit ein paar Enden Tau umschlangen
und zum Boot hinabschleiften. Dort kostete es freilich einige Mühe, ihn
hinein zu bringen, aber die kräftigen Burschen hoben mit einem gutgewillten
Ho! ahoi! und hinein flog der Klumpen in die Jölle und unter die Doften, wo
er liegen blieb.

Von den Eingebornen war augenblicklich allerdings nichts mehr zu sehen,
aber man wußte doch nicht, wie rasch sie, wenn sie die Gefahr beseitigt
glaubten, zurückkehren könnten, und es galt deßhalb rasch zu handeln.

Während der Doktor jetzt den kleinen, zu ihm geflüchteten schwarzen
Burschen examinirte, lief ein Theil der Matrosen in die Umzäunung oben,
die kein Löwe mehr bewachte, hinein, um die stärksten dort liegenden
Elephantenzähne zum Ufer zu schleppen. Sie sahen dabei, wie der Schooner
jetzt mit einsetzender Fluth und ziemlich günstiger Brise keck mitten in
die Bucht und auf sie zu hielt, und wußten nun, daß sie für ihre Sicherheit
nichts mehr zu fürchten brauchten.

Der Kleine erzählte indessen rasch und gedrängt, daß die Eingebornen hier,
wie sie es bei diesem versucht, jenes Fahrzeug, an dessen Bord er selber
gewesen, geentert, die Mannschaft erschlagen und außer ihm nur zwei Leute,
einen Passagier und den ersten Steuermann, gefangen in's Land geschleppt
hätten. Die Brigg sei schon länger an der Küste gefahren und sollte viel
Elfenbein an Bord gehabt haben; das Meiste, was dort in der Umzäunung
lag, stammte daher, denn aus dem Land kam wenig Elfenbein, da Zambiri nur
hauptsächlich Sklavenhandel mit portugiesischen Karawanen trieb.

»Und wo waren die Weißen jetzt?«

Der kleine Bursche wußte es nicht zu sagen, denn er hatte von dem
Augenblick seiner Gefangenschaft an die unmittelbare Nähe des Häuptlings
nicht verlassen dürfen. Es hieß allerdings, wie er meinte, daß weiße
Händler, jedenfalls Portugiesen, die Weißen mitgenommen, aber er konnte es
nicht verbürgen. Gesehen hatte er sie nie mehr seit der Zeit.

Den Steuermann drängte es wieder fort, um an Bord des Schooners zu kommen;
sie durften auch nicht mehr einnehmen, denn das Gewicht Zambiri's allein
drückte schon die Jölle. Was noch hinein ging, wurde allerdings geladen,
dann aber sprangen die Leute nach, und ruderten, so rasch es die Schwere
des kleinen Bootes erlaubte, gegen die Strömung an, auf den Schooner zu.

Sie waren auch nicht ohne Verlust weggekommen, der Doktor hatte zwei Wunden
von Wurfspeeren, der Steuermann einen Stich in den Schenkel und der eine
Matrose einen Hieb mit einer Keule und einen bösen Stich in der Seite.
Schlimmer hatten die Feuerwaffen freilich unter den Eingebornen aufgeräumt,
denn fünf von diesen lagen todt oder schwer verwundet auf dem Platz, und
Manche der Entflohenen mochten wohl ebenfalls noch getroffen sein.

Doch jetzt war keine Zeit, nach Denen zu sehen; hatten sie sich doch auch
die Folgen ihrer Verrätherei nur selber zuzuschreiben.

Und Zambiri, der mächtige König des Landes? Er mochte wohl noch in seinem
ganzen Leben in keinen schlimmeren Händen gewesen sein, denn unten im Boot,
in einer nichts weniger als bequemen Lage, schienen sich die Matrosen ein
Vergnügen daraus gemacht zu haben, die erbeuteten Elephantenzähne quer
über ihn wegzulegen, so daß ihm die Last beschwerlich genug fallen mußte.
Anfangs fühlte er das freilich nicht, der Schlag hatte ihn betäubt; als ihm
aber die Besinnung wiederkehrte, fing er an zu stöhnen und zu grunzen
und schrie einzelne Befehle mit zorniger Stimme vor. Er schien noch keine
Ahnung zu haben, wo und in wessen Händen er sich eigentlich befand.

Das Boot näherte sich indessen dem Schooner mehr und mehr, und mit einem
Hurrah wurde die Mannschaft begrüßt, als sie nur in Rufsweite gekommen
waren. Allerdings schien die Gefahr noch immer nicht ganz beseitigt, denn
eine Menge von Kanoes schwamm noch in der Bucht und folgte langsam nach,
und diese mußten sie allerdings wieder passiren, wenn sie den Rückweg
antreten wollten; aber die Eingebornen hatten Respekt vor den Feuerwaffen
der Fremden bekommen und getrauten sich nicht wieder nahe hinan. Jetzt
wenigstens wurden sie nicht gestört.

Vor allen Dingen wurde nun der schwer verwundete Matrose in einem rasch
hergerichteten Stuhl an Deck gehoben, dann folgte das erbeutete Elfenbein
und zuletzt der Fleischklumpen Zambiri's, mit dem die Seeleute aber
verwünscht wenig Umstände machten. Einer der Leute festigte oben an das
Gaffel einen Block, ein Tau wurde hindurchgezogen und dem unglücklichen
Fürsten dann unter den Schultern durchgeschlagen, dann zog die Mannschaft
mit einem: =Oh, jolly men ho!= kräftig an, und wenige Sekunden später war
Zambiri, schreiend und vor Wuth mit den kurzen Beinen austretend, an Deck
gehoben, wo ihn lautes Gelächter der Schoonermannschaft begrüßte.

Steuermann und Kapitän tauschten jetzt ihre Berichte gegen einander aus;
Beide aber waren einig darüber, daß es das Beste wäre, nicht über Nacht
vor der Stadt liegen zu bleiben, da die Wilden möglicherweise einen neuen
Angriff wagen konnten. Aber in kurzer Zeit begünstigte sie auch wieder die
ausgehende Ebbe, und bis dahin konnten sie wenigstens einen Versuch machen,
einen Theil der feindlichen Schätze als rechtmäßige Beute zu bergen, noch
dazu da sie für den Augenblick auch nichts von der Tapferkeit der einzelnen
Truppen zu fürchten brauchten. Es war wenigstens kein einziger von ihnen
auch nur zu sehen, und da der Platz fast unmittelbar am Ufer lag, eine
Landung leicht und fast sicher auszuführen.

Zu einer solchen Arbeit sind die Matrosen immer leicht zu bekommen.
Gefahr? was kümmerte sie die, wenn es galt, irgend einen tollen Streich
auszuführen, und wie ihnen nun die Kameraden von der Umzäunung
erzählten, in welcher der Löwe die Wache gehalten und wo die prachtvollen
Elephantenzähne aufgeschichtet lägen, waren sie kaum mehr zurückzuhalten.

Indessen verfolgte der Schooner ruhig seine Bahn stromauf, und vorn am Bug
stand der Steuermann, das Fernrohr am Auge, um das Land nach jeder Richtung
hin abzusuchen. Aber nirgends war auch nur ein lebendes Wesen zu erkennen;
der an dem Morgen noch so rege Platz schien wie ausgestorben, und nur die
aus den Büschen aufragenden Giebel und Dächer verriethen, daß jene Strecke
bewohnt sei -- sonst wirbelte von keiner einzigen Feuerstelle selbst nur
Rauch empor. Der Löwe hatte Wunder gewirkt.

Allerdings war es unter der Zeit schon ziemlich spät geworden, aber noch
stand die Sonne am Himmel, und ein Versuch zur Landung konnte jedenfalls
gemacht werden. Der Kapitän beorderte auch das zweite Boot auf's Wasser,
was rasch geschehen war, und während der Schooner hier in vollkommen
ruhiger, unbewegter See vor einem Nothanker lag, stießen sie ab und
ruderten dem Land entgegen. Es wurde auch keine Vorsicht dabei versäumt,
einem etwaigen Hinterhalt zu begegnen; die Leute gingen bis an die Zähne
bewaffnet, und der Kapitän war dabei im Stande, mit seiner Drehbasse das
ganze Ufer zu bestreichen.

Mit einem lauten Hurrah stürmten die Burschen, sobald die kleinen Fahrzeuge
nur das Land berührten, die Bank hinauf und von dem Steuermann geführt
der Umzäunung zu, wo sie sich dann freilich nicht zu den hier aufgehäuften
Schätzen nöthigen ließen. Genau genommen war es vielleicht Raub, aber die
verrätherischen Schwarzen mußten auch gezüchtigt werden, und wären sie
Sieger geblieben, so würde wohl kaum ein Mann der Besatzung mit dem Leben
davongekommen sein. Die moralische Seite der Frage beschäftigte die Leute
aber auch in der That nur sehr wenig. Allerdings schauderten sie, als sie
den Platz zuerst betraten und die indeß herbeigestrichenen Aasgeier von
ihrem eklen Mahl verjagten; der verstümmelte Körper jenes unglücklichen
Sklaven sah auch entsetzlich aus -- aber sie durften sich nicht dabei
aufhalten. Schon sank die Sonne hinter den Wipfeln der Bäume, und die
Dämmerung ist gar kurz in diesen Ländern. So faßten sie denn auf, was sie
erreichen konnten, und hatten erst zum zweiten Mal den Weg gemacht, als
ihnen der Kapitän schon wieder das Zeichen zur Abfahrt gab. Es dunkelte,
und er wollte seine Leute nicht der Gefahr eines Ueberfalls aussetzen.



Sechstes Kapitel.

Der Gefangene.


Unter der Zeit hatte aber auch der gefangene Häuptling sein volles
Bewußtsein wieder erlangt und schäumte ordentlich vor Wuth, als er sich,
gebunden und zu Boden geworfen, in der Gewalt seiner weißen Feinde sah.
Aber die Seile hielten und schnitten ihm nur tief in die Fettwulsten seiner
Glieder ein, und zu seinen Füßen saß, mit Schadenfreude in den dunklen
Zügen, der Knabe und beobachtete vergnügt die machtlosen Anstrengungen des
einst so gefürchteten Mannes.

Kapitän Oacutt lag aber weit weniger daran, dieß schwarze unförmliche
Menschenbild zu quälen, als durch ihn seinen Zweck zu erreichen, nämlich
die gefangenen Weißen zu befreien, falls sich diese noch in der Gewalt der
Eingebornen befinden sollten. Es dauerte freilich lange, bis er Zambiri so
weit brachte, ihm Rede zu stehen, und auf's Neue gerieth dieser außer sich,
als er den Knaben, den er gewohnt war als Sklaven zu mißhandeln, frei und
trotzig neben sich stehen und ihn verhöhnen sah. Aber er fühlte doch auch,
wie machtlos er jetzt sei, und gab sich endlich ruhig in sein Schicksal.
Allerdings wollte er Anfangs auf die an ihn gerichteten Fragen -- wobei
jetzt der Knabe als Dolmetsch gebraucht wurde, nicht antworten; als ihm
dieser aber sagte, daß er nur dadurch seine Freiheit wieder erlangen könne
und die Weißen ihn sonst mit in ihr Land als Sklaven schleppten, wurde er
geschmeidiger.

Zuerst leugnete er freilich, von dem Wrack, wie den darauf befindlich
gewesenen Weißen das Geringste zu wissen; endlich aber gestand er ein, daß
sie Krieg mit ihnen geführt, weil die Weißen seine Unterthanen als Sklaven
hätten fortführen wollen. Auch das gab er zu, daß sie zwei von ihnen
gefangen an Land gehabt hätten, aber sie wären vor Kurzem mit einer
portugiesischen Karawane fortgegangen, und er wüßte nichts weiter von
ihnen.

Der Kapitän sagte ihm jetzt, daß er nur dadurch seine Freiheit wieder
erlangen könne, wenn er die beiden Weißen herbeischaffe, denn er würde
seinen Lügen nie glauben. Zambiri blieb aber bei seiner Behauptung und
forderte die Weißen auf, den Knaben hinüber zu schicken und dort selber
nachzufragen. Alle Eingebornen würden seine Aussage bestätigen.

Das war übrigens leichter gesagt, als ausgeführt, denn beide Boote befanden
sich gerade an Land und die Leute dort emsig genug beschäftigt. Ueberdieß
durfte er sie nicht länger drüben lassen, denn schon setzte mit der
Abenddämmerung ein leichter dünner Nebel ein, der den freien Blick auf
einige Entfernung hemmte. Unter dem Schutz desselben hätten die Wilden
recht gut plötzlich vorbrechen können, und er war sogar der Gefahr
ausgesetzt, daß sich der Nebel dichte und er den Weg nicht mehr aus der
Bucht hinaus fand. -- Für heute hatten sie jedenfalls ihre Arbeit
hier gethan; er gab das Zeichen zur Abfahrt, und als die Boote an Bord
zurückkehrten, kam der leichte Anker in die Höhe und der Schooner trieb
langsam mit der Ebbe stromab und wieder in See hinaus.

Zambiri heulte laut auf, als er die Bewegung sah und jetzt bemerkte, daß
sie weiter und weiter ab von seinem Reiche trieben, aber Niemand achtete
auf ihn. An der Mündung der Bai fischte die Sarah Miles ihren vorher
an einer Buoye gelassenen Anker wieder auf und hielt dann auf's Neue in
offenes Wasser hinaus, wo sie keinen Angriff zu fürchten brauchte.

Erst am nächsten Morgen kehrte sie zurück, aber nicht wieder in die Bucht,
in die sich der Kapitän nicht mehr hineinwagen mochte, sondern gegen das
untere Ufer hielt er an, wo sie jetzt Eingeborne entdecken konnten. Wie
aber nur das Boot ausgesetzt wurde, flohen sie in den Wald hinein und
es hatte nicht geringe Schwierigkeiten, sie zu überzeugen, daß man keine
Feindseligkeit beabsichtige, sondern nur zu unterhandeln wünsche. Der
Knabe, obgleich er sich Anfangs dagegen sträubte, weil er fürchtete, daß
man ihn zurückhalten würde, mußte endlich allein an Land, und es gelang ihm
auch, Einzelne der tapferen Krieger zum Stehen zu bringen.

Die Auskunft, die er von diesen erhielt, lautete aber wirklich ganz ähnlich
so wie die, welche ihnen schon Zambiri gegeben. Die beiden gefangenen
Weißen hatten, weil sie immer krank waren und keine Arbeit verrichten
konnten, mit den portugiesischen Händlern vor etwa drei Monaten das Land
verlassen, und Niemand wußte zu sagen, wo sie jetzt wären -- jedenfalls
aber weit von hier.

Damit kehrten die Botschafter an Bord zurück, denn was hätte ihnen ein
längerer Aufenthalt am Lande genützt? Aus Zambiri selber war ebenfalls
nichts weiter heraus zu bekommen. Jetzt, mit der Todesangst, daß er
fortgeschleppt werden sollte, war er auch mürbe und zahm geworden und unter
Thränen schwur er, daß er die Wahrheit gesprochen -- würde er den Fremden
doch gern hundert Gefangene für seine eigene Freiheit gegeben haben. Er bot
ihnen auch wirklich so viele von seinen eigenen Leuten als Sklaven an,
wenn sie ihn wieder an's Ufer setzen wollten, und erklärte dabei, auf
jeden Handel einzugehen, den sie vorschlagen würden. Oacutt traute aber dem
Burschen nicht und wollte auch keine Sklaven haben. Mitnehmen konnten sie
ihn aber nicht, was sollten sie mit dem Koloß an Bord thun, und der Knabe
wurde deßhalb noch einmal an Land geschickt, um wenigstens ein Lösegeld für
den König zu erhalten.

Zuerst sollten die Eingebornen die noch in der Umzäunung lagernden
Elephantenzähne, welche die Matrosen gestern nicht alle fortgeschafft, zum
Ufer herunterbringen, und ebenso den Koffer mit Geschenken, den er gestern
erhalten -- außerdem aber sämmtliche Sachen, die sie von jenem Fahrzeug der
Weißen geraubt und die sich in Zambiri's Wohnung befanden.

Unter der Zeit hatte sich auch wieder eine Zahl von Eingebornen am
Ufer versammelt, denn sie sahen wohl, daß die Weißen keine feindseligen
Absichten mehr zeigten, und kamen jetzt, wahrscheinlich um ihren gefangenen
König loszubitten. Uebrigens schienen sie sämmtlich bewaffnet, als ob sie
doch noch einen Angriff der Fremden fürchteten, und da Oacutt auch das
letzte Mißtrauen zu zerstreuen wünschte, so wurde der Doktor, den Knaben
als Dolmetsch bei sich, mit einer weißen Flagge hinübergesandt. Der
Steuermann nämlich konnte nicht gehen, da ihn seine Wunde zu sehr
schmerzte.

Die Bedingung, die Spruce zu stellen hatte, lautete, daß die Eingebornen
das »Lösegeld« am Ufer niederlegen und sich dann entfernen sollten. Die
Weißen würden es dort in Empfang nehmen und ihren König dann ungesäumt an
Land setzen.

Das Boot näherte sich, dieser Masse von Eingebornen gegenüber, nur
höchst vorsichtig dem Ufer, und der Doktor hielt es für gerathen, selbst
vornhinein zu treten und die Fahne zu schwenken, damit sie sähen, daß sie
in friedlicher Absicht kämen.

Die Eingebornen standen indessen still und regungslos etwa hundert Schritt
vom Ufer ab und unmittelbar vor dem nächsten Dickicht, wahrscheinlich um
dort, wenn es etwa nöthig werden sollte, gleich hinein zu tauchen, und nur
erst als das Boot, das aber vorsichtigerweise nicht auflief, sondern flott
blieb, den Strand berührte und der Doktor, die Fahne in der Hand und nur
den Knaben als Dolmetscher an seiner Seite, an's Ufer sprang, kamen drei
der Schwarzen, aber ohne Waffen, zum Wasserrand herab, um zu hören, was die
Weißen von ihnen wollten.

Der kleine Bursche richtete dabei die Botschaft aus, indem es ihm der
Doktor auf Englisch vorsagte und er die einzelnen Theile übersetzte, und
sie hörten ihn ruhig und aufmerksam an. Als er aber geendet, erwiederten
sie, daß sie sich darüber erst mit dem Stamm berathen müßten -- sie sollten
nur ein wenig warten, sie kämen gleich wieder zurück.

Damit gingen sie und der Doktor machte sich schon auf eine lange Wartezeit
gefaßt, denn daß die Eingebornen einen schwierigen Stand mit dem dicken
König selber bekamen, wenn sie all' sein Eigenthum -- und sei es auch zu
seiner eigenen Rettung -- hergaben, ließ sich denken. Sie schienen aber
weniger Zeit zu brauchen, als er selber geglaubt, denn obgleich die
Unterhandlung da oben ziemlich stürmisch herging und viel und laut
gesprochen wurde, dauerte sie doch kaum eine volle Viertelstunde. Dann
kamen die schwarzen Botschafter wieder zurück und ihre Antwort lautete in
der Uebersetzung etwa folgendermaßen:

»Unser König war Zambiri. Er war blutdürstig und grausam. Er hat viele
unserer jungen Leute hingeschlachtet und an die Weißen verkauft; wir waren
Alle seine Sklaven. Ihr habt ihn weggenommen und auf euer Schiff gebracht
-- das ist gut. Behaltet ihn. Wir haben einen andern König gewählt und
Alles, was dem früheren gehörte, ist jetzt sein Eigenthum. Wir wollen auch
keinen Krieg mit den Fremden oder mit einem andern Stamm -- wir wollen
Frieden -- Llefugo hat gesprochen.«

Der Doktor lachte gerade hinaus, als ihm der Knabe die Antwort übersetzte.
Das war ein liebender Volksstamm, der sich herzlich freute, den Landesvater
los zu werden, und nicht einen Elephantenzahn geben wollte, um ihn wieder
zu bekommen. -- Und was nun? Würdevoll aber standen die Abgesandten vor
ihm. Sie hatten ihren Auftrag ausgerichtet und kein ferneres Interesse an
der Sache. Eine weitere Verhandlung zeigte sich auch als völlig zwecklos,
denn die Eingebornen ließen sich auf nichts mehr ein. Die Weißen mochten
Zambiri mit fortnehmen, wenn es ihnen Freude machte; sie hatten einen
andern König und wollten keinen Krieg.

Dabei winkte der Sprecher mit der Hand, und als thatsächlicher Beweis
des eben Gesagten kamen eine Anzahl Frauen und Kinder, Anfangs zwar noch
schüchtern, aber dann doch zutraulicher werdend, an die Landung herunter
und brachten Körbe mit Früchten, Mangas, Cocosnüsse, Eier, junge Hühner und
Ferkel, die sie zum Tausch anboten. Eine solche Aushülfe war nun allerdings
erwünscht, und der Doktor hatte auch schon zu dem Zweck eine Partie
Schmuck, Kattun und Tabak im Boot, was er ungesäumt gegen frische
Provisionen eintauschte. Von ihrem König wollten sie aber nichts weiter
hören -- Zambiri war ihr König nicht mehr, wie sie sagten, und nur ein
böser, schwarzer Mann, den die Weißen verkaufen sollten, wenn sie Lust
hätten -- sie wollten ihn aber nicht.

Damit fuhr der Doktor an Bord zurück und überraschte seinen Kapitän mit
der allerdings unerwarteten Nachricht. Vollkommen wie rasend geberdete sich
dagegen Zambiri selber, als ihm der Kleine mit boshafter Schadenfreude das
wieder erzählte, was sein treues Volk über ihn gesagt, und als er hörte,
daß sie an Land einen neuen König gewählt, fing er so an zu wüthen, daß die
Matrosen endlich ein Stück Segeltuch über ihn herwarfen und ihn festhalten
mußten, er hätte sonst, trotz seiner Bande, ein Unglück angerichtet.

Kapitän Oacutt kratzte sich den Kopf und lief auf seinem Quarterdeck mit
raschen Schritten auf und ab. -- Daß die hier früher gefangen gehaltenen
Weißen den Platz wieder verlassen hatten, schien vollkommen sicher zu sein,
denn halb und halb bestätigte das ja auch die Aussage des Knaben; was aber
sollten sie jetzt mit dem Fleischklumpen an Bord machen, den sein eigenes
Volk nicht einmal wieder haben wollte? Ihn mitnehmen? -- Er wäre ihnen eine
nutzlose Last gewesen -- und über Bord werfen? -- Verdient hätte er es,
denn sein Steuermann saß mit einer häßlichen Wunde an Deck, und der eine
Matrose war so bös getroffen, daß der Doktor schon bei dem ersten Verband
bedenklich mit dem Kopf schüttelte. -- Aber es ging doch nicht. Gefangen
durfte er ihn nehmen, aber über den Gefangenen stand ihm kein Recht auf
Leben und Tod zu.

»Ei, zum Henker!« rief da der Kapitän plötzlich aus, indem er stehen blieb
und sich gegen den Doktor wandte, »was geht uns denn hier die ganze Bande
an, ob sie ihren König wieder haben wollen oder nicht; wir können ihn
keinenfalls gebrauchen und seinethalben auch keine Stunde länger an der
Küste bleiben. Zimmermann, nehmt Euch einmal zwei Leute in die kleine Jölle
und setzt mir den Fettfleck an Land -- mir wird übel, wenn ich das Ungethüm
sich da noch länger wälzen sehe.«

»Und der Junge, Kapitän, soll der auch wieder mit fort?«

»Wenn er will, meinetwegen.«

Der Knabe hatte der für ihn verhängnißvollen Frage mit augenscheinlichem
Erschrecken gelauscht, jetzt aber warf er sich vor dem Kapitän nieder
und bat in so angstgepreßten Tönen, nicht wieder jenem grausamen Manne
überliefert zu werden, daß der Seemann endlich sagte: »Gut, da bleib', ich
hab' nichts dagegen, aber nun auch rasch, daß wir den dicken Burschen von
Bord kriegen. Bindet ihn los, Zimmermann, und sag' ihm, mein Junge, daß
er an's Ufer soll; nachher mag er sehen, wie er selber mit seinen Leuten
fertig wird.«

Der Befehl wurde rasch ausgeführt; während die Leute den abgesetzten König
losbanden, sagte ihm der Knabe, daß er frei sei und an Land gehen könne;
dann schnürten sie ihm ein Tau um den Leib, ließen ihn wieder in's Boot
hinunter und wenige Minuten später ruderten sie den Koloß zum Ufer hinüber.

Jetzt aber band sie auch nichts mehr an die Küste, und dem Kapitän lag
selber daran, so rasch als möglich wieder fortzukommen. Noch während die
Jölle unterwegs war, wurde das andere größere Boot an Bord genommen und der
Anker gehoben, und indeß der Kapitän die dazu nöthigen Befehle gab, stand
der Doktor an der einen Want, das Teleskop am Auge, und sah nach der
Landung hinüber, um zu beobachten, wie König Zambiri von seinen treuen
Unterthanen empfangen werden würde.

Die Eingebornen am Ufer hatten sich indeß zum großen Theil zerstreut, denn
sie hielten nach ihrer gegebenen Erklärung die Sache wahrscheinlich für
abgemacht. Ein Theil von ihnen war aber doch noch zurückgeblieben, um den
Schooner und dessen Abfahrt zu überwachen, und diese wurden jetzt plötzlich
aufmerksam, als sie das Boot noch einmal zur Küste zurückkehren sahen. Was
es enthielt, vermochten sie freilich nicht gleich zu unterscheiden, da
man den Schwarzen auf der ihnen entgegengesetzten Seite des Schooners
niedergelassen; aber vorsichtig näherten sich die zuerst Gesandten wieder
dem Strande. Da verrieth ihnen das rothe, jetzt freilich arg zerrissene
Oberhemd ihres früheren Königs Zambiri vor der Zeit dessen Anwesenheit, und
einen lauten Schrei ausstoßend liefen sie zu den Ihrigen zurück, um ihnen
wahrscheinlich die Entdeckung mitzutheilen.

Jetzt kam Leben in den Schwarm. Der Doktor bemerkte, wie nach allen Seiten
Leute abgeschickt wurden, die pfeilschnell über den Boden schossen, indeß
die Schaar der Bewaffneten mit ihren Lanzen und Schilden näher zum Strand
hinunterrückte. Dem Zimmermann wurde auch, wie er später erzählte, nicht
ganz wohl im Boot, und es lag ihm gar nichts daran, den jetzt jedenfalls
gereizten Eingebornen zu übermäßig nahe zu kommen. Darin begünstigte ihn
aber die indessen stark eingetretene Ebbe; gleich unterhalb bemerkte er
einen etwas weiter auslaufenden Sandstreifen, auf den er augenblicklich
zuhielt, und hier bekam Zambiri die Ordre, wie nur der Kiel den Sand
berührte, auszusteigen und seinen Weg allein fortzusetzen -- was schadete
es auch, wenn er mit seinen bloßen Beinen nasse Füße bekam.

Zambiri schien keine rechte Lust zu haben, denn das ganze Benehmen seiner
Unterthanen am Ufer mochte ihm ebenfalls nicht gefallen -- aber es blieb
ihm keine Wahl, denn weit mehr fürchtete er an Bord zurückgeschafft zu
werden. Er stieg aus, im Nu schoß das dadurch fast um die Hälfte seines
Gewichts erleichterte Boot wieder zurück in tiefes Wasser, und Zambiri, den
zerfetzten rothen Mantel um die Schultern, stand an der Spitze der Sandbank
und starrte nach dem Ufer hinüber.

Das Boot hielt sich nicht auf; rasche kräftige Ruderschläge brachten es zum
Schooner zurück, und während es dort eingehakt und an der Seite aufgezogen
wurde, kam auch der Anker herauf und der Bug der Sarah Miles schwang
langsam mit der Strömung herum der offenen See entgegen.

Noch stand Zambiri am Strand, und eben so fest behaupteten die Krieger oben
ihren Platz. Jetzt aber mochte er doch wohl fühlen, daß er dort draußen
nicht länger bleiben könne, ohne seiner Würde etwas zu vergeben. Einen
Blick warf er nach dem Fahrzeug der Weißen zurück, dessen Segel sich voll
ausblähten und an dessen Bug sich schon das Wasser zu kräuseln begann --
dann drehte er sich um und schritt entschlossen die Uferbank hinauf.

Jetzt regte sich auch da oben die dunkle Masse -- der Doktor konnte noch
erkennen, obgleich sich die Entfernung mit jedem Augenblick vergrößerte,
daß von allen Seiten mehr Bewaffnete herbeiliefen. Da dröhnte plötzlich,
bis zu ihnen selbst hinaus, ein einziger gellender Aufschrei aus Aller
Kehlen, und wie ein Schatten über einen von der Sonne beschienenen Plan
wälzte sich der dunkle Schwarm dem König entgegen.

Dieser warf die Arme empor, dann verschwand Alles in einem wilden Gewirre
von schwarzen Gestalten, und als sich diese endlich wieder zum Ufer
hinaufgezogen, blieb nur ein einziger dunkler Punkt auf dem hellen
Untergrund des Strands zurück.

Der Doktor schob sein Glas noch etwas mehr zusammen, um den Punkt in den
Fokus zu bekommen.

»Nun, Doktor, wie ist's?« lachte der Kapitän; »können Sie noch was
erkennen? -- Wie haben sie unsern Dicken aufgenommen?«

»Dort liegt sein unbeholfener Leichnam am Strand,« sagte der Doktor, indem
er das Glas zusammenschob, denn die Entfernung wurde jetzt zu groß, »und
wenn die Fluth wieder steigt, wird sie ihn in die See schwemmen.«

»Ein fetter Bissen für die Krokodile!« lachte der Seemann. »Alle Wetter!
das erste, das ihm begegnet, bekommt ein richtiges Maul voll -- ein Glück
nur, daß er uns zu seinen Erben eingesetzt. Aber was haben sie mit ihm
gemacht?«

»Ihm wahrscheinlich ihre Lanzen in den Leib gerannt,« nickte der Doktor.
»Sonderbar doch; vorher hatte er nicht mehr Macht und Gewalt über sie
als jetzt, und doch duldeten sie Alles und ließen sich verkaufen und
abschlachten, wie es dem grausamen Tyrannen gefiel. Jetzt, da der Nimbus
gefallen ist, der ihn umgab, rennen sie ihm ihre Speere in den Leib und
lassen den Kadaver draußen auf dem Sande liegen.«

»Menschennatur,« sagte der Yankee gleichgültig. »Na, wir sind ihn
wenigstens los und haben keine Verantwortung. Die Brise frischt auf, Doktor
-- ich denke, jetzt halten wir gerade auf das Kap zu.«

Der Schooner neigte sich vor dem frisch einsetzenden Wind auf die Seite und
flog schäumend durch die leichtbewegte Fluth. Vom Land aus hatten ihm die
Eingebornen nachgesehen, aber er wurde kleiner und kleiner und verschwand
endlich wie ein lichter Punkt am Horizont.



Der Mexikaner.

Peruanische Erzählung.



Erstes Kapitel.

Die verlassene Frau.


In Lima lebte im Jahr 1850 in einem kleinen Häuschen in der Vorstadt eine
arme deutsche Schusterfrau, der es außerordentlich knapp zu gehen schien,
denn sie war von ihrem Mann verlassen worden und hatte sich nun hier
draußen bei einer armen peruanischen Familie einquartieren müssen. Sie
ging auch, besonders in deutsche Häuser, plätten und nähen und suchte sich
wirklich auf ehrliche Art ihr Brot zu verdienen, wobei sie denn von den
wenigen deutschen Familien nach Kräften unterstützt wurde.

Der Mann war -- so viel wußte man -- im Jahr 48, als die erste Nachricht
der in Kalifornien entdeckten Schätze nach Peru drang, plötzlich
verschwunden, und sollte in Callao -- dem Hafen von Lima, kurz vor der
Abfahrt eines nach San Francisco bestimmten Schiffes gesehen worden sein.
Der Verdacht lag also sehr nahe, daß er sich auf diesem entfernt habe, um,
wie tausend Andere, sein Glück in den Minen zu versuchen. Daß er die
Frau dabei in den dürftigsten Umständen und fast ohne einen Dollar
Geld zurückließ, war natürlich schlecht, aber es wäre doch wohl noch zu
entschuldigen gewesen, wenn er sich nur später um sie gekümmert, wenn er
nur einmal etwas Geld geschickt oder wenigstens einen Brief geschrieben
hätte.

Aber Nichts dem Aehnliches erfolgte, und die arme Frau mußte zuletzt die
Hoffnung aufgeben, ihren Mann je wieder zu sehen und von ihm Hülfe zu
erhalten. Allerdings erkundigte sie sich -- als nun fast zwei Jahre
vergangen waren, und viele Peruaner aus den kalifornischen Goldminen
zurückkehrten, bei Jedem wohl nach dem Verlorenen und ob sie ihn nicht in
Kalifornien getroffen hätten -- aber, lieber Gott, Kalifornien war groß und
die dorthin gegangenen Goldwäscher staken oben in den Gebirgsschluchten,
wohin weder Weg noch Steg führte; wer sollte sie dort finden. Man konnte
Monate lang in ihrer unmittelbaren Nähe sein und bekam sie trotzdem nicht
zu sehen. Es wußte ihr auch Niemand auch nur den geringsten Trost oder
Anhaltepunkt zu geben -- sie mußte sich selber trösten, vielleicht kehrte
er, wie die Meisten sagten, einmal ganz plötzlich mit einem großen Sack
voll Gold zurück, und dann hatte alle ihre Noth ein Ende.

Aber er kam nicht -- Woche nach Woche verging, wie Monat nach Monat
vergangen war, und die verlassene Frau beschloß endlich, in ihre Heimath
nach Deutschland zurückzukehren, wo ihr noch wohlhabende Verwandte lebten;
die einzige Schwierigkeit schien nur die, ein Schiff zu bekommen, das sie
für eine mäßige Passage hinüber brachte. Aber auch das fand sich endlich.
Ein in Callao ankernder hamburger Kapitän hatte von dem Schicksal der
Deutschen gehört, und als er sie zufällig einmal bei Bekannten traf und
sie ihm ihre Noth klagte, erbot er sich freundlich, sie gegen einen sehr
mäßigen Preis hinüber zu schaffen.

Viel trug dazu auch ihr Aeußeres bei -- Frau Bockenheim mußte in ihrer
Jugend wirklich einmal schön gewesen sein, und sie war selbst jetzt noch,
in den dreißiger Jahren, eine hübsche, stattliche Frau zu nennen.
Früher galt sie auch unter den übrigen Handwerkerfamilien für stolz und
hochfährig; sie trug gern seidene Kleider und putzte sich manchmal so
heraus, daß man in ihr nie eines Schusters Frau vermuthet haben würde. --
Das hatte sich freilich jetzt durch ihren Nothstand gründlich gelegt; von
dem Moment an, wo sie sich abhängig von fremden Leuten fühlte, wurde sie
eine ganz Andere. Sie ging höchst einfach, nur in die billigsten Stoffe
gekleidet, und schränkte sich wirklich nach Möglichkeit ein, um nur keine
Schulden zu machen. Trotzdem verkehrte sie aber wenig oder gar nicht mit
ihres Gleichen -- mit anderen Handwerkerfrauen -- von denen sie auch in der
That keinen Verdienst erwarten konnte.

Jetzt hatte das überhaupt aufgehört und sie begann das Letzte zu thun, was
ihr übrig blieb, um ihre Passage zu bezahlen, nämlich die Ueberreste ihres
kleinen Hausstandes zu verkaufen. Da aber das zu langsam ging, denn das
Schiff wollte segeln, so setzte sie endlich eine Auktion an, auf welcher
auch das Handwerksgeräth ihres Mannes losgeschlagen wurde. Was sollte sie
auch damit machen? Der Verlorene kehrte doch nicht wieder.

In Lima hatte sich indessen das Schicksal der Schusterfrau und ihre
Absicht, Peru zu verlassen, ausgesprochen, und schon aus Mitleiden mit
ihrem Schicksal besuchten Viele die Auktion, so daß die oft werthlosen
Gegenstände noch zu einigermaßen gutem Preis verkauft wurden.

Die Auktion war vorüber; die letzten Sachen waren abgeholt; nur noch ein
Koffer und ein Reisesack standen in dem öden Raum, und die Frau hatte eben
einen kleinen Knaben aus dem Haus nach einem Peon oder Diener geschickt,
um sie forttransportiren zu lassen, als draußen ein Schritt auf der
Treppe laut wurde. Sie glaubte, es wäre der erwartete Packträger, und noch
seufzend einen Blick in den Räumen umherwerfend, in denen sie so manche
einsame und traurige Stunde verlebt, sagte sie:

»Da, Freund -- nehmt die Sachen und tragt sie mir --«

»Bertha,« flüsterte da eine Stimme, die ihr das Blut zum Herzen
zurückdrängte, und als sie sich erschreckt danach umwandte, stand ein mit
einem Poncho behangener fremder Mann auf ihrer Schwelle. Sie kannte ihn
nicht -- er trug einen großen dunklen Bart und den Hut fest in die Augen
gezogen, rührte sich auch nicht, und nur als sie ihn erstaunt anstarrte,
wiederholte er, mit der nämlichen Stimme das eine Wort, das ihren
Herzschlag stocken machte: »Bertha!«

»Um der Wunden Christi Willen!« stöhnte die Frau, »wer ist denn das der --
der meinen Namen --«

»Und kennst Du mich nicht mehr?«

»Ja -- wach' ich denn oder träum' ich -- Casper?«

»Hab' ich mich denn so verändert?« lachte er und streckte ihr die Arme
entgegen, aber mit einem lauten, gellenden Freudenschrei stürzte sie auf
ihn zu und umschlang ihn krampfhaft mit ihren Armen.

»Casper! Du bist's -- Du -- und oh mein Gott, wie lange hast Du mich warten
lassen -- oh wie ewig lange. Wo, wo bist Du nur gewesen?«

»Und wenn ich ein klein wenig später gekommen wäre,« lächelte der Mann,
ohne die Frage für jetzt zu beantworten, »so hätte ich Dich am Ende gar
nicht mehr getroffen. Du wolltest verreisen --«

»Nach Deutschland zurückkehren!« rief die Frau, »was sollte ich länger
allein hier in dem fremden Land? Ich hielt es nicht mehr aus und mußte Dich
ja todt glauben, da Du mir nicht ein einziges Mal geschrieben. -- Ach, das
war nicht Recht, Casper.«

»Ja, schreiben,« nickte dieser, »liebes Kind! Wo ich mich die ganze Zeit
herumgetrieben habe, gab es weder Feder noch Dinte noch Papier, viel
weniger Posten, und ich hätte einen Brief selber nach San Francisco tragen
müssen.«

»So warst Du die ganze Zeit in Kalifornien?«

»Gewiß war ich --«

»Und hast Du Glück gehabt?«

Der Mann schwieg und sah sie mit einem Blick an, der ihr ordentlich bis
in's innerste Herz hinein stach -- mit einem Blick, wie sie ihn noch nie
von ihm gesehen. Ueberhaupt kam er ihr so merkwürdig verändert vor. Machte
das vielleicht der große schwarze Bart, den sie allerdings nicht an ihm
gewohnt war? -- und er sah dabei so bleich aus -- so düster. -- Er hatte
jedenfalls Unglück gehabt und kehrte als armer Mann zurück.

»Oh mein Gott,« stöhnte die Frau, als ihr der Gedanke kam, »und jetzt
hab' ich all' das Unsere, selbst Dein Handwerkszeug, um einen Spottpreis
verkauft -- Nichts ist mir geblieben, als meine Kleider und Wäsche und die
paar hundert Thaler, die ich für die Ueberfahrt zahlen wollte.«

Da zuckte es wie ein Lächeln über des Mannes Gesicht, und er sagte:

»Gott sei Dank, daß wir den alten Plunder los sind, wir hätten ihn doch
nicht mehr gebrauchen können.«

»Nicht mehr gebrauchen können, Casper?« wiederholte die Frau erstaunt, »ich
weiß nicht, Du -- Du bist so sonderbar -- ich begreife Dich nicht.«

»Weil ich mit einem ganzen Sack voll Gold zurück komme, Schatz,« lachte der
Mann laut auf.

»Mit einem Sack voll Gold?«

»Was ich Dir sage -- unsere Noth hat nun aufgehört -- ich habe Glück, viel
Glück in den Minen gehabt -- unserer Zwei trafen eine enorm reiche Stelle
-- aber das Alles erzähle ich Dir später. -- Was will der Bursche da?«

Während er noch sprach, war ein Peon auf der Schwelle der weit offen
stehenden Thür erschienen und sah in's Zimmer herein.

»Die Sennorita hat einen Mann verlangt, um ihr Gepäck fort zu tragen.«

»Ach ja -- =bueno= --« rief der Zurückgekehrte »du, guter Freund, schultert
einmal die Sachen und tragt sie in das amerikanische Hôtel -- oder wir
gehen besser gleich mit, denn hier haben wir doch wohl Nichts weiter zu
thun, Schatz, wie?«

»Es ist Alles fort, selbst der letzte Stuhl --«

»Also gänzlicher Ausverkauf,« lachte der Mann, »desto besser, dann werden
wir auch durch Nichts mehr gehindert -- =vamos nos, companero, vamos nos=«
-- und damit gab er seiner Frau den Arm und schritt mit ihr die Treppe
hinab, die Vorstadt entlang und dann über die Brücke, immer die Hauptstraße
nieder und hinter dem Peon mit ihren Sachen her, bis sie das Hôtel
erreichten, wo er augenblicklich zwei Zimmer und ein gutes Diner für sie
bestellte.

Die Frau ging wie in einem Traum an seiner Seite; sie fühlte kaum, wie ihre
Füße den Boden berührten. War denn das Alles wirklich wahr, und der Mann,
den sie schon lange todt geglaubt und in Verzweiflung aufgegeben, nicht
allein zurückgekehrt, sondern auch reich, mit Schätzen beladen? Wie ein
Märchen klang's ihr in den Ohren und sie bemerkte dabei gar nicht, daß die
Leute, denen sie unterwegs begegneten, fast immer stehen blieben und dem
etwas wunderlichen Paar nachschaueten.

Und es war in der That ein wunderliches Paar für einen heißen, sonnigen Tag
in Lima. Der Mann trug einen alten breiträndrigen und chokoladenfarbigen
Filzhut, einen dicken, blau und roth gestreiften Poncho, und dazu
mexikanische, an den Seiten herunter offengeschlitzte Sammethosen mit
kleinen silbernen Knöpfen daran. Die Frau an seiner Seite ging dabei in
echt deutscher Handwerkertracht mit einem langen, braunen, etwas abgenutzt
aussehenden Kattunkleid, ohne Steifröcke darunter, einem rothwollenen Tuch
um, und einem Hut, von dem man eigentlich nicht sagen konnte, daß er hier
aus der Mode gekommen, denn er war in Lima wohl noch niemals Mode gewesen.
Auch die Blumen darauf sahen zerknickt und schmutzig aus, und so viel die
Frau auch wohl früher auf ihre Toilette gegeben hatte, und so nett sie
sich gehalten: jetzt, mit den Sorgen der letzten Zeit im Herzen, schien
sie Alles vernachlässigt zu haben, und dachte auch in diesem Augenblick
wahrlich an Nichts weniger, als an ihre abgetragenen Kleider.

In dem ziemlich großartigen Hôtel betrachteten sich die Kellner das
sonderbare Paar ebenfalls ziemlich erstaunt und schienen nicht übel Lust
zu haben, sie etwas über die Achseln zu behandeln; als aber der Mann, nicht
etwa höflich, sondern mit barschem Ton »Zwei Zimmer vorn heraus und vor
Allem eine Flasche Champagner und dann so rasch als möglich ein gutes
Diner« bestellte, wurden sie aufmerksamer. Der Mann mußte Geld haben oder
er wäre höflich gewesen, und er wurde jetzt, trotz seinem unscheinbaren
Aeußeren, pünktlich bedient.

Oben aber, in dem elegant möblirten freundlichen Gemach, dem Champagner,
der der Frau ebenfalls trefflich mundete, gar wacker zusprechend, saß der
von Kalifornien zurückgekehrte glückliche Miner und erzählte, nur erst
einmal in flüchtigen Umrissen, seine Abenteuer: Wie er Anfangs, und wohl
anderthalb Jahr hindurch, mit eisernem Fleiß und unermüdlicher Ausdauer
gearbeitet und ein Loch nach dem andern gegraben habe, immer und immer aber
wieder getäuscht, immer wieder auf neue Hoffnung angewiesen worden. Ja,
er verdiente sich, was er eben zum Leben brauchte, aber auch nicht mehr
-- Gold gab es ja überall. Da machte er endlich die Bekanntschaft eines
Mexikaners, der großes Vertrauen zu den nördlichen Minen hatte. Mit dem
war er an den Yubafluß gegangen, und dort in einer der Ravinen, die noch
wahrscheinlich kein weißer Mann entdeckt, trafen sie plötzlich auf ein
Goldlager, wie sie es bis dahin nicht für möglich gehalten. Stücke fanden
sie dort, so groß wie die Wallnüße, und einzelne größer, die wie in einem
geschmolzenen und dann erkalteten Zustand vor Jahrtausenden vielleicht in
der kleinen, engen Schlucht herabgewaschen waren.

Dort arbeiteten sie, von Niemandem gestört, ja von Niemandem bemerkt,
heimlich und versteckt sechs volle Monate, bis sie die ganze Goldader,
so weit das wenigstens anging, ausgebeutet hatten. Dann kauften sie sich
Maulthiere unten in Yubacity, einem kleinen Goldwäscherdorf, holten die
indeß vergrabenen Schätze ab, luden sie auf und zogen damit nach Sacramento
hinunter, von wo sie dann mit dem Dampfschiff nach San Francisco gingen.
Von hier aus kehrte der Mexikaner in sein eigenes Vaterland zurück, und
er selber ging an Bord des ersten nach Panama abfahrenden Dampfers, um von
dort wieder mit dem südlichen =vapor= so rasch als irgend möglich Peru
zu erreichen. Deshalb war es ja auch gar nicht möglich gewesen, vorher zu
schreiben, denn die erste Gelegenheit, die sich dazu bot, um rasch einen
Brief zu senden, benutzte er, und er hätte einen solchen nur selber
mitnehmen, nie aber vorher hierher befördern können.

Der armen Frau kam es die ganze Zeit, während der Mann sprach, genau so
vor, als ob sie irgend eine wunderbare Geschichte in einem Buche läse, aber
keine Möglichkeit vorhanden wäre, daß das Alles sie mit betreffen könne und
das Gold, das viele Gold, das ihr Mann mitgebracht, ja doch nun auch ebenso
gut ihr gehöre und sie damit reiche und vornehme Leute geworden wären.

»Aber wo hast Du das viele Gold, Casper?« frug sie ihn endlich, »doch nicht
bei Dir?«

»Bei mir?« lachte der Mann, indem er eine Handvoll großer goldener
Doublonen aus der Tasche nahm und ihr vorhielt, »so ein paar Stück kann man
schon bei sich führen, aber ich möchte das Ganze wahrhaftig nicht auf der
Schulter tragen.«

»So viel ist es?«

»Nun natürlich -- Gold wiegt schwer, mein Kind -- und ich konnte mich damit
doch nicht in der ganzen Stadt herumschleppen, bis ich Dich da draußen,
im äußersten Winkel von Lima, aufgesucht? Es steht in zwei kleinen Koffern
sicher in einem Handlungshaus, das ich von früher kannte. Jetzt will ich
Dir aber wenigstens die Proben des Mitgebrachten zeigen.«

Damit stand er auf, schloß erst vorsichtig die Thür zu und schnallte sich
dann einen ledernen langen Sack von den Hüften ab, dessen Inhalt er vor den
erstaunten Augen der Frau ausschüttete.

Du lieber Gott! einen solchen Reichthum hatte sie bis dahin gar nicht für
möglich gehalten -- und was für große schwere Stücken dabei waren, und wie
wunderlich geformt! -- Und das sollte erst der kleinste Theil des Ganzen --
nur eine Probe sein? Ihr Mann packte aber die Stücke wieder zusammen, denn
draußen klopfte es, und der Kellner frug sehr artig durch die Thür, ob die
=lady= und der =gentleman= jetzt zu speisen wünschten.

Das Essen wurde gebracht, aber nach Tisch ging der frühere Schuhmacher
augenblicklich daran, den Koffer seiner Frau zu revidiren, um zu sehen, was
sie an Kleidern und Wäsche habe, und was sie Neues brauchen würde. Da sah
es freilich bös aus -- sie brauchte fast Alles neu, denn das Wenige, was
sie noch hatte, war so abgenutzt, daß ihr der Mann augenblicklich erklärte,
damit könne sie nicht mehr auf der Straße erscheinen. Der heutige Abend
sollte denn auch dazu benutzt werden, alle die nöthigen Einkäufe zu machen,
und nachher konnten sie dann in aller Ruhe überlegen, ob sie vor der Hand
noch hier in Lima bleiben oder ohne Weiteres nach Deutschland zurückkehren
sollten. Gegen den letzteren Plan sprach sich aber Madame Bockenheim auf
das Entschiedenste aus. War ihr Mann wirklich so reich, dann hielt sie es
auch für nöthig, den Leuten hier in Lima, die sie selber so oft über die
Achsel angesehen, zu zeigen, was sie könnten, und daß sie jetzt im Stande
wären, sich den »Besten« an die Seite zu stellen. Was lag auch daran, ob
sie sich hier einmal ein halbes Jahr einmietheten?

Das war nun freilich ein Festtag für die Frau, wie sie ihn nie in ihrem
ganzen Leben für möglich gehalten, als sie an dem Abend mit ihrem Gatten
durch all' die großen, herrlichen Läden gehen und dabei aussuchen durfte,
was ihr Herz begehrte. Da war auch Nichts zu kostbar. Wo sie nur halbwegs
Bedenken hatten, sowie ihr Mann nur merkte, daß es ihr gefiel, ließ er es
augenblicklich bei Seite legen, zahlte dann die Rechnung in Doublonen und
beorderte es in ihr Hôtel.

Früher hatte er die Packen selber getragen; jetzt dachte er gar nicht mehr
daran und schien sich mit dem ausgewaschenen Gold auch gleich die Sitten
und Gewohnheiten eines vornehmen Mannes angeeignet zu haben.



Zweites Kapitel.

Der Mexikaner.


Am nächsten Tag sprach man fast von Nichts weiter, als dem aus Kalifornien
steinreich zurückgekehrten deutschen Schuster, und das Gerücht vergrößerte
dabei natürlich die Schätze, die er wirklich mitgebracht, um das Zehnfache.
Allerdings gab es noch Einzelne, die nicht so recht an einen solchen Erfolg
in den Minen glauben wollten; aber selbst diese mußten zuletzt eingestehen,
daß der Mann dort jedenfalls _Glück_ gehabt, denn er verausgabte gerade
in den ersten zwei oder drei Wochen eine sehr bedeutende Summe Geld, und
bezahlte Alles gleich baar in blankem Gold. -- Er machte nicht für einen
Centabo Schulden. Ebenso bestätigten die Kaufleute, daß er sich immer die
besten und kostbarsten Stoffe ausgesucht, und als er sich bald darauf
noch das schönste Pferd in Lima um achtzehn Unzen kaufte und mit dem
silberbedeckten Zaumwerk und Sattel in der Stadt herum galoppirte, fing man
doch an, ihn weniger mißtrauisch zu betrachten, und Leute, die sonst gar
nicht daran gedacht hätten, sich um ihn zu bekümmern, bewarben sich jetzt
um seine Freundschaft und machten ihm Besuche.

Casper Bockenheim, wie der Deutsche hieß, besaß übrigens genug gesunden
Menschenverstand, um _derartige_ Burschen zu durchschauen, und hatte in
seinen früheren Jahren zu häufig mit der vornehmen Welt durch seine Arbeit
verkehrt, um nicht zu wissen, wie er sich gegen sie zu benehmen hatte.
Er ließ die Schmarotzer eben ablaufen, und gab sich dabei Mühe, in die
wirklich vornehmen Cirkel der Stadt zu kommen, mit denen er sich selber, so
weit es bedeutende Geldmittel ermöglichen konnten, auf eine Stufe gestellt.
Aber das gelang ihm ebenso wenig; denn wenn er sich auch die äußeren
Manieren eines »=caballero=«, so weit es seine Bildung zuließ, aneignete,
und seine Frau jetzt ebenso schöne Brillanten trug, wenn sie sich Abends
auf der Plaza zeigte, als irgend eine Sennorita der Stadt, so hatte er
doch sein ursprünglich rauhes Wesen nicht so abschleifen können, um seinen
früheren Stand weniger als seine ganze frühere Lebensweise vollständig
vergessen zu lassen, und die =haute volée= von Lima, welcher Nation sie
auch angehörte, wich ihm, so weit das anständiger Weise geschehen konnte,
aus.

Bockenheim wurde dadurch nicht liebenswürdiger; er fühlte, daß hier in Lima
noch ein »Vorurtheil«, wie er es nannte, gegen ihn herrsche, und beschloß
endlich, Peru vielleicht schon mit dem nächsten Dampfer zu verlassen, um
nach Deutschland zurückzukehren; und das war ja auch jetzt der einzige und
sehnlichste Wunsch seiner Frau, denn dort konnte sie nachher Staat mit sich
machen -- hier war es in der That nicht möglich.

Madame Bockenheim oder Sennora Bockenheim hatte sich auch wirklich in den
letzten Monaten sehr verändert, und so einfach und zurückgezogen sie sonst
gelebt, so ganz aus sich heraus_gesprungen_ schien sie jetzt. Ihr Mann, der
Schuhmacher, suchte seinen Reichthum nur in äußerem Pomp zu zeigen. Er trug
schwere goldene Uhrketten, große Brillant-Tuchnadel, eine Menge Ringe und
sein, wie schon erwähnt silberbedecktes Sattelzeug, bummelte aber sonst
noch ebenso nachlässig über die Straße, wie früher, fiel auch wohl einmal
in ein gewöhnliches deutsches Bierhaus hinein und spielte dort seine
Partie Skat, wie er es sonst gewohnt gewesen. Seine Frau dagegen, der der
Hochmuthsteufel in den Kopf gestiegen, schwebte fast nur immer in höheren
Regionen. Sie war gerade keine ungebildete Frau, und deshalb auch früher
überall gern gesehen gewesen, aber sie wußte sich nur in der Sphäre zu
bewegen, der sie angehörte, und fiel aus der Rolle, sobald sie darüber
hinausstieg. Daß sich wirklich vornehme Personen fast immer durch ein
ungenirtes, leutseliges und selbstverständlich artiges Benehmen kundgeben,
hatte sie übersehen; sie suchte das Vornehme in alberner Aufgeblasenheit
und machte sich dadurch nur lächerlich.

Bockenheim hatte sich in der Stadt ein sehr hübsches Haus gemiethet, das
sogar einen kleinen freundlichen Garten umschloß. Die Einrichtung desselben
war prachtvoll und schien auf einen jahrelangen Aufenthalt in Peru
hinzudeuten. Jetzt dachte er schon wieder daran, sie zu veräußern, und
ließ, erst einmal mit dem Entschluß im Reinen, seine Absicht in die Zeitung
setzen.

Natürlich besuchte nun eine Menge von Leuten das Haus, die sich entweder
in der Absicht, die Sachen zu kaufen, diese betrachteten oder auch nur
neugierig waren zu sehen, wie sich der deutsche, so plötzlich reich
gewordene Schuster eingerichtet habe. Von Morgens an aber gingen und
kamen die Leute, Abkömmlinge _aller_ Nationen, und besonders strömten die
=señoritas= herbei, die dann von der Sennora Bockenheim in allem Pomp
eines seidenen, spitzenbedeckten Kleides empfangen wurden und sich nachher
halbtodt über die komische Deutsche lachen wollten.

Bockenheim selber ließ sich wenig dabei sehen. Ihm war die ganze Sache
fatal, und er bereuete schon bitter, das Alles nicht früher und besser
überlegt zu haben, ehe er sich eine solche Last aufbürdete. Aber seine
Frau hatte ja so fest darauf bestanden; sie wollte den Bewohnern von Lima
zeigen, »was sie _konnten_«, und wenn sie auch ein paar tausend Dollars
Schaden dabei hatten, was lag daran? Schon damit zeigten sie, wie reich sie
waren.

Lästig blieben diese ewigen Besuche gleichgültiger Menschen aber doch,
und Bockenheim war wirklich kaum im Stand gewesen, sich eine freie
Mittagsstunde auszuwirken, daß er sein Essen ungestört verzehren konnte.
Ein Zettel an seiner Thür sagte, daß die Lokalitäten von zwei bis vier
_nicht_ geöffnet würden; darnach mochten sich die Leute richten; er war
nicht gesonnen, ihnen seine ganze Bequemlichkeit zu opfern.

Es war eben vier Uhr vorbei, und Casper Bockenheim saß am offenen Fenster,
die Füße gegen ein niederes eisernes Gitter gestemmt, seinen Kaffee neben
sich und rauchte seine Cigarre, als der eine Peon herein kam und meldete,
es sei ein fremder Herr draußen, der den Sennor zu sprechen wünsche.

»Mich? -- Hol' ihn der Teufel,« brummte der Deutsche, »er soll zu meiner
Frau gehen, die wird ihn herumführen. Ich habe mit der Geschichte Nichts zu
thun und will ungestört meinen Kaffee trinken.«

»Aber er will Sie selber sprechen, Sennor.«

»Mich selber? Wer ist es denn?«

»Ich kenne ihn nicht,« sagte der Peon, »er spricht sehr gut kastilianisch,
aber mit einem so sonderbaren Accent. Aus Peru kann er nicht sein.«

»Hm,« brummte Bockenheim leise vor sich hin, »und wie sieht er aus?«

»Ja, ich weiß nicht; er trägt einen großen Bart und hat einen sehr schönen
Poncho umhängen, als ob er von der Reise käme.«

»Na, so laß ihn in des Bösen Namen herein. Frag' ihn aber erst, ob er die
Möbel sehen will, und wenn er Ja sagt, schick' ihn zu meiner Frau; die wird
am besten mit den Leuten fertig.«

Der Peon ging, kehrte aber gleich darauf mit dem Fremden zurück, der ihm
auf dem Fuß folgte. Bockenheim war verdrießlich; er haßte Nichts mehr, als
sich spanisch zu unterhalten, denn wenn auch schon längere Jahre im
Land, konnte er mit der Sprache doch noch nicht gut fertig werden, und
mißhandelte sie auch auf das Grausamste. Er war langsam aufgestanden, um
den Fremden zu begrüßen und zu hören, was er wolle -- aber er kam nicht
weit. Wie nur sein Blick auf die Züge des vor ihm Stehenden fiel, war es
ihm, als ob ihm Jemand einen Stich durch's Herz gäbe. Er fühlte, daß er
leichenblaß wurde, seine Kniee zitterten, und er mußte sich an dem nächsten
Stuhl festhalten, um nicht zusammen zu sinken.

Dem Fremden konnte auch die Erregung, die den Deutschen erfaßt hatte, nicht
entgehen. Ein spöttisches, fast verächtliches Lächeln zuckte aber nur um
seine Lippen und er sagte trocken:

»=Buenos dias, Don Gaspár= -- ich sehe, Ihr kennt mich noch, obgleich ich
ein paar Monate an der Wunde das Lager hüten mußte.«

Casper Bockenheim stierte ihn noch immer an, als ob er einen Geist gesehen
hätte; er brauchte Minuten lang, um sich zu sammeln, behielt aber doch so
viel Besinnung, daß er dem Peon zuwinkte, das Zimmer zu verlassen. Er mußte
mit dem Mann allein sein. Dieser schien das auch ganz in der Ordnung zu
finden und ließ indessen seinen Blick in dem höchst eleganten und reich
ausgestatteten Raum umher fliegen, wobei er nur langsam und wie, als ob
er eine Vermuthung bestätigt erhalten, mit dem Kopf nickte. Aber er sprach
kein Wort weiter; es war, als ob er jetzt erst eine Anrede des Deutschen
abwarten wollte, zu der er ihm völlig und ungestört Zeit ließ.

Das war insofern gefehlt, als er diesem dadurch auch völlig Raum gab, sich
von seiner ersten Ueberraschung zu erholen, und Bockenheim schien Gebrauch
von der Gelegenheit zu machen.

Sein finsterer Blick maß den Mexikaner, der ihm übrigens ganz unbefangen
gegenüber stand, und jetzt sogar, als wenn er hier zu Hause wäre, zu einer
dort stehenden Cigarrenkiste trat und sich eine Havana herausnahm.

»Ah Don Gaspard,« lachte er dabei, »Ihr raucht jetzt feine =puros=! Wißt
Ihr wohl noch, wie wir auf dem Wege nach Macalome alle Taschen umdrehten,
um ein wenig Taback für eine Cigaretta darin zu finden?«

»Mit wem habe ich das Vergnügen?« sagte da der Deutsche trocken, indem er
den unwillkommenen Gast mit finster zusammengezogenen Brauen betrachtete.
»Sie müssen jedenfalls in ein falsches Haus gerathen sein, Sennor.«

»=Caramba=,« lachte der Mann und drehte sich rasch nach ihm um. »Ihr kennt
mich wohl nicht mehr? Wahrhaftig, wenn _mein_ Gedächtniß zum Teufel wäre,
sollt' es mich nicht Wunder nehmen; denn der Hieb, den Ihr mir damals
über den Kopf gegeben, hätte einem anderen Menschen wahrscheinlich den
Hirnkasten von einander gesprengt. Aber wie Ihr seht, habe ich mich
vollständig wieder erholt und befinde mich, den Umständen nach, wohl,
während Ihr Euch,« setzte er mit einem Blick umher hinzu, »_besser_ zu
befinden scheint.«

»Dürft' ich fragen, was Ihr von mir wollt, Sennor?« sagte der Deutsche
trocken. »Ich habe nicht viel Zeit und noch weniger Lust, mich lange mit
Euch abzugeben.«

»=En verdad, Señor?=« lachte der Mexikaner. »Nun gut, dann werde ich Euch
mit einem Wort sagen, was ich will: _Geld!_ -- Das Geld will ich, das Ihr
mir damals, als Ihr mich bei Macalome meuchlings überfielt und für todt im
Walde liegen ließet, abgenommen. Habt Ihr mich verstanden?«

»Ich verstehe _so_ viel,« sagte der Deutsche, »daß Ihr jedenfalls
wahnsinnig sein müßt; denn ich habe Euch in meinem ganzen Leben noch nicht
gesehen, und die Beschuldigung ist deshalb eine niederträchtige Lüge!«

»So?« sagte der Mexikaner. »Und weshalb erschrakt Ihr da so, als ich ins
Zimmer trat?«

»Wer sagt Euch, daß ich erschrocken bin?«

»=Carajo!=« rief der Mexikaner, ungeduldig werdend, »wir wollen den Tag
nicht mit nutzlosen Redensarten vergeuden. Ich _lebe_ noch, wie Ihr seht,
und bin Eurer Spur wie ein Schweißhund gefolgt -- jetzt aber bleibt Euch
kein Ausweg mehr. Ich kam zu Euch, weil ich die peruanischen Gerichte nicht
unnützer Weise bemühen wollte. -- Mir liegt nichts daran, Euch gehangen zu
sehen, und Strafe hatte _ich_ verdient, weil ich dumm genug gewesen war,
auch nur einem einzigen Menschen auf der Welt zu trauen, wo die Verführung
auf der Hand lag, mit _einem_ Schlag reich zu werden. Aber Ihr habt die
Geschichte ungeschickt angefangen. Wolltet Ihr einmal einen Mord verüben,
so mußtet Ihr auch sicher gehen und Eurem Opfer noch wenigstens den Hals
abschneiden -- _das_ habt Ihr versäumt und kommt jetzt in die unangenehme
Nothwendigkeit, das Geraubte wieder herausgeben zu müssen. Also macht keine
Umstände, oder ich zeige Euch hier bei den Gerichten als Straßenräuber an,
und was Euch dann erwartet, brauche ich Euch doch wohl nicht zu sagen!«

»Ihren werthen Namen, wenn ich bitten darf,« sagte der Deutsche
außerordentlich höflich.

Der Mexikaner biß die Zähne zusammen, und der Blick, den er auf den
früheren Gefährten schleuderte, war so voll Gift und Haß, daß Bockenheim
unwillkürlich nach der Lehne des neben ihm stehenden Stuhles griff, um nur
irgend eine Schutzwaffe bei der Hand zu haben, denn er erwartete wirklich
nichts weniger, als daß sich der zum Aeußersten gereizte Südländer jetzt
auf ihn stürzen würde. Der Fremde schien aber, wenn auch vielleicht der
Gedanke für einen Moment in ihm aufgestiegen war, etwas Derartiges nicht
zu beabsichtigen. Wohl war er unter dem Poncho mit der Hand nach der Seite,
möglich nach seinem Messer, gefahren; aber es blieb bei der Bewegung. Der
Mann bewahrte sein kaltes Blut; denn er wußte gut genug, wie viel Leute
im Haus waren, und daß er nie hoffen durfte, seinen Zweck mit Gewalt zu
erreichen. Er hätte sich nur selber der größten Gefahr ausgesetzt.

»Also Ihr leugnet bestimmt, daß Ihr mich kennt?« sagte er endlich, nach
einer ziemlich langen Pause. »Ihr leugnet, daß Ihr mich, als wir zusammen
von Richgulch nach Macalome ritten, da, wo wir lagerten, überfallen --«

»Geht zum Teufel mit Euren albernen Märchen!« rief aber jetzt Bockenheim
unwillig, indem er die auf dem Tisch stehende Klingel ergriff und heftig
schellte, »und das sag' ich Euch, laßt Ihr Euch noch einmal in meinem Hause
blicken, so ruf' ich die Polizei zu Hülfe!«

In der Thür erschienen ein paar Peons, der Befehle ihres Herrn gewärtig.
Der Mexikaner aber sah recht gut ein, daß er vor der Hand hier Nichts
weiter ausrichten könne und jedenfalls den Kürzeren ziehen müsse. Er wußte
aber jetzt auch, was er von dem Deutschen _im Guten_ zu erwarten hatte. Nun
blieb ihm nichts anderes übrig, als die Polizei zu Hülfe zu rufen.

»=Bueno, Señor=,« sagte er ruhig, »ich werde Ihnen nicht länger zur Last
fallen. -- _Auf Wiedersehen!_« Und mit den Worten drehte er sich um und
schritt zur Thür hinaus, wobei Bockenheim den Peons befahl, hinter ihm zu
bleiben und aufzupassen, daß er auch wirklich das Haus verließ. Es wäre,
wie er sagte, ein ganz gemeiner Vagabond, der Geld hatte von ihm erpressen
wollen, und welchem deshalb auch Alles zuzutrauen. Sie sollten nur das Haus
gut zuschließen.

Kaum hatten sie übrigens den Raum verlassen, als Bockenheims Frau in
furchtbarer Aufregung aus der nächsten Stube trat, wo sie jedenfalls das
Ganze angehört haben mußte.

»Um Gottes Willen, Caspar!« rief sie, »was war das? Was ist vorgefallen?
Was hattest Du mit dem Mann?«

»Was ich mit dem Mann hatte?« sagte Bockenheim, der mit untergeschlagenen
Armen und zusammengezogenen Brauen finster brütend mitten in der Stube
stand. »Nichts -- gar Nichts! Ein Betrüger war es, der Geld von mir
erpressen wollte -- aber wenn er mir wieder kommt -- beim ewigen
Gott -- --«

Die Frau hatte ängstlich zu ihm aufgeschaut.

»Und kanntest Du den Mann gar nicht? -- Hast Du ihn nie früher gesehen oder
mit ihm gesprochen?«

»Nie -- der Henker soll all' das mexikanische Gesindel kennen, das sich in
Kalifornien in den Minen herumtreibt!«

»Und was verlangte er von Dir?«

»Ach, Unsinn,« erwiderte mürrisch, aber doch ausweichend der Mann, »er --
er wollte nur Geld geborgt haben.«

»Er sprach von einem Todtschlag,« flüsterte die Frau.

»Bah -- Geschwätz -- laß mich mit dem Blödsinn zufrieden!« rief Bockenheim.
»Der Kerl ist verrückt, und, wahrscheinlich ohne Centabo aus den Minen
zurückgekehrt, hat er vielleicht hier gehört, daß ich Glück dort oben
gehabt, und will mir nun ein paar hundert Dollars abschwindeln. Aber
verdamm mich! er ist an den Unrechten gekommen. Wo hat er Beweise? --
Nichts -- gar nichts -- es ist Nichts, als niederträchtige gemeine Lüge
-- weiter Nichts,« und damit verschränkte er die Arme wieder und ging mit
raschen, unruhigen Schritten in dem so behaglich eingerichteten Zimmer auf
und ab.

Die Frau hatte, während ihr Mann sprach, keinen Blick von ihm verwandt, und
eine unsagbare Angst ergriff ihr Herz. Aber es war nicht die Furcht, daß
ihr Mann ein Verbrechen verübt haben, sondern die, daß es entdeckt werden
könne, und mit leiser Stimme sagte sie endlich:

»Laß uns fort von hier, Caspar -- ich habe Dich schon lange darum gebeten;
wärst Du mir nur gefolgt.«

»Ja, und eben _weil_ ich Dir gefolgt _bin_, können wir es jetzt nicht,«
knurrte Bockenheim ärgerlich, »denn den ganzen Plunder, den ich mir
Deinetwegen angeschafft, kann ich nicht auf den Buckel nehmen.«

»So laß die Sachen hier! -- Was liegt daran? Gieb Jemand den Auftrag,
sie unter der Hand oder auf Auktion zu verkaufen. -- Uebermorgen geht der
Dampfer nach Panama -- übermorgen können wir weit draußen in See schwimmen
und wieder nach Deutschland fahren, und dorthin kommt der freche Bursche
gewiß nicht.«

»Hm,« sagte Bockenheim, der, während die Frau sprach, leise vor sich hin
mit dem Kopf genickt hatte, »das ginge vielleicht -- aber wenn er mich hier
verklagt?«

»Bah, _Du_ kennst doch die peruanischen Richter,« lachte die Frau, »und
dann wäre es doch wahrhaftig schlimm, wenn jeder Lump da ohne Beweise,
ohne Zeugen herkommen und einen ehrlichen Mann eines Verbrechens anklagen
könnte, das er tausend Meilen von hier entfernt begangen haben soll. Es ist
kein Sinn und Verstand darin.«

Bockenheim war wieder eine Weile in dem Zimmer auf und ab gelaufen und
schien noch nicht mit sich im Reinen.

»Und wenn Du _meinem_ Rath folgst,« sagte die Frau, die _ihre_ Sinne
wenigstens vollkommen beisammen hatte, »so gehst Du jetzt vor allen Dingen
augenblicklich selber auf die Polizei und machst die Anzeige, daß ein
mexikanischer Strolch, der wahrscheinlich davon gehört hätte, daß Du Lima
mit dem nächsten Dampfer verlassen wolltest -- verstehst Du mich? -- zu
Dir gekommen wäre und gesucht hätte, ein paar hundert Dollars von Dir zu
erpressen.«

»Hm -- und dann?«

»Nun, dann bittest Du den Direktor oder wie der Beamte heißt, ein wachsames
Auge auf den Burschen zu haben; denn Du fürchtetest, daß er Dir nach dem
Leben trachte, weil Du ihn so grob abgewiesen.«

»Er wird mir sagen, daß ihn das nichts anginge.«

»Kommt es Dir auf hundert Dollars an?«

»Nein.«

»Gut, dann gieb ihm die und bitte ihn, sie unter ein paar Polizeidiener zu
vertheilen, daß sie sich hier in der Nähe des Hauses aufhalten.«

»Bah, dann steckt er sie einfach in die Tasche,« brummte Bockenheim, »ich
müßte meine Peruaner nicht kennen.«

»Und soll er denn das nicht?« rief die Frau. »Du bist wie ein kleines Kind.
Nachher weißt Du aber doch sicher, daß er Deine Partei nimmt. -- Hab' ich
nicht Recht?«

Bockenheim lachte -- zum ersten Mal wieder an dem Morgen.

»Wahrhaftig, Schatz, ich glaube, ich werd's so machen,« rief er, indem er
seinen Panamahut von dem nächsten Stuhl nahm, »und kannst Du bis morgen
Abend mit Packen fertig werden?«

»Bis _heut_ Abend, wenn es sein muß. Der Tischlermeister Müller kann
nachher Alles übernehmen, was hier zurückbleibt. Hast Du noch Schulden in
Lima?«

»Keinen Pfennig.«

»Desto besser -- das Geld schickt er uns später an eine Adresse, die wir
ihm aufgeben. Geh nur rasch, daß Du keine Zeit versäumst.«

»Und wenn der -- Schuft jetzt zurück käme?«

»Wenn _ich_ mich nicht fürchte, brauchst Du doch keine Angst zu haben. Ich
gebe Dir mein Wort, daß ich den Burschen, falls er noch einmal Lust haben
sollte einzudringen, in sicherer Entfernung halten werde. Laß ihn nur
kommen; unsere Leute hier im Haus werden wahrhaftig kurzen Prozeß mit ihm
machen.«

Der Mann blieb einen Augenblick zögernd an der Thür stehen, als ob er noch
etwas sagen wollte; aber plötzlich drehte er sich scharf auf dem Hacken
herum und schritt wenige Minuten später die Straße hinab, über die Plaza
und dem Polizeigebäude zu.



Drittes Kapitel.

Die Flucht.


Der Mexikaner Felipe Corona, wie er mit Namen hieß, verließ indessen mit
bitteren Rachegedanken das Haus des Deutschen. Aber während er die Straße
hinab schritt, war er sich doch auch bewußt, auf wie unsicherer Basis
die Klage ruhte, die er hier, selber ein Fremder, gegen einen in Lima
ansässigen Mann vorbringen wollte. Und sollte er ihn deshalb im Besitz
aller der Schätze lassen, die, wie er fest behauptete, ihm -- allein nur
ihm gehörten? Nein! bei dem Blute des Gekreuzigten, nein. Wahrlich nicht,
so lange seine Faust noch ein Messer führen konnte, und wenn ihm die
Peruaner sein Recht nicht verschafften -- er biß die Zähne fest zusammen
und schritt, finster vor sich hin brütend, die Straße hinab, wo er das Haus
eines Advokaten wußte. Der sollte ihm helfen -- oder doch wenigstens einen
Rath geben, wie er sich zu verhalten habe, welche Schritte er hier in dem
fremden Lande thun müsse, um den Schuldigen zu überführen und zu strafen.

Er fand den Herrn auch zu Hause, und zwar ziemlich behaglich in einer
Hängematte liegend und eine Cigarre rauchend; was sollte er sich bei der
Hitze anstrengen, wo er es so bequem haben konnte? Die Geschäfte mochten
eben warten bis die Abendkühle eintrat -- oder vielleicht auch bis morgen
früh. Die Gerechtigkeit ist blind und kann sich deshalb nicht Hals über
Kopf in einen Strudel von Arbeiten stürzen; sie muß eben langsam und
vorsichtig zu Werke gehen.

Nach dem eintretenden Mexikaner drehte er auch kaum den Kopf, als dieser
das kühle, luftige Gemach betrat. Der Mann trug einen Poncho, war also
jedenfalls ein Peon oder Diener, denn ein Caballero ging nicht mehr mit
diesem eigentlich alt-peruanischen Kleidungsstück über die Straße; es war
völlig aus der Mode gekommen. Er brachte ihm wahrscheinlich eine Botschaft,
und die konnte er ebenso gut liegend anhören -- ja eigentlich noch viel
besser.

»Und was wollt Ihr, =amigo=?«

»Eure Hülfe oder Euren Rath, Sennor, gegen einen Schurken,« sagte der
Mexikaner ruhig.

»So? Hm -- und wie heißt der Schurke?«

»Er ist ein Fremder, Don Gaspard, der aus Kalifornien mit vielem Geld
hierher gekommen.«

»So? Der Deutsche? Und was habt Ihr gegen ihn?«

»Das Gold, das er mitgebracht, ist _mein_,« sagte der Mexikaner ruhig,
»ich hielt ein Spielzelt am Richgulch in Kalifornien und verkaufte zugleich
Waaren. Ich verdiente _viel_ Gold. Da aber die Americanos dort kein Spiel
mehr haben wollten, trieben sie uns fort, und ich lud mein Gold und meine
Waaren auf Maulthiere und zog nach dem Macalome hinüber, wo ich noch
einen Bruder hatte. Mit diesem wollte ich nach Mexiko zurückkehren -- ich
brauchte nicht mehr. Unterwegs traf ich den =Aleman=. Es sind sonst gute,
rechtliche Leute, und wir Mexikaner verkehrten dort nur mit ihnen und den
Franzosen. Ich freute mich, daß ich Begleitung bekam; denn ich hielt mich
mit meinen schwer beladenen Thieren nicht für ganz sicher im Wald. Manchen
von uns hatten die Amerikaner gemordet, und uns selber wurde es dann zur
Last gelegt. Ich hatte mir aber den schlimmsten Feind zu meiner Begleitung
ausgesucht. Als wir, kaum noch eine halbe Legua vom Macalome entfernt, eine
kurze Zeit im Wald rasteten, nahm er die Gelegenheit wahr und schlug mich
mit seinem schweren Messer über den Kopf -- hier an der Seite, Sennor, seht
Ihr noch die kaum verharrschte Narbe. Ich brach besinnungslos zusammen, und
er hielt mich jedenfalls für todt; ich war es auch fast. Landsleute fanden
mich später und trugen mich in die Minerstadt, und als ich nach Wochen
wieder zu mir kam und meinen Bruder an meinem Bett sitzend fand, war meine
erste Frage nach meinen Thieren, meinen Schätzen -- umsonst -- man hatte
Nichts bei mir gefunden -- gar Nichts -- der Räuber mußte Alles mit
fortgenommen haben, Thiere, Waaren und Gold, und ich war wieder arm, wie
ein Bettler.«

»Hm -- eine verwünschte Situation,« brummte der Advokat, sich eine neue
Cigaretta anzündend, »und Ihr wißt gewiß, daß dieser Don Gaspard derselbe
ist, der Euch damals begleitete?«

»Hört nur weiter,« fuhr der Mexikaner fort. »Vierzehn Tage brauchte ich
wohl noch, bis ich mich vollständig erholt hatte und meine Wunde vernarbt
war -- dann folgte ich seinen Spuren. Mein Bruder hatte mir einige Unzen
Gold geborgt, damit wanderte ich aus, und es dauerte nicht lange, so war
ich auf der Fährte des Mörders. In Stockton hatte er meine Maulthiere und
Waaren verkauft und war zu Schiff nach San Francisco gefahren, und bald
erfuhr ich, daß er nach Panama gegangen. Ich nahm Zwischendeckspassage und
folgte ihm. In Panama ließ ich mir die Passagierlisten geben und sah seinen
Namen nach Peru eingeschrieben. -- Ich mußte mein Geld sparen und bekam
freie Passage als Kajütenaufwärter hierher. -- Ich brauchte in Lima
nicht lange nach ihm zu suchen. Das Gerücht, daß er so viel Gold in den
kalifornischen Minen gefunden, hatte ihn rasch bekannt gemacht. Ich habe
ihn heute gesehen.«

»In der That?« rief der Advokat, der sich doch jetzt für die Sache zu
interessiren anfing, indem er sich in seiner Hängematte halb emporrichtete,
»und was sagte er?«

»Er leugnet Alles.«

»Nun natürlich, versteht sich von selbst -- aber wo haben Sie Ihre Zeugen?«

»Zeugen habe ich gar nicht -- wir waren allein.«

»Den Teufel auch! gar keine Zeugen? Aber es hat Sie doch dort Jemand
zusammen wegreiten sehen, oder Sie sind Anderen begegnet? --«

»Allerdings -- Menschen genug; aber wer das war und wo die jetzt sind, wer
könnte es sagen?«

»Bitte, lieber Freund,« sagte der Advokat, sich jetzt in seiner Hängematte
aufsetzend, »wollen Sie mir vielleicht vorher erklären, ob Sie über
bedeutende Mittel verfügen, um einen längeren Prozeß durchzuführen? Hundert
Dollars müssen vor allen Dingen einmal bei mir deponirt werden, nur um die
ersten Ausgaben zu decken.«

»Ich besitze nicht einmal mehr hundert Dollars in meinem ganzen Vermögen,«
sagte der Mexikaner finster, »jener Schuft hat mir ja _Alles_ geraubt; aber
wenn mir mein Recht zugesprochen wird --«

»Entschuldigen Sie einen Augenblick, daß ich Sie unterbreche. Habe ich den
Fall folgender Art klar verstanden, daß Sie von Kalifornien, _ohne_ Geld
in der Tasche, hierher gekommen sind, um einen hier ansässigen Fremden
anzuklagen, daß er an Ihnen in den kalifornischen Wäldern einen Raubmord
verübt und Ihnen Alles abgenommen hat, ohne dafür weitere Zeugen und
Beweise beibringen zu können, als Ihr Wort?«

»Das ist genau so der Fall,« sagte der Mexikaner; der Advokat fiel aber
in seine Hängematte zurück, als ob er geschossen wäre, pfiff nur leise vor
sich hin und sah nach der Decke hinauf.

»Und wollen Sie mir dazu verhelfen?« fragte der Mexikaner.

»Mein sehr verehrter Herr,« sagte der Rechtsanwalt, ohne aber seine
Stellung im Mindesten zu verändern, »vorher erlauben Sie mir denn wohl die
Frage an _Sie_ zu richten: Halten Sie mich für verrückt?«

»Aber wenn ich, was ich sage, auf die Hostie beschwören kann?« rief der
arme Teufel. »Trag' ich denn nicht die Narbe jener Wunde, die mir sein
schweres Messer geschlagen, auf dem Kopf?«

»Reden Sie keinen Unsinn,« bemerkte der Peruaner, »als vernünftiger Mann
müssen Sie doch einsehen, daß Sie mit der Narbe weiter Nichts beweisen
können, als früher einmal einen Hieb über den Kopf bekommen zu haben. _Wo_
aber das geschehen ist und durch _wen_, mögen Sie selber wohl sehr genau
wissen, werden aber keinen Richter davon überzeugen können.«

»Aber ist denn gar keine Gerechtigkeit in Peru?« rief der Mexikaner
bestürzt aus. »Soll denn der Räuber das Gold behalten dürfen?«

»Gerechtigkeit genug,« erwiderte der Advokat. »_Sie_ behaupten, das Geld
gehöre Ihnen, _er_ behauptet, es wäre das seine. Befände sich die Summe
in den Händen des Gerichts, so bekämen Sie, aller Wahrscheinlichkeit nach,
Beide keinen kupfernen Centabo davon. So hat es aber der Deutsche, und daß
der _gutwillig_ etwas davon herausgeben sollte, bezweifle ich -- versuchen
Sie's aber immerhin noch einmal, denn ohne die geringste Beweisführung
können die Gerichte gar nicht gegen ihn einschreiten.«

»Und wenn er sich weigert?«

Der Advokat zuckte mit den Achseln.

»Und Sie wollen sich meiner nicht annehmen?«

»Lieber Freund, ich _habe_ mich Eurer angenommen,« rief der Advokat, »und
wenn Ihr nicht ein armer Teufel wäret, so bäte ich mir jetzt eine halbe
Unze für die Berathung aus -- aber ich will Nichts, als daß Ihr mich nun
ungeschoren laßt, denn ich mag mit der Sache nichts weiter zu thun haben.«

»Dann muß ich mir selber helfen,« knirschte der Mexikaner zwischen den
zusammengebissenen Zähnen durch.

»Das ist jedenfalls das Gescheuteste,« nickte der Advokat lächelnd vor sich
hin, »aber auch zu gleicher Zeit ein etwas gefährliches Experiment. Seid
Ihr kitzlich am Hals, =amigo=?«

Der Mexikaner antwortete nicht; er hatte ein paar Momente schweigend vor
sich nieder gestarrt; jetzt drehte er sich plötzlich um und schritt der
Thür wieder zu. »=Buenos dias, Señor=,« sagte er dabei. »Vielen Dank für
den guten Rath -- ich werde meinem Hals ganz besondere Vorsicht widmen. --
=Dios lo paga=,« und damit verschwand er aus der Thür.

»Ja wohl,« brummte der Advokat vor sich hin, »=Dios lo paga= -- wenn der
liebe Gott alle die Wechsel acceptiren sollte, die auf ihn gezogen
werden, wäre er nicht allein allmächtig, sondern auch allbeschäftigt. --
Lumpengesindel! Daß der Präsident nur so viel Vergnügen daran findet, die
Fremden ins Land zu ziehen -- wenn ich wie er wäre, hielt ich unsere Race
rein -- dann bliebe doch auch noch etwas zu verdienen,« und sich wieder
lang ausstreckend, gab er sich bald ganz seiner Siesta hin.

       *       *       *       *       *

Der Mexikaner verließ das Haus, aber nicht etwa, um nach des Advokaten Rath
einen gütlichen Vergleich mit seinem Feind zu schließen, sondern sein Glück
noch einmal auf der Polizei zu suchen, traf es aber dort nicht glücklich,
denn Bockenheim war schon vor ihm da gewesen, und der eine Beamte fuhr den
armen Teufel so wild an, als ob er ihn auf der Straße gefunden hätte. Er
sollte sich auch selber legitimiren, ehe er einen Anderen, einen bis dahin
unbescholtenen Mann eines Verbrechens zeihen wollte, und da er das nicht
vermochte, wurde er bedeutet, binnen acht Tagen einen Nachweis zu bringen,
womit er sich hier ernähre, oder die Stadt zu verlassen.

Damit durfte er gehen. Eine ganze Hölle aber von Wuth und Ingrimm im
Herzen, und düsteren Gedanken folgend, wühlte seine Hand, während er über
die Straße schritt, wild und trotzig in dem schwarzen struppigen Vollbart,
daß ihm die Begegnenden scheu auswichen und ihm nachsahen, so lange sie ihm
mit den Augen folgen konnten.

Er befand sich auch in der That in einer verzweifelten Lage; denn was er
hier in Peru für Schutz von den Gerichten zu erwarten hatte, davon war ihm
eben der vollgültige Beweis geliefert worden. Und was sollte er jetzt thun?
Den Räuber in seiner eigenen Höhle aufsuchen und niederstechen? Damit
hätte er allerdings seiner _Rache_ genügt, aber für sich auch gar Nichts
erreicht; denn es war nicht denkbar, daß er das Gold in seiner Wohnung
liegen hatte. Aber selbst wenn das der Fall gewesen wäre, wie blieb ihm
nachher Zeit darnach zu suchen? Und _wurde_ er ergriffen, so konnte die
Warnung des Advokaten zur Wahrheit werden.

Und in Güte? -- Er traute dem Deutschen nicht -- wenn er ihm aber nun
anbot, die _Hälfte_ des Raubes ungestört und als rechtmäßiges Eigenthum
zu behalten, mußte er da nicht mit beiden Händen zugreifen? -- Er wollte
wenigstens den Versuch machen, und gestand er ihm selbst das nicht zu --
dann Auge um Auge, Zahn um Zahn! Und mit dem Entschluß schritt er auf das
nicht mehr ferne Haus des Deutschen zu. -- Hier erwartete ihn aber eine
Ueberraschung.

Kaum näherte er sich der kleinen, grün lackirten Thür, die hinein führte,
als von der gegenüber liegenden Seite der Straße ein Polizeidiener, der
dort vor einem Bilderladen gestanden hatte, auf ihn zu kam und ziemlich
barsch sagte:

»=Compañero=, wollt Ihr einen guten Rath annehmen?«

»=Como no, compañero?=« erwiderte der Mexikaner eben nicht in besonderer
Laune, »aber ich weiß nicht, daß ich Euch schon darum gebeten hätte.«

»Thut auch nicht nöthig,« lautete die Antwort. »Ihr seid doch der
Mexikaner, wie?«

»Ob ich _der_ Mexikaner bin, weiß ich nicht -- _ein_ Mexikaner bin ich
gewiß. Weshalb?«

»Oh, nur wegen einer Kleinigkeit -- wegen dem Hause da. Ich bin hierher
gestellt, um Euch abzuweisen, wenn Ihr das _erste_ Mal kommt, und Euch
auf die Polizei zu schaffen, wenn Ihr den Versuch zum zweiten Mal machen
solltet.«

»Aber ich habe mit dem Sennor da drinnen zu reden.«

»Ja, das glaub' ich Euch wohl,« lachte der Polizeidiener, »aber _er_
nicht mit _Euch_, und nun tragt Euren Schatten in ein anderes Stadtviertel
hinüber, hier habt Ihr Nichts mehr zu suchen.«

»Und wenn ich ihm selbst nur einen Vorschlag zur Güte zu machen hätte -- es
wäre vielleicht in zehn Minuten erledigt.«

»Er hat mir besonderen Auftrag gegeben, Euch unter gar keinem Vorwand
zu ihm zu lassen. Was Ihr von ihm wollt, das sollt Ihr vor den Gerichten
anbringen -- und so gehört sich's auch, also helfen Euch keine weiteren
Redensarten, und nun =vamos nos=, denn ich möchte hier nicht länger bei
Euch in der Sonne stehen bleiben.«

»Also er verweigert jeden weiteren Verkehr mit mir?«

»Na ja, nun fangt Ihr noch einmal von vorne an! Ich dächte doch wahrhaftig,
ich hätte deutlich genug gesprochen. Laßt Ihr Euch noch einmal hier am
Hause sehen, so werdet Ihr beigesteckt. Habt Ihr _das_ verstanden?«

»Ja wohl, =amigo= -- es war nicht mißzuverstehen; also =adios= und einen
vergnügten Abend auf der Promenade,« und damit rückte der Mexikaner seinen
Hut und schritt rasch und trotzig die Straße hinab. --

Von dem Augenblick an ließ er sich nicht wieder in der Gegend der Stadt
blicken, ja, er mußte Lima ganz verlassen haben, da ihn keiner der
Polizeileute selber nachher mehr zu Gesicht bekam. Bockenheim war übrigens
gar nicht böse darüber, denn er behielt jetzt völlig freien Raum, um seine
Vorbereitungen zu schleuniger Abreise zu treffen. Er übergab, wie ihm seine
Frau gerathen hatte, seine ganze, ziemlich werthvolle Einrichtung einem
bekannten Deutschen, der das dafür gelöste Geld dem ***schen Konsul
überliefern sollte, und fuhr dann, ohne von irgend wem weiter Abschied zu
nehmen, mit seiner Frau und seinem Gold nach Callao hinunter, von wo der
englische Dampfer noch an demselben Tage nach Guayaquil, und von da weiter
nach Panama abging.

Das war ein wonniges Gefühl, als die Räder des mächtigen Fahrzeuges erst zu
arbeiten begannen, der scharfe Bug die Wasser theilte und das Boot das Land
immer weiter und weiter zurückließ, bis sie endlich draußen, weit draußen
in See auf der blauen Tiefe schwammen.

»Gott sei Dank!« murmelte er leise vor sich hin, als er vorn am Bug stand
und mit leuchtenden Blicken die Schnelle beobachtete, mit welcher sich der
Dampfer vom Hafen entfernte. »Gott sei Dank, und nun kann Don Felipe,
wenn er wieder nach Lima zurückkommt, sich ein Vergnügen machen, mich dort
aufzusuchen. Daß der Schuft auch --,« er murmelte das Uebrige nur leise
durch die Zähne; denn selbst die neben ihm stehende Frau sollte nicht
erfahren, nach welcher Richtung seine Gedanken abschweiften.

Die Fahrt nach Guayaquil war eigentlich eine Vergnügungstour, und die
fünf Tage vergingen den Reisenden wie im Flug. Besonders genoß aber Madame
Bockenheim dieselben; denn von Niemanden gekannt, war sie hier vollkommen
im Stande, die vornehme Frau zu spielen, und that das wirklich nach besten
Kräften. Auf der spiegelglatten See und dem geräumigen Fahrzeug wurde
natürlich Niemand krank. Damen kleiden sich trotzdem gewöhnlich an Bord
außerordentlich einfach, denn sämmtliche Passagiere bilden ja doch, für die
Dauer der Reise, gewissermaßen _eine_ Familie, und man ist da nicht gern
genirt. Es befanden sich denn auch etwa acht oder neun Sennoritas in der
Kajüte -- einige davon aus den ersten Familien Lima's und Valparaiso's, auf
einer Vergnügungstour nach Europa; aber wirkliche Toilette machten sie auf
der ganzen Reise nicht, und gingen nur gewöhnlich in einem ganz einfachen
Hauskleid, in dem sie sich frei und bequem bewegen konnten.

Madame Bockenheim _strahlte_ zwischen ihnen; schon zum Frühstück rauschte
sie in Seide und Spitzen unter ihnen herum, und zum Diner erschien sie
sogar mit ihrem Brillantschmuck und lächelte vergnügt vor sich hin, wenn
die anderen Damen leise mitsammen zischelten -- war es ja doch nur der
blasse Neid, der sie bewegte.

Am fünften Tag erreichten sie Guayaquil, die südliche Hafenstadt Ecuadors;
aber die Passagiere bekamen keine Zeit, das Land zu betreten, da sich
der Dampfer nur wenige Stunden hier aufhielt, die für Ecuador bestimmten
Passagiere absetzte, Andere für Panama an Bord nahm und dann augenblicklich
wieder den Strom hinabkeuchte. Der Steward erhielt kaum Gelegenheit, eine
Partie der wundervollen Früchte an Bord zu nehmen, die in Canoes an der
ganzen Landung aufgeschichtet lagen und die Luft mit ihrem Arom erfüllten.

Eine Menge neues Volk war dadurch an Bord gekommen, besonders aber viel
Kajüten-Passagiere, da eine neue Revolution in Ecuador auszubrechen drohte,
und manche Ecuadorianische Familien es doch vorzogen, dieselbe in einem
anderen Theile Amerika's abzuwarten. Es fehlte dadurch fast an Bedienung
an Bord, und besonders mußten alle Aufwärter aus der vorderen Kajüte oder
vielmehr dem Zwischendeck herbeigezogen werden, um bei Tisch zu bedienen.
Die Zwischendecks-Passagiere mochten sehen, wie sie allein fertig wurden;
denn viel Umstände machte man mit denen nicht.

Am besten bedient waren aber, merkwürdiger Weise, die beiden Deutschen
an Bord, Bockenheim und seine Frau; denn einer der Aufwärter, den sie bis
Guayaquil noch gar nicht an Bord gesehen, nahm sich ihrer an und schien nur
auf ihren Wink zu lauschen, um ihnen augenblicklich zu Diensten zu stehen.
War es, daß ihm das vornehme Aussehen der Dame imponirte, oder hatte er
sich vielleicht kluger Weise eine ihm reich scheinende Familie ausgesucht,
um dann nachher von dieser ein desto ansehnlicheres Trinkgeld zu erhalten:
genug, wenn er sich selbst am entferntesten Ende des Salons befand und
Bockenheim drehte nur den Kopf, so schoß er schon herbei, um seine Befehle
zu erwarten und dann mit fabelhafter Schnelle auszuführen.

Leider war der Bursche -- Peruaner oder Ecuadorianer ließ sich nicht gut
unterscheiden, da man alle möglichen Schattirungen der Haut bei beiden
Völkern trifft -- vollkommen stumm, eine Unterhaltung mit ihm also nicht
möglich, auch trug er um das linke Auge eine schwarze Binde. Ueberhaupt
konnte man ihn nicht hübsch nennen, denn eine auffallend dicke Oberlippe
gab seinem Gesicht einen merkwürdigen, fast unangenehmen Ausdruck. Aber er
blieb die Gefälligkeit und Aufmerksamkeit selber und gewann sich dadurch
die Zuneigung der Frau auf das Vollständigste.

Sein Lohn blieb auch nicht aus. Als sie endlich Panama erreichten, wo die
Passagiere in den Hôtels den Abgang der »Karavane« erwarten mußten, gab sie
ihm selber »für gute Bedienung« ein Zwanzig-Frankenstück, und hatte dafür
die Genugthuung, daß er ihr demüthig und dankbar die Hand küßte. Sprechen
konnte der arme Teufel ja nicht. Nur seinen Namen hatte er ihnen schon
früher einmal aufschreiben müssen. Er hieß Pablo.

In Panama wurden die Reisenden einige Tage aufgehalten; denn die Eisenbahn,
die den Isthmus kreuzt, war damals erst im Bau begriffen, und sie mußten
deshalb den weit beschwerlicheren und kostspieligeren Weg per Maulthier
zu Land bis dahin zurücklegen, wo sie den Chagresfluß erreichten, und dann
ihre Reise, diesen kleinen Strom hinab in Canoes, und von der Strömung
getragen, bequemer fortsetzen konnten.

Aber selbst nicht ohne Gefahr war dieser erstere Weg; denn amerikanisches
Gesindel hatte in der letzten Zeit angefangen, den von Kalifornien
zurückkehrenden und meistentheils goldbeschwerten Reisenden aufzulauern und
sie zu überfallen und zu berauben. Ja sogar verschiedene Mordthaten waren
verübt worden, so daß sich Niemand mehr allein über den Isthmus getraute,
sondern die Reisenden, wenn der Dampfer in Panama landete, jedesmal
geschlossene und gut bewaffnete Züge bildeten, von denen die Strauchdiebe
dann wohl die Hände lassen mußten.

So geschah es auch hier. Der Dampfer von San Francisco hätte eigentlich
auch gerade in dieser Zeit eintreffen sollen, war aber ausgeblieben, und da
die vom Süden kommenden Passagiere ebenfalls schon einen ganz ansehnlichen
Zug stellen konnten, beschlossen sie, nicht auf das Unbestimmte in dem
überdies entsetzlich theuren Panama zu warten, sondern ungesäumt ihre
kleine Karavane zu ordnen und aufzubrechen.

Das geschah am dritten Tage nach ihrer Ankunft, und so arg mußten es die
Isthmus-Räuber doch in der letzten Zeit getrieben haben, daß sich die
Neu-Granadiensische Regierung sogar veranlaßt sah, den Reisenden als Schutz
eine kleine Abtheilung Kavallerie mitzugeben, um ihre Truppe zu
verstärken und sicher zu stellen. Es waren, besonders von Amerika, zu viel
Reklamationen eingelaufen, und man wollte doch wenigstens zeigen, daß man
den guten Willen hatte, Fremden Sicherheit im eigenen Lande zu gewähren.
Viel war es immer nicht, denn bei dem Ueberfall einer größeren Horde hätten
sich die Neu-Granadiensischen Soldaten auch wahrscheinlich nicht lange
aufgehalten. Was sollten sie ihr kostbares Leben einer Anzahl Fremder wegen
aufs Spiel stellen?

Der Trupp war aber doch so zahlreich geworden, daß sie allein durch den
Lärm, den sie machten, Achtung einflößen konnten, und mit gutem Muth
begannen sie die Tour, die freilich schon an und für sich durch den
weichen, morastigen Boden und die ewigen Regen in Mittel-Amerika genug
des Unangenehmen bot -- ohne noch Räubern und Mördern auf der Straße zu
begegnen.

Madame Bockenheim stand aber noch, ehe sie aufbrachen, eine Ueberraschung
bevor; denn als an dem Morgen im Hof des Panama-Hôtels die Maulthiere
vorgeführt wurden, um beladen zu werden, meldete sich plötzlich der
gefällige Kellner vom Dampfboot, der stumme Pablo, bei ihnen und zeigte so
viel Freude und machte ihr durch Zeichen so klar, daß er ebenfalls über
den Isthmus, und sie unterwegs bedienen wolle, daß sie den Burschen
augenblicklich engagirte. Ein treuer Diener war auf einer solchen Reise
allerdings von unschätzbarem Werth, und Bockenheim, der mit Maulthieren
nicht besonders umzugehen wußte, zeigte sich mit der neuen Acquisition
vollkommen einverstanden.

Pablo verstand seine Sache aus dem Grunde. Er sah augenblicklich die
Packsättel der Maulthiere nach und warf den einen, der nicht ordentlich
aufgelegt schien, ohne Weiteres wieder hinab, um die darunter liegenden
Decken frisch zu ordnen, damit die Thiere nicht wund gedrückt würden. Dann
sprang er hinauf, um das Gepäck zu holen, und wenn Bockenheim das auch
lieber selber besorgt hätte -- denn die kleinen Colli enthielten viel Gold
und waren schwer -- so hatten sie ja doch in so starker Begleitung Nichts
zu fürchten, und der arme _stumme_ Mensch konnte auch Nichts ausplaudern,
und schien überhaupt sehr stiller, friedlicher Natur.

Durch Pablo's Hülfe gelang es ihm auch weit rascher, mit all' seinen
Vorbereitungen zu Stande zu kommen, als das sonst wahrscheinlich der Fall
gewesen wäre, und kaum eine Stunde später setzte sich der Zug in Bewegung,
um so bald als möglich die Ufer des Atlantischen Ozeans zu erreichen.



Viertes Kapitel.

Auf dem Chagresfluß.


Es war in der That eine mühsame Tour. Wer noch nie diese tropische, dicht
bewaldete und von ewigem Regen feucht gehaltene Wildniß durchwandert hat,
kann sich wirklich keinen Begriff von den Schwierigkeiten machen, die sich
da dem Reisenden entgegenstellen und ihm überall Hindernisse in den Weg
werfen.

Die Vegetation ist unglaublich, und während Palmen und Laubhölzer ein
anscheinend festes Dach über den Wanderer wölben, daß kein Sonnenstrahl
wenigstens auf den Boden fallen, keine frische Brise seine heiße Stirn
kühlen kann, läßt es den niederfluthenden Regen in Strömen durch, denn
jedes Palmenblatt bildet eine besondere Wasserrinne. Der Boden wird dadurch
natürlich fortwährend naß und weich gehalten, sumpfige Strecken durchziehen
nach allen Richtungen hin den Pfad, so daß die Maulthiere bald hier, bald
da bis über die Knie im Morast versinken und manchmal durch die Treiber
selber wieder herausgehoben und auf die Füße gebracht werden müssen. Und
dabei dies oft undurchdringliche Unterholz mit dornigen Schlingpflanzen,
breiten, nassen Blättern, Palmschößlingen und niederen Büschen, durch das
man sich an vielen Stellen die Bahn mit dem Messer oder der =macheta= hauen
muß, und in welchem die Thiere trotzdem überall hängen bleiben.

Kein Wunder, daß man auf solchem Boden nur kleine, sehr kleine Tagereisen
machen kann. Den Abend verbringen die total durchnäßten Reisenden dann
unter einem von Palmblättern rasch hergestellten und sogenannten Rancho,
unter dem sie wenigstens trocken liegen. Außerdem ist auch das Klima so
warm, daß ihnen die Nässe selber Nichts schadet, denn Erkältungen kommen
dort nicht vor.

Hier aber, im ersten Nachtlager, zeigte sich erst, welchen vortrefflichen
Begleiter die Familie Bockenheim auf ihrem Wege gewonnen hatte; denn Pablo
schien im Urwald und bei einem niederströmenden Regen unbezahlbar. Ohne
dazu beauftragt zu sein, lud er die Maulthiere ab, brachte das Gepäck
zusammen auf einen engen Raum, legte die Decken darüber und über diese die
Packsättel, und ging dann mit einem kleinen Beil, das er jedenfalls nur zu
diesem Zweck bei sich führte, augenblicklich daran, eine Palme zu fällen,
die Blätter derselben dann zu spalten und nach einer passenden Stelle zu
schaffen, wo er das Lager für seine neue Herrschaft aufzuschlagen gedachte.
Rasch hatte er jetzt Pfähle gehauen und in den Boden gerammt, Querhölzer
darüber gelegt und deckte die temporäre Hütte dann mit den Palmzweigen so
fest und dicht, daß auch kein Tropfen Regen hindurchdringen konnte.

Auch weiche breite Blätter suchte er aus, um ein bequemes Lager zu
bereiten, und schichtete sie dick unter dem Palmendach auf, so daß
Bockenheim und seine Frau, wie sie nur erst ihr Gepäck an sich genommen
und ihre Decken ausgebreitet hatten, so bequem und weich wie in einem Bette
lagen.

Dabei sorgte der stumme Diener für Alles, bereitete ihnen das Abendbrod,
zog sich dann auf sein eigenes Lager am äußersten Rand des Blätterdachs
zurück, und hatte am nächsten Morgen _ihre_ Maulthiere zuerst von allen
beigetrieben und gesattelt.

In gleicher Art verbrachten sie das zweite Nachtquartier; dieser Tagemarsch
war aber fast noch beschwerlicher gewesen, als der erste, denn ein wahrer
Wolkenbruch entlud sich über die Höhen und wandelte die weiche Moorerde zu
einem flüssigen Morast, so daß einzelne Maulthiere abgeladen werden
mußten, um sie nur wieder aus den Sumpflöchern zu befreien, in denen
sie eingesunken waren. Natürlich hielt das die ganze Karavane auf. Die
einzelnen Reisenden durften sie doch nicht im Stich lassen, und wenn auch
nicht mehr weit vom Chagresfluß entfernt, konnten sie ihn doch nicht an
diesem Abend erreichen, und mußten zum zweiten Mal im Walde lagern.

Endlich am dritten Morgen kamen sie in Sicht des Stromes, und Pablo winkte
hier seinem neuen Herrn, daß er nur bei dem Zuge bleiben solle, indeß er
selber voraus eilte und ein Canoe für sie schaffte. Es gab allerdings eine
Menge von Indianern in jener Gegend, die es einträglich gefunden hatten,
sich mit dem Transport von Fremden zu befassen; aber es war doch immer
besser, sich gleich von vornherein ein Canoe zu sichern, um nicht einmal
der Möglichkeit ausgesetzt zu sein, in dieser Wildniß von den Uebrigen
zurückgelassen zu werden. Jetzt nämlich, mit dem Strom vor sich, der sie in
kurzer Zeit an die Küste bringen konnte, hätte Keiner mehr auf den Anderen
gewartet. Es dauerte auch nicht lange, so kehrte Pablo zurück und winkte
der Sennora, ihm nur zu folgen. Er mußte jedenfalls ein passendes Boot
gefunden haben, säumte auch nicht lange, sondern nahm die Thiere und führte
sie eine kurze Strecke stromauf, wo sie schon durch die dort offenen Büsche
eine Lichtung mit einer Hütte erkennen konnten.

Dicht darunter lag ein nicht sehr großes, aber bequemes Canoe, das er für
sie gemiethet zu haben schien. Der Preis dafür war allerdings, wie er in
den Sand schrieb, eine Unze, also sechszehn Dollars, aber auch wieder
nicht zu viel, wenn man bedachte, wie gerade dieser Volksstamm durch den
zahlreichen Verkehr verwöhnt worden war, hohe Preise zu fordern. Bockenheim
zahlte es auch mit dem größten Vergnügen; denn hatten sie doch jetzt die
beschwerliche und sogar gefährliche Landreise hinter sich, und durften also
hoffen, bald, recht bald das Ziel ihrer Reise zu erreichen. Einmal erst an
Bord des Dampfers, und sie waren so gut wie zu Hause.

Und wie glücklich war bis jetzt Alles gegangen. Von Räubern hatten sie auch
nicht die Spur unterwegs gesehen, noch weniger irgend eine Unbequemlichkeit
von ihnen erlitten. Die Neu-Granadiensische Eskorte nahm hier, mit einer
reichlichen Belohnung für die einzelnen Leute, Abschied von ihnen, um eine
gerade stromauf gekommene Gesellschaft zurück zu eskortiren. Sie hörten
auch hier, daß zwei Dampfer, der eine für New-York, der andere für San
Thomas bestimmt, vor Colon lagen. Der amerikanische wartete also auf die
=San Francisco Mail=, der westindische dagegen segelte gleich ab, und je
eher sie deshalb hinab kamen, desto besser.

Wenn die Reisenden nun aber auch kein räuberisches Gesindel unterwegs und
auf dem festen Land getroffen hatten, so war damit die Möglichkeit noch
gar nicht ausgeschlossen, daß sich einzelne solcher Strolche auf dem
Chagresfluß selber herumtrieben, und es blieb deshalb gerathen, die Canoes
der verschiedenen Parteien dort ebenso zusammen zu halten, wie auf dem
Lande ihre Maulthiere. Bockenheim wäre allerdings, da er am ersten mit
Pablo's Hülfe reisefertig geworden, auch am liebsten voraus gefahren, denn
der Boden brannte ihm hier unter den Füßen; Pablo selber aber rieth ihm
durch Zeichen, zu warten, bis die Uebrigen sich ihnen anschließen konnten,
und Mittag war es etwa, als sich die kleine Canoeflotte endlich in Bewegung
setzte und mit der ziemlich starken Strömung rasch den Fluß hinabglitt.

Der Indianer, dem das von Pablo gemiethete Canoe gehörte, saß am Steuer
oder ruderte vielmehr im Stern seines kleinen Fahrzeuges; vor ihm, seine
Schätze zu seinen Füßen, saß Bockenheim, dann kam Pablo, der ebenfalls ein
Ruder führte, um sie rascher vorwärts zu bringen, und vorn im Bug hatte
er der Sennora noch kurz vorher, ehe sie aufbrachen, von breiten
Bananenblättern und übergebogenen Bambusstäben ein kleines Zeltdach gebaut,
das sie gegen die Strahlen der Sonne oder etwa eintretende Regenschauer
vollkommen schützen konnte. Allerdings hatten sich noch einige
Reisegefährten als Mitpassagiere gemeldet, weil sie dadurch billiger
wegzukommen hofften; Pablo zupfte aber dann jedesmal seinen neuen Herrn
verstohlen, um ihm abzurathen, und Bockenheim selber hatte seine besonderen
Gründe, keine fremden Menschen in sein Fahrzeug zu nehmen. So blieben sie
denn allein und führten auch, von den beiden kräftigen Rudern vorwärts
getrieben, bald den ganzen Zug an.

Wie heiß aber die Sonne brannte -- Bockenheim briet ordentlich in ihren
Strahlen, und der aufmerksame Diener winkte endlich dem Indianer zu und
schrie ihn in unartikulirten Lauten so lange an, bis dieser etwas seitab in
den Schatten der über den Strom hineinhängenden Bäume hielt. Dadurch kamen
sie allerdings aus der eigentlichen Strömung, und andere Canoes gewannen
ihnen den Rang ab; aber was schadete das? Sie erreichten doch noch immer
zur rechten Zeit die Mündung und konnten indessen wenigstens bequem im
Schatten fahren.

Das Canoe aber, das Anfangs das erste gewesen, blieb jetzt mehr und mehr
zurück. Pablo schien doch mit Maulthieren besser und geschickter umgehen
zu können, als mit einem Ruder. Der Indianer zankte wenigstens ein paar Mal
auf ihn ein, wenn er durch irgend ein Versehen den Bug des Fahrzeuges aus
seiner Richtung und in irgend ein paar Zweigen oder aushängendem Holz fest
brachte, was immer einen geringen Zeitverlust erforderte, um es wieder los
zu bekommen. Er nahm aber solche Scheltworte ruhig und demüthig hin, und
that nachher sein Bestes, um es wieder gut zu machen.

Die Sonne neigte sich zu ihrem Untergang, aber die Entfernung sollte, nach
des Indianers Angabe, gar nicht mehr so weit sein, um nicht wenigstens das
kleine Städtchen Aspinwall noch zu erreichen. Der Himmel blieb dazu klar,
Mondschein hatten sie ebenfalls, und bei fast windstiller Luft war nicht
das Geringste zu befürchten. Sie brauchten ja eben nur mit der Strömung
hinabzutreiben.

Es war eine wundervolle Fahrt, und Bockenheims Frau besonders, die
nie etwas Aehnliches gesehen, ganz entzückt von der prachtvollen,
unbeschreiblich schönen Scenerie. Allerdings sahen sie nicht viel von dem
sich an beiden Seiten hinziehenden Wald, denn die ziemlich steilen und
schroffen Ufer verhinderten sie daran; aber überall über diese hinaus
hingen die herrlichsten Festons blumengeschmückter Ranken, neigten die
Palmen ihre gefiederten Wipfel oder schüttelten breitblättrige Bananen ihre
zitternden Wedel. Wo aber einmal ein kleiner Bach in den Chagres einmündete
oder selbst nur ein Sumpfwasser das, aus dem niederen Land kommend, hier
seinen Ausfluß suchte, da überbot die dort wuchernde Vegetation Alles, was
die Deutschen bis dahin für möglich gehalten, und diese konnten manchmal
einen Ausruf des Staunens und der Bewunderung nicht unterdrücken.

Wie ein kleiner, aus einem Feenmärchen herausgeschnittener Zauberhain lagen
zuweilen solche Stellen, mit dem beengten Wasserspiegel in der Mitte und
von Palmen und Laubholzgruppen, von Ranken und Lianen wie in einen Rahmen
eingefaßt, und ein paar Mal hemmte Pablo selber den Lauf des Canoes, damit
sie nicht zu rasch an solch' zauberschönem Bild vorübergeführt wurden.

Allein auch das Materielle verlangte zuletzt sein Recht. Die Natur schien
allerdings all' ihre Reichthümer hier auf diese eine Strecke verschwendet
zu haben, aber die Reisenden waren trotzdem hungrig und durstig geworden,
und wenn sie auch Lebensmittel und Wein im Canoe mitführten, fehlte es
ihnen doch an Früchten. Besonders Madame Bockenheim verlangte darnach,
Pablo aber winkte ihr zu, sich nur noch einen Augenblick zu gedulden, denn
sie würden, wie er mit der Hand zeigte, bald an eine Hütte am Ufer kommen,
wo sie deren reichlich fänden.

Sie hatten sich schon so an ihren stummen Diener gewöhnt, daß sie dessen
Zeichen so gut verstanden, als ob er mit Worten zu ihnen gesprochen hätte.
Uebrigens wollte die Frau auch die Bestätigung, ob es an der nächsten Hütte
Früchte gäbe, von dem Indianer hören; dieser lachte nur und nickte mit dem
Kopf. Es mochte ihm komisch vorkommen, daß es da _keine_ geben sollte, denn
die Leute lebten ja fast einzig und allein davon.

Malerisch genug sahen die einzelnen Wohnungen der Eingeborenen aus, die sie
hier und da am Ufer getroffen hatten, von Bambus errichtet, mit Palmfasern
oder Blättern gedeckt, und nackte und halbnackte braune Gestalten bemerkten
sie auch hie und da unten am Ufer, theils um Wasser zu holen, theils um zu
fischen, theils um sich zu baden. Solchen Plätzen darf man aber, einen so
romantischen Anstrich sie auch haben mögen, nicht zu nahe kommen; denn der
Schmutz in diesen Wohnungen ist wirklich entsetzlich, und Bockenheim selber
hatte schon genug von den kalifornischen Indianern in dieser Hinsicht
gesehen, um kein großes Verlangen nach dem Besuch einer dieser Baraken zu
fühlen. Außerdem durften sie sich auch nicht zu lange aufhalten, denn so
eben verschwand das letzte Canoe ihrer kleinen Flotte hinter der nächsten
Biegung des Stromes.

Der Indianer sagte ihnen übrigens, daß die kleine Hütte, die sie jetzt vor
sich sahen, die letzte am Ufer des Stromes wäre, wo sie Früchte bekommen
könnten, da der Chagres von hier ab durch lauter sumpfiges Land ströme.
Pablo hatte mit seinem Ruder vorn den Bug auch schon herumgeworfen, daß
sie jetzt gerade darauf zu hielten, und wenige Minuten später scheuerte
derselbe den weichen Schlamm.

Pablo sollte nun, da er vorn im Canoe saß, hinauf gehen und Früchte holen;
er lachte aber verlegen und deutete auf seinen Mund. Wie konnte der arme
Teufel dort sagen, was er haben wollte? Bockenheim selber aber hatte keine
Lust, das Canoe zu verlassen, und der Indianer wurde deshalb beordert,
hinauf zu laufen und mitzubringen, was er rasch finden könne, auch wo
möglich einen Trunk Milch für die Frau oder wenigstens ein paar Kokosnüsse.
Bockenheim gab ihm dazu einen spanischen Dollar.

In dem schwankenden Canoe konnte er aber nicht gut über die vor ihm
Sitzenden wegsteigen, noch dazu da die Laube, unter welcher die Frau ihren
Platz hatte, sein Aussteigen hinderte. Pablo stieß deshalb das Canoe wieder
zurück und suchte es seitwärts an das Land zu bringen, was ihm auch endlich
gelang. Dann sprang er hinaus in das Schlammwasser, ob es ihm auch fast bis
an die Hüfte ging, und hielt es fest, damit der Indianer rasch und leicht
hinaus und nachher die Früchte auch bequem einladen konnte.

Das Ufer war hier bis an den Strom hinab bewaldet, und nur ein schmaler,
ausgehauener Pfad führte an der Uferbank hinauf, in dem der Indianer gleich
darauf verschwand, um seinen Auftrag auszuführen.

Pablo indessen, der noch immer im Wasser stand und den Rand des Canoes
festhielt, drehte es jetzt so, daß es mit dem Stern oder Hintertheil mehr
an's Ufer kam, damit der Steuernde, wenn er zurückkehrte, augenblicklich
seinen Platz wieder einnehmen konnte. Bockenheim, der behaglich
ausgestreckt in dem kleinen Fahrzeug lag, sah ihm zu und nickte beifällig
mit dem Kopf. Die Sonne war schon hinter den Baumwipfeln verschwunden und
die Luft dadurch kühl und labend geworden. Und wie still und ruhig die Welt
hier schien, kein Lüftchen regte sich, kein Laut wurde gehört, auch keines
der übrigen Canoes befand sich mehr in Sicht -- sie mußten ihnen ein
tüchtiges Stück vorausgekommen sein -- aber was schadete das? Vor morgen
früh fuhr der westindische Dampfer schwerlich von Colon ab, oder wenn
doch, dann lag ja doch noch der nordamerikanische dort, der jedenfalls die
Postsäcke von San Francisco erwarten mußte. Den erreichten sie gewiß, und
konnten dann ihre Reise mit diesem fortsetzen. Gelegenheit nach Deutschland
gab es von da ab genug, und _er_ war unter jeder Bedingung in Sicherheit.

Still vor sich hin lachte er dabei, wenn er an seinen alten Freund aus
den Minen, den Mexikaner, dachte, wie der ihn jetzt in Lima suchen und wie
wüthend er sein würde, wenn er endlich erführe, daß er da draußen auf dem
Meere schwimme. Nach Deutschland mochte er ihm dann folgen; wo sollte er
ihn da finden? Und _wenn_ er ihn wirklich fand, welches deutsche Gericht
hätte sich auf eine so wahnsinnige Anklage hin seiner angenommen?

Ganz in seine Gedanken vertieft, hatte er gar nicht mehr auf den stummen
Diener geachtet, der indessen an Bord gestiegen war, das Canoe etwas
heranzog, dann das Ruder in die Hand nahm und nun langsam den Platz
einnahm, den der steuernde Indianer vorher inne gehabt. Jetzt setzte er
ruhig das Ruder gegen die Uferbank und schob das Canoe leise in den Strom
hinaus und vom Lande ab.

»Halt, Pablo,« sagte Bockenheim, ohne aber seine Stellung noch zu
verändern, »nimm Dich in Acht; wir werden flott, und ich glaube, Du weißt
nicht besonders mit einem Canoe umzugehen.«

Pablo's Augen blitzten von unheimlicher Gluth.

»Doch, Don Gaspard,« lachte er plötzlich mit heiserer Stimme, indem er
das Canoe mit einem einzigen kräftigen Ruderschlag bis weit hinaus in die
Strömung schießen ließ -- »vortrefflich!«

»Alle Teufel!« schrie Bockenheim, in dem ersten Moment mehr davon
überrascht, daß der Stumme sprach, als noch mit einem anderen Gedanken
beschäftigt, indem er halb herum fuhr und sich auf seinen rechten Ellbogen
stützte, um den also entpuppten Diener anzusehen, der aber indeß mit
reißender Schnelle das schlanke Fahrzeug von der Landung abführte. Einen
raschen Blick hatte dieser dabei über das untere Ufer geworfen, und ein
triumphirendes Lächeln zuckte um seine Lippen, als er nirgend mehr ein
Canoe am Ufer bemerken konnte. Es bedurfte keiner weiteren Vorsicht, denn
seine Bahn war frei.

»Aber Pablo!« rief Madame Bockenheim erschreckt, »der Indianer mit den
Früchten ist ja noch auf dem Lande!«

»Kennt Ihr mich nicht, Don Gaspard?« rief da Pablo. »Hat mich die
Augenbinde, der abrasirte Bart und das kurz geschnittene Haar so verändert,
daß Ihr Euren alten Freund Felipe nicht unter der Maske des Kajütenwärters
gespürt habt?«

»Felipe!« schrie der Deutsche, während Todtenblässe seine Züge deckte,
»Teufel!« und fast krampfhaft suchte er sich emporzurichten, um den
rechten Arm frei zu bekommen und nach seinem Revolver zu greifen; aber
der Mexikaner war schneller, als er. Das Ruder in der linken Hand lassend,
griff er mit der rechten neben sich und faßte das dort versteckte Beil.

»Räuber und Mörder!« zischte er zwischen den zusammengebissenen Zähnen
durch, »da nimm Deinen Lohn!« Und wie das Beil blitzschnell in die Höhe
zuckte, fuhr es zurück und grub sich tief in die Stirn des Unglücklichen,
der lautlos, nur mit einem dumpfen Röcheln, vornüber und zu seinen Füßen
zusammenbrach.

Einen einzigen gellenden, markdurchschneidenden Schrei stieß die Frau aus,
die das Entsetzliche kaum begriff. Aber sie sah den Schlag, der nach ihrem
Mann geführt wurde, hörte den dumpfen Laut, als die Waffe seine Stirn traf,
und sank ohnmächtig auf ihren Sitz zurück.

Weiter verlangte der Mexikaner Nichts, und sich um die Leiche zu seinen
Füßen nicht mehr kümmernd, legte er das Beil wieder neben sich und ruderte
dann, langsamer als vorher, den Fluß hinab, um die vorangegangenen Canoes
nicht einzuholen. Nur dicht am linken Ufer hielt er sich, damit er von der
eben verlassenen Landung nicht mehr gesehen werden konnte, und fühlte sich
dabei vollkommen sicher, daß ihm von dort ab, ehe nicht ein Canoe
vorüber kam, Niemand im Stande war zu folgen. Am Ufer hin, in Sumpf und
Schlingpflanzen, wäre es unmöglich gewesen, den Weg zurückzulegen.

Kaum hatte er aber die nächste Biegung hinter sich und sah die Bahn auch
vor sich frei, als er sich nach einem Platz umschaute, an welchem er, von
dem Gebüsch versteckt, landen konnte; denn mit der Frau durfte er natürlich
nicht nach Colon fahren. Eine solche Stelle zeigte sich auch bald. Dicht
unterhalb einer Schlammbank hatte sich eine natürliche kleine Bucht
gebildet, die auch jetzt weit genug von der zuletzt verlassenen Hütte
ablag, um dort ein Hülferufen nicht mehr zu hören. Wohl durchzuckte ihn der
Gedanke, auch die Frau des Verbrechers unschädlich zu machen; denn war sie
todt, so konnte sie nicht mehr als Klägerin gegen ihn auftreten -- aber
er sträubte sich auch gegen den Mord eines Weibes -- den Verbrecher
hatte seine Strafe ereilt -- sie selber trug keine Schuld, und rasch und
geschickt lenkte er jetzt den Bug des Canoes mitten in die überhängenden
Zweige hinein, und hatte es wenige Minuten später so sicher hinter dem
Gebüsch verborgen, daß selbst ein vorbeifahrendes Canoe seinen Versteck
nicht hätte finden können.

Die Frau lag noch in ihrer Ohnmacht, und er benutzte die freie Zeit, um den
schweren Leichnam des Deutschen ans Land zu heben und zu untersuchen. Den
Revolver und die Brieftasche nahm er an sich, das Gold, welches er bei ihm
fand, legte er zurück ins Canoe. Das beendet, zog er dem Ermordeten die
oberen Kleider aus, band ihm ein Seil, das er bei sich führte, um den
Körper, befestigte das Ende desselben im Canoe und ließ dann den Leichnam
wieder ins Wasser gleiten, damit die Frau, wenn sie sich erholte, nicht
seiner ansichtig würde.

Das geschah indessen rascher, als er selber geglaubt, und wie furchtbar ihr
Erwachen war, läßt sich denken. Aber die Angst lähmte ihre Zunge, denn
sie sah sich mit dem Furchtbaren allein, und wußte nicht, was nun auch
ihr Schicksal sein würde. Felipe bemerkte aber kaum, daß sie zur Besinnung
zurückgekehrt sei, als er ruhig sagte:

»Sennorita, Sie haben für sich Nichts zu fürchten, wenn Sie sich still
verhalten und nicht wahnsinnig genug sind, Hülfe herbeirufen zu wollen, wo
keine zu bekommen ist.«

»Aber mein Mann -- mein Mann!« stöhnte die Arme.

»Er war ein Schurke!« rief der Mexikaner finster, »und alles Gold, das er
mit nach Peru gebracht, nur der Raub, den er _mir_ abgenommen, als er mich
meuchlings im Kalifornischen Walde überfiel. Er hat seine Strafe erhalten
-- die Alligatoren des Chagres verzehren jetzt schon ihre Beute.«

»O mein Gott! O mein Gott!« winselte die arme Frau, »und was wird jetzt aus
mir?«

»Wenn Sie mir das Versprechen geben,« sagte der Mexikaner, »daß Sie sich
_heute_, an der Stelle auf welcher ich Sie hier aussetzen muß, vollkommen
ruhig verhalten wollen, so werde ich Ihnen Geld genug geben, um Ihre
Rückfahrt zu decken. Es ist mehr, als Ihr Mann damals für mich gethan.
Morgen früh kehren dann die Canoes zurück, die jene Passagiere nach
Colon gebracht haben -- die mögen Sie anrufen und um Hülfe bitten. Auch
Lebensmittel sollen Sie da behalten, um davon zu zehren; ich habe keine
Vergeltung an Ihnen zu üben, nur an dem Verbrecher.«

»Und hier, in dem furchtbaren Sumpf soll ich allein zurückbleiben?« stöhnte
die Frau entsetzt.

»Es geschieht Ihnen Nichts,« lachte der Mexikaner bitter; »halten Sie sich
nur ein wenig vom Ufer ab, daß Sie nicht in der Nacht mit einem Alligator
zusammentreffen, dann haben Sie nichts zu fürchten; aber,« setzte er
drohend hinzu, »wagen Sie es, auch nur _einen_ Hülferuf auszustoßen, dann
sind Sie verloren. Gleich unterhalb dieser Stelle werde ich selber bis
Mitternacht versteckt bleiben, um dann nach Colon herunter zu fahren. Höre
ich einen einzigen Laut, dann haben Sie kein Erbarmen mehr zu hoffen; denn
ich darf mich selber keiner Gefahr aussetzen.«

Noch während er sprach, hatte er die Frau ans Land geführt und ihre Sachen,
die er recht gut kannte, aus dem Canoe geschafft, ebenso fast Alles,
was sich an Lebensmitteln im Fahrzeug befand. Die Frau war auf den Boden
gesunken und barg ihr Antlitz in den Händen. Leise schob indessen der
Mexikaner das Canoe wieder vom Land ab und schleifte den daran hängenden
Körper hinter sich her, bis in tiefes Wasser. Die Frau regte sich nicht.
Wenige Minuten später befand er sich draußen in der Strömung, durchschnitt
das Seil, das den Leichnam hielt, und glitt jetzt, so rasch ihn das Ruder
fördern konnte, den Strom hinab.

Dort galt es allerdings, vor allen Dingen die Blutspuren im Canoe
fortzuschaffen, damit diese nicht einen Verdacht gegen ihn wecken konnten.
Das that er, während er, von der Strömung getragen, weiter trieb mit den
dem Deutschen abgenommenen Kleidungsstücken, die er nachher ins Wasser
warf. In kaum einer halben Stunde, und noch vor oder mit eben einbrechender
Dunkelheit, war er fertig und hatte sein Canoe wieder so sauber und blank
gewaschen, daß man auch nicht das mindeste Außergewöhnliche mehr daran
erkennen konnte. Er dachte aber gar nicht daran, sich in der Nähe der am
Ufer zurückgelassenen Frau versteckt zu halten; die Drohung sollte nur dazu
dienen, sie einzuschüchtern, damit sie nicht vor der Zeit doch noch Hülfe
herbeischrie und unbequeme Verfolger auf seine Fährte setzte. Jetzt hatte
er deshalb Nichts weiter zu thun, als den Canoes der übrigen Passagiere
auszuweichen, und in Nacht und Dunkelheit war schon keine Gefahr mehr, mit
ihnen zusammenzutreffen.

Wer von diesen bekümmerte sich aber auch um andere Passagiere, noch dazu
um die Deutschen, mit denen sie wenig oder gar nicht an Bord verkehrt? Ein
Theil von ihnen beabsichtigte, direkt nach New-York, ein anderer nach San
Thomas zu fahren; es fragte Keiner von Allen darnach, wohin _sie_ sich
gewandt.

Der Mexikaner erreichte Colon etwa um elf Uhr Abends, gedachte aber nicht,
an der Stadt anzulegen, und fragte nur einen Fischer, den er noch an
der Mündung des Stromes mit seinen Netzen beschäftigt fand, ob er wisse,
welcher der beiden dort südlich von ihnen liegenden Dampfer zuerst abfahren
werde.

»=Caramba, Señor=, seht Ihr denn das nicht?« lachte der Mann. »Der eine
raucht ja schon aus Leibeskräften. Wenn Ihr da noch an Bord wollt, müßt Ihr
machen.«

Felipe verlangte nicht, mehr zu hören; er legte sich scharf ins Ruder, und
war bald langseit des Dampfers, wo sich die Matrosen, die sein Gepäck an
Bord zu nehmen hatten, nicht wenig über das _Gewicht_ der beiden kleinen
Koffer wunderten. Aber Niemand fragte ihn, woher er käme, oder achtete
darauf, daß er vorn ins Zwischendeck ging und dort seine Passage nahm. Nur
bei dem Clerk des Dampfers mußte er sich melden und diesem die Fahrt nach
San Thomas, wo das englische Boot zuerst anlegte, zahlen.

Andere Passagiere trafen noch ein, aber Alle für die Kajüte, Keiner von
Allen kam nach vorn, und als um zwölf Uhr die Räder anfingen zu arbeiten,
der schwere Anker aus der Tiefe kam, saß Felipe in Sicherheit vorn auf der
Back des Fahrzeuges und schaute mit finster zusammengezogenen Brauen nach
der Mündung des Chagresflusses, der sein Opfer barg, hinüber.

Am nächsten Morgen schien ganz Colon in Aufregung; denn ein Indianisches
Canoe war mit der Frau des Ermordeten eingetroffen, und die Polizei
augenblicklich auf den Füßen -- aber zu spät. Der nordamerikanische Dampfer
sollte San Thomas anlaufen, um den Verbrecher dort aufzuspüren, aber der
Kapitän weigerte sich; es war ein Postschiff, das seine Zeit einhalten
mußte und sich nicht tagelang aus dem Wege fahren konnte. Die Frau wollte
er nach New-York mitnehmen, weiter konnte er nichts für sie thun.

Es hätte ihnen auch Nichts genützt; denn vor San Thomas kreuzen, sobald der
englische Dampfer anlegt, augenblicklich eine Menge kleiner Segelfahrzeuge
nach den verschiedenen Inseln, ja selbst nach Venezuela ab; und wer hätte
nachher sagen können, welches von allen der Flüchtige benutzt hatte, um vor
der Hand nur erst einmal die Verfolger von seiner Spur abzubringen? Er
war fort und in Sicherheit mit seinem Raub, und die Frau des Schuhmachers
kehrte später mit dem kleinen Kapital, das sie in ihrem eigenen Koffer
geborgen, nach Deutschland zurück. Allerdings gewann sie noch eine Summe
aus dem Erlös ihrer Brillanten, die ihr der Mexikaner gelassen, oder an die
er wohl nicht einmal gedacht, und nahe an tausend Thaler lieferte auch
noch die später in Lima verkaufte Einrichtung; aber wie anders hatte sie
geglaubt, das Vaterland wieder zu betreten!

Sie gab auch, dort angekommen, die Hoffnung noch nicht auf, den Mörder zu
erreichen. Augenblicklich machte sie die Anzeige, und der ***sche Gesandte
in Mexiko, wie die verschiedenen Consuln, bekamen bestimmten Auftrag, nach
demselben zu forschen, daß man nur erst einmal seinen Aufenthalt erfuhr.
Es blieb vergeblich. Ob Felipe Corona gar nicht wieder nach Mexiko
zurückgekehrt war? Seine Spur wurde nie wieder aufgefunden.



Ein =prize-fight= oder Boxerkampf in Cincinnati.


Als ich nach Cincinnati kam, beschäftigte die dortige Presse in dem
Augenblick fast einzig und allein ein in den nächsten Tagen abzuhaltendes
Preisboxen, das zwischen zwei berühmten Boxern Jones und McCoole
stattfinden sollte. Wahlen, indianische Ueberfälle im Westen, Alles war in
dem einen, zu erwartenden Genuß vergessen, und dabei wurde diese von den
Gesetzen doch so streng verbotene Sache mit einer so naiven Oeffentlichkeit
betrieben, daß es besonders den Fremden in Erstaunen setzen mußte. Ueberall
klebten die Zettel, die mit der Abbildung beider Kämpfer zur Theilnahme
aufforderten, und Jones besonders, von dem man wußte oder wissen wollte,
daß er die =science of the art= auf das Gründlichste verstehe, gab schon
vorher eine Art von Vorstellung in der »Mozart-Halle,« die dann auch bei
dichtgedrängtem Hause stattfand.

Der Tag kam, und anstatt Eintrittskarten wurden weiße und lila Bänder
verkauft (der Preis für ein lila Band für den inneren Ring =à= 7 Dollars),
die zugleich für freie Passage auf dem Extrazug galten. Aber Niemand wußte,
wo der Kampf stattfinden sollte, als die wenigen Eingeweihten, und die
Polizei mußte jetzt doch einschreiten und Jones verhaften, der aber
augenblicklich wieder auf Bürgschaft entlassen wurde, als er sich
verbindlich machte, den Frieden des Counties, in welchem Cincinnati lag
(=Hamilton county=) nicht zu stören. Ueber die Grenzen desselben hinaus
hatte die Polizei keine Macht. Allerdings wußte man, daß der Preiskampf
nichtsdestoweniger an der Grenze stattfinden würde, aber Niemand natürlich,
nach welcher Himmelsrichtung, und man ließ der Sache eben ihren Lauf, ja
kehrte sich sogar nicht daran, als Zeit und Bahnhof genau angegeben und von
jedem Theilnehmer gekannt waren.

Die Abfahrt sollte Morgens halb zwei Uhr stattfinden und fünfzehn jener
riesigen amerikanischen Eisenbahnwagen standen bereit, die Zuschauer an den
Ort ihrer Bestimmung zu schaffen. Es wurde aber fast drei Uhr, ehe der Zug
abging, und die Wägen fanden sich dann auch gestopft voll Menschen. Nicht
allein die Sitze waren überfüllt, nein in jedem Wagen standen auch
überdieß noch 25-30 unglückliche Individuen, von denen Viele wohl die ganze
vorherige Nacht durchgeschwärmt hatten und vor Müdigkeit nicht mehr die
Augen aufhalten konnten.

Der Zug konnte nicht rasch vorrücken, denn der Verkehr auf der Bahn ist ein
sehr starker, und nur zu oft mußten wir halten, um regelmäßige Züge, die
sich eben so regelmäßig verspätet hatten, durchzulassen. Endlich nach sechs
Uhr erreichten wir den Platz -- ein kleines, parkartiges Gehölz, das zu der
Farm eines Baptistenpredigers gehörte und zu dem Zweck von ihm gemiethet
war. Einige der Passagiere wunderten sich darüber, daß der Geistliche
sein Grundstück zu einem, noch dazu durch das Gesetz verbotenen Boxerkampf
hergeben sollte, Andere aber vertheidigten ihn wieder und behaupteten, er
würde keineswegs gewußt haben, wozu man es gebrauchen wolle. In Amerika ist
aber, noch dazu bei der Aussicht, Geld zu verdienen, Alles möglich, und so
gut wie jetzt die Methodisten in Omaha ihre kleine Kirche auf zehn Jahre
an einen deutschen Wirth verpachtet haben, um für diese Zeit eine Bierhalle
daraus zu machen, eben so gut konnte der Baptist auch das kleine Gehölz
einmal auf ein paar Stunden für einen Schauplatz roher Brutalität
vermiethen und sicherlich nicht mehr in der kurzen Zeit damit verdienen.

Doch dem sei, wie ihm wolle. Wir waren da, und kaum hielt nun der Zug, als
das wilde blutdürstige Volk schon wie ein Schwarm von den Wägen hinabsprang
und sich über die unter ihm zusammenbrechende Fenz warf, um einen »guten
Platz« zu bekommen und den Kämpfenden so nahe als irgend möglich zu sein.
Ja, damit waren Viele noch nicht einmal zufrieden, und wie sie nur das
kleine Gehölz erreichten, suchten schon Hunderte an den nächsten Bäumen
emporzuklettern, um von denen aus keinen Moment des »interessanten Kampfes«
zu versäumen. Vielen gelang das auch, und einzelne kleine, leicht
zu ersteigende Bäume waren im Nu mit Menschen gefüllt, die oft in
lebensgefährlicher Weise bis in die äußersten Zweige hinauskletterten
und dort hängen blieben. Andere, als sie dort keinen Platz mehr fanden,
versuchten sich an dickeren Bäumen, und Manche entwickelten dabei eine
erstaunliche Fertigkeit. Wehe aber dem armen Teufel, dessen Kräfte
unterwegs nachließen -- Aller Augen, da es noch weiter nichts zu sehen
gab, hingen an ihnen, und wie sie nur hielten, ertönten schon spöttisch
ermuthigende Zurufe, die sich aber zu einem indianischen Geheul steigerten,
sobald der Unglückliche, mit hochhinaufgerutschten Hosen, seinen nicht mehr
zu verheimlichenden Rückweg begann.

Indessen wurden Anstalten gemacht, um den sogenannten Ring aufzuschlagen,
was aber durch die augenblicklich herbeidrängenden Menschen zur
Unmöglichkeit wurde. Außerdem war der Boden hart und trocken und die Pfähle
ließen sich nur sehr schwer eintreiben. Es dauerte auch in der That
eine volle Stunde, bis man die wie wahnsinnigen Menschen nur so weit
zurücktreiben konnte, um die Arbeit in Angriff zu nehmen, und weder
Vernunftgründe noch Gewalt schienen bei ihnen etwas auszurichten. Sehen
wollten sie -- Alles sehen, wofür sie ihr Geld bezahlt, und nur erst, als
sie doch wohl einsahen, daß in solcher Weise der Kampf nie stattfinden
könne, gaben sie endlich nach.

Die Pfosten wurden etwa 12 Fuß von einander eingetrieben, so daß sie ein
etwa 18 Fuß im Quadrat haltendes Viereck umschlossen, und dann mit festen
Tauen so gut als möglich zusammengeschnürt. Die Taue mußten auch dazu
dienen, die Kämpfer, wenn sie dagegen geworfen würden, aufrecht zu halten.

Dicht -- so dicht als möglich um das Viereck lagerten aber die Zuschauer,
und da sich etwa 3000 von diesen auf dem Plan befanden, so wäre es später
für die hinten Stehenden nicht möglich gewesen, auch nur einen Blick in den
Ring zu werfen. Dafür mußte Abhülfe geschafft werden, und es begann jetzt
von Neuem die sehr undankbare Arbeit, die Menschenmasse, die sich sicher
im Besitz eines guten Platzes fühlte, wieder eine ganze Strecke
zurückzutreiben und nicht allein einen größeren Kreis, sondern auch einen
freien Platz um den Ring zu bekommen.

Auch dieß geschah endlich, nachdem ein Zeitungsredakteur, von Chicago,
glaub' ich, der besonders zu dem Zweck hierher gekommen, eine Rede an das
»Volk« gehalten und ihm damit gedroht hatte, daß der Kampf (=the fight=)
unter keinen Umständen stattfinden könne, wenn sie nicht den Anordnungen
der Kommission Folge leisteten. Widerstrebend gaben sie endlich Raum, aber
nur Zoll für Zoll, bis sie endlich etwa zehn Schritt freie Bahn zwischen
sich und dem Kampfplatz hatten. Dann wurden die ersten fünf bis sechs
Reihen beordert, die Ersten sich zu lagern, die Anderen zu knieen, und
wenn dann die Hintersten aufrecht standen, konnte jeder an dem Genuß Theil
nehmen.

Bis dahin war es etwa zehn Uhr geworden und das Publikum hatte, einzelne
kleine Zwischenfälle abgerechnet, gar kein Vergnügen, denn die Kampfrichter
konnten sich noch nicht über einige Formalitäten einigen. Für Zwischenfälle
sorgten aber die auf den Bäumen sitzenden Zuschauer, denn mehr und
mehr kletterten hinauf, und hie und da knackte ein Ast, was die dadurch
Bedrohten zwang, ihr Heil in der Flucht zu suchen. Ein paarmal brach auch
ein zu sehr beladener Ast und die darauf Sitzenden stürzten dann, zum
Jubel der ganzen Versammlung, auf den Boden nieder -- glücklicherweise ohne
ernstlichen Unfall.

Auch einige Streitigkeiten kamen vor, denn die Herren in den Bäumen kauten
sehr natürlich, nach amerikanischer Sitte, Tabak und mußten ausspucken, und
das konnte eben so selbstverständlich nur nach unten geschehen. Von unten
wurde dann hinaufgedroht und von oben heruntergelacht, und die Sache blieb
beim Alten.

Endlich -- es war fast elf Uhr geworden -- gerieth die Menge in Bewegung.
»Sie kommen!« so lief der Ruf durch die Versammlung, und nach kurzer Zeit
erschien einer der Kämpfer auf dem Schauplatz. Schon ehe er denselben
erreichte, warf er, nach alter Boxersitte, seinen runden Hut voran und
hinein, und ein Jubelschrei begrüßte ihn. Es war der Engländer Jones,
eine breitschultrige, derbknochige, aber gemein aussehende Gestalt, doch
anständig gekleidet und nur mit einem breiten, ausdruckslosen und jetzt
augenscheinlich bleichen Gesicht und kleinen Augen. Er schien grüne
Handschuhe zu tragen.

Ohne Aufenthalt kroch er unter den Tauen durch in den »=ring=« und nahm,
da er die Wahl der Ecken hatte, seinen Platz in der einen, oberen, wo schon
ein Stuhl für ihn bereit gestellt war. -- Auch seine beiden Sekundanten,
allem Anschein nach der untersten Schicht der Gesellschaft angehörend,
kamen jetzt herzu, und nachdem sie sich die bezeichnenden seidenen Binden
um die Hüften gelegt, als Zeichen, welcher Partei sie zugehörten, hielt der
Eine von ihnen einen ausgespannten Regenschirm über Jones, um ihn gegen die
Strahlen der schon ziemlich heiß brennenden Sonne zu schützen. -- Es war
ein rührendes Bild.

Jetzt aber brach ein wilder Jubelsturm los, denn ein guter Theil der
Anwesenden schien dem irischen Volksstamm anzugehören, und der Hut
McCoole's, des Iren, flog wirbelnd in den Ring, während die riesige Gestalt
desselben keck und wie siegesgewiß demselben folgte und seine Freunde
lächelnd begrüßte.

Ich selber zweifelte in dem Augenblick keinen Moment mehr, wer von Beiden
Sieger des heutigen Tages bleiben würde -- Jones oder McCoole.

Der Ire nahm die andere Ecke ein. Es war eine hohe, mächtige Gestalt, über
sechs Fuß, mit breiter Brust, aber einem rohen, wüsten Ausdruck in den
Zügen. Er ging in einen dicken Rock fest eingeknöpft und hatte noch
außerdem, und trotz der Hitze, einen wollenen Shawl um den Hals geschlagen.

Auch seine beiden Sekundanten gesellten sich, unter den nämlichen
Vorbereitungen, zu ihm und Beide verharrten dann wohl volle zehn Minuten,
vielleicht länger, in ihrer Stellung, nur dann und wann Einer nach dem
Andern einen verstohlenen Blick hinüber werfend, um die Chancen des Kampfes
vielleicht zu berechnen.

Endlich warf Jones seinen Rock ab und löste sich das Halstuch, welchem
Beispiel gleich darauf sein Gegner folgte. Die Sekundanten waren dabei
beschäftigt, ihnen die Schuhe aus- und ein Paar Halbstiefeln anzuziehen,
an denen sich, wie bei Steigeisen, scharfe Spitzen befanden, um ihr
Ausrutschen auf dem Rasen zu verhindern.

Wieder eine kurze Pause. McCoole hatte ein paar Worte mit seinen
Sekundanten gewechselt und die Kampfrichter wurden auf die grünlichen Hände
Jones' aufmerksam gemacht, die man Anfangs für mit Handschuhen bedeckt
angesehen hatte. Es scheint, daß McCoole den Verdacht geäußert, sie könnten
mit einer giftigen Substanz versehen sein. Jones wurde deßhalb von dem
vorhandenen Arzte, nachdem dieser sie berochen -- was genau so aussah, als
ob er dem Preisboxer die Hand küßte -- aufgefordert, daran zu lecken. Er
that das auch lächelnd und mit so augenscheinlich gutem Willen, daß jeder
Verdacht schwinden mußte. Es war nur eine bei Preisboxern nicht seltene
Gerbestoffmasse, mit welcher er die Hände angestrichen hatte, um die Haut
fester zu machen und sie bei einem schweren Schlag nicht so leicht zu
gefährden.

Jetzt wurden den beiden Kämpfern die Beinkleider ausgezogen, unter denen
sie kurze Hosen und lange Strümpfe trugen. Und nun erst erhob sich Jones
und dann McCoole, warfen ihre Oberhemden ab und zeigten die breite nackte
Brust, wie den muskulösen Bau der Schultern.

Jones' Oberkörper war weiß und glatt, auch mehr fleischig, McCoole dagegen
mit dichten schwarzen Haaren bedeckt, und so standen sie sich einen
Augenblick gegenüber. Dann plötzlich schritt McCoole auf den Gegner zu und
reichte ihm die Hand, die dieser nahm und hielt, während die Sekundanten
jetzt auch ihrerseits die Hände über denen der Gegner kreuzten, so daß die
Sechs zusammen für wenige Sekunden in einem Ring standen. Der aber löste
sich sehr bald wieder, und jetzt rückte der eigentliche Moment heran, dem
heute ja Alles entgegenstrebte: der wirkliche Kampf.

Beide Gegner waren noch einen Moment zu ihrem alten Stand zurückgetreten,
jetzt schritt McCoole langsam wie ein Bär aus seiner Höhle vor und rascher
folgte Jones seinem Beispiel. Der Letztere hielt aber ein kleines Packet
Banknoten, sogenannte Greenbacks, in der Hand und forderte jetzt McCoole
keck heraus, hundert Dollars gegen die seinigen zu setzen, daß er ihn
zuerst zu Boden schlagen würde.

McCoole erwiederte kopfschüttelnd, daß er kein Geld mehr habe, einer der
Zuschauer aber nahm die Wette auf und das Geld wurde deponirt.

Mir gefiel Jones' ganzes Auftreten nicht. Selbst die anscheinende
Zuversicht, mit welcher er die Wette anbot, kam mir so vor, als ob
Jemand aus lauter Verlegenheit lacht. Aber es blieb keine Zeit, weitere
Beobachtungen zu machen, denn die Sache wurde Ernst. Die Sekundanten hatten
Beiden noch einmal Brust und Arme abgerieben, etwa genau so, wie man ein
Pferd abreibt, um seinen Muskeln mehr Geschmeidigkeit zu geben, und jetzt
wurden sie, wie bissige Köter, gegeneinander losgelassen.

McCoole schien sich dabei mehr auf die Vertheidigung zu halten; er hatte
wahrscheinlich zu viel von Jones' Kunstfertigkeit und Gewandtheit gehört
und wollte sich nicht leichtsinnig einer Gefahr aussetzen, während Jones
dagegen augenscheinlich bemüht war, den ersten Schlag anzubringen. Den
führte er auch, aber McCoole parirte ihn. Beide gaben dabei ihren
Armen freies Spiel, jetzt zu einem Scheinangriff ausfallend, jetzt
zurückweichend, bis Jones eine Blöße McCoole's zu benützen suchte. Aber
er hatte sich darin geirrt; der Schlag glitt ab und wurde rasch erwiedert,
Jones parirte auch diesen und holte wieder aus, als McCoole's rechte
Eisenfaust ihn gegen das linke Auge traf und wie einen Sack zu Boden warf.

Ein wahres Jubelgeheul machte die Luft erbeben. Im Nu aber sprangen die
Sekundanten hinzu und hoben nicht allein Jones auf, um ihn zu seinem Stuhl
zu tragen, nein, thaten auch das Nämliche mit dem völlig ungeschädigten
McCoole, der es sich ruhig gefallen ließ. Beider Gesicht wurde dann rasch
mit kaltem Wasser abgewaschen, Jones schon mit Blut unterlaufenes Auge
besonders aufmerksam, und während das der Eine that, schob der Andere
seinem Kämpfer etwas in den Mund, das wie ein Schwamm aussah und vielleicht
etwas Stärkendes oder Erfrischendes enthielt. Es wurde ihnen auch nicht
viel Zeit dabei gelassen, denn die Pausen zwischen den einzelnen Gängen
oder =rounds= dürfen den hierbei gültigen Gesetzen nach nur genau
30 Sekunden dauern, wozu ein Mann mit einer Sekundenuhr in der Hand
fortwährend neben dem Kampfrichter steht. Wer von den Kämpfern nach
30 Sekunden nicht wieder in der Arena steht, wird als besiegt erklärt --
und wie rasch vergehen 30 Sekunden!

Jones stand zur bestimmten Zeit wieder auf den Füßen und McCoole gegenüber,
aber es sah so aus, als ob er scheu geworden wäre, und er zeigte sich
jedenfalls lange nicht so geneigt mehr, als beim ersten Gang, mit dem
gefährlichen Gegner anzubinden. Desto weniger Zeit aber verlor McCoole und
nach kaum einer halben Minute, in welcher Jones ein paarmal auswich, konnte
er sich zuletzt nur dadurch vor einem gefährlichen Schlag des Iren retten,
daß er sich wieder rasch zu Boden warf.

Neues Geheul und stürmischer Jubelruf von allen Iren und Denen, die auf
McCoole gewettet hatten, erfüllte die Luft, und wieder wurden beide Kämpfer
zu ihren verschiedenen Sitzen zurückgetragen und genau so behandelt als
vorher -- wieder standen sie sich 30 Sekunden später kampffertig gegenüber.
Aber es war jetzt kaum noch ein Zweifel, wer von ihnen Sieger bleiben
müsse. McCoole ging scharf und keck vor, Jones hatte alle Zuversicht
verloren und nur noch eine Hoffnung -- nämlich die, durch ein paar
kunstgerechte Schläge die Augen des Gegners zu treffen, wonach er diesen
dann leicht so lange aufhalten konnte, bis das Anschwellen der weichen
Theile um die Augen ihn zeitweilig erblinden machte. Aber darin hatte er
den Nachtheil, daß er wenigstens fünf Zoll kleiner als sein Gegner war und
deßhalb zu hoch mit seinen Armen hinauflangen mußte. Als er so in die Höhe
reichte, erhielt er einen furchtbaren Schlag in die Seite, der ihm zwei
Rippen knickte, und nun war es vorüber. Noch viele Gänge hatten sie,
und einmal ermannte sich Jones, hielt Stand und versetzt McCoole einen
entsetzlichen Schlag gegen die rechte Seite des Kopfes, der auch aus seinem
Auge Blut brachte, aber McCoole schlug ihn gleich dafür wieder zu Boden und
weigerte sich sogar, von dem Kampf erregt, getragen zu werden. Er schritt
selber leicht zu seinem Stuhl zurück.

Noch erhielt Jones, der Muth und Kraft verloren hatte, einen Schlag gegen
den Körper, der genau so klang, als ob man mit einem Hebebaum auf einen
Wollsack schmetterte, aber es bedurfte dessen kaum noch, denn bei ein paar
Gängen mußte er sich zu Boden werfen, ohne nur berührt zu sein, um einem
furchtbaren, nach ihm gerichteten Schlag auszuweichen. Hatte er doch die
Kraft verloren, ihn zu pariren. Es war dann ein scheußlicher Anblick, wenn
der überdieß nicht hübsche Bursche, mit den blutunterlaufenen Augen und
bleichen Zügen, aber lächelnd zu seinem Sieger aufblickte, als ob er sagen
wollte: Siehst Du wohl, dießmal bin ich Dir doch noch ausgewichen. Aber
McCoole blickte nur verächtlich auf ihn nieder und schritt zu seinem Stand
zurück, denn kein Schlag darf geführt werden, wenn der Gegner am Boden
liegt.

Noch zwei Gänge und der entscheidende Schlag fiel. Jones war
augenscheinlich zur Verzweiflung getrieben. Er fühlte, daß er nicht lange
mehr aushalten könne, und machte einen verzweifelten Angriff auf den Iren.
Das aber bekam ihm schlecht. McCoole war auf seiner Hut und ein Schlag
gegen den Hals oder untern Theil des Gesichts -- es ließ sich das in der
Schnelligkeit nicht so genau bestimmen -- schmetterte Jones mit solcher
Gewalt zu Boden, daß ihm der Kopf auf die Seite sank.

Er wurde augenblicklich wieder auf seinen Stand getragen, aber er war nicht
im Stande, sich in der kurzen Frist von 30 Sekunden zu ermannen, hatte auch
vielleicht, den Hieben gegenüber, keine besondere Lust dazu. Dreißig --
fünfunddreißig Sekunden verflossen, und jetzt schmetterte das Siegesgebrüll
der Irländer durch die Luft, und Alles sprang jauchzend in den Ring, um den
Sieger zu begrüßen -- oder auch vielleicht um zusehen, wie er seinen Gegner
zugerichtet habe.

Viele stimmten freilich nicht mit in das Siegesgeschrei ein, und zwar aus
dem sehr triftigen Grunde, weil sie bedeutende Summen -- man sprach sogar
von _sehr_ bedeutenden, die gewettet worden -- verloren hatten. So soll
ein Mann allein über 50,000 Dollars auf ihn verloren haben. Nur die
Gleichgültigen eilten, so rasch sie konnten, nach den schon ihrer harrenden
Wagen des Extrazugs zurück, um Sitzplätze zu bekommen und die Stehplätze
dießmal Denen zu überlassen, die hoch oben in den Bäumen saßen und nicht
so rasch heruntergleiten konnten, und nach kaum einer halben Stunde setzte
sich der Zug langsam wieder in Bewegung.

Vorher war aber schon der wieder zum Bewußtsein gekommene Jones in einen
Wagen gesetzt worden und abgefahren, und als wir nach etwa zehn Minuten
wieder hielten, überholten wir diesen. McCoole selber war mit im Zug, aber
er stieg aus und ging zu Jones' Wagen, in welchem dieser mit verbundenem
Kopf saß, und reichte ihm dort hinein die Hand.

Zugleich ging im Zug das Gerücht um, daß Jones selber eine ziemlich große
Summe bei dem Kampf gewettet und verloren habe, und daß man unterwegs für
ihn sammeln würde. Es dauerte auch nicht lange, so kam McCoole selber, das
breite, gemeine Gesicht wohl etwas geschunden, aber sonst allem Anschein
nach völlig unverletzt, durch unsern Waggon. Vor ihm ging einer seiner
Sekundanten, ein Papier in der Hand, um zu Unterschriften aufzufordern,
hinter ihm McCoole mit seinem schwarzen breitrandigen Hut in der Hand, um
kleinere Gaben gleich einzukassiren. Aber der Erfolg scheint kein besonders
glänzender gewesen zu sein, -- wer auf Jones gewettet und verloren hatte,
fand seinen Geldbeutel schon genug in Anspruch genommen. Wer gegen ihn
gewonnen, gab wohl etwas, und eine kleine Summe kam dadurch zusammen. Es
ist auch in der That eine starke Zumuthung, einem besiegten Preisboxer noch
Almosen zu geben; die giebt man doch lieber einem braven, hülfsbedürftigen
Arbeiter.

So endete dieser wirklich berühmte Zweikampf, der auch in der That einiges
politische Interesse hatte, da er, in damaliger Zeit gerade, zwischen einem
Irländer und Engländer stattfand und dadurch schon die Sympathieen der
Amerikaner für den Iren erweckte. Welchen Antheil man aber daran nahm, geht
schon daraus hervor, daß der Kampf etwa 16 Minuten nach elf Uhr zu Ende kam
und um zwölf Uhr -- ja noch einige Minuten früher -- schon die Zeitungen
ausgegeben und von Jungen durch die Straßen geschrieen wurden, in welchen
ein zwar flüchtiger, aber doch wahrer Bericht über den Kampf gedruckt
stand. Hatte man doch zu dem Zweck einen Telegraphenapparat mit dem
Draht dort in Verbindung gebracht, um auch nicht einen Augenblick Zeit
zu verlieren, die werthvolle Nachricht zu verbreiten und einem Jeden
zugänglich zu machen.

Mir selber war das ganze Schauspiel, als überhaupt etwas Neues und in den
Zweck meiner Reise einschlagend, interessant genug, aber es ist jedenfalls
ein Beweis großer Brutalität, etwas Derartiges mit solchem Pomp und
Spektakel und solchen Vorbereitungen zur Schau zu tragen. Uebrigens zeigten
die Deutschen in Cincinnati deutlich genug, daß sie keine Freude an einer
solchen Bestialität finden, denn nur sehr Wenige waren draußen, und ich bin
auch ziemlich fest überzeugt, daß keiner von ihnen einen Cent auf solche
Menschenschinderei gewettet hat.


Leipzig, Druck von Giesecke & Devrient.



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Der Text des Originalbuches wurde grundsätzlich beibehalten, einschließlich
uneinheitlicher Schreibweisen wie beispielsweise "Camin" -- "Kamin",
"Canoe" -- "Kanoe", "erwiderte" -- "erwiederte", "Fourche-la-Fave" --
"Fourche la Fave" -- "Fourche-la-fave", "Jayhawker" -- "Jay-hawker",
"Palissaden" -- "Pallisaden", "Partei" -- "Parthei", "Petite Jeanne" --
"Petite-Jeanne", "Señora" -- "Sennora", "Señor" -- "Sennor", "wonach" --
"wornach",

mit folgenden Ausnahmen,

  Seite 6:
  "Missisippi" geändert in "Mississippi"
  (vom anderen Ufer des Mississippi eine Versammlung)

  Seite 13:
  "," eingefügt
  (rief der Major, »Sie reden gerade)

  Seite 22:
  "." eingefügt
  (seinen Besuch nicht erwartet haben. Aber was ging)

  Seite 26:
  "enfernteste" geändert in "entfernteste"
  (auf das Bett in die entfernteste Ecke des Hauses gelegt)

  Seite 34:
  "Furche-la-fave" geändert in "Fourche-la-fave"
  (Am Fourche-la-fave änderte sich in der nächsten Zeit)

  Seite 40:
  "zn" geändert in "zu"
  (von den Frauen selbst verhöhnt zu werden)

  Seite 40:
  "," eingefügt
  (rief der alte Mann,)

  Seite 47:
  "bisjetzt" geändert in "bis jetzt"
  (die sich bis jetzt der Einberufungs-Ordre entzogen)

  Seite 50:
  "Bushwacker" geändert in "Bushwhacker"
  (bekamen aber auch die Bushwhacker einen schlechten Namen)

  Seite 57:
  "peischte" geändert in "peitschte"
  (Während man sie dann peitschte)

  Seite 60:
  "," eingefügt
  (gegen Little Rock marschirt, um sich dort)

  Seite 113:
  "." geändert in "?"
  (oder wer ist sonst noch bei Dir?)

  Seite 122:
  "könnne" geändert in "können"
  (und dort nach Belieben wirthschaften können)

  Seite 126:
  "erkärten" geändert in "erklärten"
  (von der Welt für vogelfrei erklärten Jay-hawker)

  Seite 132:
  "Boyle's" geändert in "Boyles'"
  (kehrten sie nach Boyles' Farm zurück)

  Seite 133:
  "," eingefügt
  (»Weil ich kein Stück Blei im Leibe haben wollte,«)

  Seite 133:
  "," hinter "man" entfernt
  (Revolverpatronen kann man ein paar Stunden)

  Seite 138:
  "." geändert in "?"
  (Was ist denn das für eine Büchse, die Du da trägst?)

  Seite 168:
  "ententgangen" geändert in "entgangen"
  (ein vorbeigaloppirendes Pferd nicht entgangen)

  Seite 186:
  "," eingefügt
  (Er sah, wie sein Opfer noch einmal)

  Seite 192:
  "." eingefügt
  (und hielt mit seiner Arbeit inne.)

  Seite 196:
  "," eingefügt
  (die wenigen Hinterbliebenen, ihre Ernährer und)

  Seite 223:
  "." eingefügt
  (und sie dann, augenscheinlich befriedigt, neben sich legte.)

  Seite 265:
  "einen" geändert in "einem"
  (dann zog die Mannschaft mit einem)

  Seite 273:
  "," eingefügt
  (und kamen jetzt, wahrscheinlich um ihren gefangenen König)

  Seite 280:
  "Sie" geändert in "sie"
  (lauten Schrei ausstoßend liefen sie zu den)

  Seite 305:
  "," hinter "gerathen" entfernt
  (Sie müssen jedenfalls in ein falsches Haus gerathen sein)

  Seite 314:
  "." eingefügt
  (Geh nur rasch, daß Du keine Zeit versäumst.)

  Seite 329:
  "mi" geändert in "mit"
  (und die Luft mit ihrem Arom erfüllten)

  Seite 344:
  "Biättern" geändert in "Blättern"
  (mit Palmfasern oder Blättern gedeckt)

  Seite 353:
  "," eingefügt
  (»Es geschieht Ihnen Nichts,« lachte der Mexikaner)]





*** End of this LibraryBlog Digital Book "Kreuz und Quer, Dritter Band - Neue gesammelte Erzählungen" ***

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